Männerseelen – Das teure Prinzip traditioneller Männlichkeit
10. Dezember 2020, mit Marina Löwe
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Marina Löwe: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Female Leadership, dem Podcast zu Geschlechterfragen in Führung. Heute freue ich mich sehr, dass ich Björn Süfke als Gesprächspartner gewinnen konnte. Er ist Männertherapeut, Diplompsychologe und dreifacher Vater sowie Buchautor zum Thema Mann sein oder auch Vater sein. Die zwei Bücher, die ich hier gerade auf dem Tisch liegen habe von dir, Björn, sind einmal »Männer« was es heute heißt, ein Mann zu sein und Männerseelen, wo ich schon gehört habe, dass deine Leserschaft am Anfang vor allen Dingen überwiegend weiblich war. Wir werden nachher mal gucken, woran das liegt. Also ich fand es ebenfalls sehr, sehr lehrreich. Und als ich dich gefragt habe, was das Thema für heute sein kann, hast du mir was sehr Spannendes genannt, nämlich das teure Prinzip traditioneller Leser. Oder wie du es auch bezeichnest, toxischer Männlichkeit. Und da mag ich gerne heute mehr von dir drüber hören, was du damit meinst. Und vielleicht können wir mal auch direkt da einsteigen. Das traditionelle Männlichkeitsbild. Was fällt für dich da drunter und was macht das toxisch?
Björn Süfke: Okay, wunderbar. Du gehst schon gleich in die Voll. Das allein macht ja drei Kapitel an 200 Seiten aus in dem letzten Buch schon.
Erstmal, um mich nicht mit fremden Federn zu schmicken, also dieser Begriff toxische Männlichkeit, toxic masculinity ist nicht von mir, sondern ist einer, der aus dem Amerikanischen rübergeschwappt ist, den ich aber sehr passend finde. um genau das zu beschreiben, was ich eben auch schon seit Jahren beschreibe, nämlich dass dieses Konzept traditioneller Männlichkeit, also kurz gefasst Ernährer, Beschützer, fester Fels in der Brandung, keine Gefühle haben, ein Indianer kennt keinen Schmerz und so weiter, wir alle können uns grob was darunter vorstellen, dass dieses Prinzip traditioneller Männlichkeit sowohl für Frauen natürlich ein Problem ist, das ist seit der Frauenbewegung seit über 50 Jahren ja nicht hinlängig, sondern immer noch ausbaufähig, aber es ist beschrieben worden, aber dass es auch für Männer und letztlich auch für die Gesellschaft, für Unternehmen, da kommen wir vielleicht später drauf, aber ich bleibe mal bei den Männern, auch für Männer ein toxisches, also ein vergiftendes Männlichkeitsbild ist, Weil, um es mal plakativ zu sagen, der Versuch, dieses traditionelle Männlichkeitsbild zu erfüllen, uns sechs Jahre früher sterben lässt und bei der Selbstmordrate dreimal so hoch sein lässt wie Frauen. oder um es mal ein bisschen runterzubrechen auf meine Praxis als Männertherapeut, was einfach auf Seiten von Männern zu ganz viel auch Leid und Unglück und Unerfülltheit und um einen ganz wichtigen Aspekt gleich zu sagen, um dieses Unglück, keinen Kontakt zu sich selbst, zu seinen eigenen Gefühlen, zu seinen eigenen Bedürfnissen haben zu können und dadurch ja im Grunde auch nicht genussfähig, und das meine ich jetzt nicht in so einem hellenistischen Partysinne, sondern ja genussfähig in Partnerschaft, in Vaterschaft das Leben zu in irgendeiner Form als befriedigend, als genussvoll zu erleben. Eine Unfähigkeit häufig, das zu erleben, weil einfach dieser Zugang zu den Gefühlen so schwer ist, weil er uns eben in diesem Bild traditioneller Männlichkeit ja geradezu aberzogen wurde.
Marina Löwe: Du hast ja auch einige Sachen aufgezählt, die mich auch so stutzig gemacht haben im Laufe der letzten Jahre, die mir aber im Coaching ebenfalls begegnet sind, dass ich gemerkt habe, okay, irgendwo gibt es da einen Unterschied in den männlichen Führungskräften, die vor mir sitzen und bei den Frauen. die ich im Coaching habe, in der Ausrichtung der Themen zum Teil noch und auch in der Vorgehensweise der Lösungsfindung. Und das ist gerade dieser emotionale Aspekt, den du gesagt hast. und wo ich mich jetzt sehr stark beobachte, ist, wenn ich gucke, wie gehe ich denn mit meinem Sohn um. Unser Sohn ist jetzt 17 und die Studie, die du, glaube ich, auch genannt hast, war, dass Mütter bei kleinen Jungen, wenn sie weinen oder wütend sind, weniger geduldig reagieren als bei Mädchen.
