Eine Trauma-Expertin erklärt, wie du Burnout vermeidest
18. Juni 2024, mit Joel Kaczmarek
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Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von digital kompakt und heute ein Thema, was mir sehr am Herzen liegt, weil ich glaube, vielen Menschen geht es gerade so, dass sie sich in so einem krassen Funktionsmodus befinden. Es ist ja draußen total viel los in der Welt und wir reagieren ja gerne auch mal auf schwierige Situationen, indem wir uns einfach beschäftigen, damit wir das Gefühl haben, wir kommen von der Stelle und wir tun was. Und nicht selten führt so ein Funktionsmodus aber in den Burnout. Und weil ich vielen von euch gerne dabei helfen möchte, das zu vermeiden und auch selber ein bisschen was dazu lernen möchte, habe ich mir heute eine tolle Person eingeladen. Und zwar die liebe Sandra Quedenbaum. Sandra ist Ausbilderin, Trainerin und Coach für Hochsensibilität mit dem Schwerpunkt Trauma. Und by the way, sie hat auch selbst einen sehr großartigen Podcast, der heißt Hochsensibel leicht leben. Wenn dich das interessiert, hör unbedingt nochmal dort rein. Der Weg, wie ich Sandra kennengelernt habe, war durch einen anderen Podcast, wo sie zu Gast war. Und ich habe da so resoniert mit, dann habe ich sie mal angerufen, habe mich von ihr schon mal ein bisschen coachen lassen, habe gedacht, wow, das muss ich mehr Menschen zur Verfügung stellen. Und hier ist sie nun. Worüber reden wir dann heute? Um euch mal so einen kleinen Sneak Peek zu geben, was euch heute erwartet. Also zum Ersten werden wir natürlich mal darüber reden, was heißt denn das eigentlich, Funktionsmodus? Wie sieht der aus? Wie bedingt sich das? Und was sind die Ursachen dafür? Und dann natürlich auch mal gucken, was können dann so mögliche Folgen davon sein? Und dann ist natürlich ganz wichtig, nach hinten raus euch auch ein bisschen Hilfestellung zu geben. Wie mache ich mir dessen eigentlich bewusst? Wie komme ich da raus? Ja, also wie komme ich wieder in die Körperwahrnehmung? Wie kann ich mein Nervensystem wieder beruhigen, auf das euch das alles, wie gesagt, erspart bleibt? Von daher, ich glaube, heute ist ganz, ganz viel drin und ich freue mich da schon total drauf. Liebe Sandra, that being said, schön, dass du da bist.
Sandra Quedenbaum: Hallo, ganz herzlichen Dank für die Einladung.
Joel Kaczmarek: Ja, Funktionsmodus wird ja wahrscheinlich öfters irgendwie unterkommen, so als Thema nehme ich mal an in deiner Praxis, oder?
Sandra Quedenbaum: Ja, auf jeden Fall. Also gerade auch viel im Bereich bei Selbstständigen, aber auch bei Müttern ist es ganz viel und dass der Funktionsmodus auch bei Hochsensiblen ist häufig sehr, sehr stark ausgeprägt, weil sie auch so einen Drang nach Perfektionismus haben und gerne die Sachen gut und richtig machen. Und wenn man da nicht aufpasst, dann kann es schwierig werden.
Joel Kaczmarek: Ich hatte so eine einzelne Folge mit Bettina Reuss zu hochsensible Scanner-Persönlichkeiten, also das ist ja hier mal empfohlen, weil in ihrem Podcast habe ich dich kennengelernt, aber da wir bestimmt öfters mal das Thema hochsensibel noch haben werden, magst du mal so mit kurzen Worten erklären, was das ist?
Sandra Quedenbaum: Also Hochsensibilität ist letztendlich eine verstärkte Form der Sinneswahrnehmung. Alle Sinne werden stärker wahrgenommen als bei durchschnittlich Sensiblen und gleichzeitig auch noch tiefer verarbeitet. Das sorgt dafür, dass Hochsensible auch schneller in die Überreizung kommen, schneller auch in die Erschöpfung kommen. Gleichzeitig ist es so, dass die Reize, die von außen kommen, weniger gefiltert werden. Das hat auch viele Vorteile. Und gleichzeitig, wenn man nicht aufpasst, wenn man zum Beispiel im Funktionsmodus ist, kann es auch echt Nachteile haben, weil man dann leicht ins Burnout kommen kann.
Joel Kaczmarek: Ja, ich sage immer so, das Prinzessin-auf-der-Erbse-Syndrom finde ich mal ganz gut, also so geht es mir. Was meine Frau schon erzählen könnte, wie viele Kissen ich schon durchprobiert habe, weil die mir unbequem sind, passt auf keine Kuhhaut. Funktionsmodus ist ja vielleicht vielen so, da klickt ein bisschen was, dass die wahrscheinlich so sagen, oh ja, ich kann mir das irgendwie so vage vorstellen, aber was bedeutet das denn für dich, wie sieht das für dich aus?
Sandra Quedenbaum: Also es gibt ja im Leben immer mal Situationen, wo man vielleicht funktionieren muss, wenn man nicht so ganz so fit ist, aber zu arbeiten muss, weil da ein wichtiger Termin ist. Einfach, weil jetzt vielleicht gerade irgendwas in der Familie ist, wo man alle Kräfte zusammenbündeln muss, um das zu machen, wenn vielleicht jemand gestorben ist und man muss das regeln und diese Sachen. Wenn das so über einen kurzen Zeitraum ist, ist das okay. Dann schüttet der Körper Cortisol aus, damit wir genau das können, damit wir uns diese ganzen Kräfte mobilisieren können. Wenn wir aber in diesen ungesunden Funktionsmodus kommen, dann ist es etwas, was sich über längere Zeit hält, über eine längere Dauer, wo wir immer wieder letztendlich von Aktion zu Aktion zu Aktion kommen und gar nicht mehr in die Zwischenpausen kommen und auch dadurch gar nicht mehr in die Wahrnehmung, in die Selbstwahrnehmung kommen und spüren, was ist denn eigentlich mit mir los, was brauche ich gerade? Wir sind dann zwar sehr erschöpft und denken, boah, ich müsste mal Pause machen, aber da winkt halt schon der nächste Termin oder die nächste Verpflichtung oder die nächste Aufgabe, die ja erledigt werden muss. Wenn es so ist, also wenn man es wirklich einfach muss, ist es hilfreich auch zu gucken, muss ich wirklich oder kann ich das nicht noch anders regeln?
