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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Female Leadership Podcast von digital kompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute begehen wir den Kick-Off unseres komplett neuen Formats, worauf ich mich total freue, denn es soll bei diesem Format um Diversität gehen. Also Diversity, Männer in Führungsposition, Frauen in Führungsposition, was passiert dort eigentlich? Also ihr merkt, ein hochgradig aktuelles Thema und was auch, glaube ich, ganz viele Menschen beschäftigt, manchmal vielleicht auch ohne, dass sie es merken. Und in der heutigen Folge wird es darum gehen, dass wir euch einerseits mal unsere beiden tollen Moderatorinnen vorstellen, die kennt ihr schon, wenn ihr uns aufmerksam verfolgt. Und natürlich wollen wir euch auch mitgeben, was für eine Ausrichtung wir für dieses Format uns eigentlich gewählt haben. Wie das so ist, versuchen wir natürlich auch ein bisschen schon mal Erfahrungswerte und Aha-Momente aus der Praxis mitzugeben, weil wir haben ja hier zwei wirkliche Powerfrauen, die unternehmerisch extrem erfolgreich sind, auch schon ganz viel gesehen haben. Doch genug der Vorrede, Zeit euch mal vorzustellen, ihr Lieben. Hallo und herzlich willkommen, liebe Marina und liebe Miriam.
Marina Löwe: Hallo. Hi Joel.
Joel Kaczmarek: So, fangen wir mit Marina mal an, alphabetisch quasi. Stell dich doch mal ganz kurz vor, wer dich schon mal gehört hat, du sollst dich nicht wundern. Wir haben schon ganz spannende Sachen nämlich von dir auf der Plattform rund um das Thema Achtsamkeit. Aber wer dich noch nicht kennt, der soll jetzt mal erfahren, was du so tust.
Marina Löwe: Gerne. Ich bin Talent-Team- und Unternehmensentwicklerin und der andere Podcast bei euch, den ich leiten darf, ist Make it Mindful für mehr Achtsamkeit im Arbeitsleben. Und das ist auch die Hauptexpertise, nämlich Teams und Organisationen und Führungskräfte dahingehend zu begleiten, dass sie in Mindful Digital High Performance kommen. Also wie gehen wir mit der digitalen Transformation so um? nämlich achtsam im Idealfall, dass es wirklich in Hochleistung münden kann. Und Diversität hat so unfassbar viele Schnittstellen dazu, denn wenn wir über New Work reden, über wie können wir agiler sein, wie können wir innovativer am schnellen Markt mithalten, dann brauchst du möglichst viele sehr unterschiedliche Perspektiven, damit du die beste Lösung am Ende findest und die besten Ideen sich am Ende durchsetzen und nicht die Leute, die am stärksten oder am dominantesten oder am politischsten sind. Und von daher ist es definitiv das zweite Herzensthema geworden.
Joel Kaczmarek: Ja, und ich glaube, man kann sich auch vorstellen, wenn man wie wir ein Magazin sind, was irgendwie Zugriff auf viele gute Leute hat, wenn wir uns dazu entscheiden, mit einer Person noch ein zweites Format zu machen, dann wird die Person nicht so doof sein, sondern im Gegenteil extrem talentiert und sehr, sehr gut. Das heißt, ich freue mich da sehr drauf, dass wir noch mehr von dir bei uns zu hören kriegen, weil ich das täusche, wie du das machst. Die Gesprächsführung, die Struktur vor allem in deinen Podcasts, also ich glaube, da darf man sich auf viel Spannendes freuen. Zweiter Baustein, die liebe Miriam. Kennt man bei uns auch schon aus unserem Fintech-Format, wo ich ja zuletzt noch ganz viel mit dem anderen Bio-Rad aufgenommen habe. Mir lag auch da am Herzen, dich sozusagen nochmal in deine Paraderolle zu bringen, nämlich in die Führungsrolle, weil du siehst ja ganz, ganz viel jeden Tag und bist ja auch total präsent gerade in den Medien, da sagen wir gleich auch nochmal was zu. Aber hol mal Hörer ab, die dich noch nie gehört haben, wer du eigentlich bist und was du Schönes tust.
Miriam Wohlfahrt: Hallo, ja, ich bin Miriam Wohlfahrt. Ich bin Gründerin und Geschäftsführerin von RatePay. RatePay ist ein Online-Bezahlanbieter für Rechnungsraten, Kauf und Lastschrift im Internet. Ja, wir sind ein White-Label-Anbieter, das heißt, man sieht uns nicht so wirklich. Wir sind da im Hintergrund. Ich sage immer so, ich wäre immer gerne so ein bisschen wie Intel Inside. Ganz so groß sind wir natürlich noch nicht. Nicht, aber wir arbeiten da dran. Wir sind heute 260 Leute, Standort Berlin, arbeiten seit 2016 profitabel, verdienen sogar echtes Geld. Ich leite das Unternehmen zusammen mit meinem CEO Jesper. Deshalb kann ich viel aus Diversity und was macht es eigentlich, wenn man gewischte Teams hat und Stärkenschwächen. Da habe ich dann viel gelernt in den letzten Jahren und ich freue mich sehr dabei zu sein.
Joel Kaczmarek: Wenn man dich kennt, du bist so bodenständig und du erzählst immer so offen und ehrlich über deine Firma, das wirkt immer so familiär, dass man manchmal vergisst, wie groß ihr mittlerweile eigentlich schon seid, was für ein relevantes Schiff du dort sozusagen schon von der Brücke aus steuerst. Von daher bin ich natürlich gleich gespannt, wenn wir auch mal ein, zwei Erfahrungen von dir durchdeklinieren, was du da so zu teilen hast. Manchmal ist ist so im Leben. Ich habe das gerade mit einem zum Freund gewordenen Co-Moderator, dem Sebastian, wo wir immer so sagen, es gibt manchmal so Umlaufbahnen gemeinsam, auf denen man schwingt. Das heißt, wie so Satelliten kreist man irgendwie und manchmal sind die so synchron zueinander und ich habe den Eindruck, bei euch ist das auch so. Das heißt, ich habe euch beide ja eigentlich unabhängig voneinander so ein bisschen angesprochen, beziehungsweise Marina glaube ich auch mal erzählt, dass ich mit Miriam sowas mache und mich würde mal interessieren, wie ging es euch damit? Also als ich erzählt habe, ich würde gerne irgendwie ein Format machen, so in Richtung Female Leadership, auch Frauen in Führungspositionen, was entstehen da für Dynamiken? Was für ein Film ist dann in eurem Kopf angegangen?
Marina Löwe: Also das erste Treffen hatten Miriam und ich ja im Januar. Und da haben wir uns, glaube ich, die ganze Zeit über angeguckt. Und ich zumindest habe die ganze Zeit nur gedacht, boah, was für eine tolle Frau, wie cool das passt. Und es war einfach mega angenehm, mit dir ja zu arbeiten, Miriam, weil wir da wirklich viel gelacht haben. Und auch bei jedem einzelnen Podcast, glaube ich, das Gefühl hatten, boah, was ist das für ein toller Mensch, mit dem wir uns da auch einfach austauschen dürfen. Und es ist sogar ein regelmäßiger Online-Weinabend daraus entstanden, wo wir wirklich sagen müssen, das sind einfach ganz, ganz starke, spannende, inspirierende Menschen, die wir da treffen durften. und auch mit Miriam, das ist genau wie du das beschreibst, Joel, für mich jemand, der so offen und ehrlich Einblick auch in seiner Arbeits- und Gedankenwelt teilt, dass man da einfach wahnsinnig viel von lernen kann. Auch in der Gesprächsführung merke ich so diese eigenen Erfahrungen, die Miriam da einbringt, da habe ich auch schon einfach extrem viel von mitgenommen.
