Dein How-To zum Thema Internationalisierung
1. Juni 2020, mit Joel Kaczmarek, Florian Heinemann
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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Business-Building-Podcast von Digital Kompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und wie immer der liebe und gute Florian Heinemann dabei. Hallo Florian.
**Florian Heinemann: **Moin Moin.
**Joel Kaczmarek: **So, und zwar geht es heute um das Thema Internationalisierung. Sprich, wenn ein Unternehmer schon etwas Spannendes aufgebaut hat, macht er sich irgendwann Gedanken, sollte ich das auch im Ausland replizieren? Wir werden darüber sprechen, wann sollte man das tun, warum sollte man das tun, nach welchem Ansatz kann man das verarbeiten? Da werden wir natürlich auch ganz viel sagen über Zentralisierung versus Dezentralisierung. Bin ich eher jemand, der vielleicht national denken sollte oder funktional? Und nach hinten raus werden wir auch noch ein bisschen was über die Sinnhaftigkeit des US-Marktes sagen und was so typische Risiken und Fehler sind. Also ihr merkt, man lernt hier ganz viel und in diesem Sinne mal munter reingestartet. Lieber Florian, du hast ja ein großes Portfolio. Wie viel Prozent der Firmen ungefähr beschäftigen sich mit Internationalisierung da?
Florian Heinemann: Also ich habe es jetzt nicht mehr im Detail angeguckt, aber ich würde schätzen zumindest mal 80, 90 Prozent.
Joel Kaczmarek: Also quasi alle. Also es ist quasi dein Daily Doing, sich über sowas Gedanken zu machen. Was ist denn irgendwie im Prinzip der Kasus-Knaxus? Warum soll ich das tun? Also geht es da einfach um Umsatzausweitung, ganz plain und simple drum? Oder was siehst du so als Hauptbeweggründe, warum Unternehmer über Internationalisierung nachdenken sollen?
Florian Heinemann: Ja, ich glaube, das dominante Kriterium ist sicherlich schon Marktausweitung, also den adressierbaren Markt, den man hat, auszudehnen, eben über geografische Ausdehnung. Das ist, denke ich mal, schon das primäre Motiv. Und dann gibt es aber sicherlich auch nachgelagerte Motive. Ich meine, du hast gerade das Thema USA angesprochen. Es macht natürlich auch Sinn, in einem US-Markt vertreten zu sein, beispielsweise, weil dort eben die meisten strategischen Käufer für viele Technologiethemen sind. Und wenn du nicht im US-Markt präsent bist, dann ist es deutlich schwerer, dort auf den Radar zu kommen. Aber das ist jetzt fairerweise natürlich ein sehr Venture- spezifisches Argument und ich würde sagen, das dominante Argument ist sicherlich schon eher die Ausdehnung des adressierbaren Markts.
Joel Kaczmarek: Gut, also ich meine, wir haben ja sowieso die Sondersituation, Europa ist ja immer so ein bisschen so ein Flickenteppich. Also der geneigte Amerikaner bearbeitet ja ganz oft erst seinen riesigen, einheitlichen, mit einer Sprache versehenen, einer Währung versehenen Markt, während wir irgendwie uns alles so ein bisschen erklauben müssen, Stück für Stück. Also Euro sei Dank ist das schon ein bisschen besser, aber das ist ja immer noch ein Schmerz. Siehst du das so ein Stück weit als Wettbewerbsnachteil für ein deutsches Unternehmen, dass man immer eher so Internationalisierung erst mal mit der feinen Hand sozusagen betreiben muss?
Florian Heinemann: Ja, also ich glaube, da sind wir schon mal privilegiert im Vergleich jetzt zu Belgien, weil wir ja sicherlich auch einen größeren Heimatmarkt haben. Aber klar, im Verhältnis zu den USA ist es auf jeden Fall natürlich ein Nachteil. Und klar ist es ein Vorteil, in einem Sprachraum, in einem Rechtsraum sich erst mal ausdehnen zu können. Und wobei man eben nicht unterschätzen darf, auch in den USA der Föderalismus ist ja auch in den USA nicht so wenig ausgeprägt. Es gibt durchaus auch Gesetzgebungen innerhalb der einzelnen Bundesstaaten der USA, die auch nicht so ganz trivial sind. Aber nichtsdestotrotz ist es natürlich einfacher, sich innerhalb der USA auszudehnen, als es innerhalb von Europa ist, schon allein wegen der Sprachbarriere.
Aber insofern, man sieht aber natürlich auch Gegenbeispiele, wie zum Beispiel jetzt Firmen aus Israel. Also Israel ist ja das Land wahrscheinlich mit den höchsten Venture-Capital-Aufkommen pro Einwohner und mit sehr, sehr erfolgreichen Firmen und mit einem sehr, sehr kleinen Heimatmarkt, weil sie aber natürlich sich häufig im B2B-Bereich tummeln und du da per se schon sehr viel stärker wahrscheinlich international denken musst als im B2C-Bereich. Ja, es ist mit Sicherheit ein Nachteil, aber man sieht an anderen Standorten oder an anderen Ländern, dass auch mit kleinen Binnenmärkten durchaus sehr erfolgreich gearbeitet werden kann. Insofern, ich will jetzt nicht sagen, dass das vorgeschoben ist, aber es ist ohne Zweifel ein Nachteil. Aber es gibt sicherlich Strategien, damit umzugehen. Absolut.
Joel Kaczmarek: Aber ich habe das auch erlebt, als ich so durch Jerusalem mal getingelt bin und mal einen VC da getroffen habe und der hat so ein bisschen was über seinen Ansatz erzählt, da kam halt sehr schnell diese Aussage, dass sie sagen, unser Markt ist einfach zu klein, wir sind englisch affin per se schon, müssen wir sein und eigentlich ein israelischer Unternehmer denkt von Tag 1 an eigentlich englischsprachig beziehungsweise international.
Florian Heinemann: Ja, man muss natürlich auch fairerweise sagen, dadurch, dass es so enge Beziehungen zwischen USA und Israel gibt, die sich auch manifestieren darin, dass eigentlich jede größere US-Venture-Capital-Firma auch in Tel Aviv vertreten ist beispielsweise. Dadurch hast du natürlich auch eine Investorenverknüpfung, die sicherlich viel enger ist als mit irgendwelchen anderen Geografien und auch schon seit Jahrzehnten. Und wir sehen ja gerade auch, dass immer mehr US-Investoren nach Europa kommen. Das hat ja so vor fünf, sechs Jahren begonnen. Und ist jetzt auch in der früheren Phase eben schon so. Und deswegen merkt man ja auch, dass der Markteintritt von Softwarefirmen aus Berlin in den USA sich sicherlich auch auf der Achse nochmal ein Stück weit beschleunigt. Und diese Entwicklung ist in Israel natürlich schon nochmal einfach Jahre voraus. Also das liegt sicherlich auch ein Stück weit daran.
Joel Kaczmarek: Plus sehr tech-affine Gründung, da gefühlt jeder im Militär und dann so da die Bündeln entstehen. Das ist ganz faszinierend eigentlich. Aber mal so vom Mindset her, erlebst du, dass deutsche Gründer so ein Stück weit internationalisierungs-avers sind? Also ich ertappe mich zumindest immer dabei. Ich denke immer so ein bisschen deutsch.
Florian Heinemann: Ne, also ich glaube, das würde ich jetzt eher nicht sagen. Also ich meine, das ist ja auch, Deutschland ist ja auch Exportweltmeister und insofern, glaube ich, gibt es ja schon eine gewisse Tradition hier, sehr stark zu internationalisieren. Also ich glaube, die Neigung und die Fähigkeit zu internationalisieren aus Deutschland hat sicherlich mehr Tradition, als das sozusagen in den USA der Fall ist für den gemeinen Gründer. Und die Art und Weise, wie Rocket in den frühen Tagen agiert hat, die hat das sicherlich auch nochmal so ein Stück weit gefördert in der Berliner Gründerszene. Also insofern, nee.
Also meine Wahrnehmung ist eigentlich schon, dass jeder von den Gründern, wo wir jetzt investieren, aber die generell auch sozusagen Finanzierung suchen, die sind alle sehr, sehr offen für Internationalisierung. Und du siehst ja auch sozusagen die Mitarbeiterschaft jetzt des gemeinen deutschen Startups, nicht nur in Berlin, sondern auch in München oder auch in Hamburg, die ist ja sehr, sehr international. Das heißt also, du hast ja viele Startups, wo die dominante Sprache nicht Deutsch ist, sondern Englisch. Du hast viele, wo eine zweistellige Anzahl von Nationen bei einer dreistelligen Anzahl von Mitarbeitern vertreten ist. Also insofern glaube ich, das internationale Mindset ist hier auf jeden Fall gegeben. Also insofern glaube ich, haben wir da eher ein günstiges Umfeld.
Joel Kaczmarek: Ja, das ist ganz lustig. Ich erinnere mich so an meine Besuche bei eDarling damals, die natürlich so als Datingbörse ganz besonders irgendwie mal geguckt haben, französischer Markt, englischer Markt und so weiter. Und wenn du dann durch diese Räume durchgehst, ist immer so ein bisschen lustig fast, wenn du siehst, der englische Tisch, der, keine Ahnung, albanische Tisch, der französische Tisch. Und alleine, wenn da 300 Leute in so einer Butze sitzen und die Getränkelieferung kommt. Also die liefern jeden Tag so viele Getränke, wie ich in einem ganzen Jahr nicht konsumiert kriege. Ganz lustig. Aber bevor wir jetzt mal über so Voraussetzungen reden, vielleicht fangen wir mal mit dem Zeitpunkt an. Also ich glaube, Konzepte mal besprechen, dann kann man besser über Voraussetzungen reden. Wann ist ein guter Zeitpunkt, um zu internationalisieren? Und ist das modellabhängig, wann dieser Zeitpunkt kommt?
Florian Heinemann: Ja, also ich glaube, es ist mit Sicherheit modellabhängig und sicherlich auch konkurrenzabhängig. Also ich glaube, wenn ich jetzt in einem Groupon-Markt unterwegs bin oder in einem Food-Delivery-Markt, also da hast du ja schon gesehen, da hast du eine sehr starke Neigung gehabt, jetzt in diesem Delivery Hero Just Eat-Modell, sage ich jetzt mal, dass die lokalen Early Mover auch eine relativ hohe Chance hatten, ihre Position zu halten und dann eben auch relativ relativ starke Netzwerkeffekte zu ihren Gunsten in dem jeweiligen lokalen Markt hatten. Das heißt, da gab es schon ein sehr starkes Argument dafür, ähnlich wie bei Groupon damals, früh in einen Markt einzutreten und früh in einen Internationalisierungsmodus zu gehen, mit vielleicht noch imperfekten Prozessen, wo es noch nicht so ein Playbook gibt, wie arbeiten wir eigentlich ganz genau. Also ich glaube, wenn man diese Konkurrenzsituation nicht hat, dann…. Würde ich eigentlich einem Startup eher raten, aus Kapitaleffizienzgründen, also wenn ich möglichst viel erreichen will mit möglichst wenig Geld, was ja eigentlich immer das unternehmerische Bestreben sein sollte, dann ist es sicherlich eher ratsam zu sagen, ich nehme mir jetzt mal den deutschen Markt vor oder wo auch immer ich eben sitze. etabliere dort einen wirklich guten Product-Market-Fit, wirklich gute Prozesse, wirklich gute Systeme und so weiter.