Joel Kaczmarek: Ich überlege gerade, wie das heißt. Bei manchen Geräten gibt es manchmal so einen Modus, wenn der Akku kurz vor alle ist, dass man dann so im letzten Saft noch drin ist. Und so was du gerade beschreibst, bedeutet also, ich habe so einen Dauerstresszustand, wo ich quasi immer an der Kante surfe eigentlich.
Sandra Quedenbaum: Ja, und wobei es ist eigentlich nicht an der Kante, sondern es ist schon unter der Kante. In der Regel, wenn ich im Funktionsmodus bin, dann merke ich nicht, dass ich an der Kante bin, sondern ich gehe noch drüber. Was ich merke, ist dann vielleicht, dass ich erschöpft bin, dass ich merke, wenn ich zu Hause bin, hänge ich irgendwie nur vor dem Fernseher und seppe oder mache hier Instagram und Kodi die ganze Zeit, mache gar nichts mehr Produktives, ich schlafe schlecht, komme eigentlich gar nicht mehr in die Entspannung. Ich ruhe vielleicht sogar viel im Sinne, dass ich mache nichts Produktives, aber gleichzeitig erhole ich mich nicht, weil das ist was, was im Funktionsmodus halt eingeschränkt ist. Weil das Nervensystem dann so eingestellt ist im Funktionsmodus, dass wir Schwierigkeiten haben zu regenerieren.
Joel Kaczmarek: Das Nervensystem ist ja übrigens auch ein guter erklärungswürdiger Begriff. Was ist damit gemeint?
Sandra Quedenbaum: Also das Nervensystem kennen die meisten Menschen, wenn man das Bild nimmt von einer Antilope und einem Löwen. Wie reagieren wir auf Stress? Die Antilope ist da, der Löwe kommt, die Antilope sieht den Löwen und rennt weg. Das heißt Flucht. Vielleicht hat die Antilope ein Kind und denkt, wenn ich jetzt wegrenne, frisst das meinen Kids auf und greift dann den Löwen sogar an. Das gibt es ja auch. In diesem Zustand haben wir Angriff oder Flucht. Wenn wir dann aber, angenommen, die Antilope wird vom Löwen geschlagen, dann passiert Folgendes, dann geht sie in so eine Art Totstellreflex, ähnlich wie wir das bei der Maus und der Katze kennen. Wir wirken außerlich tot, wir sind ganz ruhig, der Körper wirkt leblos, dann denkt der Löwe, was ist denn das, ist ja schon tot, schmeckt nicht mehr. Und in dem Moment nutzt die Antilope die Chance und rennt weg durch diesen Moment der Irritation. Was wir dafür brauchen, ist in dem Moment, dass wir einmal die völlige Erstarrung des Körpers haben, gleichzeitig aber immer innerlich noch diese Mobilität. Innendrin fühlt es sich an, als wenn wir völlig auf, hab acht und alle Kraft gebündelt haben, dass wir schnell loslaufen können. Und das ist häufig genau die Situation, wo sich Menschen in diesem Modus finden, wenn sie so im Funktionieren sind. Die stehen eigentlich die ganze Zeit auf Handbremse und Gas gleichzeitig. Und wenn man sich das vorstellt, dass das die ganze Zeit der Körper das aushält und zusammenhält, einmal das Erstarren und gleichzeitig innerlich, wo es so brodelt, ist das wahnsinnig anstrengend. Und wenn wir das über einen längeren Zeitraum machen, dann bringt das halt das ganze Stresssystem auseinander.
Joel Kaczmarek: Das habe ich auch gerade gedacht, wie so ein Auto, wo man schon das Gummi der Reifen riecht, weil es sozusagen auf der Stelle steht, aber die Reifen irgendwie durchdrehen.
Sandra Quedenbaum: Ganz genau. Nur hat man da den Vorteil, da sieht man das und riecht man das noch. Aber wenn das bei uns ist, nimmt man das gar nicht so unbedingt wahr, sondern weil wir so den Fokus immer haben aufs Nächste, aufs Nächste, aufs Schaffen, aufs Schaffen, aufs Schaffen, sehen wir die Reifen nicht.
Joel Kaczmarek: Ich überlege gerade noch, wie ist denn jetzt die Übertragung von der Gazelle auf die Arbeitswelt, weil ich habe gerade eher so gedacht, wenn man natürlich so im Funktionsmodus ist, hätte ich gedacht, das ist so wie das Dauerhaft, man würde nur rennen, rennen, rennen, rennen, rennen, rennen, rennen. Was ist denn sozusagen das Stillhalte-Pendant in der Arbeitswelt, weißt du, was ich meine?
Sandra Quedenbaum: Das Stillhalte-Pendant ist, dass man letztendlich nicht auch mal wirklich zur Ruhe kommt und ins Innere geht sozusagen. In den Momenten, wo ich eigentlich nichts zu tun habe oder nicht so viel zu tun habe, dann halte ich eher die Starre. Und das sorgt dann auch dafür, dass ich dann nicht vielleicht irgendwas tue, was mir gut tut. Wir wissen zwar, was uns gut tut, aber wir machen es nicht. Wir funktionieren, wenn wir müssen. Wenn wir dann aber nicht müssen, dann ist eigentlich, dann sagt man, jetzt mache ich erstmal nichts. Und das, was wir dann tun können, um uns wirklich in die Regeneration wieder zu kommen, machen wir in der Regel nicht. Manchmal fällt uns das auf, aber auch nicht immer.
Joel Kaczmarek: Ich hatte mal so ein Anti-Stress-Coaching und da habe ich mir gemerkt, wie die mal zu mir meinte, oben sein ist schön und unten sein ist schön. Aber runterkommen finden viele überhaupt nicht schön. Ja, so dieses, wenn ich sozusagen in der Leistung bin, ins Entspannen runterzugehen, weil dann kommen ja so die Dämonen raus. Also in so eine Richtung geht das, glaube ich, was du gerade meintest, ne?
