Hinter den Kulissen des Erfolgs von Medienunternehmer Gunnar Lott

9. Oktober 2023, mit Joel Kaczmarek

Dieses Transkript wurde maschinell erstellt. Wenn dir ein Fehler auffällt, schreib uns gerne zu diesem unter redaktion@digitalkompakt.de.

Intro: Digital kompakt. Heute aus dem Bereich Selbstoptimierung mit deinem Moderator Joel Kaczmarek. Los geht's.

Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von digital kompakt und ihr wisst ja, dass ich hier regelmäßig CEO-Interviews führe. Das heißt, ich versuche rauszukitzeln, was macht denn eigentlich erfolgreiche Menschen so erfolgreich? Wie bauen die ihren Tag? Was macht die eigentlich glücklich im Leben? Was ist bei ihnen vielleicht anders als bei anderen Menschen? Und heute habe ich mir dafür eine Person ausgesucht, wo ich mir dachte, ich glaube, das wird richtig interessant. Es ist nicht so der typische CEO, weil er leitet jetzt keine 500, 5000 oder auch 50.000 Mann Firma, sondern er ist auf ganz unterschiedlichen Wegen unterwegs. Und zwar ist das der liebe Gunnar Lott. Gunnar kennt viele von euch vielleicht noch von früher. Da war er nämlich Chefredakteur der GameStar und ist einfach so eine der Gaming-Koryphäen schlechthin in diesem Land. Und ich habe ihn unter anderem kennengelernt durch seinen großartigen Podcast Stay Forever, wo er immer sagt, zwei alte Männer reden über alte Spiele. Damit ist er absolut branchenführend, unter anderem neben vielen anderen Anbietern natürlich, aber er gehört auf jeden Fall zu der Top-Klasse dazu. Und er hat eine schöne, kleine, feine, gute, elitäre PR-Agentur in Karlsruhe und Berlin. Also Hauptsitz ist Berlin und Karlsruhe aber auch, weil da wohnt Gunnar. Und ich habe mir gedacht, von Gunnar kann man, glaube ich, ganz viel lernen, weil er ist eigentlich jemand, der immer eher im Hintergrund steht, der anderen Leuten hilft, groß zu wirken, Großes zu erzählen, Großes zu tun. Und in Wirklichkeit habe ich festgestellt, dass er extrem viel weiß, einfach sehr humble ist oder er setzt das sehr geschickt ein. Und darum heute mal eine wirklich, ich glaube, interessante, ungewöhnliche und tolle Folge. So, lieber Gunnar, in diesem Sinne, moin moin, schön, dass du da bist. Bin ich dir gerecht geworden halbwegs?

Gunnar Lott: So, guten Tag, hallo erstmal. Vielen Dank für die Einleitung und da hast du schon ziemlich viel Fallhöhe aufgebaut. Da schauen wir mal, wo uns das hinführt.

Joel Kaczmarek: Ich fange diese Gespräche immer gerne an mit so einer leicht dualistischen Frage. Also ich stelle dir zwei und die hängen irgendwie so ein bisschen zusammen, habe ich dann über die Jahre so gemerkt. Und die erste ist ganz simpel. Was bedeutet für dich Erfolg? Wann empfindest du dich selbst als erfolgreich?

Gunnar Lott: Ich komme, und das geht schon so ein bisschen in die Vergangenheit, ich habe Erfolg, beruflichen Erfolg, Business-Erfolg gelernt in einem Verlag. Weil mein erster Job war Volontär, Redakteur und dann Chefredakteur. Und Verlagesind es wahnsinnig altmodische Unternehmen mit großen, fetten Prozessen. Man kennt das so Dinosaurier. Es war auch Zeitschriften, so Print, riesige Industrieprozesse hinter der Kreativleistung. Erst so ein kleines Häufchen von Leuten mit Kreativleistung, die da so rumhüpfen und dann so ein gigantischer Industrieprozess, wo LKWs mit hunderttausenden Heften durchs Land fahren, viele tausend Kilometer und diese Zeitschriften auf kleine Sachen verteilen. Und das wareine qualitätsorientierte Organisation. Wahnsinnig auf Qualität. Darf nichts schiefgehen. Das ist eine riesen Industriekette. Da wird nicht der Termin für die Druckerei, darf nicht gerissen werden. Da dürfen in so einem Heft, das dann halt gedruckt ist, da dürfen keine Fehler drin sein. Oder man shamed dich noch monatelang danach. Guck mal in deinem Artikel. Da ist ja ein Komma-Fehler drin. Das ging nicht. Das ist wahnsinnig qualitätsorientiert. Und Das hat meinen Blick auf Erfolg oder persönlichen Erfolg grundsätzlich geprägt. Wir wollten immer alles perfekt machen. Und das dürfen keine Fehler drin sein. Es muss immer noch einen Twist haben, einen Take. Es muss besser sein als die ganz direkte Konkurrenz, weil im Zeitschriftenverlag hat man natürlich dann konkurrierende Hefte in anderen Verlagen gehabt. Und das ist ganz anders als das, wie ich heute arbeite. Ich habe ja eine Agentur, ich arbeite viel mit Startups und Technologieunternehmen und da vermisse ich das manchmal und sage so, lass mal doch mal jetzt mal hart ran und wir machen das alles so perfekt, wie wir können. Und dann können wir ja immer noch iterieren, wenn wir das Feedback dann von den Kunden haben. Und die so, ja, guck mal, das verschieben wir nochmal ein bisschen und dann machen wir erstmal so eine Working Beta und dann gucken wir mal, wie die Kunden reagieren. Ich so, aber lass es doch erstmal ganz geil machen. Selbst wenn wir es total geil gemacht haben, dann sagen die Kunden ja immer noch, dass Fehler drin sind. Aber wenn wir es doch schon vorher so halb vollständig oder halb fertig machen, sodass wir selber noch nicht finden, dass es geil ist, dann sagen die uns ja nur, was wir schon wissen. Das ist ja kein agiler Prozess mehr. dann und so. Erfolg war für mich immer, wenn halt in diesem Zusammenhang irgendwas war, was exzellent war, was Anerkennung von Peers hatte und was total fehlerfrei war.

Joel Kaczmarek: Jetzt hast du mal gesagt, war. Was ist für dich Erfolg?

Gunnar Lott: Also das prägt mich halt. Und das kannst du aber natürlich, diese Erfolgshaltung, diesen Maßstab an Perfektion, kannst du ja nicht mit in Agenturarbeit schleppen. Kommst du schon in Tech-Startups nicht mehr mit, klar. Kannst du es halt nicht genau so machen, wie ich das jetzt eben gesagt habe, sodass man halt irgendwas vor der Beta schon mal das Produkt fertig hat, weil man macht ja heutzutage ganz andere Sachen. 80-20 ist alles. In Technologieunternehmen ist man ja immer drauf, lass mal hier Time-to-Market, alles ganz schnell. Lass mal irgendwas MVP machen und dann gucken und so. Und das sind ja valide Konzepte, an die ich auch anschlussfähig bin. Ich bin ja nicht doof. Und mache es immer so, weil es in den 80ern oder 90ern mal anders gemacht worden ist. Aber so im Herzen ist das dann kein Erfolg, wenn es nicht alle geil finden und wenn es nicht perfekt ist. Das kann mich dem schwer entziehen. Ich glaube aber auch, dass es grundsätzlich ein gesunder Blick auf Erfolg ist, wenn man mal in einer qualitätsorientierten Organisation gearbeitet hat und ich habe mit vielen Leuten gearbeitet in den letzten zehn Jahren, die aus einer output-orientierten Organisation kamen. Also die, wo viel und schnell move fast, break things und so. Ich verstehe das, aber ich ertrage das nicht gut.

Joel Kaczmarek: Und sag mal, zum zweiten Teil der Dualität kommt, was macht dich denn glücklich im Leben?

Gunnar Lott: Ach, das ist ganz klein. Ich hatte mal eine Phase, wo ich so, ich bin so ein bisschen armer Leutekind und so, hatte dann mal eine Phase, wo ich so Statussymbolen hinterhergejagt bin und auch irgendwie so eine öffentliche Form von Anerkennung wollte. Wollte auch, dass die Leute, keine Ahnung, dass ich cool aussah und dass ich ein schönes Auto hatte und solche Sachen. Ich habe aber auch zu meiner Verteidigung in München gelebt, in meiner Verlagskarriere. Und da liegt das ein bisschen nahe. Ja, da traue ich mich ja dann hochgestylt nicht auf die Straße und so, weil alle Leute soWeil er das Niveau so hoch legt. Das habe ich irgendwie abgelegt, das konnte ich dann irgendwie hinter mir lassen. Es lag auch daran, dass ich von München nach Karlsruhe gezogen bin. Und Karlsruhe ist echt so eine Provinzstadt, da laufen die Leute in der Jack-Wolf-Skin-Jacke rum. Und weil sie halt denken, jetzt habe ich mal heute meine gute Jack-Wolf-Skin-Jacke angezogen, weil heute ist nämlich Sonntag. Und ich bin dann eine Zeit lang immer gependelt zwischen den beiden Städten, zwischen München und Karlsruhe und bin halt dann in meinem Münchner Outfit dann in Karlsruhe in die Firma marschiert und bin da total abgeprallt. Also so, was? Hast du noch einen Termin? Musst du irgendwie beim Vorstand vorsprechen oder so? Warum ziehst du dich denn so an? Das fanden die alle sehr bizarr. Das war halt ein Technologieunternehmen. Da waren lauter Programmierer, so mit Motto-T-Shirts und solchen Sachen. Und dann konnte ich das dann ganz gut ablegen. Und als es dann abgelegt hatte und dann auch so ein bisschen schlumpfig rumgelaufen bin, hat mich das sehr befreit, erstaunlicherweise. Und dann dachte ich so, ach, guck an, das ist ja viel besser. Man muss ja gar nicht diesen riesigen Stress machen, immer da. Also irgendwelchen Idealen hinterher zu laufen, die ja nur äußerlich sind. Und das habe ich so auf die harte Tour dargelernt. Das war ganz schön.

Joel Kaczmarek: So, jetzt hast du mich aber noch nicht ganz abgeholt, was dich glücklich macht. Du hast gesagt, die kleinen Dinge und früher hast du mal nach Status dich umgeguckt, festgestellt, ist nichts für dich und willst gar nicht mehr in irgendwelche Backformen gepresst werden. Was macht dich denn nun glücklich?

Gunnar Lott: Ich bin halt so ein Familienmensch und finde, wenn in der kleinen, engen Familie mein Freund und ich haben ein Kind und wenn da alles passt und alle miteinander zufrieden sind und die Katze was zu fressen hat und wir zusammen eine Serie gucken können, das reicht schon. Viel mehr brauche ich da nicht. Ich suche schon nach externer Anerkennung, weil ich will natürlich Sachen gut machen, die ich mache und auch Publikum haben. Aber mehr brauche ich nicht.

Joel Kaczmarek: Wie alt bist du eigentlich, während wir das hier gerade aufnehmen? 54. So, und dann hast du eben von deiner Stumm- und Drangphase der Statussymbole gesprochen. Wann war das ungefähr? Wie alt warst du da?