Und dann, wenn ich mir sicher bin, dass ich das richtige Playbook habe, dann rolle ich das aus. Also dann ist das sicherlich der kapitaleffizienteste Ansatz. Und wenn man sich anguckt, wie hat Zalando das damals gemacht, den glaube ich 2009 dann nach Frankreich gegangen als ersten Markt, das war dann so anderthalb Jahre nach Deutschland start, wo man schon relativ stark ein gewisses Playbook und Prozesse und Systeme und so weiter hatte. Das hat sich dann natürlich alles noch irgendwo verändert, aber es gab einen relativ hohen Festigkeitsgrad in dem, wie man Dinge macht. Und das hilft dann sicherlich dabei, wenn man internationalisiert, weil was du ja schon zum Teil siehst, ist, wenn du, ich nenne das mal premature scaling oder internationalisation machst, Wenn du sozusagen mit unfertigen Prozessen einem noch nicht hinreichend guten Product-Market-Fit zu schnell in zu viele Länder internationalisierst, dann kostet das natürlich im Zweifelsfall relativ viel Geld, weil du einfach ineffizient agierst und mehrere Baustellen in den gleichen Bereichen parallel in unterschiedlichen Ländern aufmachst. Und das erhöht natürlich die Komplexität sehr stark und gegebenenfalls sogar dazu, dass du dann gar nicht in einen sozusagen hinreichend guten Zustand in deinem Prozessensystem und Product-Market-Fit kommst.
Und deswegen muss man sich das schon sehr gut überlegen, bin ich eigentlich ein Startup oder bin ich ein Unternehmen, wo es trotz dieses premature Internationalization-Risikos notwendig ist, schnell zu internationalisieren, weil ich eben sonst Diese Early-Mover-Vorteile, die wir gerade im Zusammenhang mit so einem Delivery-Hero-Modell oder sowas gesehen haben, dass ich die sonst nicht bekommen würde. Und dann kann man schon argumentieren, dass es trotzdem die rationale, wertschöpfende Strategie ist, früher zu internationalisieren, weil der Nettoeffekt, diese frühe Marktführerschaft in einer gewissen Geografie zu gewinnen, Der überwiegt dann halt die Kapitalineffizienz, die ich mir einhandle, weil ich zu schnell mit unfertigen Prozessen internationalisiere. Also ich glaube, es gibt beide Wege, können richtig sein. Man sollte einfach nur eine bewusste Entscheidung treffen. Und ich glaube, im Normalfall ist es egal, ob man zwei oder vier, fünf, sechs, zehn Monate früher oder später in einen Markt eintritt. Man hat dann immer noch eine sehr gute Chance, eine vernünftige Marktposition zu erringen.
Und das gilt natürlich insbesondere für kritische Massemärkte. Also ich unterscheide immer sozusagen Winner-Takes-All-Märkte, kritische Massemärkte. Wenn du sagst, es ist ein kritischer Massemarkt, es gibt mehrere Spieler, die dort eine Chance haben, mit einem guten Produkt in einem gewissen Markt sich zu etablieren, dann ist es in der Regel die bessere Strategie im Gesamteffekt zu sagen, ich warte, bis ich eben die Prozesse etabliert habe und ein Playbook habe und dann starte. gehe ich ins Ausland und die nächste Thematik, die sich dann ja anschließt ist, wie gehe ich dann vor, wenn ich mich entschlossen habe ins Ausland zu gehen, mache ich dann alle Länder gleichzeitig, in die ich gehen will oder mache ich das eher sequenziell, also ich fange mit ein, zwei Ländern an, mache da das nächste Playbook, nämlich nicht nur das Playbook, wie mache ich mein Business, sondern wie internationalisiere ich. Und dann, wenn ich bei ein, zwei Ländern das mal ausprobiert habe für ein halbes Jahr, dann gehe ich in den Rest.
Oder sage ich, nee, nee, nee, Delivery Hero, ich muss jetzt eigentlich so schnell wie es geht in alle Länder, um mir eben schnell eine Marktposition zu sichern, weil es überproportional teuer wäre, mir eine als Follower in einen Markt einzudringen, weil schon drei, vier, fünf andere da sind. Und ich glaube, da muss man sich einfach selbst bestätigen. die Marktgegebenheiten angucken und realistisch einschätzen, in welcher Art von Markt bin ich? Ist es ein sehr starker Winner-Takes-it-all, sehr starker Netzwerkeffekt-basierter Markt? Ist es eher ein kritischer Massemarkt? Wie ist die Konkurrenzsituation? Und auf Basis dessen dann entscheiden, ist es trotzdem die wertmaximierende Strategie, in Märkte reinzugehen. Und da muss man natürlich sagen, wenn man ein Venture-Capital-finanziertes Unternehmen ist, dann ist man wahrscheinlich eher bereit, dann diese Risiken und auch zu hohen Kosten letztendlich einzugehen, also diese Ineffizienz bewusst einzugehen, weil man halt sagt, es kann trotzdem die wertmaximierende Strategie sein.
Joel Kaczmarek: Gut, jetzt haben wir gesagt, wir wollen erstmal über einen Zeitpunkt reden. Also erstes Learning quasi, wenn meine Wettbewerbslage so ist, dass ich einen Markt für mich schnell erschließen muss, weil Winner takes it all, also klassisches Beispiel war ja auch so eBay, also es gab irgendwie, wenn eBay so einen Markt hatte, dann war das irgendwie gesettelt, frag mal Ricardo Das heißt, da war irgendwie sinnhaft zu sagen, okay, möglichst früh, möglichst viel. so Landgrab, muss man ja eigentlich immer sagen. Zweites Thema, spielt sozusagen auch die Digitalität deines Geschäfts eine Rolle? Weil ich sag mal so, wenn du in Zalando bist und hast irgendwie ein Warenlager, was du bauen musst für mehrere Millionen, musst da irgendwie Personal finden und so weiter. Ist ja ein anderer Schnack, wenn ich jetzt zum Beispiel so ein Airbnb bin, was irgendwie digitales Inventar quasi hat oder reales Inventar digital anbietet und dann sagen kann, das macht für mich keinen Unterschied, ob ich jetzt die Villa oder die Finca of Mallorca in Russland, Spanien, Italien oder Deutschland anbiete.
Florian Heinemann: Oder Spanien. Spotify wäre ja nochmal extremer, wo du sagst, du musst noch nicht mal lokales Inventory akquirieren, selbst wenn es nur digital gestort ist, sondern ich habe im Prinzip einen Musikkatalog, der mehr oder weniger weltweit gleich ist, mit unterschiedlichen Hörschwerpunkten natürlich, aber ich kann eigentlich mit einem digitalen Produktkatalog oder einem Spiel, also jetzt, wenn ich ein Spielehersteller bin, Supercell oder was auch immer, Brawl Stars, da kann ich ja mehr oder weniger, Fortnite kann ich natürlich sofort letztendlich global vertreten sein, im Zweifelsfall sogar mit einem englischen Produkt, englischsprachigen Produkt, ja.
Und klar, das beeinflusst das natürlich nochmal zusätzlich, wenn ich natürlich sehr geringere Grenzkosten der Internationalisierung habe, plus ein Produkt, was ein relativ ähnliches Nutzungsverhalten in verschiedenen Geografien zeigt, dann ist die Wahrscheinlichkeit eines Premature Scalings, Natürlich viel, viel geringer, weil sozusagen die Gefahr entsteht ja insbesondere dann, wenn ich Anpassungsbedarfe habe und natürlich auch dann, wenn ich sozusagen auch im Heimatmarkt oder in meiner Heimatsprache quasi noch nicht den richtigen Weg, Product-Market-Fit und so weiter gefunden habe. Und das ist natürlich bei solchen Themen nochmal was anderes. Und wenn diese Risiken nicht da sind, spricht natürlich überhaupt nichts dagegen, das schnell zu internationalisieren. Ich
Joel Kaczmarek: überlege jetzt gerade, weil du auch meintest, so Winner Takes It All, merkt du, ob das tendenziell eigentlich fast immer eher digitale Modelle sind, weil so ein Zalando ist zum Beispiel ja kein oder ein Amazon ist kein Winner Takes It All, weil es ja auch so viel Haptik hat. Ist das ein bisschen so, dass Winner Takes It All eher sowas ist, so Marktplätze, digitale Plattformen und so weiter?
Florian Heinemann: Ja, ich glaube, man muss ja immer überlegen, also Winner-Takes-It-All entsteht ja eigentlich immer dann, wenn Netzwerkeffekte eben besonders stark sind. Das ist bei Marktplätzen natürlich der Fall, aber das ist natürlich auch bei Modellen der Fall. E-Commerce hat schon auch eine sehr starke kritische Masse bis Winner-Takes-It-All-Tendenz, wie du ja auch gerade siehst, einfach weil die Infrastrukturkosten einfach sehr hoch sind. Die Kosten, letztendlich kompetitiv mitspielen zu können, sind in solchen Themen wie Logistik und so weiter natürlich schon sehr, sehr hoch und steigen tendenziell immer weiter und das trägt natürlich auch quasi einen Beitrag zu dieser Winner-Takes-it-all-Charakteristik.
Joel Kaczmarek: Können wir mal ein bisschen zu Ansätzen kommen? Also ich finde…. Bevor wir mal über so Dezentralisierung, Dezentralisierung reden, du hast ja eben schon Zalando als ein Beispiel genannt, also wenn ich es richtig verfolgt habe, damals auch so, Deutschland als erster Markt, wahrscheinlich sowas wie Niederlande, Österreich, Schweiz, tippe ich mal relativ schnell mit abgefischt, wobei ich glaube, Schweiz ist ein bisschen besonders wegen Zoll. Wie ich es damals mitgekriegt habe, aber korrigiere mich gern, war das so ein Ansatz, Frankreich eher mal getestet und ich glaube auch richtig Lehrgeld gezahlt, also wenn ich mich richtig entsinne, war so das Problem damals. ganz andere Marketingkanäle, also eher Newsletter zum Beispiel, als jetzt irgendwie SEM, Webseite ganz anders gebaut, viel bildlastiger, solche Sachen mussten die da halt lernen. Und dann haben sich sukzessive weiter gesteigert und sind irgendwie gefühlt so alle, einmal pro Jahr in zwei, drei neue Länder gegangen. Also vielleicht kannst du ja den Ansatz so ein bisschen beschreiben, wie die das gemacht haben, du warst ja glaube ich relativ nah dran und was so Vor- und was vielleicht aber auch Nachteile sind.