Sandra Quedenbaum: Mhm. Wobei, wenn du sagst, unten sein ist schön, ich habe da das Bild, das ist dreigeteilt. Oben ist die Übererregung, in der Mitte ist die Komfortzone, wo es mir gut geht, wo ich entspannt bin, wo ich Spaß habe, wo ich gut in Kontakt gehen kann. Und unten ist letztendlich die Erstarrung oder auch die Ohnmacht. Die Ohnmacht wäre dann Depression zum Beispiel. Oder dissoziative Zustände, wo man das Gefühl hat, ich fühle mich gar nicht mehr richtig. Das sind auch ungesunde Zustände. Was du beschreibst, ist, glaube ich, die Mitte. Also wenn ich entspannt bin, wenn ich in Ruhe das genießen kann. Das nennt sich Windows of Tolerance, dieses Fenster. Das ist von Daniel Siegel. Da ist es halt immer zu gucken, wo stehe ich gerade. Und wenn ich oben bin, ist es ein Stück weit auch ganz angenehm, wenn es kurz ist. Das machen wir ja, wenn wir Karussell fahren oder irgendwas Aufregendes ist. Wenn das aber ein Dauerzustand ist. In diesem Funktionsmodus ist es häufig, dass sie innerlich sehr unruhig sind, dass sie sich, wenn sie denn zur Ruhe kommen, eigentlich gar nicht ruhig sitzen können, dass sie dann immer noch was machen können. Häufig ist es auch so, dass die Hände immer was machen müssen oder die Füße irgendwie rumzappeln oder so. Das zeigt, dass wir eigentlich in der Übererregung sind. Und wenn das ein Dauerzustand ist, dann ist es auch nicht angenehm, sondern es ist total anstrengend.
Joel Kaczmarek: Somit reizen sich die noch auf Vollladen. Dann guckt man irgendwelche Shorts oder einen Film oder hört einen Podcast oder Musik oder ich lese ein Buch. Also immer so Input, Input, Input beobachte ich da oft. Kann das sein?
Sandra Quedenbaum: Genau. Also da kommt es auch auf die Reize drauf an. Also man kann ja einen Podcast hören und ein Buch lesen und das ist ganz entspannend. Ich hatte aber zum Beispiel mal eine Kundin, bei der war das, die hat Bücher gelesen, die ist aufgestanden, hat gleich angefangen zu lesen beim Zähneputzen, beim Frühstücken, hat sie die ganze Zeit gelesen, hat das Buch dann mit Schmerzen weggelegt, wenn sie zur Arbeit gefahren ist und hat dann in der Pause gleich weitergelesen und das war halt auch wie getrieben. Das war kein Genuss zur Entspannung, wo man sagt, das tut mir jetzt gut, das gibt mir schöne Impulse, sondern auch da war eigentlich diese innere Unruhe. Und genauso beim Podcast hören. Wenn ich die ganze Zeit denke, ich muss den Podcast noch hören, ich muss den Podcast noch hören, damit ich nichts verpasse und das ein nach dem anderen und kriege vielleicht auch vom Inhalt gar nicht mehr so viel mit, dann ist das ein Zeichen, dass ich eigentlich zwar aktiv bin, aber gar nicht dabei bin. Was halt passiert ist, wenn wir in diesem Funktionsmodus sind, ist das, was wir tun. Gerade insbesondere, wenn wir was für uns tun, dass das dann eher so vorbeirauscht, dass wir das gar nicht so wahrnehmen, weil wir eigentlich nicht im Hier und Jetzt sind, sondern wir sind schon immer beim Nächsten, da muss ich jetzt das machen, da muss ich jetzt das machen, da muss ich jetzt das machen.
Joel Kaczmarek: Ich habe vorgestern gerade ein Interview geführt mit einem sehr, sehr erfolgreichen Unternehmer. Der hat sich so Regeln aufgestellt, dass er zum Beispiel sagt, mittags keine Kohlenhydrate, mittags kein Alkohol, weil er sich so ärgert, wenn er dann so Suppenkoma hat, also so erschöpft wird durch das Essen. Dann habe ich sechs Stunden Arbeit verloren, die andere Leute gehasselt haben. Und in seiner Freizeit geht er so Berge hochrennen. Und was ich am krassesten fand, war, er meinte, er kann nicht ruhig einschlafen. Wenn er schläft, läuft Rammstein, weil er meint, wenn er diese Stille hat, dann kommt er ins Denken und das Denken hält ihn vom Schlafen ab. Ist das auch so was? Also ich mag den voll gerne, das ist ein super Typ und auch super begnadet und hochgradig erfolgreich. und auch selber gesagt, er weiß nicht, ob das immer gut ist. Aber das ist so ein bisschen das Bild, was gerade bei mir wieder hochkommt, wenn wir über Funktionsmodus auch reden.
Sandra Quedenbaum: Genau und das ist das, was auch letztendlich Gefahr ist dabei, denn ins Burnout zu gehen. Das ist häufig gerade bei sehr erfolgreichen Leuten ist das so. Wenn wir so erfolgreich sind und die ganze Zeit immer in diesem Hustle sind und völlig durchstrukturieren, es sei denn, man kann sich ja auch die Entspannungsphasen einplanen. Das ist dann etwas, wie man so gegenarbeiten kann. Das Fiese beim Funktionsmodus ist, es nimmt zwar eine Steigerung, aber wir nehmen das nicht wahr. Wir merken halt, wir sind halt immer erschöpfter oder wir können uns weniger konzentrieren oder wir vergessen auch mal Sachen. Gleichzeitig sind wir aber so im Hustle, dass wir das so übergehen, weil wir dann sagen, okay, es ist halt zu viel und so. Und dann kann es sein, dass der Körper dann irgendwann sagt, so und jetzt ist Schluss. Und dann geht auf einmal von heute auf morgen gar nichts mehr. Genau. Gerade wenn man so erfolgt, ist es ja auch häufig, dass ein Grund ist, warum man so erfolgreich ist, dass man die ganze Zeit dranbleibt und immer macht und immer macht und immer macht. Und dann ist es dann irgendwann, dass der Körper Zeichen geschickt hat. Ein Zeichen wäre zum Beispiel, man freut sich die ganze Zeit auf den Urlaub und wartet und denkt, dann kann ich mich entspannen, dann lese ich mal ein schönes Buch oder mache irgendwas Schönes für mich und dann kommt der Urlaub und dann werde ich auf jeden Fall krank. Und das ist schon nochmal ein super Alarmzeichen, weil der Körper merkt in dem Moment oder vielmehr wir merken in dem Moment, wo wir denn eine Ruhepause haben, merken wir mehr den Körper und dann zeigt sich das alles, was halt sonst so unterdrückt wird und weggedrückt wird. Das ist dann nur eine kleine Kostprobe und kann im schlimmsten Fall halt auch wirklich mit richtig heftigen Krankheiten einhergehen, weil der Körper einfach sagt, so und jetzt muss hier was passieren, jetzt ist hier Stopp und dann kriegen wir halt was, was auch überhaupt nicht lustig ist dann.