Gunnar Lott: In den 30ern. Ich habe mit 28 angefangen zu arbeiten, habe ziemlich lange erfolglos studiert und habe dann sozusagen, als ich angefangen habe zu arbeiten, so ein Nachholding gehabt. Ich dachte so, okay, jetzt bist du 28 und du hast gerade das Studium nicht abgeschlossen, um diesen Job in München anzunehmen. Wenn du da scheiterst in dem Job in München, Dann musst du ja zurückgehen in deine Studentenstadt und sagen, du hast es in der großen Stadt nicht geschafft. Und zwar, weil du zu scheiße warst. Und da dachte ich, das passiert dir nicht, Gunnar. Und dann war ich halt in drei Jahren Geschäftsredakteur oder so, weil dann habe ich es vielleicht auch ein bisschen überdreht mit dem Ehrgeiz.

Joel Kaczmarek: Bist du ein ehrgeiziger Typ?

Gunnar Lott: Nee, eigentlich nicht. Aber damals. Damals offenkundig, ja.

Joel Kaczmarek: Okay, weil du hast ja eben in der Einleitung dieser Phase gesagt, so sinngemäß, du kommst aus so einer Art Arbeiterfamilie. Oder zumindest wart ihr jetzt nicht mit großem Reichtum gesegnet. Wie bist du groß geworden?

Gunnar Lott: Ach, schwierig. So Broken-Family-Geschichten, geschiedene Eltern, aufgewachsen bei den Großeltern. Also ganz verkürzt. Und es war immer von Armut geprägt. Und das erzeugt ja irgendwas. Es erzeugt halt im Idealfall eine Wertschätzung auch für das Kleine und für das Normale und für das Nicht-Überkandidelte. Und es erzeugt im negativen Fall halt eine Überkompensation. Und ich hab so beides mal gehabt, sagen wir mal.

Joel Kaczmarek: Das war ja jetzt echt express. Also deine Eltern haben sich geschieden. Wie alt warst du da?

Gunnar Lott: Zwölfe.

Joel Kaczmarek: Das ist die schlimmste Zeit, wo einem das passieren kann, oder? Ich war, glaube ich, zehn oder elf, als mir das passiert ist. Ich glaube, das haut einen da mit am härtesten aus der Bahn, hätte ich jetzt getippt, oder? Ja.

Gunnar Lott: Ich kann es echt nicht genau sagen, wann das Ideale ist. Weiß ich nicht. Ich glaube, wenn du kleiner bist und das noch mehr brauchst, also noch mehr an so eine Perfektion oder ideale Welt glaubst, ist das, glaube ich, noch schlimmer. Ich glaube, es wird sozusagen von jedem Jahr weniger schlimm ab fünf oder so.

Joel Kaczmarek: Wie war es für dich?

Gunnar Lott: Ich weiß es nicht mehr so richtig. Ich fand es nicht so wahnsinnig schlimm, weil wir hatten nicht so ein traditionelles, enges Familienleben. Ich war eh viel bei meinen Großeltern aufgehoben, Schlüsselkind und so. bin manchmal nur zum Schlafen nach Hause gegangen und das war dann halt, dann bin ich halt nicht mehr zum Schlafen nach Hause gegangen oft, sondern bin gleich bei meinen Großeltern geblieben und so. Dann gab es so eine kurze dramatische Phase, wo mein Vater hat ständig umgezogen. Ich bin bei meinem Vater geblieben und dann sehr ständig umgezogen und hatte dann neue Partnerinnen und das war dann alles ein bisschen stressig und mein Vater ist eh eine schwierige Figur und dann bin ich irgendwann ausgezogen aus diesem Haushalt und bin ganz bei meinen Großeltern geblieben, halt dann bis zum Abitur und ab. da stand ich dann Auf eigenen Füßen und dann war das auch alles irgendwie hinter mir.

Joel Kaczmarek: Wenn du sagst Schlüsselkind, das hat ja wahrscheinlich damit zu tun, dass deine Eltern viel gearbeitet haben, oder? Was haben die denn beruflich gemacht?

Gunnar Lott: Mein Vater war selbstständig an der Grenze zur Legalität mit so, huch, betrügerischer Konkurs. Ja, dann müssen wir mal die Lieferanten nicht bezahlen, sowas. Der hat immer so kleine Unternehmen gehabt, mit so ein, zwei Angestellten maximal. Und meine Mutter war Sekretärin in irgendeiner Form.

Joel Kaczmarek: Wie kam es, dass du dich für deinen Vater entschieden hast, trotzdem mit ihm quasi die Jugend zu verbringen?

Gunnar Lott: Nee, das haben meine Eltern entschieden.

Joel Kaczmarek: Das hast du nicht selber entschieden?

Gunnar Lott: Nein. Ich war auch nicht prinzipiell einverstanden damit. Aber meine Mutter wollte ins Ausland und irgendeinen Neubeginn machen und hat dann meinem Vater den Sohn aufgedrängt. Das war auch so mittelerfreulich, sagen wir mal.

Joel Kaczmarek: Lebt deine Mutter noch?

Gunnar Lott: Ja, nein. Ich wollte gerade sagen, ja, aber nein. Sie ist letztes Jahr gestorben.

Joel Kaczmarek: Und hast du mit ihr dann noch trotzdem Verhältnis gehabt?

Gunnar Lott: Ich hatte mit meiner Mutter sogar ein ganz okayes Verhältnis. Mit meinem Vater hatte ich gar kein Verhältnis mehr. Da habe ich den Kontakt abgebrochen irgendwann später.

Joel Kaczmarek: Also ich habe das mal irgendwie von jemandem gesagt bekommen, dass es somit das Schlimmste ist, wenn irgendwie, man kann ja sagen, es ist eigentlich so eine Verlassenssituation. Von der Mutter verlassen zu werden, das wirft viele Leute ja massiv aus der Bahn. Wie hast du es geschafft, dass dir sowas nicht passiert ist? Oder ist es ganz anders in der Innenperspektive, als es von außen betrachtet vielleicht wirkt?

Gunnar Lott: Das weiß man immer nicht. Ich kann das ja aus der Innenperspektive nicht objektiv sagen. Ich hab mal irgendwann, also als Student, irgendwie so ein Gespräch geführt darüber, wie so sich Familiensituationen dann auswirken auf das eigene psychische Befinden, was das so mit dir macht als Erwachsener später. Und dann hab ich so gesagt, dann hat die Freundin im Gespräch gesagt, ja, du wirst ja auch deine Macken haben, oder? Also ich meine, das ist ja auch nicht so super leicht. Und ich so, Macken? Ich? Nee. Da hab ich so drauf reagiert wie so ein Idiot und hab dann so später drüber nachgedacht und hab gedacht, naja, wahrscheinlich schon, aber es ist halt schwer aus der Innensicht das so festzustellen, welche deiner Eigenarten, die du ja alle für ganz normal hältst und so, jetzt daher bestimmt kommen. Keine Ahnung. Ich habe natürlich auch so mittelgute Eigenschaften wie manche, wie alle Leute so, aber ich weiß nicht, ob ich jetzt sagen würde, dass sich das so eins zu eins zurückführen lässt, jedenfalls.

Joel Kaczmarek: Was für ein Verhältnis hast du mit deiner Mutter denn über die Jahre entwickelt und vor allem wie? Also ich glaube, du hättest ja auch gute Gründe gehabt, mit der nichts zu tun haben zu wollen.

Gunnar Lott: Ja, es war, meine Mutter lebte ja im Ausland und deswegen war es jetzt auch nicht so, dass man da jetzt sich täglich gesehen hat oder täglich telefoniert hat oder so. Meine Mutter hat dann versucht, das mit Geld zu kompensieren, eine ganze Zeit lang und hat mich immer finanziell unterstützt und das war auch relativ notwendig. Und das war dann natürlich immer ganz nett. Meine Mutter ist nicht so ein warmherziger Typ. Das war jetzt eh nicht so, dass man sich die ganze Zeit in die Arme fällt, sondern es war halt so ein relativ distanziertes Verhältnis. Da war der ganze Familienzweig von meiner Mutter. Das sind alles so kalte Fische. Das ist schon okay. Ja, das ist dann halt so. Und dann war das immer so vorgespielt selbstverständlich. Und dann irgendwann, ich hatte dann noch ein Kind gekriegt, also einen meiner zahlreichen Brüder. Und dann hat sie mal so gesagt, ja, meine Söhne, boah, voll gut gelungen. Und dann hatte ich so einen Moment von, ja, aber das darfst du nicht sagen. Das steht dir überhaupt nicht zu, das zu sagen. Wie kommst du denn so darauf, für meinen Erfolg oder mein Gelingen hier irgendwie Credits zu nehmen? Und dann war ich richtig wütend, habe aber nichts gesagt. Und ab da wurde das Verhältnis distanzierter.

Joel Kaczmarek: Bis zum Schluss? Oder habt ihr mal richtigen Metatalk gemacht?

Gunnar Lott: Nee, keine. Meine Mutter ist nicht gebaut für Metatalk. Also ich habe dann irgendwann noch mal versucht, sowas anzusprechen, aber das kann sie gar nicht. Also kann sie nicht. Kann sie nicht sehen, kann sie nicht entsprechen. Ja, konnte nicht. Und dann habe ich mich halt einen Tick mehr zurückgezogen. Und dann musste ich das mal meinem Bruder alles erzählen. Weil der sich gewundert hat, dass ich mich so zurückgezogen habe. Dann kam das nochmal alles auf den Tisch.

Joel Kaczmarek: Wie war es mit deinem Vater? Dass jemand, sage ich mal, kriminelle Energie hat oder vielleicht ein Lebenswandel, der ein bisschen schief ist, heißt ja nicht, dass es nicht trotzdem eine liebenswerte Person sein kann, die einem ganz viel Wärme spendet. Wie war das bei dir?

Gunnar Lott: Mein Vater ist so. das Schlechte, was ich an mir habe, glaube ich, ist von meinem Vater. Mein Vater ist unzuverlässig und nicht verbindlich und hält Zusagen nicht ein und so weiter. Und immer, wenn ich mal eine Zusage nicht einhalte oder nicht verbindlich bin, sage ich, siehste, ist nicht meine Schuld. Ist eindeutig von meinem Vater. Also zumindest habe ich da nicht das ideale Vorbild gehabt und so. Und ich habe aber logischerweise, wie dann so viele Scheidungskinder, meine Oma sehr geliebt. Weil die mich ja auch dann großgezogen hat und auch bedingungslos alles, was sie hatte, eingesetzt hat, um mir was zu ermöglichen. Das waren halt ganz arme, super einfache Leute. Also auch ungebildet und all das. Meine Oma wusste nicht ganz genau, ob Deutschland in Europa liegt und ob Leute in Polen eine eigene Sprache haben oder ob die auch Deutsch sprechen. So ungebildet auf diesem Niveau. Aber wie viele Leute, die irgendwie, ich will jetzt meine Scheidung, Kindererfahrung auch nicht zu hoch hängen. Es ging allen möglichen Leuten viel schlimmer. Und meine beiden Brüder hatten ähnliche Schicksale und noch viel schlimmere Schicksale. Wir haben letztens mal so einen Vergleich gemacht.