Joel Kaczmarek: Aber was war bei dir los, als ich zum ersten Mal zu dir meinte, du, ich mache da ein Format oder habe ich es im Kopf mit der Miriam, überlege ich, wie wir das tun sollten. Es soll um Frauen und Führungspositionen gehen, Geschlechterrollen und so weiter und so fort. Was hat dich bewogen, da zu sagen, oh wow, da hätte ich Lust drauf mitzumachen?
Marina Löwe: Also als ich mit Miriam gesprochen habe, waren wir uns zum Glück sofort einig, solange wir nicht nur auf die Frauen gucken, super gerne arbeiten. Also da waren wir direkt auf einer Wellenlänge, dass wir gesagt haben, lass es uns bitte ausweiten und sagen, okay, wir haben ja nicht nur als Frauen eine Herausforderung in bestimmten Sachen, sondern wie leicht kann ich als Mann Elternzeit einfordern? Wie werde ich da angeguckt? Oder wenn ich zu Hause bleiben möchte und meine Frau ist der Hauptverdiener, wird das eigentlich gesellschaftlich bei uns genauso geschätzt? Und was ist eigentlich mit sexueller Orientierung? Das ist für uns auch eine Geschlechterfrage. Also wieso ist das in manchen Firmen noch ein Thema, wenn ich zum Beispiel einen Mann habe als Partner, wenn ich ein Mann bin und kann da gar nicht so offen mit umgehen? Und was macht das eigentlich mit den Mitarbeitern, wenn sie nicht offen und ehrlich sie selber sein können, wenn sie sich irgendwo verstellen müssen oder anpassen müssen? Und ich glaube, da haben wir uns ganz gut getroffen. hoffen zu sagen, das ist ein Thema, wo es echt noch viel Aufklärung zu betreiben gibt, erschreckenderweise auch bei uns selber. Also ich muss gestehen, dass ich mit jedem Podcast mehr dazu lerne, weil es einfach was ist, wo ich mich sehr privilegiert gefühlt habe in der Vergangenheit und gar nicht benachteiligt, wo mir aber im Nachhinein auch an vielen Stellen gar nicht klar war, ach ja klar, weil für dich ist das Normalität, für dich ist das selbstverständlich, deshalb hast du es gar nicht in Frage gestellt.
Joel Kaczmarek: Was ist das bei dir, Miriam? Was ging so in deinem Kopf los, als ich meinte, wollen wir nicht mal in die Richtung was ausprobieren?
Miriam Wohlfahrt: Also erstmal fand ich die Idee total gut, aber genau das gleiche habe ich auch erstmal gedacht. Also nicht zu sehr Frauen, also nicht nur auf das Frauenthema, weil ich möchte auch nicht immer so in diese Frauenschublade gesteckt werden. Also weil ich glaube auch durchaus, dass man mich oft in der Presse kontaktiert hat, weil ich eine Frau bin und nicht, weil ich irgendwas gut gemacht habe oder so. Das hat mich schon auch manchmal gestört, muss ich sagen. Auf der anderen Seite habe ich auch gedacht, nee, es ist ja auch wichtig, da eine gewisse Sichtbarkeit zu bekommen und das eben auch zu machen. Dann habe ich gedacht, ich mag dich ja als Person so unheimlich gerne, Joelle. Und wenn du sagst, die Marina ist so super nett und das würde so gut passen, dann wird es schon richtig sein. Und ich bin dann auch immer ein Freund davon, auch neue Leute kennenzulernen, die dann auch vermeintlich gut zu mir passen. Eine meiner besten Freunde hier in Berlin, die habe ich über die Hebamme kennengelernt. Weil die Hebamme damals sagte, du Miriam, da gibt es noch eine Frau, die kriegt jetzt auch ein Kind und du brauchst ja dringend mal Kontakt. Ich war damals neu in Berlin, die würde gut passen. Also ich würde mich schon als einen sehr aufgeschlossenen Menschen auch betrachten und ich bin immer sehr daran interessiert, neue, sehr interessante, spannende Menschen kennenzulernen. Das macht mir Spaß. Und als ich dann Marina das erste Mal traf, habe ich dann irgendwie nach einer halben Stunde gleich gedacht, wow, es fühlt sich so an, als würde ich die jetzt schon ein paar Jahre kennen. Und habe auch gedacht, was cool ist, Marina ist ein sehr, sehr strukturierter Mensch. Ich bin das nicht so sehr. Ich glaube, manchmal habe ich ganz viele Kästen in meinem Gehirn, die unterschiedliche Dinge denken. Aber es ist manchmal schwer, eine feste Struktur zu haben. Und ich arbeite furchtbar gerne mit Leuten zusammen, die eben genau das haben. Und das macht mir immer sehr viel Spaß, weil ich dann immer denke, dann kann man sich echt gut ergänzen. Und ich habe mich sehr darüber gefreut, ja.
Joel Kaczmarek: Gut, also da haben wir quasi schon mal so ein paar Baustellen unseres Formats eigentlich festgehalten. Das heißt, wir wollen Diversität sehr, sehr weit gefächert denken. Mir ging es auch so, ich habe lange mit mir gekämpft, so ein Format zu machen. Aus zweierlei Gründen. Der erste war, dass es mir ein bisschen wie euch ging, dass ich irgendwie Weiblichkeit nicht als so eine Behinderung verstanden haben will. Dass man sich sozusagen wie so eine schützenswerte, vom Aussterben bedrohte Nashorngattung da im Unternehmenskontext benehmen sollte. Ja. Ja, weil das ist es nicht. Und das Zweite ist, mir ist ganz oft irgendwie der Zeigefinger zu weit erhoben. Also ich habe ganz oft so die Beobachtung gemacht, dass nicht über positive Role Models eine positive Assoziation gegeben wird, sondern mehr über Geschimpfe und Gezeter, was doch gerade im Argen ist und was nicht so gut ist. Ja, und ich glaube, das Es gibt ganz viele Menschen, die Emotionen mit diesem Thema in die eine oder in die andere Richtung verbinden. Also ich habe Leute irgendwie erlebt, die sagen, das ist total wichtig, wir brauchen das. Ich habe zum Beispiel ein Telefonat mit Lea Sophie Kramer im Kopf, wo ich mal meinte, dass wir das machen und die sagte, ja Joel, das will ja eigentlich keiner. Ich wollte auch nicht auf so eine Rolle, aber wenn du dann irgendwie da sitzt und merkst, die Anzahl an weiblichen CEOs bei Firmen mit irgendwie Größe 200 Mitarbeiter plus oder 50 Millionen Umsatz plus ist quasi inexistent, dann musst du halt was tun. Das war so eine Richtung. Dann hast du aber auch andere Richtungen, die sagen, ja, das ist mir alles so aggressiv, jetzt muss ich schon Bürgerinnensteig sagen am besten. Also das ist mir so eine Herzensangelegenheit, irgendwie einen positiven Zugang dazu zu finden, dass es schon der Wichtigkeit der Sache Rechnung trägt, aber dass man es halt auf eine Art und Weise macht, die irgendwie inkludiert, die Leute mit reinholt. Und deswegen, vielleicht darf man das auch mal sagen, das war eine schöne Idee von Marina, dass wir dieses Format veröffentlichen. Vieh und dann Male mit einem großen M Leadership nennen, dass das quasi wie so ein Bindestrich miteinander verbunden ist. Also es geht gerade genau um die Verbindung von beiden Geschlechtern, dass man halt auch mal in Diskurs kommt. Deswegen fand ich das eine coole Initiative zu sagen, hier reden nicht nur Frauen, weil das beobachte ich auch öfters, dass es so stille Kämmerleintreffen gibt. Da wird dann irgendwie so die Weißweinschorle in die Hand genommen und mal geschimpft, was alles Kacke ist und jetzt können wir uns auch mal verbrüdern und mhm. Und ich glaube, es ist immer besser, wenn man sowas embracen, sagt ja der Amerikaner, wenn man sich sozusagen so umarmt und inkludiert. Das gefällt mir sehr gut daran, wie ihr das macht. Und jetzt habe ich schon mal ein Ziel von mir gesagt. Wollen wir mal rüberrobben, was ihr so für Ziele verfolgt. Also wann sagt ihr, dass ihr mit dem Format zufrieden seid, wenn ihr so eine erste, zweite, dritte Staffel abgedreht habt? Was muss da für ein Ziel erfüllt sein, dass ihr sagt, wow, das hat sich gelohnt?