Joel Kaczmarek: Ja, lass uns doch mal über Folgen reden, also by the way, ohne dass ich das jetzt bewerten wollte, also ich wollte jetzt nicht sagen, dass der Josef blöd ist, was der macht, schlecht ist oder sowas, ich habe nur so dieses Bild vor Augen, wie man sich dann so seinen Rahmen schafft und du hast ja gerade schon ein bisschen was beschrieben, was können denn sonst so die Folgen sein, wenn ich dauernd in so einem Funktionsmodus im Dauerbetrieb bin?
Sandra Quedenbaum: Also grundsätzlich hat es erstmal die Folgen, dass wir wenig im Hier und Jetzt sind, dass wir immer in den Gedanken sind, was kommt. Und was es auch eine ganz große Folge ist und auch eine Ursache mit häufig ist, und da kommt dann auch Träumer ins Spiel, ist, dass wir unseren Körper nicht wahrnehmen. Wir spüren einfach nicht mehr, wenn unser Körper sagt, jetzt ist gut. Wenn wir ein ausgewogenes Stresssystem haben, dann merken wir halt in dem Moment, wo es so kurz bevor das denn in diese Reserve kommt, würde man das kurz vorher merken und sagen, okay, jetzt muss ich erst mal auftanken. Dadurch, dass wir halt in dem Funktionsmodus unseren Körper nicht fühlen, merken wir das vielleicht erst mal gar nicht. Oder merken, jetzt bin ich müde und dann ziehe ich mich vielleicht kurz zurück. mache dann irgendwas wie Swipen oder so. Dann kommt aber häufig auch noch das schlechte Gewissen so nach dem Motto, ich muss ja noch so viel machen und dann machen sie noch viel mehr. Das heißt, das sind auch immer so Spiralen so.
Joel Kaczmarek: Ich hatte eine Reihe mal bei uns, oder die habe ich immer noch, wir haben die internen Säulen des Erfolgs genannt, wo wir so erfolgreiche UnternehmerInnen genommen haben und haben die gefragt so, wie arbeitet ihr, typischer Tagesablauf und so weiter und so fort. Und ich habe bei ganz vielen diesen Effekt gehabt, dass die gesagt haben, dann und dann ins Büro, dann und dann nach Hause, meistens so 18, 19 Uhr nach Hause, Abendbrot, Kinder ins Bett bringen und dann mache ich nochmal E-Mails. Ist Funktionsmodus sozusagen ein Thema der Arbeitsdauer, der Intensität? Per se gibt es ja Menschen, die arbeiten viel und die stört das gar nicht. Und manchmal habe ich das Gefühl, es sind manchmal ganz andere Sachen, die in so einem Funktionsmodus Energie ziehen, zum Beispiel so toxische Beziehungen auf der Arbeit oder sowas. Also dass man vielleicht in einem Gefüge ist, was einem nicht umgeht. Also ist es beim Funktionsmodus die reine Arbeitsmasse, die einem schadet?
Sandra Quedenbaum: Das kommt ein bisschen drauf an. Wenn ich eine Arbeit habe, wo ich total im Flow bin ist es so, dann trägt mich der Flow darüber weg und dann ist es gleichzeitig auch was, was mich in der Entspannung kommt. Also weil ich da nicht in der Übererregung bin, sondern ich bin während der Arbeit in meiner Komfortzone. Die wenigsten Menschen, also erst mal so, ich kenne keinen, der gerne E-Mails beantwortet. Und ich bin ja nun auch im Online-Business tätig und da gibt es Sachen, die mir total Spaß machen und wo ich einfach Freude dran habe, wenn ich aufstehe. Wenn ich in der Ausbildung bin oder im Coaching, dann fließt es. und dann gibt es aber auch so Sachen, wenn ich jetzt irgendwie für Online-Sachen mache oder so, die mache ich, aber das ist jetzt nicht so, dass ich sage, ja geil, dass ich das jetzt machen kann. Und das ist dann halt das, was Kraft kostet. Wenn man sich den Erfolg so aufbaut, dass man halt nur das machen kann, wo man so richtig im Flow kommt, dann kann man total viel machen. Da muss man aber auch erstmal hinkommen, weil man muss das andere auch abgeben können. Dann ist aber auch noch die Herausforderung, was ich immer so erlebe bei Menschen, die dann sehr erfolgreich sind, wenn man dann gerade so im Online-Business das ein bisschen zurückführt, das ist häufig sehr schnell merkbar, dass auch der Erfolg zurückgeht. Und wenn ich vielleicht innerlich einen inneren Antreiber habe, ich muss erfolgreich sein oder ich will gesehen werden, also irgendwas, was vielleicht aus der Kindheit geprägt ist, mich denn dazu bewegt, denn da doch weiterzumachen und mehr zu machen, dann wird es halt auch schwierig. Da sind wir dann wieder bei Trauma, Entwicklungstrauma, wenn wir immer versuchen, jemandem zu gefallen oder immer genügend zu sein oder ich muss was schaffen, um was wert zu sein. Wenn ich so ein Programm noch innerlich habe, dann bin ich natürlich viel gefährdeter.
Joel Kaczmarek: Oh ja, schön, da reden wir gleich noch drüber. Das finde ich ein spannendes Thema. Vielleicht nochmal abschließend zu den Folgen. Also du hast jetzt eben schon gesagt, die Körperwahrnehmung leidet und wir hatten gerade schon mal so dieses von 100 auf 0 Thema in Krachbum-Zeit. Was ist sozusagen der typische Weg? Also was sind so weitere Folgen, wenn wir das nochmal ein bisschen weiter mit der Lupe nochmal reinzoomen in diesen Prozess?