Joel Kaczmarek: Also von deinem Vater hast du noch zwei Brüder, oder wie?

Gunnar Lott: Genau, noch zwei Brüder von meinem Vater. Also ich hab drei Brüder. Und der eine ist zur Hälfte Deutscher und zur Hälfte Schweizer, das ist der Sohn meiner Mutter. Der andere ist zur Hälfte Deutscher und zur Hälfte Filipino und der andere ist zur Hälfte Deutscher und zur Hälfte Spanier. Und meine Eltern kamen viel rum, sage ich dann immer gerne an der Stelle so. Und die beiden Söhne von meinem Vater haben es viel schlimmer gehabt als ich. Also das ist nochmal auf einem ganz anderen Niveau. Und insofern Mai.

Joel Kaczmarek: Du hast dich relativ spät kennengelernt, höre ich daraus, richtig?

Gunnar Lott: Ja, ich habe die natürlich in meiner Kindheit getroffen, logischerweise. Ich habe auch meinen spanischen Bruder auf den Armen geschaukelt und so, weil ich war zwölf oder dreizehn, als der geboren wurde. relativ kurz nach der Scheidung. Und meinen philippinischen Bruder habe ich erst mit 16 so richtig kennengelernt, aber auch nur so ein bisschen. Und dann den Kontakt verloren, weil der spanische Bruder war halt in Spanien. Und jetzt habe ich aber mit beiden wieder Kontakt und habe ein super Verhältnis mit beiden. Und wir haben viel geredet über die Zeiten logischerweise und so. Und treffen uns jetzt im Oktober. Also kurz nach dieser Aufnahme treffen wir uns alle zusammen in Barcelona. Cool.

Joel Kaczmarek: Und als du die getroffen hast, Jahre später als Erwachsene, waren die sehr anders als du oder waren die sehr ähnlich wie du?

Gunnar Lott: Ne, die sind sehr anders als ich, alle beide auf ihre Arten. Aber der eine wohnt in Berlin und dann gibt es so Berlin-Gemeinsamkeiten mit Tech-Branche und solche Sachen. Der kommt daher und der andere in Spanien, der ist ganz anders. Der hat auch eine Hauptschule gemacht und hat einen Arbeiterjob und kommt aus ganz anderen Verhältnissen, hat auch einen ganz anderen Lebensverlauf gehabt. Hat auch viel weniger Glück gehabt als ich und so. Aber es ist ein bisschen lustig, weil alle drei Brüder haben so einen Grundschatz an gemeinsamen Werten. Alle so, ja, Familie ist ganz nett, kann sich aber nicht darauf verlassen. Treue ist das Wichtigste im Leben. Die eigenen Kinder, wenn du welche hast, gehen über alles. Freundschaften sind das, was dich rettet.

Joel Kaczmarek: Was haben deine Großeltern eigentlich beruflich gemacht?

Gunnar Lott: Die lebten auf dem Dorf und mein Opa war Schuster und meine Oma war Hausfrau, wie man es halt damals gemacht hat. Hatten noch so eine kleine Landwirtschaft, auf die sie sehr stolz waren, aber Pille-Palle.

Joel Kaczmarek: Okay, also es formt sich ja so ein ganz interessantes Bild. Also wo du eigentlich herkommst und ich bewundere ja immer mehr, also ich mag dich ja sowieso, aber wenn man sich mal deine Geschichte anguckt, auch wenn du das immer in deiner devot bescheidenen Art runterspielst, da hast du ja einen hohen Grad an Resilienz entwickelt. Wer war denn für dich eigentlich so ein Wertevorbild im Positiven oder hast du immer eher mit dem Anti-Wertevorbild gearbeitet?

Gunnar Lott: Ich habe noch nie positive Werte gehabt und habe immer nur alles negativ entwickelt. Weiß nicht, woran das lag. Ich hab natürlich dann wie meine Brüder auch so mit Freundschaften die fehlende Familie kompensiert und hab da halt dann relativ viele enge Freundschaften gehabt und habe über deren Familien so ein Familienleben kennengelernt. Das war ganz interessant. Auch das ist ja ein typisches Phänomen. Das berichten viele Scheidungskinder und meine Brüder hatten das ganz genauso. Die waren dann plötzlich so Ersatzsöhne, Zweitesöhne in anderen Familien. Weil alle so, oh Gott, der arme Junge, der kriegt ja zu Hause nicht mal das und das. Hier ist was. Ja. Also die Mutter meines damals besten Freundes, der war es ein Anliegen, mich zu füttern. Das war echt ganz toll. Und das hat schon wahnsinnig geholfen im Leben. Aber ansonsten habe ich dann halt, als ich aus meinen Wirrungen des Studiums ein bisschen raus war und das erste Mal gearbeitet hatte, hatte ich halt einen despotischen Chef im Verlag. Und das war dann auch wieder toll. Das war halt auf eine ganz andere Art schwierig, aber bisher dann auch eine Vaterfigur, auch wenn der eigentlich jünger war als ich und konnte dann aber wieder ein Gegenbild entwickeln. Also das eine waren ja Werte, aber das andere sind halt Werte sozusagen im Business-Rahmen und konnte dann so mein späteres Führungsverhalten stark an dem als negatives Bild ausrichten.

Joel Kaczmarek: Hast du denn trotzdem so eine Art MentorInnen gehabt? Also Menschen, die dich auch an die Hand genommen haben, so wie du es gerade mit der Vaterfigur beschrieben hast? Oder hast du das sehr viel mit dir selber ausgemacht?

Gunnar Lott: Das Mentoren-Ding hätte mir, glaube ich, sehr geholfen, aber das gab es in der Form nicht so.

Joel Kaczmarek: Du hast gesagt, deine Brüder hatten nicht so viel Glück gehabt wie du. Was war denn das Element in deinem Leben, was dich in eine positive Fahrrinne gebracht hat und was auch dafür gesorgt hat, dass du ein resilienter, nach Erfolg strebender Mensch geworden bist? Weil es gäbe, glaube ich, auch viele Menschen, die werden vielleicht in Drogen abgesackt oderTraurigkeit, Arbeitslosigkeit, sich hängen lassen. Also es hätte ja viele gute Gründe für dich gegeben, nicht den Pfad zu beschreiten, den du beschritten hast. Was war denn bei dir der Ausschlag, dass du den guten Weg gewählt hast?

Gunnar Lott: Also meine Brüder hatten noch einfach noch schwierigere familiäre Verhältnisse und haben dann aber auch, genau wie ich, relativ stark den Weg beschritten über Arbeit und Bindungen, also Partnerbindungen und Freundschaftsbindungen. Und ich glaube, das war es bei allen. Wir haben alle irgendwelche Freunde gehabt, an denen man sich dann orientiert hat mit und wo man halt dann in so Kreisen aufgehoben war und dann gemeinsame Werte gebildet hat. Und das ist natürlich Zufall. Es ist immer Zufall. Es sind ja so Lebensentscheidungen, wo man dann genau hingeht und so ist halt immer viel Zufall dabei.

Joel Kaczmarek: Hast du denn einen Plan, was du für dich im Leben erreichen wolltest?

Gunnar Lott: Null, gar nicht. Ich hatte mal so ganz esoterisch gedacht, in dieser Welt, da kannst du nur Künstler sein oder Helfer. Alles andere ist ja nutzlos, hinterlässt du keine Spuren im Leben und so. Und dann hatte ich kurz so gedacht, Lehramt vielleicht, also auf dieser Helferseite, künstlerisch lag es mir nicht so. Aber ich habe auch so eine schriftstellerische Neigung, dachte vielleicht das oder vielleicht dann Lehrer. Und dann wurde es nicht Lehrer, dann dachte ich Sozialpädagoge oder Sozialarbeiter. Dann hab ich relativ lange auf dem Sozialarbeiter-Ding rumgemacht und hab dann aber, als sich die Gelegenheit ergab, in diesem Verlag zu arbeiten, das halt im Diplomsemester abgebrochen und dann auch nie wieder zurückgeschaut. Ansonsten wär ich halt natürlich Sozialarbeiter geworden, ja. Ja? Ja.

Joel Kaczmarek: Weil ich hätte gesagt, du bist ja eigentlich Künstler und Helfer geworden.

Gunnar Lott: Ja, das ist ja weit hergeholt. So ein Helferberuf, das wäre dann schon wirklich an der Basis gewesen, wie Sozialarbeit. Und Künstler, ich bin halt Journalist. Im weitesten Sinne in allem, was ich tue, auch in der Agenturtätigkeit.

Joel Kaczmarek: Findest du nicht künstlerisch, wenn man gut Artikel schreiben kann?

Gunnar Lott: Aber das kann doch jeder.

Joel Kaczmarek: Nee, nee, nee, das denkt man immer.

Gunnar Lott: Das ist ein Handwerk. Das ist so wie Bauernmalerei oder Malen nach Zahlen.

Joel Kaczmarek: Ich denke das auch immer, bis du es bei anderen siehst. Ich hab auch immer gedacht, ach, das ist so wie Fahrradfahren, das macht man halt und das kann jeder so. Und irgendwann merkst du so, was ist das denn für ein kolossal beschissener Text, den der oder die da geschrieben hat? Okay, anscheinend ist das doch nicht so. Selbstverständlich geht das nicht so.

Gunnar Lott: Ja, natürlich sieht man das ja immer so, aber ich finde, ich sehe auch wahnsinnig viel sehr gute Texte von Laien, also von Leuten, die keine journalistische Ausbildung haben, Und die Tatsache, dass es da eine Skill-Komponente gibt, heißt ja noch nicht, dass es Kunst ist.

Joel Kaczmarek: Gaming spielt ja bei dir in deinem Leben eine große Rolle. Warum?

Gunnar Lott: Ja, das war so ein Zufallsding, wie halt, da bin ich so reingefallen in den 80ern, weil ich bin überhaupt in alle Nerd-Hobbys gefallen in den 80ern. Das war relativ stark diesem Freundeskreis geschuldet, in dem ich mich da so aufgehoben gefühlt hab. Und wir haben Fantasy-Rollenspiele gemacht, sind auch verkleidet auf Cons gefahren. Und wir haben halt Computerspiele gespielt. Das lag halt alles sehr zusammen. Und heutzutage haben ja 100 Prozent der Kinder in einer beliebigen fünften Klasse Computerspiele gespielt. Und damals waren es halt drei oder fünf aus einem Jahrgang. Und dann hattest du dieses elitäre Nerd-Ding, wo du dich dann so ein bisschen aus diesem gesamten Kreis rausnehmen konntest und dann so eine starke Gruppe bilden konntest um dieses Nerd-Thema herum. Und das war schon ganz schön interessant, weil das gab es nicht so stark in den Schulen der 80er, 90er. Da war schon die Blockbildung oder die Anerkennung war halt stark über so typische Sachen so. Aussehen, Muskeln, körperliche Stärke, Rauchen, teure Klamotten, Sport. Und in all diesen Sachen konnte ich nur so richtig nicht so super mithalten. und für Leute wie mich war dann halt natürlich so ein Nerd-Hobby das ideale Outlet. Dieser Art Bekanntenkreis war es echt nicht so wichtig, dass du keine coolen Klamotten anhattest. Keine Bossjacke oder so, weil da ging es halt um ganz andere Sachen.