Miriam Wohlfahrt: Also sicherlich, wenn du auch konkrete Vorschläge und Tipps daraus ziehen kannst, wie du vielleicht irgendwie Leadership besser gestalten kannst. Also je mehr Podcasts wir bekommen, wo wir einfach auch, ich sag mal, lernen können, dann hat sich das schon gelohnt. Und wenn ich schon aus zwei in irgendwas lernen kann und für mich mitnehmen kann, dann finde ich das schon toll. Also ich selber möchte auch von den anderen lernen. Das ist auch mein großes Ziel.
Marina Löwe: Und wir haben es ja extra Geschlechterfragen in Führung eine Expedition genannt, weil wir gesagt haben, es geht darum, eigentlich genau zu explorieren, was gibt es denn da überhaupt für Themen, für Andockpunkte und auch für ganz konkrete Ansätze in der Praxis, an denen man drehen müsste. Da hast du Zum einen die Ebene Wirtschaft, dann hast du die Ebene Politik, aber auch Gesellschaft. Und das merken wir auch durch die Gespräche mit den Interviewpartnern, wie sehr der Kontext prägt. Also in welcher Kultur, sowohl in welchem Land, aber auch in welcher Unternehmenskultur bin ich zum Beispiel Mutter geworden? Oder habe ich als Mann mich geoutet? Oder habe ich gesagt, ich möchte gerne als Mann kürzer treten, um für die Familie mehr da zu sein? wie sehr das was ausmacht, ob das in deinem Umfeld okay ist und gefördert wird oder schräg angeguckt wird und wie schnell man sich anpasst. Und ich denke, so wie die Allbright Stiftung das macht, finde ich großartig. Es geht eben nicht darum, den Zeigefinger zu heben, sondern es geht darum, für das Thema zu sensibilisieren, eine Sichtbarkeit zu schaffen und zu sagen, hey Leute, wir haben ja noch ein bisschen was vor uns. Und wenn wir die Besten haben wollen, egal in welchem Bereich, egal ob es um das Ministeriumsteam geht oder um ein Führungsteam auf der höchsten Führungsebene im Konzern, wenn dann nur Leute aus der gleichen Altersgruppe mit dem gleichen Geschlecht, mit dem ähnlichen sozialen Hintergrund sitzen, dann kann es nicht die beste Konstellation für Erfolg sein. Und dann sehen wir auch zum Glück in Studien, die die DAX-Konzerne vergleichen, dass die, die am meisten Diversität leben, auch die wirtschaftlich erfolgreichsten sind. Und das hat eine Menge Gründe, warum das so ist. Und das finde ich sehr relevant, wenn das mehr Leute verstehen, dass es ein Erfolgsfaktor ist. Es ist kein müßiges, ich muss mal ins Fitnessstudio gehen, weil man das so machen muss, sondern es bringt dir halt am Ende auch einfach ganz viel, wenn du dich damit beschäftigst.
Joel Kaczmarek: Also man staunt ja am Ende des Tages, wie viel doch noch drin steckt. Also man denkt immer nur so, ach, das ist hier so Hormondebatte und dann ist hier irgendwie Sozialisationsdebatte und dies und das und jenes. So diese ganzen, weiß ich nicht, Oberflächlichkeiten und Vorurteile, die man so im Kopf hat, aber wenn man mitkriegt, okay, wow, Geschlechterfragen in Führung, das kann auch sein, ich bin ein Mann und fühle mich als Frau und wie werde ich dann aber in so einem Konstrukt sozusagen wahrgenommen? Oder Alter, wie werden ältere Frauen in Führungspositionen versus ältere Männer wahrgenommen? Also es gibt jetzt ganz, ganz viele Ebenen. Und was mich jetzt nochmal interessieren würde, ist, was habt ihr beide denn schon für Berührungspunkte gemacht mit Geschlechterfragen in Führung? Also ihr habt ja beide sowohl selbst erfolgreiche Karrieren als auch schon erfolgreiche Karrieren von der Seitenlinie begleitet. Wie ist es euch da so ergangen?
Miriam Wohlfahrt: Was mich sehr geprägt hat, also da war ich so Ende 20, da hatte ich eine sehr coole Chefin, da habe ich noch bei Habak Lloyd gearbeitet. Die war so ein bisschen Vorbild für mich, die war damals so Anfang 40, aber die war irgendwie cool und die war cooler als jetzt meine Eltern. Da habe ich gedacht, das gefällt mir, also ich möchte auch gerne so werden. Dann bin ich aber dort ja weggegangen und habe nachher einen Holländer als Chef gehabt, zu der Zeit, als ich eben schwanger geworden bin und der war eben auch sehr cool. Ich hatte vielleicht auch das Glück, auf der einen Seite denke ich Glück, aber nein, ich habe mir die Leute ja auch selber rausgesucht. Ich bin ja auch aktiv in diese Jobs gegangen. Und ich bin auch ehrlich gesagt den Menschen gefolgt in diese Jobs. Also diese Holländer, den habe ich kennengelernt und da wollte ich für ihn arbeiten. Und da habe ich gedacht, ja, cooler Typ. Und das hat mir aber immer sehr geholfen, weil ich das Gefühl hatte, wenn ich mit Menschen gearbeitet habe, die mich emotional weitergebracht haben und die mir auch Raum gegeben haben, mich selbst zu entwickeln, dann konnte ich mich auch wunderbar entwickeln. Und das war mein größtes Lessons learned, was Diversity auch angegangen ist. und Dann eben im Laufe der Jahre, als ich dann angefangen habe mit Ratepay, war es ja auch so, ich kann ganz viele Sachen überhaupt nicht. Und ich glaube, mein Talent ist es, die richtigen Leute zusammenzubringen, dass jeder das Richtige macht, zu erkennen, was kann der eine gut, was kann der andere schlecht. Und die dann vielleicht auch motivieren, zusammenzubringen, sodass sie eben auch gute Leistungen bringen und es denen Spaß macht. Und ein Umfeld zu schaffen, wo Menschen gerne sind. Das ist mir persönlich sehr wichtig. Also sehe ich auch so ein bisschen meine Rolle an. Also was muss ich eigentlich können und für was muss ich da sein? Aber Diversity in dem Fall ist eben auch, wenn man sieht bei Ratepay, wir haben ein Führungsteam, wir sind heute zu siebt, davon sind wir vier Frauen, drei Männer. Und wenn man sich das mal anguckt, jeder dieser sieben Personen hat komplett andere Stärken. Es ist keiner gleich und wir sind alle sehr, sehr unterschiedlich. Aber genau das ist für mich Diversity. Der eine kann Sachen sehr, sehr gut. die der andere gar nicht gut kann. Und so ergänzen wir uns wunderbar. Und ich glaube, heute ist es einer der Erfolgsfaktoren, warum wir es geschafft haben, über eine so lange Zeit auch so zusammenzuarbeiten und auch sehr eng zusammenzuarbeiten, hier kaum Fluktuation haben und ein richtig gutes Team geworden sind, dass wir einander total vertrauen und auch den jeweilig anderen machen lassen. Und das ist echt cool. Und warum sind dann so viele Frauen? Klar, weil ich natürlich aus meinem Netzwerk auch mehr Frauen rekrutiert habe. Jesper hat aus seinem Netzwerk Männer rekrutiert und so ist das dann irgendwie immer so entstanden. Dass es aber wunderbar gemischt ist.
