Bauch oder Kopf – die Kunst der richtigen Entscheidung

7. Juni 2018, mit Joel KaczmarekStefan Lammers

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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen High Performance Leadership Podcast von digital kompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und mit mir sitzt wieder unser Kenner in Sachen Führung, schlicht hin der gute Stefan Lammers. Hallo Stefan.

Stefan Lammers: Hallo Joel, freue mich wieder dabei zu sein.

Joel Kaczmarek: Man wird ja öfters im Leben vor Entscheidungen getroffen. und wie verhalte ich mich dann, ist die Frage. Und das soll heute unser Thema sein. Wir sprechen heute über Entscheidungssysteme. Das heißt, sehr, sehr oft hat man ja als Unternehmer, als Angestellter, als Manager, als Führungskraft die Situation, dass eine Entscheidung erforderlich ist. Und wir wollen natürlich einerseits darüber reden, wann ist das so, woran erkenne ich das? Weil manche sind ja gar nicht bereit, Entscheidungen zu treffen. Und das ist aber, glaube ich, sehr, sehr wichtig. Also manchmal ist ja das Schlimmste, keine Entscheidung zu treffen. Und dann wollen wir natürlich herauskristallisieren, wie mache ich das eigentlich? Wie gehe ich damit um? Welche Entscheidungssysteme gibt es da? Wie handhabe ich das Thema Gewinner und Verlierer? Kann ich das vielleicht positiv beeinflussen? Das soll heute unser Thema sein. So, that being said, steigen wir nochmal genau ein. Was betrachtest du als Entscheidung, beziehungsweise Wunsch? Woran erkenne ich, dass eine Situation gegeben ist, dass ich eine Entscheidung treffen muss?

Stefan Lammers: Schon wieder eine tolle Eingangsfrage, die nämlich gleich zum Kern kommt. In Unternehmen haben wir oft die Situation, dass wir scheinbar entscheiden, aber in Wirklichkeit geht es gar nicht um eine Entscheidung in dem Moment. Was braucht denn eigentlich eine Entscheidung? Da gibt es ein paar Kriterien, die es überhaupt braucht, dass es um eine Entscheidung geht. Es muss nämlich alternative Wahlmöglichkeiten geben. Das heißt, ich muss mehr oder weniger zwei gleichrangige Themen haben, die zur Diskussion stehen und auch eine wirkliche Alternative darstellen können. Und wenn wir uns das tatsächlich angucken, in der Regel, ich würde sogar sagen, in den meisten Unternehmen im überwiegenden Fall, geht es gar nicht um echte Entscheidungen zu treffen. Und das ist vielleicht nochmal ganz wichtig, sich das bewusst zu machen. Ist es jetzt eigentlich tatsächlich eine Entscheidung? Also gibt es gleichwertige Alternativen, die ich treffen kann? Oder handelt es sich um etwas, wo es eigentlich nur noch um eine Legitimation geht von irgendetwas? Und eine Legitimation kann ich viel, viel schneller treffen. Sie wird aber oft nicht getroffen und dadurch entstehen Lähmungssituationen. Wenn wir jetzt auf Entscheidungen rübergehen, das heißt also, ich habe wirklich die Wahl zwischen zwei Dingen, dann geht es oft darum, dass es eben tatsächlich zu einer Entscheidung kommt. Und auch das stellen wir oft fest, wenn wir in Unternehmen unterwegs sind, dass Führungskräfte teilweise, das wird dann oft auch als Entscheidungsschwäche beschrieben, dass sie aus welchen Gründen auch immer, da können wir vielleicht später drauf kommen, nicht in der Lage sind, möglichst zügig oder zum richtigen Zeitpunkt eine Entscheidung

Joel Kaczmarek: zu treffen. Nun ist es doch aber manchmal so, dass man eigentlich die ganze Zeit multiple Entscheidungen treffen könnte. Also bei jedem Mitarbeiter zum Beispiel kann ich ja jederzeit sagen, ist der für mich noch der Richtige, muss ich den austauschen, muss ich den auf eine neue Position setzen. Also mal so ein Beispiel. Es kann ja ein typischer Fall von einer Notwendigkeit einer Entscheidung sein, dass eine Person nicht performt. Dann kommt vielleicht ein Momentum rein, dass ich sage, ich bin mit der Performance nicht zufrieden, ich könnte sie irgendwie jetzt mal auf eine andere Stelle setzen oder vielleicht brauche ich eine andere Person, weil sie nicht mehr passt aus irgendeinem Grund. Das heißt, du hast ja eigentlich nonstop überall Entscheidungsmöglichkeiten, die ganze Zeit. Absolut.

Stefan Lammers: Kernaufgabe einer Führungskraft.

Joel Kaczmarek: Also muss es doch aber anscheinend auch irgendeine Form von Katalysator geben, das Handlungsdruck zunimmt. Ist Handlungsdruck sozusagen der Entscheidungsfaktor, eine Entscheidung zu treffen oder wonach richtest du den?