Florian Heinemann: Ja genau, also man hat ja Testmärkte genommen und in der Tat, was ist eben bei diesem Modehandeln? Problem ist ja auch, was für Klamotten haben eigentlich die Leute oder was tragen die? Und da ist eben Frankreich auch und hat auch gewisse Unterschiede, wohingegen, also das war zumindest damals so, wenn ich das noch richtig erinnere, dass in Niederlanden und in Deutschland, da waren die Inventory-Unterschiede nicht so groß und das war in Frankreich schon anders. Genau und dann hast du in Frankreich natürlich immer die Problematik mit E-Commerce. Frankreich ist ja VP-Land oder Vent Privé, wie wir früher gesagt haben.
Ob das jetzt so ein geiler Name ist mit VP, sei jetzt mal dahingestellt. Aber da ist halt, ist ja anders als hier in Deutschland, wo ja Brands for Friends schon eine gewisse Relevanz hat, aber ja auf gar keinen Fall E-Commerce-dominant ist, ist in Frankreich ja schon VP, ja, einer der sehr dominanten Player gewesen. Das heißt, du hast in Frankreich schon eine sehr starke Januar-Sale oder Sold-Rate. Orientierung, wo dann eben auch sehr stark so kampagnenbasiert verkauft wird, wie man das eben von Brands for Friends und VP kennt. Und darauf hat Zalando jetzt nicht so richtig vorbereitet. Also Niederlande ist sicherlich ein repräsentativerer Markt gewesen. Also Frankreich funktioniert mittlerweile für Zalando auch ziemlich gut, aber Niederlande hat eigentlich von Anfang an ziemlich gut funktioniert. Ich glaube, Niederlande ist sogar für Frankreich von der Penetration pro Einwohner mindestens genauso gut wie Deutschland, wenn ich sogar noch höre.
Also Umsatz pro Einwohner. Nagel mich jetzt darauf nicht fest, aber es ist zumindest in einer sehr ähnlichen Größenordnung. Und der Ansatz da war ja, man nimmt sich ein, zwei Testmärkte, Frankreich, Niederlande und probiert da eben aus, was ist eigentlich das optimale Setup und das rollt man dann eben aus. Und danach geht man auch relativ schnell vor. Und so ist ein About You ja letztendlich auch Vorgang. Also About You internationalisiert jetzt ja relativ schnell, aber hat einen Testmarkt gehabt, da probierte man das aus. Funktioniert das mit mehrsprachigem Website, mehrsprachigem Customer Service? Wie machen wir das mit der Logistik? In dem Bereich natürlich auch, wie kommt der Kram wieder zurück? Wobei Deutschland fairerweise in diesem Bereich natürlich Retourenland Nummer eins ist. Also Deutschland hat deutlich höhere Quoten. als alle anderen.
Aber klar, solche Prozesse musst du erst mal üben und dann, wenn du das erst mal kannst, dann, ich weiß gar nicht, in wie vielen Ländern eine BAU-TU jetzt ist, aber 14 Länder oder sowas. Und das geht dann eben relativ schnell. Und ähnliches ist in Zalando auch vorgegangen. Also erst mal bei ein, zwei Ländern ausprobieren und dann anfangen, in einer etwas höheren Frequenz auszurollen. Und das ist, glaube ich, auch, würde ich mittlerweile sagen, der wahrscheinlich beste, kapitaleffizienteste Ansatz. Man nehme ein repräsentatives Land Also nicht Frankreich jetzt, wenn es um Body E-Commerce geht, sondern eben da ist Niederlande sicherlich die bessere Wahl, was nicht deutschsprachig ist, also nicht Österreich. Und dann lernt man dort idealerweise, wie das eben funktioniert, auch eine internationale Organisationsstruktur, da kommen wir ja gleich nochmal zu, was so da die wesentlichen Themen sind. probiert das da aus und dann geht man im Prinzip in andere Länder und versucht im Prinzip zu verstehen, was sind eigentlich die Dimensionen der Unterschiedlichkeit, die ich da berücksichtigen muss, neben der Sprache.
Das können sowas sein jetzt wie Bezahlfunktion, Produkt, also wo man dann auch lernt, okay, wie muss eigentlich meine technische Infrastruktur geschaffen sein, sowohl Backend- als auch Frontend-seitig, damit ich überhaupt in der Lage bin, gewisse Eigenheiten des Produkts zu berücksichtigen. Und ich glaube, da ist eben ein ganz klares Learning immer gewesen, ich brauche eigentlich eine zentrale technische Infrastruktur, was wahrscheinlich nicht der beste Weg ist, ist eben, dass jedes Land da seine eigene technische Infrastruktur bekommt und die dann irgendwie parallel weiter pflegt. Also ich glaube, das kann man mittlerweile irgendwie ausschließen, dass das dass das der beste Ansatz ist, den aber fairerweise ja viele gerne fahren würden, weil halt viele immer argumentieren, Belgien oder Niederlande oder was auch immer ist so anders. Da brauchen wir auf jeden Fall eine völlig eigene Webseite, weil der Konsument will hier was völlig anderes. Und ich glaube, das kann man eigentlich mittlerweile als falschen Weg sozusagen festhalten. Ich glaube, man braucht eine gewisse Flexibilität, um sich an Marktgegebenheiten anzupassen.
Aber ich glaube gerade, wenn man überlegt, dass das Learning eigentlich schon ist, man braucht möglichst große Marktdurchdringungen auf Basis einer technischen Infrastruktur, damit sich diese lohnt, kann das eigentlich nicht der Weg sein, sondern man muss eigentlich eher gucken, wie baut man die technische Infrastruktur, die man hat, so flexibel, dass man eben in der Lage ist, im Frontend, im Darstellungslayer für den Konsumenten, gewisse Regionalitäten abzubilden, aber eben möglichst weitgehend versucht, die gleiche technische Infrastruktur und auch BI, also Dateninfrastruktur, für alle Länder zu verwenden. Also ich glaube, das ist ein relativ klares Learning, weil sozusagen der Anteil der Technologie-Infrastrukturkosten tendenziell natürlich durch sozusagen die Weiterentwicklung, die man hat, durch die Anforderungen, die von Mobile kommen, und so weiter eben so stark steigen, dass es häufig eben nicht sinnvoll wäre, da in jedem Land das nochmal einzeln zu replizieren.
Joel Kaczmarek: Das sind ja manchmal ganz verrückte Sachen. Ich bin nicht mehr sicher, ob es mir Dirk Graber von Mr. Spex erzählt hat oder Marco Vitor von Audi Bene, dass Frankreich zum Beispiel so andere Verschreibungsregeln hat für Brillen beziehungsweise Hörgeräte und dass es denen zum Beispiel scheißegal ist, was die kosten. Also wenn du zum Beispiel jetzt sagst, ich verkaufe Brillen digital und habe einen guten Preis In Frankreich hat das gar nicht so einen Impact wie hier, weil die die eh nicht zahlen, sondern die Versicherung die zahlt. Also da staunt man ja manchmal. Gut, aber verstanden. Wonach entscheidet man denn eigentlich, also würdest du das machen, welche Länder man als erstes mal antestet und dann in welcher Reihenfolge penetriert? Weil ich hätte jetzt auch sagen können, Zalando liefert nach Polen oder nach, weiß ich nicht, Tschechien oder runter nach Spanien.
Florian Heinemann: Also war es übrigens sehr, und das ist für mich eigentlich so eins der Kern-Learnings, als wir so angefangen haben mit diesen ganzen Sachen, dann war es eigentlich immer, Du musst eigentlich in den größten Markt. Und das ist häufig nicht der richtige Weg. Also was wir letztendlich ja immer versuchen oder versucht haben und ich auch weiterhin für die richtige Betrachtungsweise halte, dass man versucht, irgendeine Art von Scoring-Modell zu entwickeln, was klar die Marktgröße berücksichtigt. den adressierbaren Markt, aber eben auch die Konkurrenzintensität in diesem Markt. Also UK ist häufig ein sehr attraktiver Markt, aber da hast du natürlich auch ein sehr sophistiziertes Konkurrenzspektrum.
Das heißt also häufig in den UK reinzugehen, das ist ja auch Zalando zum Beispiel nie gelungen, also gegen ASOS, obwohl das mit relativ viel Geld versucht wurde. Aber da wäre zum Beispiel eine Lieferung aus Deutschland, war eigentlich nicht akzeptabel, was ja Zalando in den meisten anderen Ländern eine ganze Zeit lang gemacht hat. Also mittlerweile gibt es ja nochmal, es gibt glaube ich ein Lager in Italien und auch diverse anderen, aber eine ganze Zeit lang war es möglich, aus deutschen Logistikinfrastrukturen in diverse andere Länder zu liefern. Und das geht eben, in England kannst du das halt nicht machen. Also zumindest nicht ohne einen für den englischen Konsumenten spürbaren Qualitätsverlust. Und deswegen war wahrscheinlich die Entscheidung, nach England zu gehen, mit dem Setup, was man damals hatte, eine falsche. Und deswegen ist Niederlande eigentlich häufig ein guter Kompromiss, weil du sagst, Niederlande ist relativ groß, sehr E-Commerce-affiner in der Regel als Deutschland. Skandinavien ist ja relativ weit, was diese ganzen Themen angeht, häufig aber underserved, was gewisse Themen angeht. Und das war zumindest auch damals so.
Und deswegen kann es dann häufig mehr Sinn machen, in so ein Land zu gehen wie die Niederlande, obwohl die Einwohneranzahl nur ein Drittel ist von UK-Niederlanden. Weil es im Prinzip, du da dich deutlich leichter tust mit einem Markteintritt und dass man dann so Länder wie Frankreich oder UK dann erst nachgelagert, wenn überhaupt angeht, weil eben andere Länder einen leichteren, letztendlich einen kapitaleffizienteren Markteintritt versprechen. Und wenn du jetzt schaust, für ein About You zum Beispiel sind die ganzen osteuropäischen Länder gerade sehr, sehr attraktiv, weil Osteuropa ist, was GDP pro Einwohner, E-Commerce, Affinität angeht und so weiter, relativ weit. Gleichzeitig hast du eine ziemlich schwache lokale weil du häufig Amazon nicht in dem Maße hast. Also Amazon liefert da zwar hin, aber die haben keine dedizierten Präsenzen dort. Und du hast gleichzeitig auch, und das ist auch ein wesentlicher Faktor, das muss man auch verstehen, ein wesentlicher Faktor, warum E-Commerce in China so weit entwickelt ist, also nochmal deutlich war das bei uns, ist ja auch, dass die Offline-Handelsstruktur dort relativ schlecht ausgebildet war. Das heißt, die Wechselhürde von Offline zu Online oder von Offline zu Digital war, eben eine viel geringere ist als jetzt zum Beispiel in den USA oder bei uns.
Joel Kaczmarek: Leapfrogging oder so heißt das, ne?