Joel Kaczmarek: Hast du da mal irgendwie einen kleinen Tipp oder so einen Blick hinter die Kulissen? Weil bei mir ist es mal so, wenn Leute sehr anders sind, kann man viel draus ziehen, aber man reibt sich auch sehr stark aneinander, finde ich. Das kann bei Alter anfangen, das kann bei konservativ versus irgendwie locker anfangen, behördlich versus Startup. Also da gibt es ganz viele Ebenen. Ich merke, dass es manchmal mit ganz schön viel Schmerz verbunden ist.
Miriam Wohlfahrt: Ja, du hast recht. Also ich glaube natürlich, es muss irgendwo ein gemeinsamer Nenner sein. Ich glaube, bei uns ist der gemeinsame Nenner der, jeder von den sieben, das ist jemand, mit dem ich mich gerne abends hinsetze und einen Wein trinke. Das ist schon mal das Erste. Also ich glaube, wir haben nicht alle komplett andere Weltansichten oder sowas. Zwar ein bisschen der eine konservativer als der andere, aber trotzdem gibt es so ein Fit. Wir haben einmal so einen Workshop zusammen gemacht und haben gesagt, was muss man eigentlich sein, damit wir gut miteinander klarkommen? Wie wollen wir eigentlich Mitarbeiter haben? Wir haben gesagt, wir müssen koordinieren, cool im Kern. Das ist so ein bisschen, was wir uns als gemeinsamen Nenner irgendwie überlegt haben. Das ist es nämlich, weil es lässt sich nur schwer nach außen tragen. Was bedeutet das? Der eine sagt dann, ist es jetzt cool, Birkenstockschuhe zu tragen oder ein Hoodie zu tragen? oder ist es cool, ein Sakko zu tragen? Das hat nichts mit Äußerlichkeiten zu tun. Ich glaube, das hat vielleicht mit einer Grundeinstellung zu tun. Diese Grundeinstellung, die andere wertschätzt und wo es wirklich klar darum geht, loszulassen, Vertrauen zu geben und das zu erkennen, dass der andere echt die Sache toll macht und sich da nicht immer einzumischen.
Joel Kaczmarek: Aber jetzt klingt deine Erfahrung, die du mit Diversität gemacht hast, sehr positiv. War es so, dass du in deiner Karriere als Frau auch schon mal sehr negative Erfahrungen gemacht hast?
Miriam Wohlfahrt: Ganz früher, also da war ich noch sehr jung. Nach abgebrochenem Studium habe ich in der Reisebranche gearbeitet und bin dann irgendwann auch in der Reisebranche im Vertrieb gelandet und hatte Auch schon mal eine ganz komische Erfahrung. Ich bin dann auch mal Kundenbesuche gemacht und dann rief mich der eine Kunde an, es war ein großes Architekturbüro in Düsseldorf und der bestellte mich da zu einer anderen Adresse und dann kam ich dahin, dann kam der in einem weißen Bademantel. Ja, also das ist, da habe ich auch gedacht, okay, was ist denn das jetzt hier? Also das würde einem Mann jetzt nicht passieren, glaube ich zumindest nicht. Das war ein Erlebnis. und ein anderes Erlebnis hatte ich auch noch in der Reisebranche, das liegt vielleicht daran, da war ich dann noch jünger einfach, da war ich dann vielleicht für viele potenziell noch irgendwie ein Partnerschaftskandidat oder sowas. Dann habe ich auch mal ein mittelständisches Unternehmen betreut, auch in NRW. Da war ich dann bei den Firmeninhabern, hatte ich einen Besuch und dann meinte er, ja, Frau, damals hieß ich noch nicht Wohlfahrt, Frau Balz, ich hole jetzt mal meinen Sohn. Ich habe gedacht, ich stelle Ihnen ja auch mal meinen Sohn vor und wir können ja zusammen einen Cognac trinken. Ich so, okay, what the hell ist das? Also, das war nicht so positiv, aber ich habe dann immer für mich damals gedacht, okay, wie gehst du eigentlich mit solchen Sachen um, wenn dir sowas passiert? Dann habe ich gedacht, du musst es einfach ein bisschen auf die Schippe nehmen. Ja, du musst es lustig nehmen, aber du musst denen schon auch klar sagen, hey, sorry, mit mir nicht. Das ist mir danach nicht wieder passiert, weil, wie gesagt, als ich dann bei Hapag-Lloyd dort wegging, habe ich mir meinen Chef ausgesucht, den fand ich richtig cool, dort war ich sehr lange. Dort gab es das überhaupt nicht und seitdem hatte ich das Gott sei Dank auch nicht mehr, dieses, du bist jetzt hier die Frau und Man nimmt dich nicht für voll. Also ich bin dort eigentlich immer für voll genommen worden. Und heute, ich glaube, dann ab einem gewissen Alter hat es dann wieder den Vorteil, wenn du ganz lange in der Branche bist, man weiß, du kennst dich aus, du hast einen gewissen Ruf, weil du schon viel gemacht hast und so weiter. Heute macht man das nicht mehr. Also zumindest ist es mir nicht mehr passiert.
Joel Kaczmarek: Deswegen finde ich so ein Format eigentlich wichtig, wo wir merken werden, manchmal muss man auch mal versuchen, in den Schuhen des anderen zu laufen. Es gibt ja so afrikanische Völker, wo irgendwie die Männer, ich glaube, eine Woche die Kleider der Frau tragen müssen, bevor der Hochzeit, um sich einzufühlen, wie sich ihr Job anfühlt. Bei mir geht es auch so. Ich hatte vor kurzem irgendwie zwei Influencerinnen im Podcast. Der geht jetzt erst demnächst noch on air. Und dann erzählte die eine irgendwie so ihre ganzen Horrorgeschichten, wo die irgendwie mal da penetriert wird von irgendwelchen Männern. Auch teilweise war sie im Café und dann kommen die und versuchen, die nackt auf der Toilette zu filmen und solche Sachen. Das ist für einen Mann halt völlig unvorstellbar. Verstellbar, ja, das ist so. Da habe ich gemerkt, Wahnsinn, ganz andere Lebenswelt, in der die aktiv ist, ja. Es war aber zum Beispiel auch genauso, da habe ich zu denen gesagt, schickt mir bitte mal ein Foto von euch für unseren Podcast, wir illustrieren ja immer. Ich habe gesagt, schickt mir ein Frontalfoto. und dann habe ich so teilweise halbnackte Fotos von denen gekriegt und gesagt, nee, das passt nicht, wir brauchen irgendwie ein Frontalfoto, es sollte nach Business aussehen. Dann schickte die mir ein zweites Foto, wo die so ein Schnüeroberteil hatte, Ausschnitt bis zum Bauchnabel gefühlt und ich habe sie dann ganz offen angesprochen und sagte, du, ich finde das sehr lasziv, möchtest du so gesehen werden, dann machen wir das oder möchtest du nicht ein bisschen geschäftlicher wahrgenommen werden? Dann sagte sie, nö, wieso ist das denn lasziv? Ich ziehe mich immer so an, für mich ist das total normal und Das war ganz faszinierend, wenn man so gemerkt hat, okay, jeder ist auf so eigenen Wahrnehmungsleveln unterwegs. Also ich glaube schon, dass es lasziv ist, wenn man sich so einen Finger in den Mund steckt und ein tiefes Dekolleté hat, aber nevertheless habe ich auch gemerkt, dass es trotzdem auch immer Ecken der Arbeit gibt, wo andere Leute sagen, das empfinde ich gar nicht so. Ich zeige mich halt einfach sehr natürlich und so weiter. Gut, aber ich schweife ab in die Influencer-Tiefen. Marina, hol uns mal an deine Welt. Wie ist das bei dir so? Du hast ja auch ganz viele Unternehmen, die du vor allem von der Seitenlinie begleiten darfst und vielleicht manchmal muss, kannst. Was hast du da beobachtet in Richtung Diversity bisher?