Stefan Lammers: Viele Menschen machen das nach Handlungsdruck und das tue ich auch. Aber das ist nicht immer die beste Wahl. Sondern da ist man ja oft eben ausgeliefert in dem Moment. Und letztendlich, Handlungsdruck sagt schon aus, dass ich eigentlich nicht rechtzeitig die richtigen Entscheidungen getroffen habe, um irgendwo hinzukommen. Also wieso komme ich denn überhaupt unter Handlungsdruck? Vermutlich, weil ich nicht rechtzeitig vorher die richtigen Weichen gestellt habe. Und Weichenstellungen sind Entscheidungen, die ich treffen muss. Eine Führungskraft läuft oft davor weg, die richtigen Sachen zu Anfang zu treffen. Womit hat das zu tun? Meine Beobachtung ist an dieser Stelle, dass viele Menschen einfach diesen Druck brauchen, um gezwungen zu werden, eine Entscheidung zu treffen und dass sie die Anfänge, wo eigentlich noch leicht entschieden werden könnte, verpassen, weil sie es noch nicht wichtig genug nehmen in diesem Moment, es für die noch nicht die richtige Bedeutung hat und sie noch nicht abstrahieren können, was aus dieser Situation in der Zukunft entstehen kann für eine Bedeutung. Das heißt also, eigentlich müssen wir viel achtsamer mit den Situationen umgehen, die anstehen, um rechtzeitig Entscheidungen zu treffen. Beispielsweise, nur in deinem Beispiel, treffe ich die Entscheidung, dass ich es einfach laufen lasse, wenn ein Mitarbeiter nicht so performt hat, wie ich mir das vorstelle. Oder habe ich die Entscheidung getroffen, dass ich den Mitarbeiter mit der brutalen Wahrheit konfrontiere? Das heißt also sagen, wo meine Unzufriedenheit gerade ist und was das auf lange Sicht auch für Konsequenzen nach sich zieht. Und das ist eben eine Entscheidung, die ich für mich treffen muss. Ich weiß im Grunde genommen, wenn ich das nicht mache, dass ich so oder so irgendwann unter Handlungsdruck gerate und dann möglicherweise eine viel härtere Entscheidung treffen muss und ein Mitarbeiter vor mir steht und sagt, das verstehe ich jetzt überhaupt nicht, dass du jetzt diese Entscheidung triffst, weil du hast mich ja vorher gar nicht darüber informiert, was eigentlich deine Erwartung war. Und insofern achtsam sein mit denen, bei solchen Prozessen, wie du es gerade beschreibst, gerade im Bereich Personal. Je früher ich Entscheidungen treffe, Dinge klar zu äußern, Dinge klar zu artikulieren, umso einfacher wird es für mich eigentlich auf Dauer.

Joel Kaczmarek: als jemand, der mit sehr vielen Menschen im Führungsbereich arbeitet, über alle Hierarchie-Ebenen hinweg, über alle Unternehmenstypen hinweg, auch Unternehmensgrößen. Was sagt deine Erfahrung? Haben die Leute eher damit ein Problem zu erkennen, wann eine Entscheidung notwendig ist? Oder haben sie eher damit ein Problem, wirklich so konsequent zu sein und es auch umzusetzen? Es kann ja sein, dass ich merke, okay, hier ist was irgendwie im Argen, ich habe aber nicht den Arsch in der Hose. Also ist es eher so nicht die Augen im Kopf oder nicht den Arsch in der Hose?

Stefan Lammers: Ich glaube, es ist beides in unterschiedlichen Situationen. Also es ist einmal die mangelnde Achtsamkeit in dem Moment, dass man diesen Dingen einfach zu einem bestimmten Zeitpunkt noch keine Bedeutung beimisst, in denen man eigentlich noch gute, leichte, kleine Entscheidungen treffen könnte und damit viel bewirken könnte. Und auf der anderen Seite ist es tatsächlich auch dieses Thema, keinen Arsch in der Hose zu haben. Es ist eben nicht einfach, anderen Menschen ein ehrliches Feedback zu geben. Was ich auch anerkenne und was ich oft sehe, ist eben dieses Dilemma, dass ich mir sage, ich brauche den jetzt aber unbedingt, der muss jetzt gerade aber auch noch performen. Und da gibt es so ein Irrglauben, wenn ich dem die Wahrheit einschenke, dann performt er plötzlich nicht mehr und bringt nicht mehr seine Leistung, die ich aber irgendwie brauche. Und das ist halt ein Irrglaube, da haben wir an anderer Stelle schon drüber gesprochen, selbst wenn einer in einem Team seine Leistung nicht mehr erbringt und er kriegt eine klare Ansage, dann gibt es auf der einen Seite durchaus die Situation, dass dieser aufwacht und plötzlich aktiv wird. Es gibt aber auch durchaus die Geschichte, dass die anderen das registrieren und damit plötzlich leistungsfähiger werden, auch wenn der Einzelne dann abfällt in der eigenen Leistung. Also die Wahrscheinlichkeit, dass da tatsächlich eine Konsequenz heraus entsteht, die negativ ist in der Produktivität, ist relativ gering.

Joel Kaczmarek: Hast du einen Tipp für eine Übung oder eine Art von Selbstexperiment, wie man seine Entscheidungsfähigkeit verbessern kann, wie man den Mut erhöhen kann, so etwas zu tun und vielleicht auch mal Missstimmung auszuhalten, die durch Entscheidungen entstehen kann?