Sandra Quedenbaum: Letztendlich sind diese typischen Folgen so typische Burnout-Folgen auch. Eine weitere Sache ist, dass ich immer mehr aus dem Kontakt gehe. Erst treffe ich mich vielleicht weniger mit Freunden, so was ich halt früher gemacht habe, weil ich da einfach keine Zeit für habe. Und dann ist es so, dadurch, dass ich so wenig mich selber spüre und bei mir bin, ist es auch so, dass ich weniger in der Empathie sein kann. Wenn du dir vorstellst, da kommt ein Löwe und will die Antilope angreifen und die Antilope denkt sich, naja, der muss ja auch seine Familie ernähren, ist das für die Antilope schlecht. Und deswegen ist es so, dass wir in diesem Zustand halt evolutionär nicht so die Empathie haben. Und das sorgt dafür, dass wir immer weniger in Kontakt gehen. Erst mit Freunden, wo wir uns distanzieren, einhergehend mit Sachen, die wir machen, die uns gut tun, wie vielleicht mal irgendwie eine Tour zusammen zu machen oder sowas. Und dann aber auch geht es immer mehr in Richtung Familie, dass wir uns immer mehr auch emotional, und das nehmen wir auch häufig gar nicht wahr, von der Familie distanzieren, weil wir nicht mehr so in Kontakt gehen. Weil für dieses In-Kontakt-Gehen mit jemandem, da ist es wichtig, dass der Teil des Nervensystems, der nennt sich vordere Vagus, dass der aktiviert ist, damit wir in diese soziale Interaktion gehen können. Und das können wir nicht, wenn wir im Funktionsmodus sind. Das ist dann sehr schwierig. Das kann sein, dass man dann vielleicht was mit den Kindern macht oder mit der Partnerin, dem Partner. Aber eigentlich ist man mit dem Gedanken ganz woanders. Und das spüren andere Menschen. Das ist nicht unbedingt bewusst, aber es gibt auch Menschen, die das bewusst spüren. Wenn ich meine Tochter, wenn ich die in den Arm nehme und ich bin eigentlich mit dem Gedanken woanders, dann meint sie, Mama, lass doch mal Liebe fließen, hier kommt gar nichts an. Die spürt das sofort. Also das spüren alle, aber eher in der Regel meistens unbewusst. Und das sorgt dann dafür, dass sich dadurch einfach Beziehungen auch immer mehr entfernen voneinander. Deswegen ist es ja auch häufig so, dass Menschen, die so im Funktionsmodus sind, dass sie dann, so wie du geschrieben hast, dann kommen dann halt viel mehr familiäre Probleme dazu, viel mehr Streit dazu, weil sich dann die untereinander nicht verstanden fühlen und diese ganzen Sachen. Und das kommt aber auch eben durch diesen Funktionsmodus, weil die Empathie eingeschränkt ist.
Joel Kaczmarek: Ich kann es echt nachempfinden, habe ich auch schon so erlebt. Und ich glaube, mein Overkill war dann immer, sobald ich den Sport dann auch noch rausgekürzt habe aus der Gleichung. Also wenn ich dann noch aufhöre, Stresshormone durch Bewegung abzubauen, dann war mal Sense eigentlich.
Sandra Quedenbaum: Da ist Sport häufig noch wirklich so ein Rettungsanker. Auf der anderen Seite passiert es dann aber häufig, dass, wenn wir den als Rettungsanker haben, aber eigentlich ist das nur ein Pflaster, dass wenn wir irgendwie krank werden, das Knie funktioniert dann nicht mehr oder so, dass wir halt den Sport auch nicht mehr machen können. Das ist eigentlich ein Zeichen von unserem Körper, der sagt, hier, versuch jetzt nicht irgendwie da ein Pflaster drauf zu kleben, sondern nimm dich zurück, komm zu dir. Wenn wir das dann aber auch noch übergehen, dann wird es auch wieder schwierig.
Joel Kaczmarek: Ja stimmt, das ist ja dann voll die Arschkarte, wenn das sozusagen dein Ventil ist, deine Kompensation und dann fällt die dir durch irgendwas weg, dann bist du am Arsch.
Sandra Quedenbaum: Ich habe mich auch lange gefragt, weil eigentlich ist die Natur ja clever, warum macht sie das, wenn wir es so bräuchten, gerade die Sachen, die wir bräuchten, nicht mehr machen. Das ist eigentlich total paradox. Das hat echt einfach gedauert, bis ich verstanden habe, dass genau das aber das Notfallzeichen ist von unserem System. dass uns das sagt, hier, nicht mal dafür hast du jetzt die Kraft. Das hat für mich auch einfach viel gewandelt, weil ich dann so gemerkt habe, okay, das ist für mich ein ganz großer Kompass geworden letztendlich.
Joel Kaczmarek: Ich weiß genau, was du meinst, weil man denkt ja, es ist vielleicht so ein bisschen Schicksal oder Zufall, wenn man dann, keine Ahnung, beim Basketball spielen, habe ich mir zum Beispiel mal die Schulter verletzt, dann denkst du dir so, ja, ich habe den Arm zu schnell hochgerissen. Aber ich glaube auch, dass das so ein Zeichen ist, das kann man bestimmt physiologisch erklären, was weiß ich, Stresshormone, das Gewebe, was weiß ich. Das macht aber total Sinn eigentlich. Der Körper schickt einem sozusagen so eine E-Mail oder Signal. Was sind die Ursachen, dass Menschen in so einen Funktionsmodus kommen?