Florian Heinemann: Genau. Letztendlich ist das, du leapfrogst quasi von einer rudimentären Handelsstruktur in eine digitale, weil eben die Offline-Handelsstruktur weniger sophistiziert ist als bei uns. Und das ist natürlich sicherlich dort auch ein Faktor, warum ein osteuropäischer Markt eintritt, auch wenn man so denkt, Tschechien, wie kann denn das attraktiver sein jetzt als Frankreich, dass das durchaus so sein kann. Auch wenn sozusagen die absolute Kaufkraft natürlich da höher ist. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass du diese Kaufkraft auf dich vereinst, und auch Schweiz ist auch ein super Beispiel. Für viele ist die Schweiz, auch wenn es natürlich nervt, dann musst du da den Kram verzollen und so weiter. Aber weil natürlich die Zahlungsbereitschaft in der Schweiz bei den Konsumenten so wahnsinnig hoch ist, kann es trotzdem sein, dass der Deckungsbeitrag, den du letztendlich rausholst, aus einem Markteintritt in der Schweiz, trotz einer relativ begrenzten Bevölkerung oder Marktgröße, dass der trotzdem, der kumulierte Deckungsbeitrag in so einem Markt deutlich größer ist bei einer relativ geringen Konkurrenzattraktivität.
Also da ändert sich gerade eine Menge, weil Amazon jetzt glaube ich da sehr aktiv in den Markt auch rein will in die Schweiz. Da muss man mal gucken, was dann ist. Aber bis dahin war im Prinzip die Amazon-Experience, Amazon-Kauf-Experience in der Schweiz war nicht besonders gut. Das heißt, da hattest du eigentlich als Händler einen relativ guten Stand, wenn du da eine konkurrenzfähige Experience angeboten hast. Also insofern Letztendlich geht es darum, über ein Scoring-Modell herauszufinden, wo hast du wahrscheinlich den kapitaleffizientesten Markteintritt und nicht, wo ist der größte Markt oder die größte Kaufkraft und so weiter. Und das ist, glaube ich, nochmal eine ganz wichtige Erkenntnis. Und was sind auch repräsentative Märkte für einen weiteren Rollout? Also ich glaube, das ist auch nochmal wichtig, dass man sagt, wenn ich dann in ein, zwei Märkte reingehe, Sind die Learnings, die ich da machen werde, repräsentativ, was auch immer angeht, Zahlungsabwicklung, wenn es jetzt ein Händler ist, Logistik, Customer Service und so weiter, ist das, was ich da sehe, repräsentativ für weitere Märkte, wo ich reingehe? Also so würde ich mich dem Thema annähern.
Joel Kaczmarek: Ich meine, Creditec war ja auch so ein Beispiel, die sind ja nach Polen relativ schnell gegangen und ich habe Sebastian Lieber mal nachträglich gefragt, woran das lag und er sagte, es liegt halt daran, dass 1989 da das ganze Wirtschaftssystem zusammengebrochen ist und dann war das auch so eine Art Leapfrogging-Effekt, die haben die Banken quasi neu aufbauen müssen und hatten nicht diese alte Legacy, die du hier in Westeuropa hast, ja. Also da staunt man ja manchmal, was es ist. Oder Italien ist so ein Land, die sind irgendwie total weit vorne, was so Smart Metering angeht, weil die ganz viel Stromdiebe haben. Also manchmal ist es ja wirklich komisch. Aber kannst du nochmal ein bisschen genauer in Details gehen, was für Scoring-Verfahren du so anwenden würdest, um Länderwahlen zu betrachten? Also Umsatz war eins, was wir gesagt haben, Wettbewerbsintensität. Gibt es noch ein paar weitere Punkte?
Florian Heinemann: Ja, sicherlich auch, wenn du, da kommen wir gleich nochmal zu diesem Thema Internationalisierungsorganisation, wenn du anstrebst, und das machen ja viele digitale Businesses, eher eine zentrale Infrastruktur an einem gewissen Land, an einem Standort, eben was ich, ob es jetzt Berlin ist oder Barcelona oder sonst irgendwas, du sagst, du willst einen zentralen Standort haben, bist du in der Lage, Menschen aus dieser Geografie, die du da targetest an deinem zentralen Standort auch zu bekommen. Also hast du eine Verfügbarkeit von Talent und mit Sicherheit auch, ist das Marketing-Mix, was du dort spielen möchtest oder der Sales-Ansatz, den du dort fahren möchtest, ist der replizierbar? Also sozusagen, das ist sicherlich noch mal ein Aspekt. Ein weiterer Aspekt ist sicherlich, inwieweit muss ich das Produkt anpassen? Also inwieweit ist die Produktexperience, die ich habe Um kompetitiv zu sein, inwieweit ist die gleich? oder inwieweit muss ich eben jetzt Zalano Frankreich, inwieweit muss ich jetzt neue Sortimente in einem größeren Umfang aufbauen. Weil das natürlich dann wieder sozusagen auf Kosten der Synergien letztendlich geht.
Weil dann habe ich, der Witz wäre ja sonst gewesen, ich habe ein relativ gleiches Sortiment. und damit bespiele ich jetzt einfach 60, 70 Millionen Konsumenten mehr oder Einwohner mehr. Und wenn ich dann aber quasi nochmal ein komplettes Parallelsortiment aufbauen muss, dann spricht das natürlich dagegen. Das heißt also sozusagen Ähnlichkeit im Nutzerverhalten. Sicherlich so das ganze Thema Zahlungsabwicklung. Habe ich da ähnliche Zahlarten? Habe ich da ein ähnliches Customer-Service-Verhalten? Das heißt also, sind die Leute auch bereit, sozusagen auf E-Mail-Basis mit mir zu kommunizieren? Oder muss ich dann auf einmal ein Callcenter aufbauen, weil die Leute nicht so eine hohe E-Mail-Neigung haben und so weiter? Das sind also auch viele solche operativen Fragestellungen, die ich mir da sicherlich auch stellen würde. Also Thema Logistik ist häufig ein Thema. Kann ich da hinschicken? Oder muss ich da ein separates Lager aufbauen mit einer separaten, weil dann hast du auch nochmal eine separate Lagerhaltung, ist ja nicht nur eine logistische Frage, sondern auch eine Kapitalbindungsfrage, weil du dann nochmal neue Warenbestände aufbauen musstest, theoretisch, wenn es jetzt ein Händler wäre. Also solche Fragen sollten da sicherlich auch eine Rolle spielen.
Joel Kaczmarek: Jetzt haben wir viel über Zalando gesprochen, die das quasi so mit Antesten gemacht haben. West Wing war ja, glaube ich, so ein anderes Beispiel, die eigentlich genau das Gegenteil gefahren haben, wenn ich es richtig verfolgt habe, oder?
Florian Heinemann: Ja, ist jetzt auch schon lange her, aber wenn ich das so richtig habe, dann wurde eben relativ schnell innerhalb kürzester Zeit da in ein paar Länder, also mehr als zehn Länder, ich kann es jetzt auch nicht genau, aber das war ja so, oder Groupon war ja ähnlich, dass man eben da sehr schnell in sehr viele unterschiedliche Länder gegangen ist, ja.
Joel Kaczmarek: Gibt es da irgendwie, also ist das trotzdem funktional, also kann das trotzdem sinnhaft sein?
Florian Heinemann: Ja, also ich glaube unter den Bedingungen, die wir gerade beschrieben haben, also wenn du sagst sozusagen, es ist ein Winner-Takes-It-All-Markt und ich bin mir relativ sicher bei dem Approach, den ich da wähle, dass das eigentlich jetzt schon der Approach ist, wie er dann wahrscheinlich halten wird, also im Sinne von Product-Market-Fit. dann kann das schon eine vernünftige Strategie sein. Also ich glaube, man müsste Stefans Mann aber fragen, mein Gefühl wäre, dass er das heute wahrscheinlich anders machen würde. Also eben nicht so schnell internationalisieren würde, weil sich ja das West Wing-Modell nach meinem Verständnis dann doch noch relativ stark gedreht hat. Und da hat man eben viel mit rum experimentiert. Auch damals war ja noch hier, wie hieß es, da unterwegs, wo du letztendlich sagen könntest, der Product-Market-Field war eigentlich noch nicht gefunden Und dann zu internationalisieren ist natürlich schon eine Herausforderung. Also ich würde eigentlich erst dann anfangen zu internationalisieren, wenn ich ein Product-Market-Fit sicher habe, weil sonst ist das Risiko schon enorm groß.
Joel Kaczmarek: Ich meine, ich hatte den Eindruck, wenn wir mal Zalando wieder jetzt in die Betrachtung mit reinnehmen, wenn ich mich richtig entsinne, war ja GFG, also Global Fashion Group, so bei den Samwers, dieses Zalando-Pendant auf internationaler Ebene.
Florian Heinemann: Außereuropäischer Ebene, ja.
Joel Kaczmarek:
Florian Heinemann: Outfittery, Monomoto. Stimmt, stimmt. Also dieser, ja, Curated Shop. Das ist glaube ich, da nagel ich mich jetzt nicht drauf fest.
Joel Kaczmarek: Nee, du hast recht. Aber da merkt man mal, wie man mit den Namen durcheinander kommt. Worauf ich hinaus wollte ist, ich hatte immer so den, also die Story war natürlich immer cool am Anfang, die Equity-Story. Wir haben jetzt hier ein Zalando-Modell, haben das verstanden, bringen das irgendwie in unterentwickelte Märkte, können hier irgendwie aufsetzen, haben Sachen, die alle anderen nicht können, labarababa Ich hatte so den Eindruck, es hat nicht so geil funktioniert eigentlich. Also mit viel Geld in diese ganzen
Florian Heinemann: Ja, was heißt das? Ich glaube, the jury is still out, dass es nicht funktioniert. Also die Global Fashion Group ist ja an der Börse mittlerweile und fürchterlich bewertet. Das kann man glaube ich sagen. Ob zu Recht oder Unrecht will ich jetzt gar nicht bewerten. Ich glaube, was ein Problem war und ich glaube, das hat man unterschätzt. Ich meine, das Tolle in Europa oder in Deutschland sowieso, aber auch in Europa ist ja, da gibt es ja viele Dinge, auf denen du aufsetzen kannst. Also zum Beispiel funktionierende Logistikdienstleister sowohl für deinen Lagerkram als auch natürlich für Zustellung und so weiter.
Und das ist natürlich in anderen Ländern häufig nicht der Fall. Das heißt, da musst du dann nicht nur sozusagen dein Fashion-Business im Sinne von Einkauf und Website und Marketing und Service und so auf die Reihe kriegen, sondern musst auf einmal noch anfangen, eigene Logistik aufzubauen, was ja der Anzalando irgendwann auch mal gemacht hat. Aber natürlich deutlich später. und du musst auf einmal anfangen, eigene Zustellnetzwerke aufzubauen. und das ist natürlich, also in Indien zum Beispiel wurde dann da selbst zugestellt und ich meine in Russland zum Teil auch und das ist natürlich einfach wahnsinnig teuer, wo du dann in der Jugendforscht-Operation nicht nur quasi sagst, wie mache ich denn Fashion E-Commerce, sondern eben auch wirklich jeden Value Chain oder jeden Wertschöpfungskettenaspekt selbst machen musst.