Stefan Lammers: Ja, das kann man so ein bisschen aus der Verhaltenstherapie Ansätze nehmen an dieser Stelle und einfach Dinge auszuprobieren. Und dann macht es an gefahrlosen Ecken. Also jetzt einfach mal in kleinen Dingen, die ihr sonst normalerweise nicht sofort auf den Tisch bringt, sie mal auf den Tisch zu bringen und zu gucken, wie reagieren denn andere damit. Darauf ist jetzt nicht alles abzuleiten, wie es in Zukunft andere darauf reagieren, aber es gibt einem vielleicht eine andere Sensibilität. Und das kann auch einfach sein in ganz unterschiedlichen Kontexten. Also das kann sein in der Familie, das kann sein im Verein, das kann aber auch sein, wenn ich in irgendeinem Hotel unterwegs bin, inwieweit traue ich mich dem Hotel, irgendetwas zu sagen oder nicht zu sagen. Also ich nehme jetzt mal ein Beispiel von gestern Abend. Da war ich mit meiner Familie essen, in einem Steakhaus. Und ich habe das Steak zurückgehen lassen, weil es nicht in der Qualität war, wie ich mir das vorgestellt habe. Und habe aber gleichzeitig auch meine Anerkennung für den sonstigen Service ausgesprochen. Ich bin nicht wütend gewesen oder sonst was, sondern habe einfach dieses Resultat, was nicht stimmt, zurückgespiegelt. Dann hat man mir ein neues Steak gebracht, hat auch die Ofenkartoffel, die ich schon eigentlich aufgegessen hatte, hat mir eine neue gebracht. Dann habe ich wieder was davon gegessen. Und habe dann aber festgestellt, dass das Innere noch praktisch roh gewesen ist und habe es liegen gelassen. Und dann kam die Bedienung zu mir und sagte, Ihnen schmeckt es immer noch nicht. Ich sage, ja, ganz ehrlich, der Part immer noch nicht. Aber ansonsten bin ich richtig gut zufrieden hier. Das Ende vom Lied war, man darf das ja eigentlich kaum erzählen, wir haben unsere Getränke nicht bezahlen müssen. Uns ist ein kleines Essen runtergenommen worden von der Karte. Wir haben ein großes Dessert für alle kostenlos bekommen. Wir haben zum Schluss noch drei Gutscheine für ein Dessert für die Zukunft bekommen. Also wir haben sozusagen jetzt gegessen, ich sage jetzt mal für einen halben Preis, indem wir ganz klares Feedback gegeben haben über das, was nicht richtig war in dem Moment, indem wir diese Entscheidung getroffen haben und gleichzeitig die Entscheidung getroffen haben, aber auch das, was gut ist, zu wertschätzen. Und das ist eben teilweise wirklich diese Achtsamkeit, worauf kommt es jetzt bei einer Entscheidung an? Was ist das, was ich auch daraus mache und wie ich dann anschließend damit umgehe? Und genauso funktioniert das bei Mitarbeitern oder an anderer Stelle.

Joel Kaczmarek: Wenn wir uns jetzt mal rüberrobben zum Thema Umgang mit Entscheidungen. Ist das eine erste Lehre oder habe ich das jetzt richtig abgeleitet, dass wenn ich eine Entscheidung treffe, dass ich auch immer den Kontext beisteuern sollte, also dass man versuchen sollte zu erklären, warum wir das so tun oder welche Zielsetzung wir alle gemeinsam verfolgen, vielleicht wieder auf die Vision, die wir schon mal in unserem allerersten Podcast hatten, abzuspielen. Muss ich loben, wenn etwas schlecht läuft und ich es trotzdem ändere? Was wären da Umgangsarten, um das einzuleuten?

Stefan Lammers: Also das muss ich mir anschauen, wie die Situation gerade ist, weshalb es entweder nicht zu einer Entscheidung kommt oder sie vertagt wird. Da muss ich mir das Umfeld angucken. Es kann sein, dass es nicht allen klar ist, worum es gerade geht. Dann muss ich das natürlich wieder entsprechend deutlich machen. Es kann sein, dass Status und Ego vor Zielorientierung ist gerade. Da möchte einer seinen Part gerade durchsetzen. Ein typisches Ding in Teammeetings, wo jemand für seine Abteilung zuständig ist, aber die Bereichsziele nicht unterstützt. Und dann ist er und seine Ergebnisse sich wichtiger als das Gesamtteamziel. Und da ist eben die Frage, was habe ich dort für eine Haltung in der Truppe? und da würde ich dann arbeiten in dem Moment. Also das heißt, es gibt auch einen Rahmen dafür, den ich als Führungskraft kreieren muss, wie Entscheidungen bei mir stattfinden dann nachher. Und dann gibt es natürlich tatsächlich auch dieses Thema, was habe ich denn für Entscheidungssysteme etabliert bei mir? Also wie arbeite ich denn? Und da würde ich jetzt mal anfangen zu sagen, habt im Blick, seid achtsam auch wieder für dieses Thema Win-Win. Das einzige System, was auf Dauer für alle produktiv funktioniert, ist, wenn jeder einen Nutzen davon hat, diese Entscheidung zu treffen. Und aus dem Ergebnis, was in der Entscheidung getroffen wird. Alles, wo ich der Gewinner bin und der andere ist der Verlierer in einer Entscheidung. Das wird vielleicht einmal gut gehen, aber auf Dauer wird der andere versuchen, immer wieder auch gute Entscheidungen für sich herauszuholen. Das heißt, ihr habt immer ein Gegeneinander. Also eine Win-Lose-Situation wird auf Dauer immer eine Lose-Lose-Situation. Genauso, wenn ich verliere die ganze Zeit und der andere immer gewinnt, bin ich irgendwann unzufrieden und werde versuchen, meine Dinge durchzusetzen. Also auch eine Lose-Win-Situation führt immer zu einer Lose-Lose-Situation. Deswegen bin ich auch kein Anhänger von Kompromissen. Weil bei Kompromissen haben beide Seiten verloren. Das ist dann eine Lose-Lose-Situation. Da ist dann gar nichts mehr drin. Also was ist denn dann die Motivation von den Leuten, irgendetwas zu tun? Also für mich ist es immer wichtig, danach zu schauen, was sind eben unsere Gewinne, die wir in dieser Situation haben.