Sandra Quedenbaum: Nach meiner Erfahrung zwei Ursachen. Einmal kann es sein, dass man da reinkommt, dass man einfach in eine Situation kommt, die sehr überfordernd ist. Das könnte zum Beispiel sein, wenn man ein Kind bekommt, vielleicht sogar noch Zwillinge, um es ein bisschen zu dramatisieren. Wenn ich dann vielleicht auch nicht so Unterstützung habe oder sowas, dann ist es sehr natürlich, dass Eltern in den Funktionsmodus kommen. Also das ist ja das, was sie dann auch immer sagen, eigentlich geht es nur, alles plant sich um ein Kind und es bleibt nichts über. Und die Natur hat das aber clever gemacht, das heißt deswegen, Cortisol wird ausgeschüttet und Cortisol ist ursprünglich dafür gemacht, dass wir halt so besondere Situationen aushalten können für einen kurzen Zeitraum und das ist wichtig, also für einen absehbaren Zeitraum, so ein halbes Jahr oder so. Wenn das aber über einen längeren Zeitraum kommt, dann ist es halt einfach schädlich für den Körper. Und dann kann es sogar sein, dass der Körper die Cortisolproduktion einstellt. Und dann, und das ist nach meiner Beobachtung die häufigere Form ist, dass wir das eigentlich aus einem schon geschädigten Stresssystem heraus machen. Das heißt, dass wir, wenn wir in unserer Kindheit in der Regel einfach entsprechende Erfahrungen gemacht haben, die uns dazu bringen, dass unser Stresssystem aus dem Gleichgewicht ist, dass wir uns nicht verletzen, gut regulieren können, dass wir unseren Körper nicht wahrnehmen können durch Trauma. Und Trauma kann einfach ganz viele Auslöser haben. Das liegt nicht nur zwangsweise an, wie haben meine Eltern mich behandelt. Das Entwicklungstrauma gehört auch dazu, ein Geburtstrauma zum Beispiel. Die Art, wie wir geboren werden, hat einen unheimlich prägenden Einfluss auf unser ganzes Leben, wie wir danach in unserem Leben reagieren oder auch, was wir im Mutterleib erleben. Auch das hat schon Einflüsse. Und wenn da das Stresssystem grundlegend durcheinandergekommen ist, was dafür sorgt, dass wir uns halt selber nicht so fühlen, nicht so wahrnehmen. Wenn wir dann vielleicht noch ungünstige Erziehungserlebnisse haben, dass wir halt große Erwartungen an uns gestellt werden oder wir immer suggeriert haben können, wir können ja sowieso nichts und wir haben das Gefühl, wir müssen es immer beweisen oder ich muss das jetzt machen, kommen kann, wenn der Selbstwert einfach so eingeschränkt ist oder ähnliches. Dann, dadurch, dass das Stresssystem aus dem Gleichgewicht gekommen ist, ist unser Körpergefühl weniger, wir können uns nicht mehr so selbst regulieren, Stress selbst regulieren. und dann kommen wir in so eine Schleife. Und dann noch immer angetrieben von dem, vielleicht ich muss das schaffen, um anerkannt zu werden oder ich muss was Bedeutsames für die Welt sein oder tausend Sachen, was einen da so antreiben kann. Diese Antreiber sind meines Erachtens letztendlich eine Folge aus dem Ganzen. Also jemand, der Eltern hatte, die einen gelassen haben, wie man sind, die sehr achtet. wachsam waren, liebevoll waren, auch wo das Kind wild sein konnte, wo das Kind traurig sein konnte, wo alles an Gefühlen auch da sein durfte, wo das Kind auch frech sein durfte. Die sind halt wesentlich resistenter. Wir kommen denn gar nicht in diese Position, gefallen zu wollen, etwas leisten zu müssen, um etwas wert zu sein. Wenn ich aber anders aufwachse, dass ich halt immer irgendwie was leisten muss, um vielleicht irgendeinen Hauch von Anerkennung zu bekommen und meistens habe ich geleistet und dann kommt trotzdem keine Anerkennung und dann denke ich halt innerlich, da muss ich noch mehr leisten. Dann kommt da so eine Spirale und das ist halt letztendlich was, was meines Erachtens aus dem Entwicklungstrauma, aus der Art, wie ich erzogen wurde, was ich erlebt habe als Kind, raus resultiert.
Joel Kaczmarek: Wie ist es denn aber mit dem Thema Resilienz? Weil der Josef zum Beispiel, von dem ich vorhin eingangs so erzählt habe, der halt auch diesen krassen Lifestyle hat, der ist hochgradig resilient. Also es muss ja nicht heißen, dass jemand ein Trauma hat und dann irgendwie so umklappt wie so ein Spaten, wie so ein Klappspaten.
Sandra Quedenbaum: Wie definierst du denn Resilienz?
Joel Kaczmarek: Viel aushalten können, bevor man quasi in Nicht-Funktionen geht.
Sandra Quedenbaum: Genau, und das ist dieses viel aushalten können. Da steckt es schon drin, das ist keine Resilienz, sondern das ist der Funktionsmodus. Resilienz bin ich, wenn ich nicht aushalte, sondern wenn ich meine Sachen, die ich mache, so einteile, dass ich nichts aushalten muss, sondern dass es immer gut für mich passt. Wenn ich ins Aushalten gehe und das über einen längeren Zeitraum, bin ich dann im Funktionsmodus und da ist dann, umso länger ich das mache, immer so größer die Gefahr für das Burnout. Aushalten ist nur für einen begänzten Zeitraum hilfreich. Ansonsten hat es halt unheimlich negative Auswirkungen. Das merkt man dann dazu, dass man zum Beispiel nicht durchschlafen kann oder schlecht träumt oder nicht zur Ruhe kommt, nicht in Kontakt kommt. Auch die Sexualität ändert sich. Entweder hat man zu viel Lust oder es hat irgendwie Potenzstörungen. Das hängt alles damit zusammen, weil das alles über dieses Nervensystem, über den Vagus gesteuert wird.
Joel Kaczmarek: Was sind so die Schritte, um aus dem Funktionsmodus in einen guten Regulationsmodus zu kommen?