Und das halt mit einem Business von einer absoluten Größenordnung, was zumindest zu Beginn relativ klein ja war, von einer absoluten Größenordnung, weil du natürlich da in diesen Märkten zwar ein Riesenpotenzial hattest, was aber natürlich gar nicht so schnell zu erschließen war. Und ich glaube, das hat man einfach unterschätzt, wie teuer das werden würde und ich kenne jetzt nicht die Gesamtinvestments in die Global Fashion Group, aber was man sicher sagen kann, ist, dass mehr Geld investiert wurde in die Global Fashion Group, als sie jetzt heute wert ist, das kann man sagen, habe aber trotzdem die Hoffnung, also wenn man lang genug durchhält, dann hat das durchaus eine Chance noch aufzugehen und zu funktionieren, man braucht halt nur wahnsinnig lange Zeit, Zeiträume und sehr viel Durchhaltevermögen, in dem man da denken muss.
Und ich glaube, deswegen war es schlau, jetzt von einem Zalando-Management zu sagen, wir gemeinten quasi die Global Fashion Group eben nicht ein, auch wenn die eigentlich das gleiche Business machen. Aber ich glaube, die Voraussetzungen in Brasilien, die Voraussetzungen in Russland und so weiter sind eben schon dramatisch andere gewesen als die, die jetzt Zalando hier gefunden hat. Und ich glaube, die Synergien, und das ist ja auch so ein bisschen das, was der Kapitalmarkt, wenn man sich rund um den Börsengang die Berichterstattung angeguckt hat, dann war ja schon auch die Message, ja, das heißt zwar Global Fashion Group, aber eigentlich sind das unterschiedliche Geschäfte, die eigentlich zusammengeschoben worden sind. Mit relativ begrenzten Synergien.
Und daran wurde eben auch sehr viel gearbeitet nach meinem Verständnis, dass man angefangen hat, gemeinsam mal einzukaufen, gemeinsame Markenkontakte zu pflegen und so weiter. Damit man zwar vielleicht unterschiedliche Sortimente in Russland oder in Brasilien hat, aber dass man zumindest mal versucht, die Kommunikation mit einem Nike oder Adidas oder Tommy Hilfiger oder wie auch immer, die zumindest mal so in gewisser Weise zu zentralisieren. Aber ich glaube, das hat man zum damaligen Zeitpunkt unterschätzt, wie lange das dauern würde, wie viel Geld das kosten würde.
Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, ich finde auch ein bisschen spannend, wenn wir über Internationalisierung reden, dass man auch mal so die Kapriolen oder die mutigen Ansätze unterstreicht, wo das durchaus dazugehört. Oder ich erinnere mich, dass damals Friends for Friends irgendwie nach Japan internationalisiert ist, wo man denkt so, okay, warum denn nach dem deutschen, dem japanischen Markt? Dann hieß es halt ja, hohe Modeaffinität, gleichzeitig hohes Einkommen und so weiter.
Florian Heinemann: Also ich glaube, die Nachfrageseite ist grundsätzlich, macht das schon total Sinn. Aber wenn du dann sozusagen diese andere Seite, die ich ja gerade versucht habe reinzubringen, sozusagen die operative Realisierbarkeit, da kann man sich dann eben schon fragen, ob bei dem Scoring-Modell, wenn man da die operative Realisierbarkeit, wenn man die entsprechend gewichtet damit einbezogen hätte, ob dann Japan sozusagen the best next choice nach dem Dachmarkt ist, kann man schon darüber streiten.
Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, man staunt ja. Also ich habe so das Gefühl, in den letzten anderthalb Jahren war sonst so Australien the hottest shit, dass viele gesagt haben, irgendwie sehr westlicher Markt, gutes Einkommen, gute Logistik, I don't know. Also da merkt man ja, es ist ja nicht nur sowas wie, was habe ich da für Bezahlverfahren, du hast ja Logistik, auch Zeitzonen, ne? Wenn du dann mal so, kommen wir ja gleich zu, Dezentralisierung, mal so einen Call machen willst, ist schon spaßig, wenn dann wahrscheinlich einer um 22 Uhr erstmal da sitzen darf.
Florian Heinemann: Aber ich glaube, deswegen glaube ich, würde ich auch sagen, wenn man es im Nachhinein betrachtet, wirkt das dann immer so ein bisschen so, was haben die sich eigentlich dabei, haben die sich dabei irgendwas gedacht? oder was haben die sich dabei gedacht? Aber ich glaube, das sind eben so Dinge, die kann man auch ein Stück weit, muss man eben lernen, indem man es probiert. Und deswegen weiß man ja heute, glaube ich, deutlich mehr, wie man das eigentlich machen sollte, als man 2006, 2007 wusste.
Joel Kaczmarek: Vor den Strukturen, über die wir noch reden wollen, vielleicht ein, zwei andere Dinge noch. Man kann ja auch darüber nachdenken, wenn man internationalisiert, sollte ich das selbst machen oder sollte ich es vielleicht kaufen, also mir einkaufen oder Partnern? Also du hast ja vorhin Delivery Hero angesprochen, das ist ja so ein typisches Segment, da geht dann irgendwie so ein Takeaway hin oder ein Delivery Hero und kauft sich zwei, drei Player zusammen. Also auch hier in Deutschland alleine, Pizza.de weiß ich noch als erstes und dann irgendwann auch so die Fusion, das Lieferando Delivery Hero Lieferheld Pizza.de gekauft hat. Wann macht es denn zum Beispiel Sinn, darüber nachzudenken, den Markt nicht selbst zu erschließen, sondern zu kaufen, also make or buy? Und wann macht es vielleicht Sinn, sich Partner zu suchen, die das für einen erschließen?
Florian Heinemann: Ja, also ich glaube sozusagen, dass ich einen Partner suchen kann, kann ja zwei Ansätze sein. Das eine ist, ich kaufe mir im Prinzip einen Player, der dann schon da ist. Das ist dann ehrlicherweise nicht Partnern, sondern Partner. Dieses Kaufen macht sicherlich Sinn, gerade bei eben sehr stark netzwerkeffektbasierten Modellen. Wenn du einfach sagst, es gibt halt da eine sehr starke Tendenz, dass eben nur die ersten beiden in einem Markt oder nur der erste das deutlich überproportionalen Erfolg haben. Und dann ist natürlich da im Nachhinein einzudringen in einen Markt. Das haben wir auch hier gesehen, sozusagen jetzt hier der Battle zwischen Lieferheld, die Silvery Hero deutsche Marke und Lieferando.
Das hat letztendlich natürlich niemandem etwas genutzt außer Google und Facebook und die dann eben letztendlich der Hauptprofiteur der Werbegelder waren oder vielleicht noch ein bisschen ströher oder sowas, je nachdem, was die dann noch an Autoforum gemacht haben. Und ich glaube, nach dem Wissen, was die heute haben, bin ich ziemlich sicher, dass diesen Battle heute nicht mehr so lange machen würden, sondern früher quasi erkennen würden, okay, also ich muss mich jetzt hier eigentlich aus diesem Markt entweder zurückziehen oder es bringt nichts, da weiter Geld zu verbrennen. Und ich glaube, gerade dieser M&E-Ansatz macht halt bei solchen Märkten, wie gesagt, sehr starke Netzwerkeffekte, macht das total viel Sinn. Und wer das ja auch sehr erfolgreich gemacht hat, Urban Sports Club, die sich verschiedene lokale Wettbewerber gekauft haben zu relativ günstigen Bewertungen, nach meinem Verständnis. Und dann sozusagen das auf ihre eigene zentrale Infrastruktur gezogen haben.
Also da wäre jetzt das Argument, glaube ich, weniger ein Netzwerkeffekt, sondern eher ein Wettbewerb. Ich kann die sowieso relativ günstig kaufen. Ich ziehe das bei mir auf die Infrastruktur. Ich kaufe eigentlich nur die Kundenbasis und gebe denen einen gewissen Equity-Share-Anteil. Plus, ich habe sozusagen in-house auch noch ein relativ großes Maß an M&A-Kompetenz. Ich weiß, wie sowas funktioniert. Und dann kann das eine sehr wertschöpfende Strategie sein, also da einen Markteintritt zu beschleunigen. Also Urban Sports Club kann ich da nur jedem raten, sich das einmal genauer anzugucken. Und was hatten wir noch? Ich meine, du kannst natürlich, genau, man kann sich auch Partner suchen im Sinne von Franchise-Nehmern. Das gibt es ja auch, das Modell. Ich meine, so internationalisieren Also McDonalds und so weiter ja seit Jahrzehnten, indem sie halt das nicht selbst machen, sondern nur das Format vorgeben, gewisse zentrale Leistungen erbringen wie Marketing, Restaurantdesign, das ganze Thema Menügestaltung plus sozusagen auch ganzen Supply Chain organisieren, also die ganzen Lebensmittel auch in die Restaurants karren und so weiter. aber letztendlich das Doing, die Execution von Franchise-Partnern machen lassen.
Und das sind ja auch durchaus valide Modelle. Das gibt es jetzt im finanzierten Startup-Bereich, sieht man das nicht ganz so häufig. Ich glaube, das wäre durchaus etwas, was man sich in so einem Konsumentenbereich durchaus überlegen kann. Und ansonsten gibt es natürlich auch so Spezialisierte Beratungen, die einem Markteintritte ermöglichen. Das sind jetzt weniger die McKinsey's dieser Welt, sondern es gibt so Firmen wie Result zum Beispiel, die das machen für Leute und die halt Markteintritte in bestimmten Geografien für einen vorbereiten. Airbnb ist ja damals so auch in den europäischen Markt gekommen, nach meinem Verständnis.
Joel Kaczmarek: Mit Klaus Hommels damals, oder?
Florian Heinemann: Genau, also das war jetzt weniger eine strukturierte, sozusagen institutionalisierte Beratung, sondern das hatte sich dann eben so ergeben. Und der Klaus Hommels und Oliver Jung, damals mit ein paar anderen, Christopher Cedarsko und so weiter, die haben das damals, nach meinem Verständnis, da sehr stark das internationale Geschäft dann aufgebaut, gegen eine Mischung von Equity und dann eben einer Finanzierung des Ganzen. Und solche Ansätze sind durchaus auch überlegenswert, wenn du sagst, du brauchst halt ein relativ großes Maß an lokaler Wertschöpfung. Das macht jetzt sicherlich für einen Supercell oder so beim nächsten Spiel nicht so viel Sinn, aber für jemanden, der eine lokale Vertriebsinfrastruktur braucht oder auch lokale Agenturkontakte oder sowas, da kann man sich schon durchaus überlegen.
Oder wer das ja auch zum Beispiel anbietet, ist die Antenna Group. Ich weiß nicht, wer die kennt. Das ist so eine der führenden, sagen wir mal, balkanbasierten Medienhäuser. Griechenland sind die auch noch relativ stark, die halt sagen, wir haben nicht nur Medienpräsenz hier, sondern wir bieten dir im Prinzip Marktzugang zu Märkten wie Griechenland, verschiedene Balkanstaaten, Albanien und so weiter. Haben da die Medienpräsenz, aber haben eben auch die Kontakte, um dann sowas vor Ort auszurollen. Sehr erfolgreiche Firma. Und ich glaube, das ist auch etwas, was man sich durchaus anschauen kann, ehe man Märkte gar nicht erschließt. Also wer würde sonst nach Albanien und Griechenland, wären jetzt vielleicht nicht the first countries on your list, aber für die kann das durchaus attraktiv sein. Also da mal ein Reach-out zu solchen Leuten zu machen, das kann durchaus Sinn machen, auch für Startups.