Joel Kaczmarek: Aber das ist ja gar nicht so einfach. Also man sollte ja eigentlich, so wie ich dich verstehe, idealerweise gar nicht danach schauen, bin ich jetzt der Gewinner, sondern ist unsere gesamte Organisation der Gewinner. Also zahlt das auf unsere Vision ein, was wir tun wollen, auf unsere Werte. Da soll es ja gar nicht darum gehen, ob jetzt Person X oder Person Y seine Bereichsziele erreicht, idealerweise. Das heißt, es wird doch relativ oft so sein, dass vielleicht jemand kurzfristig gewinnt und es ist aber im Sinne der Organisation langfristig besser. Das stelle ich mir gar nicht so trivial vor, auszugleichen.

Stefan Lammers: Da bin ich bei dir, das ist auch nicht trivial. Das ist eine Frage, was ich für eine Grundhaltung in der Organisation und in dem Team geschaffen habe, aber das ist eben eine Führungsaufgabe, sich damit zu beschäftigen. Und wenn ich halt egoistisch einfach nur unterwegs bin und da sind verschiedene Egos, die die ganze Zeit gegeneinander knallen, dann ist das keine hohe Produktivität mehr, sondern es geht auf Kosten der Produktivität. Wenn ich aber diese Egos nutze, und sie konstruktiv einsetze, dass die also auch ihre Anerkennung finden, aber ich gleichzeitig die Energie nutze, um im Sinne des Teams oder der Organisation das beste Ergebnis zu erreichen, dann bin ich dann einfach wieder besser drin. Und da bin ich dann auch in einem Win-Win-Bereich.

Joel Kaczmarek: Ehe wir jetzt mal weiter auf andere Entscheidungssysteme eingehen, lass uns vielleicht nochmal einen Satz zum Thema Umgang mit Entscheidungen. fallen lassen. Also wonach bemesse ich denn eigentlich die Entscheidungslogik? Also Beispiel 1, ich könnte ja irgendwie sagen, ich gehe da ganz rational ran, ich gucke mir bestimmte KPIs an, also eine Form von Rationalität kann zum Beispiel Datenbasiertheit sein, aber was man ja ganz oft im Unternehmerumfeld hat, ist so Bauchgefühl, Bauchentscheidung, so Intuition. Was lehrt da die Erfahrung? Was trägt einen weiter? Sollte man beides kombinieren? Wie gehst du an sowas ran?

Stefan Lammers: Also jetzt komme ich mit der Erfahrung.

Joel Kaczmarek: Das ist auch noch ein Widerpunkt übrigens. Erfahrung als Entscheidungsgrundlage kann ja auch aber schwierig sein.

Stefan Lammers: Ja, wenn man sich heute neurowissenschaftliche Untersuchungen anschaut. Es gibt tolle Dokumentationen vom BBC dazu. Das automatisierte Gehirn beispielsweise gab es mal im ARD eine Dokumentation zu. Kann ich wirklich nur empfehlen, wenn jemand das sehen kann. Also wenn man diesen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen folgert, sind wir eigentlich viel weniger in der Lage, eine Entscheidung zu treffen, als wir das eigentlich denken. Es gibt natürlich in vielen Bereichen eine Notwendigkeit, Fakten abzuschätzen und zu gucken, was aus diesen Fakten am Ende rauskommt. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass unser Gehirn einfach eine viel, viel größere Kapazität hat insgesamt. Denn es hat alles gespeichert, was wir in unserem Leben erlebt haben. Und dadurch gibt es eine viel, viel höhere Treffergenauigkeit, als wir uns das gerade vorstellen können. Und insofern bin ich ein großer Freund davon, beides zusammenzubringen. Zwar auf der einen Seite auch eine gute Faktenlage zu schaffen, da wo es nötig ist, umso tiefer, aber auf der anderen Seite eben auch auf den Bauch zu hören. Und jeder von uns kennt das, glaube ich, dass man schon Entscheidungen getroffen hat auf einer Faktenlage, wo man hinterher sagt, mein Bauchgefühl hat mir aber auch ganz was anderes gesagt. Und das sollte man schon beides auch in den Raum geben und danach schauen, was das bedeutet. Es gab beispielsweise mal eine Suche nach einem U-Boot. Und ehrlich gesagt, ich muss das jetzt dabei sagen, ich habe diese Geschichte nie verifiziert, aber ich habe sie jetzt schon mehrfach gehört, dass einmal ein U-Boot verloren gegangen ist und dass man dann die Fachleute gefragt hat, wo es liegt. Und dann hat man es nicht gefunden. Und dann hat man einfach alle Leute gefragt, was sie denn tippen auf der Strecke von da nach da, wo es liegt. Und hat daraus ein Mittel gewichtet. Und da hat man es gefunden. Also es gibt manchmal Sachen zwischen Gut und Böse, die kann man nicht nachvollziehen. Und ich sage mal, wenn wir so viele Kapazitäten haben, die wir ungenutzt in uns haben mit unserem Gehirn, dann sollten wir denen auch ein Forum bieten. Und auch durchaus eben das Gefühl mit beachten bei Entscheidungen.