Sandra Quedenbaum: Das Allerallerwichtigste, und das wird häufig unterschätzt, ist, sich dessen bewusst zu sein. Also es zu merken, weil dessen bewusst zu sein und zu gucken, Mensch, was kann ich dagegen machen? Weil wenn ich die ganze Zeit vielleicht nur bewusst bin und denke, naja, aber ich muss ja funktionieren, dann ist es mir nicht wirklich bewusst, was das für Auswirkungen hat, sondern dann mache ich einfach so weiter wie bisher. Von daher das Bewusstsein, wenn jetzt hier einer das hört und sagt, irgendwie da finde ich mich sehr wider, das spiegelt das sehr wider, wie ich mich selber empfinde, dann ist es hilfreich zu gucken, was kann ich in meinem Leben machen, dass ich wieder in die Entspannung komme. Das wäre zum Beispiel auch Sachen in Achtsamkeitsübungen, die mich ins Hier und Jetzt bringen, Übungen, die den vorderen Vagus ansprechen, also unter Vagusübungen kann man mal googeln, Übungen, die das Stresssystem ausgleichen, auch mehr wieder in Beziehung zu gehen. Diese Situation sorgt ja dafür, dass wir außerhalb der Beziehung gehen, weil wir nicht mehr so in dieser emotionalen Andockung drin sind, in der Empathie. Und genauso kann man das aber auch wieder stärken, wenn wir dann wieder was mit anderen Leuten machen, wenn wir wieder mehr Nähe haben, in Austausch wirklich gehen und miteinander reden und nicht irgendwie reden und eigentlich die ganze Zeit schon die Antwort parat haben oder gar nicht richtig zuhören, sondern wirklich bei dem anderen sein. All das sind Sachen, die unser Stresssystem positiv entschleunigen. Ganz, ganz wichtig ist, in die Körperwahrnehmung zu kommen. Körperwahrnehmung wirklich auch ganz direkt, sich den Körper zu spüren, abzutasten, weil häufig fühlen wir unsere Körpergrenzen gar nicht dann. Manche sind dann so Kopfmenschen, da ist dann hier alles, das bin ich und darunter ist dann irgendwie was. Sport kann auch helfen, aber da auch wieder wichtig, darauf zu achten, dass ich mich nicht übernehme. Weil häufig ist es so bei Menschen im Sport, dass sie eigentlich zu intensiv den Sport machen. Nur weil jemand Sport macht, heißt es noch lange nicht, dass er ein gutes Körpergefühl hat. Das ist das, was erstmal häufig damit assoziiert wird. Aber gleichzeitig ist es bei vielen Sportlern, die sehr aktiv sind, so, dass sie eigentlich ihren Körper ständig damit übergehen und dass es zu viel ist. Und dann wird auch wieder Cortisol ausgeschüttet. Was man auch noch machen kann, ist, dass man mehrmals am Tag so innerlich fühlt, was für Empfindungen habe ich da im Körper. Empfindungen ist sowas wie warm, kalt, wo kribbelt es vielleicht, wo fühlt es sich vielleicht spitz an? oder Stressball oder wie auch immer, was nehme ich in meinem Körper wahr. Es geht nicht um Gefühle, ich bin jetzt glücklich oder wütend oder ähnliches, sondern wenn ich jetzt glücklich bin, wie spüre ich das im Körper, dass ich glücklich bin. Je nachdem, wie ausgeprägt das ist mit dem Funktionsmodus, gerade wenn auch so eine Entwicklungstrauma oder generell eine Traumageschichte damit reinspielt, sinnvoller sich da auch wirklich Unterstützung zu holen. Es ist unheimlich schwierig, wenn ich auch noch so innere Programme habe, innere Antreiber, von alleine in die Selbstfürsorge zu kommen. Dann machen wir lieber irgendwie Instagram gucken oder so oder im Fernsehen zappen oder irgendwelche Serien endlos Netflixen, wo wir auch sagen, wir haben keine Zeit, aber dann hauen wir uns halt die Nacht um die Ohren und machen dann halt sowas.
Joel Kaczmarek: Kann man denn solche inneren Antreiber eigentlich umprogrammieren oder domestizieren oder wie immer man sagen möchte?
Sandra Quedenbaum: Auf jeden Fall. Manchmal kann es sein, dass es sogar relativ einfach geht. Im NLP gibt es zum Beispiel so Techniken, wo man mit inneren Bildern arbeitet. Innere Bilder sind direkt mit dem Stammhirn, korrespondieren die und das Stammhirn ist letztendlich das, was uns die Emotionen schenkt. Gleichzeitig ist es, wenn da Entwicklungstrauma ist, braucht es mehr, da braucht es wirklich ein Gegenüber. Ein Entwicklungstrauma entsteht dadurch, dass unsere Eltern uns nicht ausreichend gesehen und wahrgenommen fühlen. Wichtig ist das Ausreichende, weil es in jeder Familie, es gibt immer Situationen, wo sich meine Tochter mit Sicherheit nicht von mir wahrgenommen fühlt, weil ich einfach gerade mit mir selber beschäftigt bin. Das ist auch normal. Und da ist es halt wichtig, wie häufig das kommt. Und es muss halt ausreichend da sein, dass das Stresssystem in Ruhe sein kann. Wenn es dann später mal auf die Nase fällt, dann sagt Mama oder Papa, komm, reiß dich zusammen, Indianer kennen keinen Schmerz, ist das Kind mit seinem Schmerz alleine. Und es lernt, ich bin alleine. Und bleibt mit dem unangenehmen Gefühl da. Da ist nichts Positives da, es ist nur das unangenehme Gefühl. Und wenn ich ausreichend diese Erfahrung gemacht habe, Dann komme ich mit einem Körperbewusstsein und diese Sachen werden im Körper, in dem Körperwissen gespeichert. Ich bin allein, mir hilft keiner. Und dann haben wir auch immer das Gefühl, mir kann keiner helfen, ich muss alles alleine machen. Das sind Leute, die auch schlecht delegieren können und ähnliches. Das ist auch noch so ein Punkt. Was wichtig ist, zu lernen, und das geht in der Regel einfach über eine andere Person, über Korregulation nennt sich das, das wäre dann auch im Raum eine Therapie, dass wir wieder lernen, da ist etwas Unangenehmes und gleichzeitig etwas Angenehmes. Das heißt, da ist jemand, der da ist für mich, der mich annimmt, so wie ich bin, ohne das zu bewerten, das ist einfach okay. Und wenn ich auch gerade richtig scheiße war. es ist okay, ich habe dafür einen guten Grund, dass ich so war und damit Verständnis ist. Also das, was halt früher nicht stattgefunden hat, dass das nachreifen kann. Und das braucht es, damit es wieder grundlegend sich regulieren kann.
Joel Kaczmarek: Nachreifen klingt ja interessant. Was für eine Therapie ist das denn, indem man sowas erfährt? Gibt es da spezielle Therapeuten oder Richtungen?