Joel Kaczmarek: Ich meine, je länger man drüber nachdenkt, desto mehr Beispiele fallen einem ein. Die ganzen Shopping-Clubs wurden damals eigentlich so gestreamlined, nach draußen getragen. Fab, Groupon, also Michi Brehm hat er doch damals auch mit seiner Bude, womit der Name gerade partout nicht einfallen will, irgendwas mit Re.
Florian Heinemann: Fällt uns noch ein. Machen wir noch in die Shownotes, genau. Und das ist eben sehr stark im B2C-Bereich, war das nicht unüblich. Im B2B-Bereich ist die Frage, ob das da auch so geht. Also was du ja schon auch dort hast, sind Channel-Partner häufig. Also Spriker zum Beispiel haben auch Agenturpartner, die dann eben Vertrieb machen, natürlich auch in Deutschland, aber auch international. Also insofern, man hat solche Ansätze immer wieder und eben auch für den Internationalisierungsaspekt finde ich durchaus, also würde diese Partnerkomponente da durchaus ernsthaft prüfen.
Joel Kaczmarek: Man kann natürlich auch auf den Arsch kriegen, wenn ich hier an Groupon und Tencent damals denke. Also das war ja eigentlich so ein Beispiel, wo man quasi einen Partner hatte und der hat es dann einfach selber hochgezogen.
Florian Heinemann: Das ist aber natürlich sozusagen auch der chinesische Markt sicherlich nochmal ein bisschen spezieller. In der Tat. Aber
Joel Kaczmarek: Aber vielleicht abschließend zu diesem ganzen Thema, mit welchem Ansatz mache ich das, wärst du denn, wenn du jetzt so drüber nachdenkst, weil wir auch viel gesagt haben über Modellabhängigkeit, Kapitaleffizienz, Wettbewerbslage und so weiter, würdest du eher sagen oder, also ich überlege ein bisschen, ist es manchmal sinnvoller, was ohne Playbook premature, wie du gesagt hast, auszurollen und hinterher zu reparieren? oder ist es der Erfahrung nach öfters besser zu sagen, ich habe schon alle Karten auf dem Tisch, weiß, was grob passiert und mache es dann strukturiert?
Florian Heinemann: Ja, also ich glaube, immer wenn mein Konkurrenzumfeld das zulässt, das so zu tun, also eher den bedachteren Ansatz, ist das, glaube ich, aus Kapitaleffizienzgesichtspunkten immer besser. Und das würde ich mir mal als Leitsatz hinter die Startup-Ohren schreiben. Und ich finde es immer gut, irgendwelche Leitsätze zu haben und dann Grundsätze des Handelns. und dann lieber davon abzuweichen, weil es gewisse Gründe dafür gibt. Und ich glaube, Kapitaleffizienz ist ein hohes Gut. Das ist ja auch nochmal so ein Learning aus dieser WeWork-Zeit und jetzt sicherlich mit Coronavirus und so weiter, da wird sicherlich das Thema Kapitaleffizienz, Liquidität, Runway, also wie lange habe ich noch Geld, das sind alles so Aspekte, die werden an Wichtigkeit jetzt erstmal auf jeden Fall gewinnen. Das heißt, glaube ich, ist sozusagen Mit dem Grundsatz reinzugehen, Kapitaleffizienz first und wenn es einen Grund gibt, davon abzuweichen, okay, aber fährt man vermutlich jetzt nicht so schlecht.
Joel Kaczmarek: Gut, also Organisationsstruktur ist ja was, was wir jetzt schon die ganze Zeit anpreisen. Ich habe immer in meinem Buch damals noch so im Kopf dieses Beispiel, lustigerweise zwei Samwer-Gründungen, einmal Jamba und einmal Groupon. So ein Jamba war, glaube ich, so ein Kandidat. Zentrale Organisation, alles irgendwie aus Berlin gebaut und in den ausländischen Dependancen quasi eher kleinere Satelliten gebaut. Das heißt, man hatte die Kernleistung zentral und in den Outskirts sozusagen war dann sowas wie Kundendienst oder Marketinganpassungen, Contentgeschichten und so weiter. Während Groupon eigentlich anders fungiert hat, die haben eigentlich eher ihren gesamten Aufbau in jedem Land immer gefühlt repliziert. Also man hat quasi Groupon pro Land immer halbwegs nachgebaut und hatte nicht so die zentralen Eigenheiten. Welches Modell hat denn welchen Vorteil und wann macht welches Modell Sinn?
Florian Heinemann: Ja, also ich habe Groupon ehrlicherweise auch ein bisschen anders in Erinnerung, als dass da schon auch relativ viel zentral lief. Aber der klassische Management-Buch-Aufbau wäre ja, ich habe schon, oder wenn du jetzt mal so Nestlé anguckst oder so, ein klassisches Unternehmen, Die haben relativ starke Regionen und die replizieren dann in der Tat ziemlich viele Funktionen in den Regionen. Das ist eigentlich schon so das klassische Internationalisierungsmodell. Und unsere Erfahrung ist eigentlich schon im Startup-Kontext funktioniert eine zentral dominante Lösung eigentlich häufig sehr, sehr gut. Und auch wieder versuchen, so ein paar Leitsätze abzuleiten. Was ist eigentlich eine klare Beobachtung?
Also ich glaube, je homogener ein Produkt ist, was man anbietet, also Produkt-Service, desto eher macht eine Zentralisierung Sinn. Ein Spiel, Spotify. Spotify braucht vielleicht ein paar Künstler-Relations in den jeweiligen Ländern, um da irgendwie oder die Labels zufriedenzustellen. Aber ansonsten kannst du das eigentlich alles in Stockholm machen. Also kannst du natürlich noch sagen, wir brauchen noch ein Developer-Center in Dublin oder irgendwas. Das jetzt mal unbenommen, aber das ist dann eher das Argument, weniger Regionalisierung, sondern ist ja das Argument Talentzugang. Und deswegen habe ich dann eben noch ein Büro hier und ein Büro dort. Aber das ist nicht sachlogisch, ergibt sich nicht aus dem Geschäft.
Das heißt, ich glaube, je homogener ein Produkt oder Service ist, desto eher bietet sich eine Zentralisierung an. Zweites Thema, was wir eigentlich festgestellt haben, desto technischer, komplexer dateninvolvierender etwas ist, und das gilt sowohl für ein Modell als auch für einen Funktionsbereich, desto eher macht eigentlich Zentralisierung Sinn. Warum? Weil du eigentlich merkst, dass je komplexer technischer Dinge sind, es dir sehr schwer fällt, dieses Know-how dezentral in einer sehr guten Qualität zu bekommen. Sondern in der Regel ist es halt so, in solchen Bereichen, du findest halt ein, zwei gute IT-Architekten, du findest ein, zwei gute Datenarchitekten und dann musst du eigentlich gucken, dass du deren Impact maximierst, indem du quasi deren Architekturkompetenz möglichst hohen Impact verleihst, indem du quasi sagst, ihr designt das jetzt für die gesamte Gruppe oder für die gesamte Struktur nach eurem Wissen und Gewissen und der Rest hat sich da eben einzufügen. Das ist ein sehr effizienter Ansatz, der aber natürlich auf Kosten im Zweifelsfall geht der lokalen Anpassungsbedürfnisse.
Und da hast du natürlich immer einen impliziten oder auch teilweise sehr expliziten Widerstand, weil natürlich die Tendenz der lokalen Leute dann häufig ist, Niederlande ist total anders, Schweden ist total anders, Frankreich ist total anders, Deutschland ist total anders. Wir brauchen die Anpassung. Und ich glaube, was man dann halt hinbekommen muss, und ich glaube, das ist die Schwierigkeit, Konfliktlösungsdiskussionsmechanismus, der im Prinzip dafür sorgt, dass die Regionen ihre Bedürfnisse bekommen, Aber dass man eben die irrational geäußerten Bedürfnisse, die häufig ehrlicherweise die Mehrzahl sind, also wenn man mal diese Diskussion dann in der Realität verfolgt, dann heißt es ja, der französische Konsument ist anders.
Die wollen eher so. Und ich glaube, man muss dann halt in Mode, ohne dass das jetzt in irgendeiner Form mit Fakten, Zahlen, Daten, Test hinterlegt ist. Und ich glaube, wo man halt hinkommen muss, ist, wenn man das macht, ist, dass man sagt, es muss irgendeine Art von Test Zahlen, Fakten basierter Kultur geben, die dann sagt, wenn du meinst, der französische Konsument ist anders, no problem, dann schlag jetzt mal ein Test-Setup vor, wie wir das hart anhand von nachvollziehbaren Zahlen überprüfen können, ob deine Hypothese richtig ist. Und ich glaube, das ist dann eben wichtig, dass man es schafft, diesen Konflikt, der sich ja bei einer sehr stark zentral agierenden Struktur immer zwangsläufig ergibt, dass man den halt positiv kanalisiert, indem man einen daten- und faktenbasierten Lösungsmechanismus schafft. Und ich glaube, das ist häufig die Schwierigkeit, die dann eben nicht gelingt. Das heißt, dass man, weil du dafür natürlich auch wieder eine technische Infrastruktur brauchst, die das eben ermöglicht, die dir ermöglicht, alles, was eben vorgeschlagen wird und nicht totaler Schwachsinn ist, flexibel für ein gewisses Land zu testen, zu implementieren, ausprobieren und dann zu sagen, okay, wenn das passt, dann wenn sich das jetzt erweist, dass die Bilder größer sein müssen für den französischen Konsumenten, dann probieren wir das mal aus.
Wenn die Conversion Rate höher ist oder die Lifetime Value dadurch besser sich entwickelt, dann machen wir das halt. Und dazu brauchst du halt ein relativ hohes Maß an flexibler Infrastruktur. Aber generell würde ich sagen, ist die Erfahrung schon, auch wieder als Leitsatz, gerade bei technischeren, digitaleren, datengetriebeneren, komplexeren Bereichen, macht Zentralisierung Sinn. Das kann sich im Zeitverlauf teilweise etwas ändern. Das heißt auch, das Schöne an diesem zentralen Ansatz, und das sollte man vielleicht auch noch mal, du kannst mit einer relativ unerfahrenen Organisation, wenn du die richtigen Architekten in den jeweiligen Bereichen hast, relativ schnell auf einen sehr komplexen, gutes Exzellenzniveau in der jeweiligen Funktion kommen. Und ich glaube, das ist nochmal der Charme auch an so einer zentraleren Lösung. Und das kann sich natürlich im Zeitverlauf ändern.