Joel Kaczmarek: Das ist mir trotzdem noch ein bisschen zu unpräzise. Also ich schneide jetzt mit, man sollte schon Fakten angucken, aber auch auf den Bauch hören, war jetzt so die Basisantwort. Jetzt ist es ja so, wenn wir zum Beispiel Startups haben oder auch wenn man als Mittelständler meinetwegen sich ein neues Geschäftsmodell erschließt, kommt es halt ganz oft vor, dass man mit Situationen konfrontiert ist, Sachen sich überlegen muss, die man einfach noch nie getan hat. Bei mir zum Beispiel auch, so Podcast-Welt erschließen, Ich habe zwar ein Magazin schon mal gebaut, aber ich habe noch nie ein podcastorientiertes Magazin gebaut. Da hilft einem ja die Erfahrung manchmal nur bedingt weiter. Wie kann ich denn aber eine Entscheidung treffen, wenn ich mich in einem komplett neuen Feld bewege? Sollte ich da trotzdem auch, also gilt da die gleiche Regel?

Stefan Lammers: Naja, aber wenn wir uns jetzt heute angucken, gerade in der heutigen Welt, haben wir doch die Situation, dass es alles um Geschwindigkeit geht. Also ich war am Wochenende jetzt wieder auf der Agile Ruhr und was mir aufgefallen ist, es geht die ganze Zeit nur um Tempo und Geschwindigkeit letztendlich. Wie soll ich mir, wenn ich neu ein Feld erschließe, alles auf faktenbasierter Art und Weise machen? Und meistens sagt uns doch das Gefühl als erstes, dass es hier vielleicht eine Möglichkeit gibt, eine Option gibt, da in irgendeiner Form reinzugehen. Und da soll man auch diesem Gefühl folgen. Und ich glaube, das ist ja auch das, was hier ja zusammenkommt mit der Entscheidungsfindung, ist diese Bereitschaft, Fehler zu machen. Und ich will das jetzt nicht als Trial and Error betrachten, sondern ich will es eher dazu betrachten, wirklich eben aus diesem Fail Fast, um daraus zu lernen. Das heißt also, ja, ich bin eher der Freund zu sagen, ich treffe eine Entscheidung, habe dabei auch einen Fehler, den ich in Kauf nehme, aber lerne dann daraus und gucke, wie ich mich weiterentwickeln kann. Und ich glaube, das wird uns in der Zukunft viel, viel helfen, um mit komplexen Situationen zu dealen. Wir haben heute so oft so komplexe Situationen, dass es keine einfache Antwort mehr darauf gibt. Und da ist die Frage, kann ich das mit einer Faktenlösung in dem Moment schaffen oder bin ich da nicht viel eher auf ein Gefühl angewiesen und dann dem zu folgen, meine Lehren daraus zu ziehen und in einem iterativen Prozess besser zu werden.

Joel Kaczmarek: Wenn du sagst, es muss alles immer schneller entschieden werden, was ja definitiv stimmt, würde ich auch unterschreiben. Und ich glaube, es gibt auch diesen Satz von Mark Zuckerberg, so sinngemäß, diejenigen, die am wahrscheinlichsten aussterben werden, sind die, die nicht in der Lage sind zu entscheiden. Und auch, das können wir als Nachsatz machen, möglichst schnell. Ist denn Geschwindigkeit bei Entscheidungen etwas Gutes, oder würdest du sagen, das ist jetzt bestimmt so eine kommt-darauf-an-Antwort, aber welche Rolle spielt denn Geschwindigkeit bei Entscheidungen?

Stefan Lammers: Eine ganz, ganz große. Also bei Entscheidungen ist schon Timing einfach eine große Geschichte. Also wenn wir uns jetzt mal angucken, ich gehe jetzt mal gerade so in diese startstragende Geschichte mit der Wiedervereinigung unserer beiden Teile Deutschlands. Helmut Kohl hat immer gesagt, es gibt jetzt gerade hier dieses Fenster, Dinge zu machen. Und ich glaube auch, dass es tatsächlich nur dieses Fenster gab. Wenn man sich heute die Entwicklung anguckt, was sich alles wieder gerade verändert in dieser Welt, war das, glaube ich, wirklich ein gutes Fenster, was da gerade zum richtigen Zeitpunkt genutzt wurde. Und da sollte man sich auch wieder darüber Gedanken machen, was kann ich mir in welcher Situation auch für ein Entscheidungssystem leisten. Also kann ich mir das leisten in bestimmten Situationen, dass wir alles ausdiskutieren, dass wir alle bis zum Ende darüber sprechen oder muss jetzt einfach eine Entscheidung gefällt werden und wir gehen jetzt einfach mal diesen Weg. Und das muss ich abwägen, was ich auch in dieser jeweiligen Situation machen kann. Und wenn ich mir das heute angucke, das ist ja eben auch eine Schwierigkeit gesellschaftlich, die wir gerade aushalten. Wenn ich das sehe in der Politik, wir haben in der Politik eine Demokratie in Deutschland, die eben längere Entscheidungsprozesse nach sich zieht. Und wir können uns jetzt überlegen, was heißt das für uns? Das heißt, die Welt tickt im Moment eigentlich in einer anderen Geschwindigkeit und in einer Schnelligkeit als das, was jetzt zum Beispiel in so einer Gesetzgebung funktioniert. Die dauert eben länger, weil bestimmte Anspruchsgruppen berücksichtigt werden müssen und so weiter und so fort. Jetzt kann ich mich natürlich fragen und kann sagen, das ist nicht mehr zeitgemäß und kann da den ganzen Tag drüber jammern. Ich muss mich aber gleichzeitig fragen, was will ich? Will ich ein chinesisches System? Will ich auf einmal eine Diktatur oder was auch immer? Die sind natürlich hoch effizient im Entscheiden. Das ist sehr, sehr zugespitzt. Ich muss auf keine Anspruchsgruppe mehr achten. Ich kann ganz, ganz schnell und effizient entscheiden. In China sieht man, wie gut das auch wirtschaftlich funktioniert und so weiter. Aber wollen wir das System? Also man muss immer wieder auch eine Wahl treffen und sich bewusst machen, jetzt komme ich wieder auf den Firmenkontext, was kann ich mir leisten? Also kann ich es mir leisten gerade, dass ich mir Zeit nehme für eine Entscheidung oder brauche ich gerade eine schnelle Entscheidung? Und je nachdem wird auch das Entscheidungssystem unterschiedlich sein.