Joel Kaczmarek: Und wie hast du es dann geschafft? oder wie kam es zustande? War das wieder Zufall oder Glück, was du eben meintest, dass dein Hobby und dein Beruf, dass die Pfade sich übereinander legten?

Gunnar Lott: Das war so ein Entschluss, den ich irgendwann gefasst habe. Ich dachte so, diese Zeitschriften, die ich da immer lese, das wäre schon ganz schön geil, wenn man da arbeiten würde. Und das war natürlich ein ganz schön bekloppter Entschluss für so einen jungen Menschen, weil ich meine, es gab halt in der deutschen Zeitschriften-Szene für Computerspiele gab es vielleicht 30 Arbeitsplätze in ganz Deutschland. Und da wurden dann im Jahr zwei frei oder so. Und das ist natürlich so als Karrierepfad überhaupt nicht zu empfehlen. Und dann habe ich mich mal so halbherzig beworben irgendwo mit so einer schriftlichen Bewerbung einfach. Ich weiß noch, ich habe mich bei der GameStar beworben, die hatte eine Anzeige geschaltet, eine Web-Anzeige innerhalb von AOL, dem Spielebereich. Und damals hatte ich einen AOL-Account und das war halt mein Internet. Und dann habe ich das halt gesehen und dachte, oh, neue Zeitschrift, ganz geil, bewirbst du dich mal. Also dann habe ich eine Antwort gekriegt, nichts Besonderes. Und dann wäre es da auch geendet. Und dann habe ich aber in einem Games-Laden gearbeitet und Spiele verkauft. Und kannte mich halt echt gut aus mit Spielen. Wenn du halt Spiele verkaufst, redest du ja ständig drüber. Damit habe ich mein Studium finanziert in der zweiten Hälfte. Und dann kam in diesen Laden so ein Typ rein, den ich irgendwie kannte. Und dann sagte ich, sag mal, du bist doch der Volker. Du arbeitest doch für die PC Player. Was machst denn du hier? PC Player ist doch in München. Und der so, ja, ich komme hier aus Kassel. Kassel war das, wo ich studiert habe. Und der so, ja, okay, hallo, ich bin der Volker. Cool. Ich so. Du sag mal, Volker, gesetzt den Fall, ich wollte mich bewerben bei der PC Player oder einer anderen Zeitschrift, wie würdest du denn so eine Bewerbung strukturieren oder was würdest du unterschreiben? Und der so, das kann ich ganz einfach sagen, sei mal lustig. Originell und lustig. Ich so, ah, ehrlicherweise wäre ich da nie drauf gekommen. Ich hätte halt einfach immer so, wenn man damit keine Erfahrung hat mit diesen Prozessen, dann macht man es ja überformell, weil man denkt, man macht einen formellen Fehler. Und dann habe ich gedacht, okay. Und dann habe ich mich halt nochmal beworben bei der nächsten Gelegenheit und wieder bei der Gamestar, aber auch bei anderen Zeitschriften mit einer lustigen Bewerbung. Habe dann so einen Test über mich selber geschrieben, als wäre ich ein Spiel und so und alles lustig und selber gelayoutet in dem Style der Zeitschrift und so. Und dann bin ich so instant genommen worden. Und nicht nur von der GameStar, auch noch von anderen Zeitschriften. Und dann habe ich mich halt für die GameStar entschieden. Also es gab da noch ein Bewerbungsgespräch, wo dann halt viel Wissen abgefragt wurde und so. Ja, also wirklich Computerspiele, hartes Computerspiele-Wissen. Und dann habe ich da halt angefangen, so aus dem Nichts heraus. Und dann hatte ich diesen Ehrgeizschub. Weil dann kam ich da nämlich hin und dachte, das ist doch bestimmt voll einfach. Und dann war es gar nicht einfach, sondern es war so komplex der Job und so schwierig und mit so hohem Druck und 60 Stunden, Wochen und so, dass ich dachte, du schaffst das vielleicht nicht. Und dann dachte ich, das geht nicht, das geht nicht, das kannst du nicht nicht schaffen, du kannst nicht zurück, das muss jetzt, das muss jetzt. Und dann habe ich so einen obstinaten Zug gekriegt und war nicht bereit, da aufzugeben und habe dann halt alles getan. Und dann hat es ja auch geklappt.

Joel Kaczmarek: Was hat den Job so schwer gemacht?

Gunnar Lott: Es war eine sehr anspruchsvolle, qualitätsorientierte Organisation. Also es war wirklich, du hast dann, wie man sich das so vorstellt, so hast du den Text zurückgekriegt vom Chefredakteur, Hand korrigiert mit dem Rotstift und so und dann so ganze Passagen durchgestrichen. Scheiße, anders, neu, nochmal, komm nochmal zu mir, komm mal in mein Büro und so. Der hatte dann so eine Telefonnummer. Die weiß ich heute noch auf der internen Durchwahl und so. Und dann, wenn diese Nummer aufleuchtet, dachte ich so, oh Gott, jetzt hat er meinen Text gelesen und jetzt zitiert er mich rein. Und dann wurde auch geschrien. Und das war halt auch alles schwierig. Also dann diese Spiele zu spielen, richtig zu erfassen. Und dann wurde halt sowas gesagt, wir machen jetzt eine Geschichte über Command & Conquer. Ruf mal in Amerika an, bei diesen Typen, die Command & Conquer machen und erklär denen, dass wir ein deutsches Magazin sind. Und was? Was? Und dann rufst du da an, bei so den Helden deiner Jugend.

Joel Kaczmarek: Westwood hat das, glaube ich, gemacht, ne? Ja, geil.

Gunnar Lott: Bei Westwood, genau, habe ich Joe Cookan angerufen. Das ist halt dieser Typ, der in den Command & Conquer Videos mit dieser Glatze den Bösen spielt. Und dann rufe ich den halt an. Und dann geht der so ans Telefon. Damals ging das halt alles noch. Heutzutage sind ja sieben Layer an Public Relations Agenturen dazwischen. Und dann ging das einfach noch. Dann habe ich gesagt, wir würden gerne viele Geschichten machen. Habt ihr irgendwelche neuen Screenshots und so? Geil. Und da bist du halt echt so weit außerhalb deiner Komfortzone. Das kannst du ja nicht. Ich war halt ein bisschen älter. Die meisten Leute, die sich da eingestellt haben, Das ist halt irgendwie gleich nach der Schule gemacht oder so. Das war ja jetzt nicht so ein Akademikerberuf. Das waren alles abgebrochene Studenten. Und ich war halt ein bisschen älter und hatte diesen Sozialstudiums-Background. Der hat ja dann auch Selbsterfahrungselemente und Psychologie, mal ein Semester und sonst irgendwas. Und ich fand, ich war als Mensch schon einigermaßen komplett, als ich dahin kam in diese Umgebung. Und konnte dann mit mir selbst ganz gut umgehen und ganz gut einschätzen, wo meine Stärken und Schwächen liegen. Und dann war der Chefredakteur so ein Despot. Und dann habe ich gemerkt, dass ihn niemand widerspricht, auch wenn er Unrecht hat. Und dann dachte ich, das geht ja jetzt auch nicht. Und dann habe ich halt angefangen, mich mit dem Chefredakteur anzuschreien in Meetings, weil ich das nicht eingesehen habe, was da passiert. Wenn er halt Unrecht hatte und so, dann muss man doch jemandem sagen. Alle so, gucken zu Boden und so. Ich so, nee, das geht doch nicht. Und das hat er aber respektiert irgendwie, weil er vielleicht auch die Duckmäuserei von einem gewissen anderen ein bisschen leid war. Und der hat mich dann protegiert hinterher. Und das hat dann meiner Karriere da geholfen. Ach, ehrlich. Interessanterweise. Wie das manchmal so läuft. Ja.

Joel Kaczmarek: Hattet ihr denn ein persönlich gutes Verhältnis?

Gunnar Lott: Würde ich nicht sagen, aber es gab einen Respekt davor, wie sehr ich bereit war, mich einzusetzen für das Thema und wie wichtig mir das alles war. Und ihm war das halt auch wichtig. Ihm gab es nichts im Leben zu der Zeit, was wichtiger war als diese Zeitschrift. Das ist ja ein typisches Unternehmer- oder Führungskräfteproblem, dass du halt so überengagiert bist, weil du natürlich auch Kontrolle hast. Und da sitzen da so Leute in deiner Abteilung, die halt das für Geld machen. Und da sagt der, wir müssen alle zusammen jetzt die ganze Nacht durcharbeiten, weil das ist so wichtig. Und die anderen so, ja, ich hab verabredet, weißt du. Und ich war nicht so. Ich hab alles mitgemacht. War mir auch alles total wichtig. Und das hat er halt irgendwie respektiert. Und da hat er sich vielleicht auch dann, weiß ich nicht, in der Form wiedererkannt und was weiß ich irgendwas. Und ich habe auch kein Pardon gegeben. Und ich finde schon, dass es manchmal ganz gut ist für Führungskräfte, wenn sie halt Widerspruch kriegen. Es ist halt nicht gesund. Gerade ein Chefredakteur ist so mächtig. Diese alte Schule Chefredaktion, da hast du so eine komplette inhaltliche Macht und natürlich auch noch eine ökonomische Macht. Aber du hast diese starke inhaltliche Kontrolle und das war in den meisten Verlagen, die ich kannte, war es halt so, dass der Verlagsleiter dir vorgesetzt war. Aber wenn du ihn richtig angeschrien hast, hat er gemacht, was du wolltest, weil du hast ja am Ende die Geschichte machen müssen, die das Heft verkauft. Und das war ja nur so ein Kommerzfuzzi. Und wenn du dann auch noch für ein Magazin gearbeitet hast, das Produkte getestet hat, dann hast du auch noch diese Welle von Angst vor dir hergeschoben, die diese Industrie vor dir hatte. Weil du konntest ja deren Produkte ruinieren, indem du denen eine schlechte Wertung gegeben hast. Und als ich dann später Chefredakteur war, hatte ich dann auch so eine Phase, wo ich, glaube ich, nicht mehr gemerkt habe, wie privilegiert ich plötzlich war. Und dann musste meine Frau, die mal auf so einer Branchenveranstaltung da mit war, mal sagen so, sag mal, das ist nicht normal, wie dich die Leute behandeln. Die lachen da auch über schlechte Witze von dir. Und das ist ganz schön Privilege da, was du da hast und so. Überleg mal, ob die dich mögen oder ob die dich lustig finden. oder ob die deinen Job wichtig finden. Und dann hatte ich da noch mal eine Phase der inneren Einkehr, sehr viel später, wo ich dachte, ach, guck mal an, vielleicht ist das gar nicht ich. Vielleicht mögen mich gar nicht alle einfach so, weil ich so ein cooler Typ bin, sondern es ist irgendwie die Position, vor der sie ducken äußern. Und das war ganz hilfreich. Danach bin ich dann ins Business Development gewechselt. Und dann hast du ja komplett die gegenteilige Erfahrung, wenn Leute nicht mehr zurückrufen und so, nachdem du ihnen was verkaufen wolltest. Und das ist ja auch eine Erfahrung, die man mal im Leben gemacht haben muss.