Also was will ich damit sagen? Wenn ich jetzt merke, dass das Gesamtlevel, Gesamtwissensniveau in meiner Organisation, das entwickelt sich ja idealerweise über die Zeit weiter. Also wenn ich jetzt nicht zu hohen Churn habe, Deswegen ist es eben auch wichtig, eine gute Unternehmenskultur zu haben. Dann sollte es mir gelingen, dass sozusagen das Wissen in der Breite zunimmt und damit auch die Fähigkeit einer dezentral agierenden Einheit, gute Entscheidungen zu treffen auf einem gewissen Niveau und auch Infrastruktur sozusagen auf einem hohen Niveau selbst zu entwickeln. Und deswegen kann es durchaus sein, dass man sagt, ich starte mit einer zentralen Struktur, weil die Vorteile der Zentralisierung überwiegen im Verhältnis zu einer sehr starken lokalen Anpassung.
Und wenn ich merke, dass mein Team Niederlande ein sehr hohes Niveau in den einzelnen Funktionsbereichen erreicht, dann kann es durchaus eine rationale Entscheidung sein, zu sagen, so jetzt lege ich den Hebel um und sozusagen der netto positive Effekt der dezentralen Marktanpassung überwiegt quasi das einfachere Exzellenz erreichen durch eine zentralere Struktur. Aber ich glaube, das muss man sehr nüchtern und rational betrachten. Das Problem bei diesen nationalen, geografischen Anpassungen oder regionalen ist eben, das ist eine häufig sehr emotional geführte Diskussion. Und ich glaube, wenn man es schafft, das zu kanalisieren in eben diese datentestgetriebene Kultur, dann wäre man dann theoretisch auch in der Lage nachzuweisen, dass der Nettoeffekt von einer stärkeren Dezentralisierung tatsächlich positive Effekte produziert.
Und ich glaube, das ist eben etwas, wofür man als CEO oder Gründer sehr sensibel sein muss, wo befinde ich mich jetzt gerade. Aber unsere Erfahrung ist eigentlich die, je homogener und je technischer und so weiter, desto zentraler. Liebe alle Leute an einem Ort, was, glaube ich, auch nochmal wichtig ist. Das sollten Muttersprachler idealerweise sein, was ja in so einem Standort wie Berlin wunderbar funktioniert. Es muss auch nicht für jeden Markt unbedingt immer eine Person, auch in Zalando oder so, hat sehr gute Erfahrungen gemacht mit so Regionalteams, wo man dann eben Spanier, Franzosen und so weiter hat, die dann eben Italiener, die dann eben den südeuropäischen Markt zusammen agieren als Team, um eben nochmal so ein bisschen die Infrastruktur oder Personalkosten pro Region nochmal etwas zu reduzieren. Und ich glaube, da muss man einfach ein Stück weit mit rumexperimentieren, was da der richtige Ansatz ist. Aber ich glaube, man kann sagen, zentrale Struktur mit Muttersprachlern an einem Ort ist auf jeden Fall für viele Startups ein sehr sinnvoller Ansatz. Und dann hat man vielleicht sowas wie Vertrieb oder Accountmanagement oder sowas letztendlich dann in den Ländern vor Ort.
Und wenn man sich anguckt, das macht ja Google und Facebook letztendlich auch so. Also die Länderstrukturen von Google und Facebook sind ja in der Regel Accountmanagement-Vertriebsstrukturen in den jeweiligen Ländern. Alle Produkt-Technologie-Themen laufen zentral. Und zentral heißt nicht unbedingt alle in Silicon Valley, sondern es gibt ja durchaus Entwicklungsstandorte, was ich für Google Maps in Zürich, die dann halt für global Google, letztendlich Google Maps ausrollen, nach meinem Verständnis. Aber die machen das halt sehr zentral. Amazon das Gleiche. Also da hast du auch, Amazon ist ein sehr zentraler Laden, weil alles, was sozusagen an Produkt handelt, technischen Themen passiert, welche Tools werden genutzt, welche Infrastruktur.
Das kommt nach meinem Verständnis sehr stark aus dem Silicon Valley. Und die Marktbearbeitung, das passiert dann eben in den Märkten selbst. Aber sehr viele der Rahmenbedingungen werden im Prinzip selbst bei so großen Firmen wie denen eigentlich zentral entschieden. Und das ist eigentlich Ganz spannend zu sehen, dass ein Google und ein Facebook und ein Amazon tendenziell deutlich zentraler agieren und damit ja wahrlich nicht unerfolgreich sind, als das jetzt nach meiner Wahrnehmung ein Siemens tut oder ein Nestlé tut. Und das sollte einem sicherlich zu denken geben.
Joel Kaczmarek: Also lernen wir Zentralisierung im Sinne von, ich schaffe eine Architektur, die zentral ist, wobei zentral jetzt nicht heißen muss, alle Menschen sitzen in einem Gebäude oder in einem Ort, ist erstmal hilfreicher. und dann denke ich darüber nach, ob ich Lokalisierung vornehme, die datengetrieben passieren sollten und irgendwann schaue, gibt es vielleicht so eine Art Tipping Point, dass es irgendwann sinnvoller sein könnte, ein bisschen mehr Dezentralität reinzubringen. Gut, jetzt können wir natürlich noch eine zweite Achse aufmachen. National versus funktional. Also wir haben jetzt natürlich sehr viel darüber geredet, zentral im Sinne von, man ist in einem Ort, hat da alles. Macht das Sinn, in so einer Dimension auch zu denken? Also was du gerade gesagt hast mit Siemens, die sind ja zum Beispiel eher national orientiert versus jetzt irgendwie so ein Google-Klang für mich jetzt eher funktional.
Florian Heinemann: Ja, absolut. Also ich glaube, man muss sich schon fragen, was ist sozusagen die dominante strukturelle Dimension, wenn ich so eine Organisation baue? Ist das Land das Dominante oder die Region oder ist es die Funktion? Was hat das konkret für Auswirkungen? Wenn ich jetzt ein Online-Marketing-Team habe, sitzen jetzt alle Online-Marketing-Leute zusammen oder sitzt halt Team Holland zusammen oder Team Schweiz? Und ich tendiere dazu, bei insbesondere Startups mit einem relativ hohen Anteil unerfahrenerer Mitarbeiter der funktionalen Strukturierung den Vorzug geben. Warum? Weil das auch wieder den Vorteil hat, dass du sozusagen die funktionalen Architekten, die können dann eben ihren Impact maximieren, wenn sie möglichst nahe, und möglichst hochfrequent mit den Leuten aus ihrer Funktion agieren.
Das heißt, mein erstes Ziel ist erstmal, funktionale Exzellenz zu erreichen, bevor ich Maximierung der geografischen Anpassung erreichen möchte. Und das ist, glaube ich, ein ganz guter Leitsatz. Und wenn ich das Gefühl habe, Team Holland wird das Maß an funktionaler Exzellenz halten, auch mit einer geringeren Austauschfrequenz, Die müssen nicht mehr alle zusammensitzen, sondern es reicht völlig aus, wenn die sich einmal die Woche im Jour Fix sehen und da ihre Learnings austauschen, weil die so gut sind. Dann kann es durchaus sein, Stichwort Tipping Point, dass es vielleicht die rationalere Struktur ist zu sagen, okay, wie kann ich denn jetzt die funktionsübergreifende Zusammenarbeit länderspezifisch optimieren? Und dann wäre das dominante Kriterium sozusagen Region oder Nation, wo du dann sagst, da will ich jetzt eigentlich den Austausch und die Interaktion zwischen diesen Menschen. maximieren und eben nicht in der Funktion.
Aber ich glaube, das hängt sehr stark von dem Wissensstand und Exzellenzniveau der Organisation in der Breite ab, ob ich das kann oder nicht. Und das Charmante ist eben, so wie ich es eben kennengelernt habe, eine funktionale Orientierung erlaubt dir eben relativ stark oder relativ schnell zu skalieren mit relativ wenig Leuten, die eigentlich wissen, wie es geht. Ja. Und das ist ja im Startup-Bereich häufig etwas, was du brauchst. Und ich tendiere immer dazu zu sagen, du hast wenige exzellente Leute für die Fachbereiche und wie kann ich eigentlich deren Impact maximieren? Das ist eigentlich immer mein Ziel. Und ich glaube halt sozusagen, dass funktionale Exzellenz, das geht natürlich immer so ein bisschen auch….
Das hat dann immer die Gefahr natürlich auch des Silo-Agierens, dass du dann in deiner Funktion zwar exzellent das machst, aber dann sozusagen dieses funktionsübergreifende Zusammenarbeit, dass das dann so ein Stück weit zu kurz kommt. Das ist dann immer die Kritik, die kommt und die ist natürlich auch nicht umrechtlich. Bloß mein Gefühl ist, dass es den meisten Mitarbeitern schwerfällt, funktional exzellent zu agieren und gleichzeitig funktionsübergreifend zu agieren. Wenn sozusagen du noch nicht ein sehr hohes Maß an Prozessqualität und so weiter erreicht hast, das überfordert viele. Und ich glaube, man macht es Leuten leichter, exzellente Arbeit abzuliefern, wenn man erstmal sozusagen versucht, funktionale Exzellenz anzustreben und dann sozusagen sich um die Optimierung der funktionsübergreifenden Zusammenarbeit zu kümmern. Aber das ist wichtig. Das kann man so pauschal nicht sagen, aber ich hoffe mal, dass diese Gedankengänge einem helfen, darüber fundierter und substanzieller nachzudenken.
Joel Kaczmarek: Gut, abschließend, vielleicht machen wir nochmal ein Stück weit so ein kleines Wrap-up im Sinne von Voraussetzungen, typische Risiken und Fehler. Was würdest du sagen, sind so organisatorisch die wichtigsten Voraussetzungen, wenn ich mich an eine erfolgreiche Internationalisierung machen möchte? Geld hatten wir, glaube ich, schon mal, BI und Personal.
Florian Heinemann: Ich brauche ausreichend Geld, absolut, dass ich mir auch Fehler leisten kann. Also es ist häufig, wenn ich gerade in die USA gehe, du hast eine Reihe von Firmen, die wollen in die USA, was ja auch häufig Sinn macht, gerade im technischen Bereich, so und sind aber nicht ausreichend ausgestattet dafür. Und dann kann das, habe ich jetzt schon mehrfach erlebt, dass das dann existenzgefährdend für die ganze Firma ist, wenn das dann eben nicht funktioniert. So und das…. Das heißt, ich brauche auf jeden Fall eine ausreichende Kapitalausstattung, um mir auch eine gewisse Experimentierphase in der Internationalisierung zu leisten.
Das Zweite ist, meine Systeme müssen darauf vorbereitet sein. Das heißt, also das, was ich gerade mit dieser datengetriebenen Testkultur beschrieben habe, Das ist jetzt nur ein kleiner Aspekt von einer Internationalisierungsfähigkeit. Aber ist mein technisches System mehrsprachig? Ist es so modular, dass ich in der Lage bin, regionalen Besonderheiten, was Payment und so angeht, Rechnung zu tragen? Ist das so strukturiert? Und dann natürlich habe ich die Leute. Habe ich die richtigen Leute schon an Bord oder im Zugriff, um dann im Prinzip auch zu liefern? Und da ist jetzt eben die Frage, wie strukturierst du die Organisation? Darüber haben wir ja gerade gesprochen. Was ist deine Zielorganisation?