Joel Kaczmarek: Jetzt hast du vorhin eine Sache gesagt, das Thema Erfahrung. Es passiert ja ganz oft, dass man irgendwie im Unternehmensumfeld diesen Satz hört, das haben wir schon immer so gemacht oder das haben wir früher schon mal ausprobiert und das hat nicht funktioniert. Also ich erinnere mich zum Beispiel an ein Gespräch, da hatten wir ein kleines Medienmachertreffen mit Alex Hüsing von Deutsche Startups mit dem Marcel Weiß, der jetzt für mich irgendwie schreibt. Und dann habe ich den beiden von einer Idee erzählt, die ich hatte. Wenn ich mich richtig entsinne, war es so eine Art Datenbankkonzept. Und da meinte irgendwie Alex Hüsing, nee, das funktioniert nicht. Das hat er vor 15 Jahren bei Cress Report schon mal genauso in dieser Rolle gemacht. Aus diesen und jenen Gründen funktioniert das nicht. Und da habe ich so, danke. 15 Jahre Medienumfeld, das ist ja so Dinosaurier-Time. Da hat man wie bei Fred Feuerstein gefühlt noch mit den Füßen im Auto gebremst. Das hat man ja aber relativ oft, dass Leute Erfahrungswerte aus der Vergangenheit applizieren auf die Gegenwart und dann davon ausgehen, dass Sachen nicht funktionieren. Also lange Rede, kurzer Sinn, das ist mal ganz schnell so ein Innovationskiller, der vielleicht gar nicht nötig ist. Wie kann man mit so etwas umgehen? Gerade wenn man in Unternehmen sitzt, möchte gern was bewegen und hat dann vielleicht so eine Entscheidungstaubheit auch wegen so Erfahrungswerten.

Stefan Lammers: Ja, was ich im Moment tatsächlich nutze ist, T3N hat letztens eine Veröffentlichung gemacht, so ein Chart, das nannten sie Change Resistance Bingo, wo sie 16 Felder aufgemalt haben. Und ich empfehle das gerade Führungskräften, das Ding auszudrucken und in solche Meetings mit reinzunehmen und tatsächlich den Leuten zurückzuspiegeln. Leute, da seid ihr gerade unterwegs. Das, was ihr sagt, ist nicht irgendwie Rocket Science oder sowas. Da sind so Sachen drin, das können wir nicht machen, weil es ist Januar. Also es gibt tausend Ausreden, warum man Dinge nicht machen kann. Und ich glaube, da muss man einfach auch mal klar zurückspiegeln, können wir uns das leisten? Geht das? Ist das für mich akzeptabel, dass wir überhaupt darüber diskutieren, dass irgendetwas nicht entschieden werden kann im Moment? Oder gebe ich dem keinen Raum mehr? Also das muss ich vielleicht auch mal dem keinen Raum mehr geben und sagen, wir werden jetzt eine Entscheidung treffen und du kannst jetzt entweder konstruktiv damit mitarbeiten, oder auch nicht. Und deswegen bin ich auch ein großer Anhänger vom Konsent-System. Ihr kennt alle Kompromiss und auch das Thema Konsens. Und ich bin eben großer Freund, für mich sind das alles Verliererpositionen, beide Modelle. Weil beim Kompromiss eben, wie schon vorhin gesagt, verliert jeder. Beim Konsent labern sich die Leute oft tot, gerade wenn ich viele Fachexperten habe. Da sind dann so Runden, wo jeder Anerkennung haben will und jeder nochmal das Gleiche wiederholt, damit er auch was gesagt hat. Aber da geht es nicht darum, dass wirklich etwas weiter bewegt wird. Und im Konsenssystem ist es so, dass halt einer einen Vorschlag macht letztendlich und dass die anderen die Möglichkeiten haben, je nachdem, wie man das Konsenssystem spielt, wo es entweder nur ein Vetorecht gibt, also das heißt, wenn einer sagt, er kann aus dem und dem Grund dieser Entscheidung auf gar keinen Fall zustimmen, Dann muss er das wohl begründen, warum das der Fall ist. Dann wird da nochmal drüber diskutiert. Oder aber jemand sagt, ich habe eine Idee, wie ich diese Idee noch maßgeblich verbessern kann. Das heißt, ich pole sozusagen die Denkrichtung meiner Organisation, meines Teams in dem Moment darauf auf Verbesserung. Und alle anderen schweigen. Und ich als Moderator lasse in dem Moment auch nicht zu, dass die gleiche Idee nochmal wiederholt wird oder sowas, sondern habe immer wieder die Frage da, was ist deine wirkliche Verbesserung, die du jetzt gerade für diese Idee hast. Und wenn dann einer sagt, na keine, dann sage ich ja dann, schweig. Und das ist deine Zustimmung dazu. Dadurch kriegst du eine deutliche Beschleunigung in der Entscheidungsfindung. Und du kriegst gleichzeitig auch eine Konzentration bei den Mitarbeitern, wenn man das konsequent immer wieder durchführt, dass sie danach gucken, wie kann ich Ideen verbessern.