Marina Löwe: Also zum einen ist mir aufgefallen, in wie vielen Männerdomänen ich mich bewege und wie ich mich unbewusst angepasst habe. Da musste ich dann teilweise schmunzeln, weil das so im Nachgang in meinen eigenen Reflexionsprozessen erst hochkam. Also ich bin eine blonde junge Psychologin, so bin ich zumindest gestartet, jetzt bin ich ja dann vielleicht nicht mehr ganz so jung, aber mit Mitte 20, wenn ich dann als Frau vor 50 Investoren bin. Investmentbankern gestanden habe, musste ich ein bisschen grinsen, weil mein Kollege, der war da so Ende 40, sagte, boah Marina, kannst du noch mal vor die Tür gehen? Ich so, warum? Weil die Männer hier immer völlig ausflippen. Sobald du drin bist, müssen die sich gegenseitig übertrumpfen. Sobald du vor der Tür bist, habe ich Ruhe. Dann kann ich mit denen gescheit arbeiten. Und ich so, was willst du mir denn damit sagen? Also da kannst du ja nichts für, aber das sind hier 50 Investmentbanker, alle so irgendwie Mitte 20 bis Ende 30 und die reagieren einfach auf dich, ob du das willst oder nicht. Das muss ich mir merken, dass das vielleicht keine gute Mischung mehr ist. Und das ist mir selber nicht so aufgefallen, weil ich den Unterschied ja nicht kenne. Also ich weiß nicht, wie die Männer miteinander sind, wenn ich aus dem Raum raus bin. Auf der anderen Seite gab es auch so einen Schlüsselmoment, wo ich im Flieger saß zu einem Workshop. Das war ein zwölf Männer und wir hatten so eine Jugendherberge, wo außer uns keiner war und ich wusste, ich bin mit denen die Nacht über alleine in dieser Jugendherberge und ich habe im Flieger gesessen und gedacht, wow, das ist mir völlig klar, dass es besonders ist, dass ich in einem Land lebe, wo ich weiß, ich bin hier völlig safe und ich mache mir nicht ansatzweise Gedanken, weil mir geht es wie Miriam, also ich hatte diese übergriffigen Momente einfach nicht. Also man hat sich mir immer respektvoll gegenüber verhalten, allerdings kenne ich die Geschichten von Freundinnen und auch Erlebnisse beim Rausgehen und merke, dass das schon was damit zu tun hat, wie ich mich unbewusst angepasst habe. Also bei einem Strategie-Workshop mit Geschäftsführungsteam zum Beispiel saßen die irgendwann alle die Hände hinterm Kopf verschränkt und dann Da hingen die da so im Stuhl breitbeinig und sagten, na, Frau Löwe, was sagen Sie denn dazu? Und dann habe ich mich unbewusst, das war gar nicht geplant, genauso im Stuhl zurückgelehnt, die Hände hinter den Kopf und habe gesagt, ja, die Herren ist ja ihre Strategie. Ich gebe die Frage mal zurück, was machen sie denn jetzt damit? Und davon gab es viele Situationen, wo mir gar nicht klar war, wie ich in diesen Statusspielen unbewusst mitspiele, was sich natürlich für mich lustiger anfühlt, ne? Weil das ist für mich keine Standardhaltung. Aber das ist auch einer der Gründe, warum ich viel in Jeans unterwegs war. Und so bei der amerikanischen Kollegin, die sagte, warum tragt ihr alle keine Kleider? Ihr seid alle so underdressed in Deutschland immer. Weil ich gesagt habe, ja, mir fällt das in Italien auch auf. Die Frauen tragen High Heels und tolle, enge Kleider. Das hat für mich eine Reaktion hervorgerufen im Business. Meistens die, die ich mir nicht gewünscht habe, Joel. Das, was du gerade gesagt hast. Ich finde es aber schade, weil eigentlich sollte es möglich sein, dass ich mich weiblich anziehen kann, dass ich das unterstreichen kann und dass da nicht deswegen, weil ich im Kleid rumlaufe, zwölf Männer ausflippen und nicht mehr wissen, wo sie ihre Konzentration lassen sollen. Aber es ist eben was, wo Diversität ja auch immer dir die Frage stellt, wo bewegst du dich? Was löst du aus? Ist das das, was du auslösen willst? Kannst du das umgehen oder ist das einfach so? Und das finde ich ist so der Balanceakt für jeden für sich auch, zu sagen, welchen Weg will ich denn da gehen?
Joel Kaczmarek: Ja, ist so herausfordernd, ne? Wir hatten heute Morgen auch gerade dieses Treffen mit den Influencerinnen Revue passieren lassen und ich hab gesagt, du, ich hab mich da latent unwohl gefühlt, weil die eine hatte so einen Oberteil an, ich weiß nicht, wie man dazu sagt, also wenn man keine Halter hat, wenn sozusagen der ganze Schulter-Büstenbereich quasi frei ist und nur so ein Strapsgummi hält dir quasi links und rechts an den Oberarmen das Oberteil fest, also Weiß ich nicht, das war unangenehm für mich. Wo gucke ich da überhaupt hin? Und dann hat sie genau dasselbe gesagt. Ja, aber Entschuldigung, muss man sich als Frau jetzt hier, weil ihr euch da unangenehm berührt fühlt, anders anziehen? Hab ich gesagt, nö, natürlich nicht. Aber frag dich mal, wie du es fändest, wenn ich eine Radlerhose tragen würde, wo sich mein ganzer Schritt abzeichnet, würdest du das dann auch unangenehm finden?
Miriam Wohlfahrt: Und ich sag Das ist ein guter Vergleich. Aber ich bin auch ganz bei Marina. Ich finde auch, eigentlich sollte sich jeder so kleiden können, wie er oder sie das gerne möchte. Also im Geschäftsleben ist es natürlich schon so, dass es wahrscheinlich schon, wenn du tief dekultierte Kleidung tragen würdest, dann kommt es oft nicht so gut an. Da gibt es dann schon so einen conscious bias, so nach dem Motto, wie ist denn diese Person? Also ich musste mich jetzt Gott sei Dank gar nicht so verstellen. Ich bin vom Typ her nicht so jemand, der so gekleidet ist. Das habe ich noch nie gemacht. Ich habe mich immer wie ein Mädchen gefühlt. Also ich hatte jetzt keine Probleme, dass ich jetzt dachte, ich bin auch ein Junge. Aber ich habe auch immer gerne mit Jungs Sachen gespielt, habe auch immer gerne mit Jungs gespielt, hatte als Jugendliche auch immer gerne Jungs als Freunde und glaube, ich kleide mich eher sportlich, deshalb mir fällt das nicht schwer, aber ich muss mich auch nie verkleiden oder sowas.