Joel Kaczmarek: Wie hast du denn gelernt, dich so gut zu streiten eigentlich? Also ich bin ja auch eher so ein harmoniebedürftiger Mensch gewesen. Ich lege es so sukzessive immer mehr ab. Beziehungsweise ich lasse gar nicht erst zum Streit kommen. Ich sage einfach sehr klar, was ich will. Aber viele Menschen tun sich ja damit sehr schwer, in den Konflikt zu gehen. Wieso gelingt dir das so gut?

Gunnar Lott: Weiß ich auch nicht. Das ist halt so passiert. Ich habe eine jähzornige Art und das ist auch nicht immer gesund. Ich streite mich auch mit wildfremden Menschen manchmal und so und habe halt diesen Zug gehabt. Der ist halt in manchen Situationen echt ganz gut, weil dann haben auch Leute mal ein bisschen Angst vor dir und bügeln dich nicht über und so. Und hat auch Nachteile, sage ich auch mal so. Ich habe dann natürlich auch das dann weitergemacht, als ich Chefredakteur war, habe ich halt den Verlagsleiter angeschrien und so. Das hat dann meine Karriere behindert. Echt, ja? Also dann, ja, da war dann Schluss. Ich hätte dann, glaube ich, Verlagsleiter werden können. Und dann gab es so ein komisches, halb ritualisiertes Ding so vom Vorstand. Ja, Sie sagen jetzt, der Verlagsleiter ist nicht tragbar. Dann brauche ich ja eine Alternative, Herr Lord.

Joel Kaczmarek: Ja.

Gunnar Lott: Und ich so, das ist nicht meine Aufgabe. Suchen Sie wen. Ihr verdammter Job, oder? Hallo? Wer ist denn hier der Vorstand?

Joel Kaczmarek: Okay, hast du den Weg nicht verstanden?

Gunnar Lott: Nee, das hat er nicht so. Ich fand aber auch, ja, dann will er auf die einfache Art raus. Weißt du, jetzt jahrelang seinem disziplinarisch Untergebenen nicht zum Funktionieren bringen, weil er denkt, Vorstand, da reicht es, wenn man hübsch rumläuft und aus dem Fenster winkt. Und dann kommt er zu mir und sagt, reparieren Sie das mal, Herr Lott. Näh.

Joel Kaczmarek: Achso. Nee.

Gunnar Lott: Ja. Aber da hätte ich natürlich einfach zugreifen können und wäre Verlagsleiter gewesen. Und hinterher wurde dann mein stellvertretender Verlagsleiter, was schon okay war. Der war dafür besser geeignet.

Joel Kaczmarek: Und dann hast du es irgendwann geschafft, vom Journalisten zum PRler zu werden, was ja für mich persönlich ein bisschen die Hölle ist, ehrlich gesagt. Wie ist das bei dir?

Gunnar Lott: Ach, das ist ja der logische Schritt. Das machen ja viele Leute. Zwischendurch habe ich ja Business Development gemacht, ein paar Jahre lang, und den Online-Bereich geführt. Und das ist dann schon alles sehr viel pragmatischer. Und jedes Jahr wechselt ja quasi, was weiß ich, zehn Prozent der gesamten deutschen Journalistschaft wechselt ja an die PR. Also da bin ich jetzt auch nicht besonders oder anders als andere Leute. Das ist ganz normal.

Joel Kaczmarek: Wie ist denn eigentlich zu deinem Stay Forever Podcast gekommen, was ja so dein eigentliches Imperium, finde ich, ist?

Gunnar Lott: Den hab ich als Hobbyprojekt angefangen, ganz normal, wie man sich das halt so vorstellt. Ich bin halt von der Zeitschrift weggegangen, von dem Verlag weggegangen, weil ich dann keine Lust mehr hatte. Und der Verlag hatte auch echt keine Lust mehr auf mich. Das war dann halt, so dachte man halt, lass mal trennen. Und dann war aber mein Freund Christian Schmidt noch da. Oder war gerade auch auf dem Absprung und so. Und dann dachte ich, wäre ja schade, wenn wir es nicht mehr sehen. Lass mal was Gemeinsames machen. Und das war das Einzige. Ich wollte was gemeinsam machen mit Christian Schmidt.

Joel Kaczmarek: Bist du ein treuer Mensch?

Gunnar Lott: Glaub schon.

Joel Kaczmarek: Und dann ist es wahrscheinlich wie so oft aus der Person heraus, wenn man etwas gerne macht und dann so macht, wie man es selber gut finden würde, dass dann auch sich der Erfolg einstellt. oder was war es bei dir? Du hast natürlich auch so einen Ruf durch deine Chefredakteursrolle, da wissen ja heute noch Leute irgendwie von welchen Videos, die du da aufgenommen hast mit GameStar und und und, warst du das? oder was würdest du sagen, was hat dich erfolgreich gemacht?

Gunnar Lott: Du bist natürlich, wenn du schon mal in leitender Verantwortung für ein journalistisches Produkt warst. Und das waren wir ja beide, der Christian und ich. Der Christian war dann später, als ich weg war, stellvertretender Chefredakteur. Und wir haben halt ein Produkt gemacht. Und dann haben wir halt, als wir unseren Podcast gegründet hatten, den behandelt wie ein Produkt. Logischerweise. Also mit unserer ganzen Qualitätsorientierung und so. Ich hatte das so ein bisschen als lockeres Gespräch geplant. Und der Christian hat dann so ein sehr methodischen Zug und dann musste das immer viel besser werden und dann wurde das halt immer von Folge zu Folge besser und wir haben uns dann auch gegenseitig gesteigert und gegenseitig gefordert und so. und dann kam halt irgendwann fünf Jahre später, nachdem das schon fünf Jahre draußen war, eine kommerzielle Komponente dazu mit einer dieser Plattformen, mit Patreon. Und dann war da plötzlich auch schnell relativ viel Geld da, weil wir es halt natürlich auch schon fünf Jahre umsonst gemacht hatten. Und dann alle Leute, ja gut, ich habe jetzt fünf Jahre gehört, das war schon ganz schön geil, hier ist Geld. Für die fünf Jahre rückwirkend quasi. Und dann ist es relativ schnell durchgestartet. Und wir haben beide diesen Background im Journalismus und in der Produktführung eines journalistischen Mediums. Und wir haben beide aber auch einen Background im Free-to-Play-Gaming, also im Behandeln und Betrachten von Gaming-Produkten, die lange laufen. Und dann haben wir natürlich auch dieses Wissen irgendwie anwenden können. Schon mal gehört hast, was ein Funnel ist und was ein Lifetime Value ist und Monetarisierungsstrategien und was du so glaubst, was so wie ein User monetarisieren sollte, damit es sich lohnt und so. Dann konnte man dieses näher da so drüber legen. Und das journalistische Layer so daneben legen und dann halt so schauen, wie sich das miteinander verträgt und so. Und dann ging das alles ganz von alleine. Aber da gibt es auch eine philosophische Frage, wenn du nochmal dazu kommst. Oft gibt es solche Gespräche darüber, was hast du für Management-Literatur gelesen? Und damit kann ich überhaupt nicht dienen, aber ich habe ein Buch gelesen. dass das ganz gut zusammenfasst, was wir mit Stay Forever gemacht haben. Und das heißt Who Not How. Und das ist nicht so bekannt. Ich weiß nicht, ob das jeder kennt. Das ist auch nicht besonders gut. Das hat nur diese eine These. Wenn du irgendwas vorhast, dann frage Who Not How. Dann frag nicht, wie machen wir das, sondern wer kann denn das? Und wie können wir mit diesem Menschen arbeiten? Also wer kann das Problem lösen? Und das kann dann jemand intern sein? oder Das führt dich dann dazu, dass du intern nach Ressourcen suchst und nicht versuchst, immer alles mit so einem kleinen Kreis zu machen oder selber zu machen. Und das führt aber auch dazu, dass du sehr gezielt nach außen gehen kannst und dir Leute dazu holen kannst oder dazu kaufen kannst, je nachdem, wie du das machst. die eine Lücke füllen. Und das fand ich ganz hilfreich für alle Arten von, will ich sagen, Unternehmensführung, aber von Projektführung im weitesten Sinne. Und das ist das, wie wir, wir haben immer dann versucht, hinterher zu schauen, wer hilft uns denn? Und haben dann in dem Podcast Leute hinzugeholt mit anderen Expertisen, mit anderen Stimmen, mit anderen technischen Fähigkeiten und so weiter.

Joel Kaczmarek: Ja, spannend. Kannst du uns auch mal, bevor wir jetzt weiter mal eintauchen, so in dieses mentale Element, was bei dir drin schwingt, wofür wir eigentlich heute antreten, dass du den Leuten mal so ein Gefühl gibst, was das für ein Business ist, also wie groß ist das mittlerweile, was macht dir dein Umsatz, wie viele Menschen arbeiten daran, weil es war ja eigentlich ein Hobbyprojekt, was du gemacht hast, um irgendwie dein Interesse zu befriedigen und mit einem Menschen, der dir wichtig ist, Zeit zu verbringen.

Gunnar Lott: Das ist jetzt ein Business, das macht so einen mittleren sechsstelligen Umsatz. Die beiden Gründer leben da quasi Vollzeit. von und neben den Gründern arbeiten noch so zehn, zwölf Leute mit in unterschiedlichen Formen des Freelancings. Genau. Wir stellen nie mehr Leute ein. Das ist nicht der Plan, das hab ich in anderen Lebenswegen gemacht, das würd ich jetzt nicht mehr machen. Aber wir sind nicht geizig und wir versuchen, die hochklassigsten Freelancer zu kriegen, die wir kriegen können.

Joel Kaczmarek: Du hast mir vor ein paar Tagen mal erzählt, du bist sehr vorsichtig, wen du als Teil des Day-4-Ever-Teams betrachtest, weil das so cool ist. Ahem, schreibst du immer in deinen SMSen.