Joel Kaczmarek: Aber ist nicht vielmehr manchmal das Falsifizieren von Ideen einfacher und gelernter bei uns nervigen Deutschen manchmal, uns Schwarzdenkern, als das Verifizieren oder Verbessern? Also dann können die dir eher fünf Gründe sagen, warum die Idee doof ist, statt zu sagen, wie ich sie besser machen könnte.

Stefan Lammers: Ja klar, aber das ist ja das Problem, was ausgehebelt werden muss.

Joel Kaczmarek: Also das soll dann gar nicht so sein.

Stefan Lammers: Bitte nicht.

Joel Kaczmarek: Aber wie passt das mit dem Thema Hierarchie beispielsweise zusammen? Wenn jetzt irgendwie, manchmal denke ich an so alte Verlage, der Verlagsleiter, Regionalverlag, da liegen noch Plätzchen auf dem Tisch, da sind irgendwie noch so alte Schule Unternehmertum. und dann sagt der Verlag, das machen wir nicht, das haben wir früher auch nicht so gemacht, das hat schon immer so gepasst. Und dann hast du jetzt eigentlich eine Situation, dass du sagst, nee, Chef, wir wollen doch hier mal irgendwie Konsenssystem machen, wir geben jetzt mal eine Idee rein und Sie können sagen, wie man die optimiert und nicht erst mal vom Tisch wischen. Das stelle ich mir relativ schwer vor, sowas. Das stimmt.

Stefan Lammers: Das ist relativ schwer und das funktioniert auch nur, wenn man sich gemeinschaftlich als Gruppe auf so etwas einlässt und dass man sagt, wir machen das miteinander. Und da sprichst du über ein anderes Entscheidungssystem gerade, was in dem Moment da ist. Das ist eins, was es auch heute immer noch genug verbreitet gibt und was auch in bestimmten Situationen nach wie vor viel Sinn macht. Das ist eben hierarchische Entscheidung. Es kommt immer auf den Kontext an, wo ich unterwegs bin oder eine Führungskraft einfach sagt, den Weg gehen wir jetzt. Da erlebe ich eben auch nur, dass diese Entscheidungen oftmals nur halbherzig gemacht werden. Da werden die einmal rausgehauen und wenn dann einer plötzlich abweicht, wird das konsequenzlos hingenommen. Da sind wir wieder bei der Lencioni-Pyramide. Da muss man dann auch zur Rechenschaft ziehen, wenn ein Commitment abgegeben wurde. Also auch hierarchische Entscheidungen machen in bestimmten Bereichen Sinn. Und Veränderungen für ein Entscheidungssystem kann ich nur einbringen, indem alle daran Teilnehmenden an der Entscheidung auch zustimmen, dass wir es auf eine andere Art und Weise machen wollen.

Joel Kaczmarek: Also wenn ich dich jetzt richtig verstehe, ist es schon in Ordnung, eine hierarchische Entscheidung in gewissen Situationen zu treffen. Ich muss die Leute aber trotzdem darauf committen?

Stefan Lammers: Bei der hierarchischen Entscheidung ist es oftmals so, dass du es nicht committest, da setzt du es durch.

Joel Kaczmarek: Und wie mache ich es dann, was du gerade gesagt hast, wenn Leute aus der Reihe tanzen, dass ich dann Konsequenzen ziehen muss? Das war doch gerade dein Argument. Aus der Reihe tanzen heißt dann, sie folgen nicht meiner Anweisung, meinst du dann?

Stefan Lammers: Ja, wenn ich eine hierarchische Anweisung treffe sozusagen und eine Entscheidung treffe, dass es so gemacht wird. Für mich ist das keine basisdemokratische Geschichte, deswegen finde ich das immer lustig, dass ich dann das Commitment der anderen Leute brauche. Findest du das jetzt auch gut? Nee, das ist eine Ansage, dass es so gemacht wird. Und wenn es dann nicht gemacht wird, dann muss es auch sanktioniert werden. Alles andere ist Quatsch. Irgendwie versuchen Führungskräfte gerade, Anweisungen zu geben und gleichzeitig, ihr müsst die jetzt auch gut finden. Quatsch. Wenn ich eine Anweisung gebe, dann ist es mir egal, ob die jemand anderes gut findet. Wenn ich die für notwendig halte, dass es gerade eine Anweisung ist, dann ist es eine Anweisung, die einfach gemacht wird.

Joel Kaczmarek: Bist du dann ein Win-Lose?

Stefan Lammers: Das kann sein, aber es kann sein, und deswegen sage ich, das ist immer eine Kontextfrage, es kann sein, dass es an der Stelle möglicherweise Sinn macht. Also wenn ich beispielsweise in einer Turnaround-Situation in einem Unternehmen bin, wo es ums Überleben des Unternehmens geht, und ich muss innerhalb kürzester Zeit bestimmte Entscheidungen treffen, dann mache ich keine Gefangenen und fange jetzt an, mit allen Leuten darüber zu diskutieren, da gibt es eine Ansage und entweder die Leute sind dabei oder nicht.