Marina Löwe: Ja, was du gerade sagst, Miriam, ist ja eigentlich genau der Punkt. Was haben wir im Kopf? für ein Führungsbild. Und das bewegt mich sehr. Wie kriegen wir das verändert? Und wie kriegen wir das auch in den Kontext gepackt, dass das halt eine Frage der Zeit und der Gesellschaft ist? Zum Beispiel, heute sagt man ja, Pink ist typisch Mädchen und Blau ist typisch männlich. Das war aber mal ganz umgedreht. Also früher war Pink die Power-Farbe für Männer und Blau war so das gediegene, dezente für die Frauen. Genauso waren Pumps und High Heels und Pelz und ganz lustige Kleidung zum Beispiel für Blumenfans Louis XIV und so, das war so ein exzentrisches Machtoutfit. Also das einfach mal für sich im Alltag bewusst dazu hinterfragen, was habe ich eigentlich für eine Meinungüberführung, weil da sind wir ja bei einem sehr ernsten Thema. Haben wir schon eine Chancengleichheit? Nein, die haben wir noch nicht. Weil wenn du Kinder zum Beispiel fragst, wer arbeitet bei der Feuerwehr, wer arbeitet bei der Polizei und wer macht die Menschen gesund? Dann malen die automatisch Männer, weil die Rollenvorbilder sind Arzt, Polizist, Und Feuerwehrmann. Da kommen Frauen einfach gar nicht so drin vor. Und es gibt einen ganz wichtigen Satz für mich, den man einfach gar nicht oft genug wiederholen kann. You can't be what you can't see. Wenn es diese Rollenvorbilder für Kinder gar nicht gibt. Und Miriam, du hast ja auch gesagt, wie wichtig das für dich war. Woher soll ich dann als Mädchen wissen, dass ich das werden kann, dass ich das schaffen kann? Da muss ich schon sehr eigen sein und einen sehr großen Dickschädel haben, dass ich sage, ich werde aber die erste Frau auf dem Mond. Ich werde aber bei der NASA die IBM-Rechner programmieren, selbst wenn ich eine schwarze Frau bin. Da gibt es einen ganz tollen Film, Hidden Figures. Aber diese Anerkennung kriege ich nicht und ich muss viel härter arbeiten. Es gibt nicht mal ein Klo für mich, weil das ja nur Männer da eigentlich sind. Man ist gar nicht gewohnt, mit mir umzugehen. Und da sollten wir meinen, dass wir Riesenschritte gemacht haben. Haben wir auch, aber allein diese Diskussion als Aufsichtsrätin Elternzeit nehmen zu können. Also allein, dass wir das noch diskutieren müssen, zeigt ja, dass wir da echt noch was vor der Brust haben. Und da hat jeder seine Biases, da nehme ich mich auch vollkommen mit rein. Was verstehen wir unter Führung? Wie sieht ein CEO eines Konzerns eigentlich aus? Wie sieht so ein Vorstand aus? Und wenn man schon sagt, ein Vorstand, ja, allein Vorständin zu sagen, ist schon wieder gewöhnungsbedürftig, weil man sagt halt, der Vorstand hat beschlossen. Aber das in die Köpfe zu kriegen, auch in den eigenen, das ist schon eine Challenge.
Miriam Wohlfahrt: Und wir brauchen auf jeden Fall neue Rollenbilder, weil wenn du dir die Welt von gestern anschaust, dann war der Vorstand da und der Vorstand hat alles gewusst. Der Vorstand hat immer gesagt, wie es geht, wo es lang geht, wie es funktioniert, wie die Sachen gemacht werden. Das geht heute nicht mehr. Die Unternehmen heute werden, vor allem wenn du mit Technologie zu tun hast, und ich meine in der Zukunft werden im Prinzip fast alle größeren Unternehmen irgendwie auch Technologieunternehmen werden, es wird nicht mehr eine Person geben, die das alles durchdringt, die das alles entscheiden kann. Es müssen mehrere Leute an der Spitze stehen. Ich finde, so dieser eine Vorstand, braucht man das überhaupt noch? Also ich glaube eher, dass du Unternehmen als Team führst. Ich glaube da ganz fest dran, weil du brauchst unterschiedliche Kompetenzen für unterschiedliche Bereiche. Das ist moderne Führung.
Marina Löwe: Und du musst loslassen können. Also das, was du eigentlich beschreibst, ist eine ganz andere Führungskompetenz, die sich entwickelt. Und die wurde bisher weniger gefördert und auch weniger gewertschätzt. Nämlich in der Lage zu sein, ein Team aufzubauen, in dem die Leute stärker sind als du. In dem der Einzelne besser ist als du. Und denen den Rahmen zu halten. Dass die ihre möglichst beste Leistung bringen können. Das ist eine Führungsaufgabe, auf die viele noch gar nicht vorbereitet sind, denn das bedeutet ganz viel Demut und was, was ich an Miriam auch sehr schätze, dieses, ich möchte mich verbessern, ich möchte dazulernen, ich möchte mir von anderen was abgucken. Das ist so eine Grundhaltung, wenn wir bisher geschätzt haben, dass der größte Experte am Steuer sitzt. Dann ist es ein verdammt großer, schwerer Sprung zu sagen, okay, ich war bisher der Experte, aber ich werde in Zukunft der Beste sein in der Führung, wenn ich weiß, was ich alles nicht weiß und wie ich an mein Team delegieren kann, sodass die gemeinsam als Team mit mir die beste Entscheidung treffen können.
Joel Kaczmarek: Ich bin vor allem auch mal gespannt, was für Instrumente ihr in eurem Podcast so rausarbeiten werdet. Weil in der Tat, als du die Geschichte eben erzählt hast, musste ich denken an Feuerwehrmann Sam. Der heißt Feuerwehrmann Sam und der heißt nicht Feuerwehrfrau Samantha oder so. Also sowas fängt es ja an. Und was ich halt so ganz viel gerade sehe aus der Praxis bei Leuten, die Therapie machen, dass man, wenn es irgendwie einen Missstand gibt, manchmal erst in so eine Reizhaltung geht, die irgendwie auch drüber ist als das, was wahrscheinlich gesund ist. Und dann pegelt es sich irgendwie wieder so ein. Und ich kann Dutzende von Beispielen mittlerweile erzählen. Ich erzähle mal die Geschichte von einem Unternehmen, was ich kenne, was irgendwie eine amerikanische Mutter hat. Wenn die nach New York fliegen für ihre Board-Meetings, halt die ihre Elevator-Rules einhalten müssen. Und dann haben die mir davon erzählt, ihr kennt die bestimmt beide auch, oder, diese Regeln? Wenn nicht, erzähle ich es auch nochmal für das geneigte Publikum. Das besagt im Prinzip, New York, hohes Gebäude, 60 Etagen oder sowas. Wenn ich als Mann in einen Fahrstuhl steige, fahre von 60 runter ans Erdgeschoss und in Etage 20 steigt eine Frau zu. dann muss ich aussteigen als Mann. Es ist mir verboten, als Mann mit einer Frau im Fahrstuhl zu fahren alleine. Oder wenn eine Frau alleine dasteht, lasse ich den Fahrstuhl vorbeifahren. Und da habe ich zu ihm gesagt, das finde ich unfassbar traurig. Also da wirst du ja einerseits als Mann unter Generalverdacht gestellt, du würdest hier Frauen nachstellen. Oder auch als Frau unter den Verdacht, du würdest Männer sozusagen den Vorwurf machen, sie zu belästigen, ohne dass das so ist. Wo er gesagt hat, ja, aber ich meine, Amerika, tak, tak, tak, tak, kommen dann so die Argumentationsketten. Also das fand ich grotesk. Jörg Reinbold hat mal irgendwie ein Zitat in einem dieser Bücher geschrieben, wo es um Ebay ging, der war ja zehn Jahre Ebay-Geschäftsführer, wo er geschrieben hat, ihn hat dann irgendwie aus den USA von Ebay nachts jemand angerufen und gesagt, du, wir haben hier zwei deutsche Kollegen von dir, wir müssen da mal reden, die haben hier bei uns quasi Beschwerde bekommen wegen Diskriminierung. Da hat er gesagt, ja, wieso, was ist denn da los, wer ist das denn? Ja, der und der. Alles klar, aber das sind total die netten Kollegen, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, was haben die denn gemacht? Ja, die sind irgendwie vor zwei Frauen ins Gebäude gegangen und haben denen die Tür aufgehalten. Ja, und da ist der rückwärts vom Stuhl gefallen und hat gesagt so, ja, aber das ist doch nur höflich und das ist, was ich so beispielhaft meine, wo ich so beobachte, das finde ich irgendwie ganz schön krass und da ist es für mich irgendwie drüber. Dann gibt es so andere Geschichten, wo ich irgendwie von einem Gründer gehört habe, der hat einen Sales-Mitarbeiter, der war in den USA und sagt zu einer Kollegin irgendwie, ja, du siehst aus wie ein Stripper. Ja, da denke ich, da gibt es keine zwei Meinungen. Ja, da ist dann wiederum in den USA totales Unverständnis da, dass der eine Abmahnung kriegt und nicht sofort rausfliegt. Also da merkt man ja so die unterschiedlichen Welten. Und da bin ich mal neugierig drauf, was ihr da für Instrumente zusammensammelt, wie man einerseits diese Ungerechtigkeit, die da passiert, in ein System gießt oder in Verhaltensweisen, die weder überzogen noch unterzogen sind. Und wie man andererseits quasi auch diese Denke mal öffnet, dass die Leute merken, okay, wow, es kann auch eine Polizistin sein und eine Ärztin und eine Feuerwehrfrau. Dass es alleine Feuerwehrmann heißt, ist eigentlich lustig, habe ich darüber nachgedacht.