Gunnar Lott: Ja, das ist das beste Team, in dem ich je gearbeitet hab. Das ist auch das höchste Niveau, auf dem ich persönlich je gearbeitet habe. Also dass wir uns so stark challengen, dass wir so stark versuchen alles super zu machen, die Qualitätsorientierung von damals, ein bisschen modernerer Blick auf Sachen und das ist halt ein Produkt. Ich habe halt immer nur anderer Leute Produkte geführt. Im Verlag logischerweise hat sich ja jemand anders das Produkt ausgedacht und das gehört dir ja auch nicht. und du bist dann ein angestellter Manager. Ist auch gut, um was zu lernen, aber ist halt nur ein angestellter Manager. Und dann hinterher in der Spielindustrie bist du halt angestellter Manager. Und dann hatte ich halt eine Agentur, da bist du halt dann natürlich dein eigener Herr, aber du machst halt die Produkte von anderen Leuten größer. Das ist ja dein Ziel. Und das heißt, es sind auch nicht deine Produkte. Und dieser Podcast, der Forever, ist halt das erste Mal im Leben, dann ja relativ spät im Leben, mein eigenes Produkt gewesen, das ich vollkommen kontrollieren kann. Und weil es ein journalistisches Produkt ist, kann ich es auch wirklich vollkommen kontrollieren. Ich kann theoretisch alles alleine machen. Ich brauche niemanden dazu. Oder Christian und ich können mit unseren jeweiligen Fähigkeiten zusammen alles alleine machen. Mit Auslieferung und Schnitt und allem Kram und so. Und das ist schon ein wahnsinnig mächtiges Gefühl. Und dann aus diesem Gefühl heraus alles alleine machen zu können, dann aber gezielt die Sachen abzugeben, ohne dass man also die Fähigkeit verliert oder das Gefühl dafür verliert, diese Sachen zu beurteilen. Wenn du ein Startup hast, du bist kein Programmierer und es ist ein digitales Startup, da kannst du in gewisse Bereiche einfach gar nicht reinschauen. Es ist halt total schwierig. Und dann ist es schwer zu beurteilen, was die da machen den ganzen Tag in diesem Büro von diesen ganzen Leuten, die alle IQ 150 haben. Und das ist halt natürlich ein sehr starkes Gefühl der Kontrolle. Und kannst dann natürlich auch mit den Leuten, die dafür dich arbeiten, auf einem hohen Niveau reden. Die versuchen auf dem hohen Niveau zu verbessern und dich von denen verbessern zu lassen.

Joel Kaczmarek: Langsam erklärt sich mir, warum du nie zulässt, dass ich mich mal als Gast bei dir einlade. Ist okay. Ahem, wie du sagen würdest. Sag mal, wenn du jetzt erzählst, du hast ein Produkt, was du komplett selbst ownst, du hast diesen Qualitätsanspruch, find ich mal spannend zu verstehen, weil ich merke, du hast immer einen klaren Fokus bei Dingen. Wenn ich mal sage, warum macht ihr nicht mal dies, warum macht ihr nicht mal das, dann sagst du, nein, nein, nein, das machen wir nicht aus diesen Gründen, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und hast eigentlich immer eine schlaue Antwort. Die Frage, die ich an dich habe, ist, was ist dein Vorgehen, um Entscheidungen zu treffen? Wie triffst du Entscheidungen, welche Routinen hast du, wie gehst du vor?

Gunnar Lott: Wir sind halt ein Zweiergremium, weil wir zwei Geschäftsführer sind und das ist eine Konstellation, die ist in der Agentur auch so, da gibt es auch noch eine weitere Geschäftsführerin und Gründerkonstellationen, das wird ja jeder mal in irgendeiner Form festgestellt haben. Eins, zwei, drei, vier, fünf Leute ist ja, sagen wir mal, fünf Leute ist das Maximum von Leuten, die zusammen eine Firma gründen und dann irgendwie in gleichberechtigten Funktionen da sind. Alle diese Konstellationen haben unterschiedliche Vor- und Nachteile. Wenn du alleine bist, klar, ist ja relativ logisch, kannst du halt alles alleine machen, kannst auch alles entscheiden und bist niemandem Rechenschaft schuldig, aber hast da kein Feedback und fährst es halt vor die Wand, weil du nur deine Geschmacksrichtlinie hast oder so. Und Dreierkonstellationen neigen dazu, sich irgendwann zu streiten und einen zu marginalisieren und sonst irgendwas. Und Zweierkonstellationen sind wahnsinnig langsam, weil du nie eine Entscheidung triffst. Ist ja der Hammer. Mit was für Ideen ich ankomme und der Christian so, nee, machen wir nicht raus. Quatsch, nee, finde ich nicht gut. Und wenn es eine ernstgenommene Zweierkonstellation ist, reicht ja das einfache Veto. Klar kann ich da hingehen und versuche nochmal Überzeugungsarbeit zu leisten oder umgekehrt, aber in der Regel klappt es nicht. 60, 70, 80 Prozent aller Ideen, die einer von uns beiden vorbringt, scheitern schon an der ersten Instanz und werden nicht mal evaluiert. Scheitern schon einfach am Gegenüber. Und das ist doof, das macht dich langsam und behäbig und führt auch dazu, dass du manche Entscheidungen später triffst als andere. Es macht aber auch die Entscheidungen, die du gemeinschaftlich dann triffst, die wenigen, die durchkommen, die sind hammerstark. Und die definieren dann deine Unternehmung oder definieren deine Ausrichtung, deines Projekts. Weil wenn du die dann machst, dann hat das hoffentlich Hand und Fuß und beide haben das super gut durchdacht und beide hoffentlich kommen von sehr unterschiedlichen Positionen. Und Christian und ich und Caro und ich in der anderen Konstellation der Agentur sind sehr unterschiedliche Menschen, kommen aus sehr unterschiedlichen emotionalen und temperamentellen Haltungen und dann haben die Entscheidungen immer Power. Und das reicht. Etwas anderes gibt es gar nicht. Irgendwer hat eine Idee, wir haben was gesehen von anderswo, was wir klauen wollen. Wir haben eine eigene Überlegung gemacht. Wir denken ständig über die Verbesserung des Produktes nach. Wir sehen was am anderen, was grundsätzlich uns nicht gefällt, wo wir etwas besser machen wollen. Oder wir sehen was am anderen, was wir nacheifern wollen oder so. Pass auf, das machen wir jetzt immer so, es hat doch gut geklappt und so, weil wir das festschreiben als Richtlinie. Und das ist dann immer dieser Zweierprozess.

Joel Kaczmarek: Vergleichst du dich viel?

Gunnar Lott: Nicht im ungesunden Sinne, würde ich sagen. Aber ja, klar. Also ich schaue immer, was andere tun in meinem Bereich, versuche alles zu verstehen, versuche zu verstehen, warum andere Leute andere Entscheidungen treffen. Versuche zu respektieren, warum andere Leute andere Entscheidungen treffen. Also es ist immer eine Frage, wo man herkommt. Und ich unterstelle allen Leuten rationales Handeln. Das führt oft zu nichts, weil nicht alle Leute rational handeln. Aber mei, das ist ja erstmal nur bei mir. Und dann unterstelle ich denen rationales Handeln und dann sage ich, okay, sie sind rational, weil sie nicht blöd sind, auf diese Entscheidung gekommen. Wir nehmen mal an, dass das kein Fehler war, sondern Absicht. wie sind sie denn da hingekommen? Also was hätte ich denn getan, um da hinzukommen? Und manchmal kann man dann überraschend irgendwas nachvollziehen, wo man so denkt, ach guck an, das ist ja vielleicht dann doch ganz clever gewesen oder aus deren Sicht total verständlich. Und wenn du so eine Erkenntnis hast wie, ich verstehe, warum derjenige, diejenige diese Entscheidung getroffen hat, das eröffnet ja dir einen breiteren Entscheidungsraum, dass du halt dann besser beurteilen kannst, was gut wäre für das Business und so. Dann hast du was, wo du es gegenhalten kannst. Und das mache ich schon ziemlich häufig und das finde ich auch einen sehr gesunden Prozess. Es gibt natürlich auch so ungesundes Vergleichen, so nach oben vergleichen und sagen, Das hätte ich auch gerne, aber da bin ich drüber hinaus, glaube ich. Da bin ich zu alt für.

Joel Kaczmarek: Und jetzt kommt ja eigentlich eine spannende Frage. Du merkst, ich dekliniere jetzt langsam sukzessive das Handwerkszeug mit dir durch. Fehlerkultur. Jemand, der aus einem Umfeld kommt, wo es um Perfektion ging, wo Fehler eigentlich das sind, was man tunlichst vermeiden will. Du hast vorhin gesagt, du wurdest irgendwie noch Monate danach für deinen Kummerfehler aufgezogen. Was hast du für einen Umgang mit Fehlern für dich gefunden?

Gunnar Lott: Ich weiß nicht. Es gibt erst mal gesund zu versuchen, fehlerfreie Produkte zu machen. Und ich finde, mein subjektives Gefühl ist, das könnten Leute mehr machen. Ich finde zu viele Fehler in Produkten. Und ich finde auch beim Ausprobieren von Produkten anderer Leute, finde ich zu viele Fehler in so einfachen Sachen. Mal hier einen Tippfehler in einem User-Interface, ein falscher User-Flow, der mich in die Irre führt und sowas. Und da denke ich immer, habe ich wenig Verständnis für. Ja. macht das doch mal, testet das doch mal besser, macht doch mal irgendwas. Und ich finde, man sollte schon irgendwie vermeiden, große Fehler zu machen, wo man das beherrschen kann. Ich finde, aber hin und wieder musst du halt natürlich ein Deeper Faith machen und musst halt sagen, pass auf, ich glaube jetzt, das, was wir da gemacht haben, ist gut. Und wenn das dann nicht ankommt, weil Leute das doof finden und dann haben wir uns halt getäuscht in unserer in unserem Gefühl dafür, was gut ist. Und das finde ich nicht, dafür kastere ich mich nicht selber. Das ist ja kein Fehler. Ich habe es ja versucht, gut zu machen. Und ich habe ja keinen Quatsch gemacht auf dem Weg dahin. Was mich halt ärgern würde, ist, wenn ich ein total fehlerhaftes Produkt abliefere und die Leute sagen mir, dass es ein fehlerhaftes Produkt ist. Und wir kommen gar nicht dazu, in der Diskussion sozusagen oder in der Wahrnehmung des Produktes dazu, was an dem Produkt gut werden könnte, weil die Fehler so im Vordergrund stehen. Und deswegen versuche ich vielleicht schon, ein bisschen viel Fehler zu vermeiden. Und bin nicht so jemand, der sagt, ja geil, das probieren wir jetzt aus. Fünf Minuten, morgen muss es fertig sein. Die Haltung hab ich nicht.

Joel Kaczmarek: Ich mein, es bricht sich auch ein Stück weit drauf runter, auch was wir eben mit den Entscheidungen hatten, so der Umgang mit Komplexität. Was tust du denn, um Komplexität zu reduzieren und zu Entscheidungen zu kommen? Wenn du jetzt zum Beispiel mit Christian da irgendwie in so einem Wettstreit bist, so nee, ich will das, Feature ist super, ich überzeug den jetzt. Ich muss jetzt mal für mich einmal knacken, wie das funktioniert. Weißt du, was ich meine? Wie machst du das, dass du das so aussortierst?