Sandra Quedenbaum: Grundsätzlich ist Trauma verkörperter Schrecken. Das heißt, der Schrecken ist im Körper gespeichert und deswegen sind Körpertherapien sehr hilfreich. Eine Therapieform ist zum Beispiel SE. Das ist aber ursprünglich eine Schocktrauma-Arbeit. Ein Schocktrauma ist sowas wie, ich habe einen Unfall gehabt, also eine einmalige Situation. Aber da passiert auch gerade ganz viel. Also auch da gibt es immer mehr, die auch mehr im Sinne von Entwicklungstrauma arbeiten, weil das braucht dann eben viel mehr diese Korregulation. Oder das von Dami Scharf, S.E.E., somatische emotionale Integration, weil da ist ganz viel der Fokus auch eben auf diese Korregulation, dass diese alten Erfahrungen nachreifen können. Was auch noch eine Möglichkeit ist, ist NARM. NARM ist eine Mischung zwischen Gesprächstherapie und Körpertherapie. Das Schwierige bei Trauma ist, dass die normalen Gesprächstherapien, die wir normalerweise über die Kasse kriegen, bei Trauma gar nicht helfen. Sprechen findet hier im Kortex statt. Da haben wir vielleicht mal ein Aha-Erlebnis, aber das Trauma sitzt hinten. Es sitzt in der Körperwahrnehmung, in dem Körpergefühl. Und deswegen ist eine normale Gesprächstherapie in der Regel lange nicht so effektiv. Es sei denn, da kommt die Korregulation wieder ins Spiel. Ich habe eine sehr gute Verbindung zum Therapeuten, wo ich mich aufgehoben fühle, wo ich mich verstanden fühle. Dann hat auch das das Potenzial, dass es nachreifen kann.
Joel Kaczmarek: Wie darf ich mir denn so eine SE oder SEI vorstellen, wenn du sagst, da wird korreguliert, damit das nachreifen kann? Werde ich da beim Reden in den Arm genommen? oder wie sieht das aus?
Sandra Quedenbaum: Also wie das beim SE ist, ob das mit Körperkontakt ist, das weiß ich gar nicht so genau. Also ich habe Videos von dem, das ist Peter Lewin, da nimmt er keinen Körperkontakt. Das heißt aber nicht, dass er das nicht macht, das weiß ich nicht. Aber was halt gemacht wird, so typisch in so einer Therapie, ist zum Beispiel, man nimmt zum Beispiel erstmal Alltagssituationen. Wenn ich zum Beispiel mit meinem Partner gestritten habe und gucke, was löst das aus? Was für Empfindungen habe ich dann im Körper? Dann geht es auf die Körperempfindung, weil diese Körperempfindung, Warm, Kalt, das kann uns nicht überrollen. Gefühle und Emotionen können uns überrollen. So, dann haben wir das Gefühl, wir können das gar nicht halten, aber diese Körperempfindung bringen uns wieder zu uns und sorgen dafür, dass wir nicht so überflutet werden von dem. Und dann ist noch jemand da, der mich liebevoll begleitet. Also ich spüre wirklich, was ist in mir los und letztendlich werde ich noch liebevoll begleitet und unterstützt.
Joel Kaczmarek: Was heißt denn liebevoll begleitet? Ich kriege dann Tee und man hat wieder eine Stimme oder werde ich auch mal gestreichelt? Also ich will jetzt gar nicht zu technokratisch werden, aber
Sandra Quedenbaum: Liebevoll begleitet heißt in erster Linie einfach eine Begegnung auf Augenhöhe, anzunehmen mit dem, was da ist, nicht zu bewerten irgendwie oder was ja auch manchmal in Therapien häufig gemacht wird, du müsstest ja nur was machen, wenn du es wirklich wollen würdest, würdest du es machen, was tödlich ist, weil die Leute wollen schon ihr Leben lang und scheitern dran und das ist dann nochmal das gleiche, was früher die Eltern gemacht haben. Also da einmal bedingungslos angenommen zu werden, man darf mit allen Gefühlen da sein und dann gleichzeitig, und da ist die Korregulation hilfreich, dass Körperkontakt auch hilfreich ist. Das kann zum Beispiel sein über Hand halten oder wenn sich Füße sich berühren. manchmal auch in den Arm nehmen, das wieder zu spüren, auch mich als Therapeutin auch mal anfassen zu dürfen, den Arm greifen zu dürfen. Das dürfen viele Kinder gar nicht. Die dürfen ihre Eltern nicht wirklich anfassen. Und das zu spüren, hey, das hat was ganz Heilendes. Das hilft total, dass sie bei sich bleiben können, dass sie das Gefühl haben, hey, ich werde wahrgenommen, ich werde geliebt, ich bin liebenswert. Und das ist eine ganz, ganz wichtige Ressource. Also das, was früher halt nicht da war, dass das immer mehr ins Leben kommt.
Joel Kaczmarek: Liebe Sandra, also ich glaube, wer bis hierhin zugehört hat, weiß, warum ich dich eingeladen habe. Ich liebe A, wie du redest und was du an Bouquet hast, an Vielfalt. Das hat mir sehr großen Spaß gemacht und ich hoffe, es hilft auch vielen da draußen, aus ihrem eigenen Funktionsmodus rauszukommen. Vielen, vielen Dank und ich werde mir Themen überlegen, wie wir dich nochmal einladen können. Also vielen, vielen Dank.
Sandra Quedenbaum: Danke dir. Es hat mir auch sehr, sehr viel Spaß gemacht. Können wir gerne wieder machen.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Diversity: Lasst uns Organisationen neu, offen und tolerant denken! Nachdem wir anfangs die Organisationsentwicklerin Marina Löwe und Ratepay-Gründerin Miriam Wohlfarth wiederholt vor dem Mirko hatten, um dich für Diversity zu sensibilisieren, diskutiert Joel mittlerweile regelmäßig mit Lunia Hara (Diconium) zu Themen rund um Leadership und Diversity. Dabei geht es den beiden explizit nicht um Mann oder Frau, sondern um die Schaffung von Empathie füreinander sowie ein ganzheitliches Bild und Verständnis für verschiedene Rollen und Perspektiven.