Marina Löwe: Also ein gutes Beispiel dafür ist ja wirklich SAP. Die sind absoluter Vorreiter, die haben sowohl einen ganz tollen Ansatz über Diversity, aber bei denen merkst du auch, dass es Teil der Kultur ist.
Joel Kaczmarek: SAP als Vorreiter, das sagst du, wo die vor drei Wochen ihre weibliche CEO vor die Tür gesetzt haben oder die gegangen ist und der Mann das Gehalt verdoppelt kriegt.
Marina Löwe: Ja, und dann hieß es, in der Krise ist die Doppelspitze zu langsam. Genau, also da definitiv habe ich auch eine Meinung drüber, aber trotz der CEO-Nummer hast du natürlich ein Rating der Mitarbeiter darüber, wie wohl und sicher fühle ich mich denn generell hier mit sehr diversem Hintergrund und auch sehr diversen sexuellen Orientierungen. Darauf gucke ich gerade. Also die CEO-Nummer können wir gerne differenziert betrachten. Aber was Diversität auf jeden Fall braucht, und das siehst du da sehr gut Hand in Hand gehen, ist Achtsamkeit. Also wir sind ja auch mit eins der Unternehmen, was am meisten diesen Ansatz, wie können wir in der Organisation achtsam miteinander umgehen, das in den Arbeitsalltag integrieren. Warum ist das so? Zwei Sachen. Das eine ist emotionale Intelligenz. Du brauchst Für den Umgang mit so ganz komischen Situationen, gerade wenn die kulturell sensibel sind, brauchst du nicht nur eine kognitive Empathie, also dass ich theoretisch mir vorstellen kann, wie das jetzt für dich sein muss, Joel, wenn du da vor jemandem sitzt, der leicht bekleidet ist. Das zweite ist, kann ich mich wirklich in dich reinversetzen? Kann ich das fühlen? Und da gibt es sowas wie beim Schreiben die Dyslexie. Das gibt es auch in der Empathie. Das heißt, es gibt Menschen, die können das kognitiv vielleicht begreifen, aber die fühlen das nicht. Und die sitzen überproportional häufig teilweise in den Führungsetagen, weil noch was dazu kommt, Macht korrumpiert. Das heißt, je höher ich in der Hierarchie aufsteige, und das ist ein ganz normaler psychologischer Prozess, das ist gar nicht böse, das ist gar keine Absicht, aber es führt dazu, dass Menschen in höheren Hierarchiestufen häufiger unterbrechen, mehr Redeanteil haben, sich weniger schnell zurückmelden auf E-Mails oder Anfragen und auch häufiger diskriminierende Äußerungen tätigen. Warum? Weil es auch eine natürliche Hemmschwelle zu geben scheint, Feedback nach oben zu geben. Nach unten gebe ich es viel schneller. Und ich bin auch nicht mehr so angewiesen auf andere Leute. Das ist genau wie reich und arm. Also auch dazu gibt es Studien, dass Menschen, die einen höheren wirtschaftlichen Status haben, nicht mehr so empathisch sind. Die fühlen sich nicht mehr so ein. Warum? Ich bin ja nicht so abhängig davon, die Bedürfnisse des anderen zu verstehen. Der ist ja von mir eher abhängig. Ich kann mir ja alles kaufen. Also wenn ich Hilfe im Haushalt brauche oder beim Babysitten, dann bezahle ich jemanden dafür. Das kann ich mit weniger Mitteln gar nicht machen. Man sagt ja den Frauen manchmal auch nach, dass sie empathischer sind. Da muss man aber auch ganz klar sagen, wenn ich häufiger auf Unterstützung angewiesen Wenn ich mehr darauf angewiesen bin, dass ich einen tollen Chef habe oder Kollegen, die cool im Kern sind, weil sie mit mir umgehen und mich nicht benachteiligen, dann liegt das unter anderem im Moment noch daran, dass wir an manchen Stellen benachteiligt sind. Wirkliche, freie Entscheidung braucht auch materiellere Unabhängigkeit. Und das ist was, wo Achtsamkeit eine Brücke schlägt. Dass du eben lernst, wo bin ich denn so unsensibel eigentlich? Wo habe ich denn diese Biases? Und wie kann ich dann damit umgehen? Wie kann ich mich wieder dem mehr öffnen, dass man mir ein Feedback gibt, was eventuell auch schmerzt und wehtut? Und das ist das, was du gerade gesagt hast, Joelle, manche Leute können das einfach nicht fühlen, also die kriegen diese feinen, ungeschriebenen Regeln nicht mit. Die bewegen sich zum Beispiel in einem Konzern und bringen da Sprüche, wir hatten das auch einmal, dass wir einen Vertriebler hatten, der zu seiner Vertriebskollegin sagt, ja, jetzt tanzt doch mal hier eine Runde auf dem Tisch, da kannst du mal die Kunden animieren und der hat nur so Sachen gemacht. Und immer zu der Frau, dann sagte der Personaler, kannst du den coachen? Ich sage, tut mir leid, es gibt Leute, die sind nicht coachbar. Der kann das schlicht und ergreifend nicht. Also es gibt einen kleinen Prozentsatz an Leuten, die haben dieses Gefühl nicht. Sie fühlen es nämlich nicht, wenn der andere bedruckst guckt. Zum Beispiel Autisten können nicht so gut Gesichtsausdrücke lesen und die kommen aber auch mal gut in die Führung. Und das andere ist, ich muss es wissen, worauf ich achten muss. Und das kannst du wirklich mit Diversitätstrainings schulen, dass die Leute überhaupt klar haben, worauf kann ich denn achten? Was ist denn angemessen und unangemessen für die Frauen? Sich austauschen miteinander. Wo fühlt der Mann sich auch benachteiligt? Weil immer, wenn es was Schweres zu tragen gibt, wird der gefragt. Es gibt ein technisches Problem zu lösen. Klar, da wird der Mann gefragt. Warum machen die Frauen das nicht? Also wir haben ja Biases auf beiden Seiten.
Joel Kaczmarek: Ja, ich kann mich auch erinnern, wir hatten bei uns im Büro teilweise Situationen, also wahrscheinlich gab es sie nie so richtig, aber so in die Richtung, in der einen Sekunde regt sich Frau auf, dass sie anders behandelt wird als Frau. In der nächsten Sekunde am Kaffeetisch erzählt sie ganz stolz, dass sie ums Knöllchen rumgekommen ist, als sie wegen zu schnellen Fahrens angehalten wurde, weil sie nicht gelächelt hat. Also diese Klischees gibt es ja zu häufig.
Marina Löwe: Aber nicht lächeln kann man ja auch, wenn man ein Mann ist und aus dem Knöllchen rauskommt. Also solche Männer kenne ich auch.
Miriam Wohlfahrt: Ich auch. Es gibt auch weibliche Knöllchengeber.