Gunnar Lott: Wie die meisten Leute habe ich halt so eine Jagd nach Abstraktionen und versuche halt in allen Fällen zu finden, ob ich das Muster erkennen kann oder das Pattern oder was uns dann da einen höher hebt und versuche immer in der Diskussion sozusagen das aktuelle Problem zu verlassen und das Metaproblem darin zu finden. Und habe auch null Angst vor Komplexität. Ich versuche glaube ich gar nicht, Komplexität zu vermeiden. Das ist glaube ich ein Fehler. Ich habe so eine Neigung in allem, was ich selber kontrollieren kann, wo ich nicht für andere Leute verantwortlich bin. Die Komplexität so zu umarmen und zu sagen, ja, dann machen wir das halt so. Egal. Und in der Agenturarbeit kann man Komplexität überhaupt nicht brauchen. Und da versuchen wir alles zu streamlinen und da treibe ich auch den Prozess des Streamlines und das alles klar runterbrechen und verständlich machen. Aber wenn ich selber entscheiden kann, dann baue ich da nochmal eine individuelle Lösung, die ganz geil ist, die mir dann gefällt. Weiß ich auch nicht.

Joel Kaczmarek: Machst du dir oft Sorgen eigentlich?

Gunnar Lott: Nie eigentlich. Ich bin halt armer Leute Kind und habe so einen ganz leichten Verarmungswahn zuweilen und denke schon so, wie ist denn das im Alter? Hast du genug Geld? Ist da alles gut? Kannst du deinem Kind irgendwas hinterlassen? Vielleicht eine Burg? Mit eigener Wasserversorgung und Solaranlage und so, damit es im Klimawandel nicht untergeht. Aber grundsätzlich bin ich niemand, der sich Sorgen macht.

Joel Kaczmarek: Naturell einfach oder ein bisschen auch gelernt durchs Leben?

Gunnar Lott: Ich glaube, wie viele Leute, die mal irgendeine Art von traumatischer, schlechter Erfahrung hatten, wie gesagt, da gibt es ja noch viel schlimmere Sachen als meine kleine Geschichte, wie alle diese Leute habe ich eine große Fähigkeit zur Verdrängung. Und kann mich so in alle Sachen so reinbewegen. Dann verdränge ich das halt. Ist das halt weg. Können meine Brüder auch super.

Joel Kaczmarek: Ich überlege das gerade, ob da wirklich ein Zusammenhang zwischen Trauma und Verdrängungsfähigkeit besteht. Warum glaubst du das?

Gunnar Lott: Das glaube ich ganz fest. Warum? Naja, weil du halt natürlich, wenn du was zu verdrängen hast irgendeine Erfahrung oder irgendwas, die sozusagen wegverarbeitet werden muss, damit sie dich nicht im täglichen Leben behindert oder im täglichen Wohlbefinden behindert, dann entwickelst du doch so was. So eine Strategie dafür. Also gibt es ja auch ganz unterschiedliche Strategien dafür. Also mit Leuten, die in Fantasiewelten abdriften oder die sich betäuben mit Drogen oder halt so Leute wie ich, die sich durch Autosuggestion sagen, es war nicht so schlimm, es ist schon vorbei.

Joel Kaczmarek: Also wir haben ja auch eingangs über Glück geredet, da können wir jetzt am Ende nochmal drauf zurückkommen, sukzessive. Welche Rolle spielt denn Geld, Wohlstand, Kapital in deinem Leben, auch vielleicht gerade mit Blick auf Glück und Sicherheitsgefühl, solche Dinge?

Gunnar Lott: Es gab mal diese Untersuchung, dass Glück durch Geld einen abnehmenden Grenznutzen hat und nicht mehr ansteigt nach 70.000 Euro Jahreseinkommen. Das hat sich, glaube ich, als falsche Berechnung herausgestellt. Diese Studie wird so nicht mehr zitiert, aber ich glaube, so grundsätzlich ist da was Wahres dran. Es gibt irgendeinen Sprung im Leben, wo du über Geld keine Gedanken mehr machen musst. Wo du halt dann denkst, okay, dannAlso ich finde, die härteste Währung ist, wenn irgendwas kaputt geht, kann ich das ersetzen. Und das ist was, ich finde, das macht eine Riesenschwelle zwischen arm und wohlhabend, sagen wir mal. Wenn die Waschmaschine kaputt geht und du kannst sie nicht ersetzen, weil du die 700 Euro nicht hast. Wenn das Auto kaputt geht und du kannst die Reparatur nicht leisten. Wenn der Computer nicht runterfallen darf, weil du dir keinen neuen leisten kannst. Und das ist ein starkes Gefühl von Armut oder von Grenzen im Leben, die durch Geld bestimmt sind, die du halt hast. Und wenn du diese Grenze überschritten hast und dann denkst du, ja fuck, jetzt hat das Kind den 2000-Euro-Laptop runtergeworfen und ich habe den Apple-Plan nicht abgeschlossen, weil ich zu geizig war. Aber es ist ja nur Geld. Es ist ja niemandem was passiert. Dann kaufen wir halt das halt neu. Also ich glaube, da ist eine harte Schwelle, ab wo du so Sachen hinter dir lassen kannst und wo du sagen kannst, okay, jetzt ist eigentlich alles cool. Und natürlich gibt es dann Leute, die brauchen noch einen Porsche und so, aber das ist mir alles immer wurscht. Ich finde halt, solange du im täglichen Leben kannst essen gehen oder irgendwas, wenn du halt willst, spontane Entscheidungen treffen, ist doch alles cool.

Joel Kaczmarek: Hast du eigentlich in deinem Leben für den Erfolg, den du dir erarbeitet hast, auch einen Preis gezahlt oder Preise in unterschiedlicher Form?

Gunnar Lott: Meine Frau sagt immer, ich arbeite zu viel. Und das ist auch das, was mir Freunde zurückmelden. Es gibt schon so Wochen, wo ich halt einfach nonstop arbeite. Also gar nicht anders. Ich stehe halt morgens auf und gehe ins Büro und mache irgendwas. Ich habe dann zwischendurch schon mal einen kleinen Slow und prokrastiniere eine halbe Stunde rum oder gehe halt kurz ein Eis essen während der Arbeitszeit. Kann ich mir leisten, bin ja selbstständig, ja Gott. Ich muss ja nicht irgendwie anwesend sein und irgendwelche Zeiten abdienen oder so. Und arbeite aber auch dann manchmal bis, keine Ahnung, tief in die Nacht und nehme noch Podcasts auf und so. Und kann sich überlegen, dass das natürlich durch die Verdrängung von anderen Sachen ein Preis ist. Ich könnte mehr Sport treiben und könnte noch ein anderes interessantes Hobby haben oder so. Aber da ich ja in mehrerlei Hinsicht mein Hobby zum Beruf gemacht habe, fällt das auch irgendwie nicht so auf. Und ich finde immer, dass Zeitinvestment wird immer so gesehen wie, also Arbeitszeitinvestment wird immer so gesehen wie eine Belastung von vielen Leuten. Aber viele Gründer haben ja ein gegenteiliges Gefühl. Und das liegt meines Erachtens an der Kontrolle. Und je mehr du Kontrolle über ein Subjekt hast, desto weniger empfindest du es als Belastung, dich mit diesem Subjekt so auseinanderzusetzen. Und wenn du immer noch die Zeit hast, mal kurz wegzugehen, weil du halt einfach das halt kannst, weil es gibt ja keinen Chef, der dir das sagt, Notfalls, also in der Agentur, wenn ich halt irgendwie gar keinen Bock mehr habe auf irgendwas, dann schießen wir den Account und sagen dem Kunden, er soll sich eine fucking andere Agentur suchen. Das haben wir halt auch schon gemacht. Und am Ende ist es ja nur Geld, weißt du? Es ist ja nicht existenzbedrohend oder sonst irgendwas. Da haben wir halt weniger Kohle, ja mei. Ja, also es geht schon. Und das ist halt eine große Freiheit, die finde ich die Stressgefühle vermeidet. Und ich finde halt, Stress ist immer dann, wenn du so gejudged wirst durch im schlimmsten Fall halt einen Vorgesetzten und so Erwartungen und du halt diesen Erwartungen so hinterher machen musst, diesen Erwartungen hinterher rennen musst, ohne die komplette Kontrolle zu haben. Mach das so bis 16 Uhr. Aber darf ich das nicht so machen? Das wäre doch besser. Nein, so. Und das ist der Weg in den Burnout, finde ich. Als Chefredakteur habe ich mich dann so wahnsinnig an den Zahlen gemessen von der Zeitschrift und den Verkaufszahlen, die du ja auch nur mittelbar beeinflussen kannst. Und da hatte ich so Burnout-Symptome eine Zeit lang. Aber als Selbstständiger nie.

Joel Kaczmarek: Aber bist nie ausgeschieden, bist nie ausgenockt?

Gunnar Lott: Also ich habe nie ein Sabbatical nehmen wollen oder sonst irgendwas. Und ich bin auch nicht der Typ, der sich im Urlaub viel dazu gewinnt. Ich arbeite schon einfach gerne.

Joel Kaczmarek: Was waren denn deine Symptome, von denen du gerade gesprochen hast?

Gunnar Lott: Also klassische Stresssymptome, also ich will nicht sagen Ängste, aber so immer so ein Gefühl, immer so ein starkes Gedankenrasen um dieses Thema herum, sich nicht gut abspannen können, immer noch Gedanken haben an das und so und leichtes körperliches Unwohlsein und so, war in so einer bestimmten Phase der Chefredaktion.

Joel Kaczmarek: Verstehe. Und sag mal, was jetzt vielleicht nach hinten raus auch nochmal spannend ist, jemand wie du, der sich gerne streitet oder gut streiten kann zumindest, was ist denn jetzt mit 54 so dein Umgang, um mit Konfliktsituationen umzugehen? Wie machst du das heute?

Gunnar Lott: Ich versuche Konflikte stark zu ritualisieren und das nicht mehr zu machen, weil ich ja weiß, ich habe eine fiese Art, wenn ich halt wütend werde und so und ich versuche nicht mehr wütend zu werden im beruflichen Umgang und in der Familie, wenn das irgendwie geht. Das ist halt eine Frage von Disziplin. Ich habe auch meinen Twitter-Account gelöscht, weil es mal irgendwann auch mal gereicht hat, dass ich mich mit irgendwelchen anonymen Nazis da rumstreite.

Joel Kaczmarek: Das hast du mir mal erzählt, dass du das gerne machst, dass du dich gerne im Internet streitest. Warum?