Da ist es eben eher eine funktional orientierte, es ist eher eine national orientierte. und hast du einfach eine realistische Aussicht darauf, dieses Organigramm da, was du dann benötigst in der Zielstruktur, das eben relativ schnell zu füllen. Und das ist sicherlich ein ganz wesentlicher Aspekt, der dann auch häufig naiv angegangen wird, in dem Sinne, dass es dann doch häufig länger dauert, diese Leute dann wirklich an Bord zu kriegen, insbesondere wenn man sie dann an einen zentralen Standort holen will. Wobei Berlin da sicherlich einen Riesenvorteil hat im Vergleich zu vielen anderen Standorten, muss man auch sagen. Ja, aber das sind, denke ich mal, so die wesentlichen Punkte. Genau.
Joel Kaczmarek: Siehst du so typische Risiken, in die man laufen kann oder auch so häufig gemachte Fehler?
Florian Heinemann: Ja, also mit Sicherheit diese Systemthematik, also dass häufig unterschätzt wird, wie müssen Systeme eigentlich gebaut sein, damit sie entsprechend internationalisieren können und zwar ohne, dass der Pflegeaufwand exponentiell steigt. Und da muss man, glaube ich, sehr ernsthaft auf sein System gucken. Ist das eigentlich so gebaut, dass die internationalen Anpassungen möglich sind, ohne dass das Gesamtsystem zerfasert und ist die Architektur so sauber, dass das eben ja ohne das Gesamtsystem zu belasten, letztendlich internationalisiert werden kann. Und wie kann ich das so machen, dass der Pflegeaufwand auch auf Dauer letztendlich nicht explodiert. Und ich glaube, das schätzen viele nicht so richtig ein. Ähnlich wie das Thema Skalierung.
Also ist das System, was ich da habe, wenn das jetzt zehnmal so viel Umsatz bewerkstelligen muss, funktioniert das dann eigentlich noch genauso. Das ist auch häufig ein Thema, was naiv ist. angegangen wird und wo man dann auch sagt, das kann ich dann im Nachhinein auch irgendwie fixen. Und die Erfahrung ist ja, wenn es dann einmal gut läuft und man wächst geschäftlich und dann muss ich dann im Zuge dessen auch noch die IT-Infrastruktur umbauen, das ist bei Internationalisierung das Gleiche, das ist immer Mist, weil das hemmt die ganze Organisation und es nimmt wahnsinnig viel Energie auch aus einer Organisation.
Also ich finde, einer der größten Energiekiller, und das kann man ja bei Großorganisationen sehr schön sehen. Das sind ja nicht, dass da dumme Leute sind, aber wenn natürlich sozusagen immer wieder Projekte gegen Wände laufen, weil einfach technische Infrastruktur nicht funktioniert und so weiter, das ist genauso energietötend, wie letztendlich das Gefühl zu haben, ich komme nicht durch eine Hierarchie durch. Und das würde ich nicht unterschätzen. Also das Energielevel einer Organisation hochzuhalten, hängt im Wesentlichen davon ab, wie stark die das Gefühl haben, sozusagen auch im Positiven proaktiv agieren zu können. Und wenn ich das nicht technisch gewährleisten kann, das ist ein echter Motivationskiller. Und ich glaube, das unterschätzen viele. Und ein anderer wesentlicher Fehler ist eigentlich ein häufiges Unterschätzen der Kosten.
Ja, das muss man sagen. Dann kommt man schon häufig in Probleme. Also das Klassiker ist ja, ich will jetzt hier internationalisieren, weil das ist Story meiner nächsten Finanzierungsrunde. So, dann internationalisiere ich, kostet alles mehr Geld, klappt alles schlechter als gedacht. So, und dann stehe ich da, muss meine Finanzierungsrunde früher machen und muss meine nicht erfolgreichen Internationalisierungsversuche irgendwie versuchen zu verkaufen, warum das alles nicht so schlimm ist und alles viel besser wird. Und deswegen glaube ich, wenn man internationalisiert, muss man eine ausreichende Kapitaldecke einplanen, die es einem ermöglicht, ein paar Schleifen zu drehen, bis es dann eben funktioniert. Also sonst hat man gegebenenfalls ein Problem im anstehenden Fundraising.
Joel Kaczmarek: Ich würde dir mal tippen, ganz viele Personalthemen müssten auch noch eine Rolle spielen, oder?
Florian Heinemann: Klar. Also das, was ich ja gerade sagte, wie lange brauche ich eigentlich, um so eine Zielorga zu füllen und schaffe ich das überhaupt? Und da tun sich Berliner Unternehmen tendenziell ja noch leichter, aber weil es einfach ein attraktiver Standort ist, hier Leute hinzukriegen. Aber klar, also gute Leute zu bekommen für so eine Marktbearbeitung, das ist nicht so einfach, muss man ganz klar sagen.
Joel Kaczmarek: Letzter Punkt, vielleicht mal so ein kleiner Ausblick, ich glaube, da könnte man einen eigenen Podcast zu machen, habe ich auch mit Gero schon mal, US-Markt. Also ich glaube, viele Startups schielen ja auf den US-Markt, weil er sehr groß, sehr homogen ist, sehr wirtschaftsstark, sehr digital affin. Wann würdest du sagen, wäre es sinnvoll, über sowas nachzudenken und wann sollte man eher tunlichst die Finger davon lassen?
Florian Heinemann: Also ich glaube, gerade wenn man technische Produkte anbietet, also Softwareprodukte, dann ist Also vermutlich der Schritt in die USA, wenn man eine wirklich relevante Company werden will, häufig eigentlich unerlässlich. Und dann muss man sich schon fragen, also weil da eben auch die strategischen Käufer für sowas sind, die häufig sehr großen Kunden für sowas. Also die einzige große Softwarekonzern jetzt hier in Europa wäre dann irgendwie SAP und da drüben gibt es natürlich Dutzende. die große Softwarefirmen oder potenzialträchtige Softwarefirmen kaufen würden, auch für einen sehr tollen Preis. Und da hilft natürlich die US-Marktpräsenz dramatisch.
Und dann ist häufig auch schon die Frage, macht es denn überhaupt Sinn, mit jetzt der Customer-Service-Software, die man anbietet, sollte man damit jetzt den osteuropäischen Markt bedienen und dann auch noch nach Italien und nach Spanien oder sonst irgendwas? Oder sagt man nicht einfach, pass mal auf, wir machen jetzt einmal UK, testen das mal, wie das auf Englisch läuft und dann gehen wir als nächstes in die USA. Und das ist auch eine Diskussion, die wir häufig führen, wo es dann darum geht, macht man eigentlich sozusagen das Zalando About You Delivery Hero Internationalisierungsmodell. Also erstmal sozusagen alle europäischen Märkte und dann noch nach Tschechien und so weiter. Wobei jetzt Delivery Hero ja nochmal eine andere Dimension durch, was ich, Indonesien oder wo die noch alles sind.
Aber sozusagen mache ich eine regionale, kreisförmige Expansion oder spare ich mir das mit Skandinavien und gehe halt direkt in die USA. Und das finde ich eine sehr valide Frage, weil natürlich sozusagen für Softwareprodukte, dass der mit Abstand größte Markt ist, der mit Abstand strategischste Markt ist und wenn man sich das zutraut, produktseitig und auch meint, man hätte die Kapitaldecke und ich glaube, das darf man halt nicht unterschätzen, also ein Marktertritt in den USA nur mal so als Daumenregel. unter drei bis fünf, sechs, sieben Millionen nur für diesen Markteintritt, halte ich halt für schwierig. Also nur mal so ein Beispiel, ein guter Vertriebsmann in den USA, der kostet schnell auch mal drei, vier, 500.000 Dollar. So, dann arbeitet der in der Regel nicht alleine, sondern hat noch Kollegen und dann sitzen die in einem Büro im Silicon Valley oder in New York.
Joel Kaczmarek: Ich würde sagen, sieben Millionen ist noch günstig, glaube ich.
Florian Heinemann: Ja, aber das ist jetzt nur mal so als Untergrenze. Aber ich glaube, ob es jetzt vier, fünf, sechs oder sieben sind, das muss man sicherlich im Einzelfall gucken. Aber ich glaube, was relativ klar ist, mit 500.000 Euro Budget in den USA zu gehen, das wird nicht funktionieren. Aber ich glaube, wenn man in der Lage ist, dieses Geld aufzubringen, Oder es kann ja auch eine schlaue Partnerschaft geben beispielsweise. Das ist ja auch häufig ein Ansatz, wie man eben in den Markt reinkommt. Also gibt es, also ich hatte mal eine Vertriebspartnerschaft mit Accenture aus irgendwelchen Gründen. Das ist jetzt für kleine Unternehmen häufig nicht so realistisch, weil die natürlich eher Interesse haben, Sales Wars zu verkaufen und da Kickbacks zu kriegen.
Aber es kann ja sein, dass man irgendwie sowas hat. Wir haben auch einige Startups, die sehr erfolgreiche Vertriebspartnerschaften in den USA haben und dann mit relativ geringem Aufwand. den Markteintritt in den USA geschafft haben. Also das passiert schon. Also gerade über so Vertriebspartnerschaftsmodelle kann das schon mal sein. Aber wenn man einen Standalone-Markteintritt da haben will, dann redet man mit Sicherheit von einem siebenstelligen Budget. Aber das kann eine durchaus rationale Strategie sein. Und dann sind wir letztendlich bei dem israelischen Beispiel, die ja häufig genauso agieren und die dann auch häufig die ganze Firma dahin umziehen.
Oder beziehungsweise die Entwicklung dann häufig noch in Israel lassen, aber zumindest mal das Headquarter in die USA umziehen. Weil sie halt sagen, letztendlich müssen wir eine amerikanische Firma werden. Und das ist ja auch ein Modell, was nach meinem Verständnis relativ viele Softwarefirmen mittlerweile fahren. Die lassen dann die Entwicklung am Low-Cost-Standort Berlin, Berlin das neue Hyde Rabatt und dann eben aber das Headquarter quasi in die USA verlegen.
Joel Kaczmarek: Gut, so wie mal als kleinen US-Exkurs. Vielleicht reden wir da mal sozusagen ausführlicher drüber und nehmen ein paar Beispiele. Aber schon mal vielen, vielen Dank. Also ich glaube, es ist echt spannend. Man merkt, was alles so drinsteckt in dem Thema Internationalisierung. Und was für Beispiele man eigentlich so im Kopf hat, staunt man ja dann doch.
Florian Heinemann: Ja, wenn man mal so ein bisschen nachdenkt. Nachdenken hilft.
Joel Kaczmarek: Ja, hilft. Kommt was zusammen. In diesem Sinne, ich danke dir. Freue mich aufs nächste Mal.
Florian Heinemann: Ja, in diesem Sinne. Mach's gut.
Joel Kaczmarek: Und so.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Gründung: Du willst dein eigenes Unternehmen gründen, bist schon Gründer oder von Startups fasziniert? Mit dem Top-Experten Florian Heinemann sprechen wir regelmäßig über Tipps und Ratschläge zu Finanzierungsfragen, Strategien und operativer Umsetzung auf dem Weg zu deinem eigenen Business.