Joel Kaczmarek: Wo du gerade gesagt hast, Fingerspitzengefühl. Mir hat mal jemand aus einem Unternehmen eine Geschichte erzählt. Da war ein Mitarbeiter, eine Führungskraft, war in den USA auch irgendwie zum Austausch und hat sich ein Paket ins Büro bestellt. Und dann lief er mit einer Frau, die für ihn gearbeitet hat, ich weiß nicht, ob es die Assistenz war, aber ich sage mal so, er war ihr sozusagen überstellt, lief er in sein Büro und die stand halt da, hat mit ihm diskutiert über Meetinginhalte, hat Notizen auf ihrem Blog gemacht und er hat sein Paket aufgemacht. und da war eine neu geschneiderte Anzugshose drin. Der Mann war homosexuell und dann hat er sich hinter seinen Stuhl gestellt, seine Hose ausgezogen und wollte diese neu geschneiderte Hose wieder anziehen. Die amerikanische Frau ließ kreidebleich den Block fallen, den Stift fallen, ist aus der Tür gerannt, kreischend durchs Büro. Der Mann ist ohne Hose, mit der Hose in der Hand hinter ihr hergerannt und hat immer gerufen, No, it's okay, it's okay, I'm gay, I'm gay, it's okay. Und diese Situation, also ich war ja nicht dabei, ich habe es ja nur erzählt bekommen, ja. Aber ich fand es so herrlich, weil es ist so, es ist total unangebracht, sich vor jemand anderem die Hose auszuziehen. Genauso kann man auch irgendwie sagen, Entschuldigung, Kollege, ich gehe jetzt mal hier kurz vor die Tür, du denkst mal drüber nach, ob das so passend ist und dann klären wir das mal hinterher one on one, so geht es irgendwie nicht. Man muss ja nicht schreien durchs Büro rennen, ja, aber das ist so, wo ich denke, okay, witzig eigentlich, weil es genau diesen ganzen Kontext irgendwie aufmacht, ja. Wie denkt der eine, wie denkt der andere, wie kann man damit umgehen?
Marina Löwe: Ja, weil ich kann der Frau die Tür aufhalten und ich kann ihr die Tür aufhalten. Die Frage ist, mit welchem Gesichtsausdruck machst du das? Ziehst du die Augenbraue dabei hoch? Kommt da so ein, weißt du, es kann total subtil sein. Und das ist der Unterschied zwischen Gentleman und Sexual Harassment. Also diese Linie ist einfach vollständig. fein. Und das Verrückte ist ja, dass viele dann wirklich sich total unschuldig fühlen und die meinen das auch ernst. Also die sind sich da einer Schuld nicht bewusst. Vielleicht, wenn man mal sensibilisiert ist, wird man da hypersensibel. Mich hat das Kellnern während des Studiums natürlich sehr abgehärtet, wo ich aber auch sagen muss, hey, müssen wir lernen, dass wir so blöde Sprüche und unangemessene Situationen immer mit Humor oder mit einem Konter bringen? Oder dürfen wir auch mal sagen, Entschuldigung, was war das denn jetzt? Also irgendjemand, der sagte, ja, du kannst ja hinterher dann noch den Boden wischen oder so, ne? Und dann sind zum Glück die Kollegen eingesprungen und haben gesagt, was heißt Für ein Macho-Problem? hier gerade geht es noch. Also es ist ganz viel situationsabhängig und Geschmacksfrage vielleicht, aber da ist Humor, hat eine ganz feine dünne Linie. Und da muss man halt aufpassen und sagen, wann ist es wirklich noch witzig und wann haut es einfach voll in diese Stereotypen-Schublade. Und da muss man sich fragen, will ich das? Will ich eigentlich jemand sein, der das verstärkt? Und was, wenn das meine Tochter wäre? Oder was, wenn das mein Sohn wäre? Fände ich das jetzt angemessen?
Joel Kaczmarek: Ja, ich finde auch, also ich habe mal gelernt von einem Komiker, das war so in dem ganzen Umfeld rund um Terrorismus, 9-11 glaube ich, der gesagt hat, Extremismus hat als Kerneigenschaft die völlige Abwesenheit von Humor. Und ich glaube, das ist ganz wichtig, dass wenn man sich über Missstände unterhält, dass man sich trotzdem noch irgendwie so ein bisschen Lockerheit bewahrt. und genau dieses Fingerspitzengefühl, weil ich gebe dir recht, am Ende des Tages ist so, so viel ist Kontext. Du kannst einen Satz in so vielen Arten sagen, also von daher Ich sehe schon, wir haben hier irgendwie vieles, was wir mit euch erschließen werden. Und was mich noch interessieren würde, man hat es ja, glaube ich, aus dem Gespräch schon gemerkt, ihr habt schon fleißig Folgen aufgezeichnet. Also deswegen haben wir unseren Kickoff, den wir quasi zeitlich später aufbringen, veröffentlichen, aber früher, dass wir solche Sachen auch schon mal mit einfließen lassen können. Hat dir jeder vielleicht so ein bis zwei Aha-Momente, die ihr mitgenommen habt aus den Gesprächen, die ihr schon geführt habt zum Thema Diversity?
Miriam Wohlfahrt: Also mein persönlicher Aha-Moment war, die stärksten Personen, die da rausgekommen sind, die haben den buntesten Lebenslauf gehabt. Dadurch hat man vielleicht nicht so diese Bias. Man hat einfach in unterschiedlichen Kulturen gelebt, mit unterschiedlichen Menschen gesprochen und es gibt nicht so diese feste Norm, der man sich vielleicht unterzogen hat und die man vielleicht auch nicht so im Kopf hat. Das fand ich sehr interessant. Und das hat mir wiederum gezeigt, wie wichtig das ist. Ich habe ja auch eine 15-jährige Tochter. Man muss versuchen, denen diese Norm nicht so zu geben, dass das so eine Sache ist, die von ihnen erwartet wird oder wie sie sein sollten. Man muss da gucken, dass da auch mehr Freiheit im Kopf entsteht. Das fand ich interessant.
Marina Löwe: Bei mir war es auf jeden Fall das einfach mal Ja sagen. Also wie sehr sich diejenigen, die in der Führung waren, dadurch ausgezeichnet haben, dass sie die ihnen sich bietenden Gelegenheiten angenommen haben. Und das ist schon was, was ich im Coaching noch unterschiedlich erlebe bei den Geschlechtern, dass wenn da eine Stellenanzeige ist, Männer, wissen wir auch aus Studien, eher die Tendenz haben zu sagen, ja gut, die Hälfte kann ich, den Rest lerne ich. Und dass Frauen eher sagen, ich kann aber zwei Punkte von den zehn nicht. Und da einfach zu sagen, ja, mache ich. Ich kann es noch nicht, aber ich werde es lernen. Also das ist auch irgendwie eher so eine Berufskrankheit von mir. Ich merke, wenn ich die Dinge zu gut kann, dann ist es Zeit, weiterzugehen. Das heißt, das hat eher so meinen Lebenslauf geprägt, wenn ich das Gefühl habe, okay, ist jetzt irgendwie alles ganz gut handelbar, dann muss es der nächste Schritt sein. Und bei mir ist es dann definitiv so, dass ganz neue Themen auch dazukommen. Und ich merke dieses Ja-Sagen zu Gelegenheiten, das ist vielleicht nicht bei jedem so gefördert worden. Also wie können wir das mehr fördern? Und auch noch ein Aha-Effekt war, du musst vielleicht hartnäckiger suchen. Also wenn du einen Mann in einem frauentypischen Bereich suchst, musst du vielleicht etwas hartnäckiger rekrutieren und andere Netzwerke anzapfen. Und genauso, wenn du eine Frau für eine Führungsposition suchst, etwas weiter über dein Netzwerk gehen. Und so wie der Steward, das er auch gesagt hat, für Sticks and Stones, die Messe, der ist selber homosexuell und sagte, mir ist gar nicht aufgefallen, dass ich am Anfang fast nur Männer auf den Bildern hatte. Und es waren auch fast nur männliche Teilnehmer. Also, dass jeder von uns ein Bias hat gegenüber den Themen, für die er gerade nicht sensibel ist. Das bedeutet ganz schön viel Achtsamkeit bei uns selber, bevor wir mit dem Finger auf andere Leute zeigen.
Joel Kaczmarek: Sehr schön. Dann bin ich gespannt, was ihr noch so für Aha-Momente über die unterschiedlichen Folgen hinweg produzieren werdet. Und ich freue mich schon sehr, sehr darauf, dass ihr das macht. Und für heute schon mal vielen Dank und natürlich auch insgesamt, dass ihr uns damit beglücken werdet. Freue ich mich schon sehr drauf. Dir auch.
Miriam Wohlfahrt: Dankeschön. Tschüss.