Gunnar Lott: Ich habe immer gedacht, einer muss das ja machen. Also das ist halt immer der klassische, dann ist halt irgend so ein anonymer Nazi-Account oder so, der halt irgendwas Dummes sagt oder so. Und vielleicht aber an einer Stelle, wo es Leute lesen können, zum Beispiel auf der Wall eines CDU-Politikers. Und dann denke ich immer, hier ist doch ein Publikum, das möglicherweise nicht ganz verloren ist. Der Typ da, der ist drüber, mit dem ich dann streite. Das ist ja Unsinn. Aber ich will nicht, dass das unbeantwortet stehen bleibt. Und ich denke immer, für jeden, der da mitmacht oder so, lesen halt 50 mit. Und ich denke dann, lass mal die Gegenseite von dieser Position rational und clever aussehen. Lass uns das mal so machen. Geil. Und dann bin ich immer sehr höflich und sieze die Leute und sage, tut mir leid, ich glaube, da sind sie auf dem Holzpfad. Und es geht mir nicht darum, ob der irgendwas versteht. Der will ja gar nicht. Aber das lesen halt Leute mit. Und ich glaube, das hat seinen Sinn zumindest. Ich habe so einen Werdegang im Internetstreiten, der, glaube ich, anders ist als von vielen anderen Leuten. Ich habe halt 1991 schon einen Mailbox-Account gehabt und mich im Mausnet mit Amerikanern gestritten und so. Und ich habe eine lange, lange, lange, lange Routine darin, mich im Internet zu streiten, als es noch cool war im Fido-Netz damals. Ja, nicht so wie ihr. Und habe dann als Redakteur bei der GameStar und Chefredakteur bei dieser Zeitschrift da ja eine riesige Community gehabt im Forum, die halt auch kritisch gegenübergetreten ist den Redakteuren und so. Und hab da, wie ich fand, so eine Streitkultur entwickelt. So ein Höflichsein, aber so ein Ausdiskutieren von allem. Ich hab mit den allen, die uns kritisiert haben im Forum, das ausdiskutiert, wenn es mich zwei Stunden gekostet hat. Weil ich halt dachte, so, das bleibt dann da stehen. und nächstes Mal, wenn so ein Idiot was sagt, dann haben das 1000 Leute gelesen oder 500 Leute gelesen und sagen dann schon die Sachen, dann muss ich es nicht mehr sagen. Und das hat sich grundsätzlich als erfolgsversprechende oder als vernünftige Methode rausgestellt.

Joel Kaczmarek: Was sind denn so deine Derailer? Was bringt dich auf die Palme?

Gunnar Lott: Ach, ich weiß nicht. Ich erkläre nicht Sachen gern mehrfach, so drei, vier Mal. Ich finde, ich habe dann Sachen auch irgendwann mal relativsauber und klar erklärt und bemühe mich, dass alle Leute das verstehen. Und wenn es dann nicht gemacht wird, dann denke ich so, dafür ist es nicht da. Wir sind hier nicht im Kindergarten. Wir machen das hier professionell und wir müssen uns alle daran halten. Und wir haben halt Regeln und die Regeln sind dann nicht dafür da, dass sie gebrochen werden. Und die Regeln sind dafür da, um unser Leben einfacher zu machen, damit wir weniger Fehler machen. Wir machen ganz viele Regeln, um Fehler zu vermeiden. Also dass wir halt bestimmte Sachen auf eine bestimmte formelle Art formulieren, damit das halt immer gleich ist und dass weniger Fehler entstehen, um mal irgendein Beispiel zu sagen. Da erwarte ich dann auch, dass da kein Quatsch gemacht wird. Was soll das?

Joel Kaczmarek: Was ich mit dir zum Abschluss nochmal spannend finde, weil du ja auch gerade erzählt hast, dass du gerne mal eine halbe Stunde prokostinierst oder auch mal ein Eis essen gehen kannst, aber sonst noch hart arbeitest. Wie sieht denn eigentlich so ein typischer Tag von dir aus? Also wenn du von morgens mit allen Mahlzeiten bis abends durch die Klinik gehst. Wie sieht so ein Tag von Gunnar aus?

Gunnar Lott: Ich stehe gegen sieben auf. Ich frühstücke nicht, weil ich intermittierend faste. Ich habe die erste Mahlzeit gegen elf. Habe ich den ersten Call um 9.30 Uhr, das ist das Stand-Up in der Agentur.

Joel Kaczmarek: Deine Familie oder so, dass du die Kinder zur Schule bringst, sowas machst du nicht?

Gunnar Lott: Achso, ich mache meiner Tochter Frühstück. Entschuldigung, meine Tochter ist jetzt gerade nicht da, deswegen ist das ein bisschen rausgefallen. Wir frühstücken halt logischerweise nicht gemeinsam, weil ich ja nicht frühstücke und meine Frau steht manchmal unterschiedlich auf, manchmal früher, manchmal später.

Joel Kaczmarek: Was macht die eigentlich?

Gunnar Lott: Die ist Psychotherapeutin und hat eine eigene Praxis und so, macht ihr eigenes Ding so. Und dann mache ich meiner Tochter Frühstück oder zumindest das Frühstück, das sie mit in die Schule nimmt und dann verschwindet sie so um 7.10 Uhr oder so und dann gehe ich ins Büro in der Regel. Wenn meine Frau und ich Zeit haben, gehen wir spazieren oder irgendwas und gucken noch so ein bisschen Bewegung drin in den Tag zu kriegen, aber eigentlich geht es dann ab da ins Büro. Und dann, dann schreibe ich Geburtstagskarten. für eine halbe Stunde oder so, weil eine Reihe von Hörern des Podcasts haben als Teil ihres Abos, haben eine höhere Abo-Stufe, dann kriegen sie eine Geburtstagskarte. Und ich schreibe dafür im Monat so um die 100 Geburtstagskarten mit so einem, pack ich so ein kleines Päckchen und so und das schreibe ich von Hand dann so. Und das halt, damit fängt mein Tag an. Crazy.

Joel Kaczmarek: Machst du es gerne oder nervt dich das?

Gunnar Lott: Nee, das nervt kolossal, aber das Erde ist halt so nett, oder? Also es ist halt so real, es ist halt so direkt. Ich schreibe die nicht nach einem fertigen Text runter, ich schreibe, was mir gerade einfällt. Und wenn mir an denen was Lustiges auffällt oder ich eine Verbindung habe zu dem Ort, in dem sie wohnen, dann schreibe ich auch noch was Individuelles da rein oder so. Und das mache ich immer so, das sind dann halt fünf Päckchen am Morgen und manchmal mache ich es dann halt nicht und dann mache ich am nächsten Tag zehn oder so. Und dann haben wir so ein kleines E-Commerce-Business rund um den Podcast rum und dann packe ich noch ein paar Pakete und so. Dann habe ich so ein ganz kleines Ding, so was ich für mich halt so mache. Und dann fange ich an, mich auf den Calls vorzubereiten und dann machen wir halt den Call. Das dauert immer mindestens eine Stunde, weil der Call hat so eine One-on-One-Komponente. Also wir reden auch über Privates und ein bisschen so über den Tag und so und über das, was passiert, aber auch über die unmittelbaren Aufgaben. Und das führt dann so in Agenturarbeit, dann für eine Stunde Pressemitteilung, Sachen gegenlesen und sonst irgendwas so. Und dann gehe ich relativ zeitig essen, weil ich ja um elf schon hungrig bin, weil ich ja nicht gefrühstückt habe. Und dann mache ich mir was zu essen, koche jede Mahlzeit selber. Meine Frau und ich schaffen es meist nicht exakt gleichzeitig zu essen und kochen uns dann jeweils selber was. Oder wir mögen das nicht, was der andere macht und kochen uns deswegen selber was. Aber manchmal schaffen wir es halt dann doch eben, schnell zusammen zu essen. Und ich bin aber nun auch noch anstrengend mit Vegan und so und muss mir dann halt am besten selber was machen, damit es halt auch funktioniert. Und dann mache ich entweder einen Spaziergang oder komme dann wieder und mache dann den restlichen Tag so eine Mischung aus Agenturarbeit und Podcast-Zeug. So eine ganz ungesunde Mischung, so mit allem gleichzeitig und ohne das gut abgezirkelt zu haben. Geordnet durch Calls. Wir haben halt Your Fixes und Retros und Calls mit Kunden logischerweise. Und aber ich mache dann auch zwischendurch so leiere Sachen an für den Podcast, mache Recherche, Vorbereitungsgeschichten, so eine Mischung aus Stillarbeit und aktiver Arbeit. Und das wird halt in den Abend, dann wird immer um 18 Uhr gegessen in der Familie und dann gucken wir danach noch irgendwas, irgendeine Serie oder eine Show. Und dann gehe ich wieder ins Büro und arbeite weiter. Dann aber fast nur noch Podcast.

Joel Kaczmarek: Okay. Ich mache ja mal so einen Bogen. Ich frage die Leute am Anfang, was ist für sie Erfolg, was ist für sie Glück? Und irgendwie kommt ganz oft immer raus, Glück sind kleine Momente mit der Familie, so wie bei dir auch. Und dann am Ende hört man sich den Tag der Leute an und hat das Gefühl, die Familie kommt dir aber gar nicht so vor. Also du könntest ja zum Beispiel, nachdem deine Tochter irgendwie mit dir die Serie durch ist, könntest du ja mit deiner Frau nochmal irgendwie einen Wein trinken und quatschen oder entspannen. Weißt du, was ich meine?

Gunnar Lott: Ist dir das genug, Ja, aber solche Sachen, die finden ja in den Zwischenräumen statt, ohne dass ich die jetzt so formell erwähnt habe. Ich habe ja das Glück, dass ich ein Büro habe mit meiner Frau gemeinsam, also mein Büro für den Podcast und die Praxis meiner Frau sind im selben Bereich. Haus und wir begegnen uns sozusagen in der gemeinsamen Küche. Das heißt, wir trinken halt öfter mal über den Tag verteilt so einen Kaffee, wenn halt gerade ein Patient bei ihr fertig ist und ich gerade keinen Call habe. Dann kommt sie halt rüber und sagt, was ich gerade erlebt habe. Oder ich sage, was gerade im Call, was da wieder und so. Und dann tauschen wir uns da aus. Also wir haben relativ viele kleine Connection-Momente im Laufe des Tages. Und meine Tochter ist ziemlich, also wir haben ein ziemlich enges Verhältnis mit der Tochter und die erzählt uns auch den ganzen Tag dann was sie erlebt hat und in der Regel während des Abendessens oder dann in dieser Zeit danach. Ich versuche aber nun speziell meiner Tochter auch echt Raum zu geben. Die ist halt ein Teenager und finde, die soll halt ihr Ding machen. Ich will da nicht die ganze Zeit drauf rumsitzen.

Joel Kaczmarek: Wie viele Ratschläge ich schon von dir bekommen habe, die ursprünglich von deiner Tochter stammten.

Gunnar Lott: Ja, meine Tochter ist einigermaßen clever.

Joel Kaczmarek: Einigermaßen? Freut sie sich, wenn sie das jetzt hört. Also lieber Gunnar, ich würde sagen, du bist auch einigermaßen clever und hat mir viel Spaß gemacht, heute nochmal wesentlich tiefer in deine Welt einzutauchen. Also ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal einen Podcast aufgenommen habe, der jetzt hier Recording Time 77 Minuten ist, aber keiner davon verschwindet, wie ich finde. Und dafür ganz herzlichen Dank und ich freue mich, wenn wir uns vielleicht mal demnächst wiederhören zu einem anderen Thema.

Gunnar Lott: Ja, vielen Dank und bis zum nächsten Mal.

Outro: Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. Und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal. 

Mehr zum Thema

Erfolgsstrategien

Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Selbstoptimierung: Wie ihr Schatten verfolgt digital kompakt-Macher Joel Kaczmarek regelmäßig erfolgreiche Personen und versucht die Säulen ihres Erfolgs nachzuzeichnen. In Bereichen wie Lebensführung, Gesundheit oder Finanzen erhascht er ungewohnt tiefe und ehrliche Einblicke.