Joel Kaczmarek: Wie ist denn jetzt aber bei Unternehmern, die irgendwie so vielleicht noch die Krankheit haben, dass man Konflikte scheut, gerne Harmonie haben möchte, die vielleicht einfach ihr Team einbinden wollen, die sagen, ich habe Lust, Win-Win zu kreieren, Leute, die wirklich partizipieren und mitmachen. Woher wissen die, wann sie eine Entscheidung qua höhere Macht treffen sollten, also hierarchisch, und wann man auf einen Konsent hinarbeiten sollte? Welches System wann greift?

Stefan Lammers: Das ist wirklich eine Erfahrungssache und eine Lernsache mit der Zeit. Vielleicht kann man sich sogar mit der Zeit als Führungskraft so ein bisschen was wie eine eigene innere Matrix aufbauen, dass man sagt, okay, das verorte ich da und das verorte ich dort, um da relativ schnell klar zu werden für sich. Und ich glaube, das ist gerade bei Entscheidungen total wichtig. dass man erstmal eine innere Klarheit darüber hat, in welchem Entscheidungssystem fällig diese Entscheidung, was bedeutet das auch, was hat das für Konsequenzen auch in der Kommunikation. Und dann auch ehrlich mit den Mitarbeitern umzugehen, denen zu sagen, das hat diese und diese Implikation, das bedeutet das jetzt auch. Da lasse ich jetzt eine Diskussion zu, da lasse ich keine Diskussion zu, weil. Und wenn ich denen Sinn wiederum erzähle, warum ich mich für dieses Entscheidungssystem entschieden habe, und das ist plausibel für die Leute, werden die da auch folgen. Ich kenne genug Leute, die das gerne haben, eine klare Ansage zu bekommen. Es gibt Umfelder, wo das wirklich gut ist.

Joel Kaczmarek: Also fassen wir nochmal zusammen, beim ganzen Umgang mit Entscheidungen gibt es wesentliche Faktoren wie einmal, wonach gehe ich. Wir hatten irgendwie rational getroffene Entscheidungen, datenbasierte Entscheidungen oder Bauchgefühl. Dann hatten wir den Faktor Erfahrung und ganz relevanter Punkt, den ich noch fand, Timing und Geschwindigkeit. Und ich finde es auch wirklich ganz interessant, eigentlich mal zu verstehen, wie das miteinander zusammenwirkt. Also wir haben festgehalten, es gibt Konsens, Konsent, Kompromiss und höhere Macht. Wo ich bei dir gelernt habe, Kompromiss ist irgendwie immer schlecht, weil es nur Verlierer gibt. Konsens ist irgendwie schlecht, weil man die ganze Zeit sich totlabert. Konsent als ein interessanter Weg und die höhere Macht als ein anderer, wenn es die Situation erfordert. Habe ich noch was vergessen? Ja.   Stefan Lammers: Ich habe noch eine Idee zusätzlich und dafür werden mich einige steinigen, ich weiß es. Nichtsdestotrotz, wenn ihr zwei gleichrangige Entscheidungen habt, die aus eurer Sicht, ich kann den linken Weg gehen, der ist aus meiner Sicht genauso gut wie der rechte. Da erlebe ich es oft, dass Führungskräfte sich nicht entscheiden können zwischen einer der beiden Wege. Macht es euch einfach, werft eine Münze. Werft eine Münze, wenn ihr der Auffassung seid, dass es gleichrangig ist. Trefft die Entscheidung. Und wenn ihr sie selber nicht treffen könnt, werft eine Münze und geht einfach einen Weg, probiert es aus, lernt daraus und ansonsten geht den anderen Weg. Aber hört auf zu warten. Macht an dieser Stelle. Vielleicht auch nochmal eine kurze Idee einfach dazu. Ich weiß, dass es mal im Manager-Seminare irgendwann eine Veröffentlichung gab zum Thema unentschiedenes Entscheiden. Vielleicht kann man das online kriegen, vielleicht ist das nochmal für den einen oder anderen eine Hilfe, nach dem Thema zu suchen.

Joel Kaczmarek: Ja, aber ich meine, du hast bei mir auch eine Erinnerung gerade geweckt, bei Oliver Samwer war es ja immer so, das Thema hochgradig erfolgreich, warum ist das so? Ein Thema ist massive Fokussierung und ein anderes Thema ist extreme Entscheidungsfreude. Weil die Logik bei so einem Rocket Internet war auch immer, wir rennen ganz schnell in eine Richtung. Ob es die richtige Richtung ist, ist gar nicht so wichtig, weil wir machen was Neues. Und wenn wir merken, es war die falsche Richtung, sind wir auch die Ersten, die da ankommen und erfahren, dass es falsch ist und können ganz schnell in die andere Richtung laufen. Also Das ist so mein Bild, mit dem ich heute irgendwie hier rausgehe. Lieber eine Münze werfen und was machen, als irgendwie keine Entscheidung zu treffen. Und danke dir natürlich ganz herzlich und freue mich schon auf das nächste Mal mit dir.

Stefan Lammers: Ja, vielen Dank. Ich freue mich auch.

Joel Kaczmarek: Mit kürzerer Pause diesmal, ne?

Stefan Lammers: Ja, auf jeden Fall.

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