Björn Süfke: Ja, nicht nur Mütter, sondern Menschen, also Väter genauso. Ja, es ist ganz spannend. Man muss sogar sagen, dass bei den meisten Untersuchungen es noch einen ganz geringen Geschlechtereffekt gibt, der aber wirklich sehr gering ist, dass Männer dieses traditionell normalerweise immer noch einen Tick mehr machen. Also diese Diskriminierungsprozesse gehen, wenn man dann so will, sogar nicht in erster Linie von Frauen und Müttern aus, sondern einen Tick mehr sogar noch von Männern und Vätern aus. Das ist aber so im Bereich von, was weiß ich, in einer Studie mal 40 Prozent der Mütter machen und so machen das 45 Prozent der Väter. Also es ist ein allgemeines Phänomen, dass wir, ja, beispielsweise kann man auf dem Spielplatz auch wunderbar beobachten, dass wenn ein Junge weint, er kriegt nicht mehr diese Sprüche zu hören, wie noch in meiner Kindheit, Anfang 70er Jahre. Hör auf zu flennen, ich gebe dir gleich einen Grund. oder ein Indianer kennt keinen Schmerz. Das wurde da ja noch schamlos quasi auch über den Spielplatz gebrüllt. Das kann man sich heute nicht mehr ganz so leisten. Aber das macht es manchmal sogar noch schwieriger, weil die Phänomene subtiler werden. Nämlich zum Beispiel, dass, achte mal drauf, dass bei Jungen sehr viel schneller versucht wird, das Weinen zu beenden. Also, dass der Junge wieder klarkommt, dass er weiterspielt. Es wird nicht so sehr nachgefragt, was er überhaupt hat. Was ist der Grund für das Weinen? Weinen ist ja erstmal eine völlig unspezifische Verhaltensweise. Ich kann weinen, weil ich weine. traurig bin, weil ich überfordert bin, weil ich Schmerzen habe, weil ich ängstlich bin, weil ich hilflos bin. Also weinen ist eigentlich mehr wie so ein An-Aus-Knopf oder An-Aus-Signal. Das zeigt mir nur an als Elternteil, da ist was, aber keine Ahnung, was es ist. Das macht es ja bei Säuglingen auch so schwer. Und beim Mädchen wird beispielsweise viel häufiger das Gefühl validiert, wie wir sagen. Also es wird ernst genommen, es wird nachgefragt, was ist denn los? Worum geht es denn? Weil eben grundsätzlich erstmal akzeptiert wird, dass das Mädchen weint, Dass es ein Gefühl hat, das halten wir für normal, was es ja auch ist, deswegen lache ich so. Aber bei Jungen wird es eben nicht akzeptiert als ein normaler Bestandteil seines Seins, sondern es wird unbewusst. natürlich, um Gottes Willen, das machen alle diese Eltern oder ein Großteil dieser Eltern nicht bewusst und willentlich, sondern unbewusst. Und deswegen machen wir es eben auch alle, mehr oder minder stark, je nachdem wie reflektiert wir schon so sind mit Geschlechterstereotypen, machen wir es eben alle, dass wir unbewusst das sehen. über die Generationen dadurch eben weitertragen, den Jungen quasi ihre Gefühle zu verbieten. Und was dann innerpsychisch passiert, ist natürlich, dass der Junge ganz klassisch psychologisch, dass der Junge lernt, Abwehrmechanismen zu entwickeln, damit diese Gefühle in ihm gar nicht mehr hochkommen. Auch das natürlich unbewusst. Das heißt, er entwickelt in sich, ohne das zu merken, Abwehrmechanismen, damit er nicht mehr in diese Situation kommt, etwas zu spüren, was ihn aber als unmännlich dastehen würde, was natürlich ganz, ganz schwerer Schlag ist. Geschlechtsidentität ist sehr, sehr wichtig für uns. Das mögen wir blöd finden, dass das so ist, aber es ist immer leider noch so. Und diese Abwehrmechanismen, ja, auf Deutsch gesagt, mit denen bin ich dann Wenn ich den 50-jährigen Mann da vor mir sitzen habe oder auch bei mir selber, als ich in Eigentherapie war, natürlich dann bestens konfrontiert. Also ja, da habe ich, wie gesagt, auch das mal in Männerseelen vor allem, dass das seitenweise beschrieben ist. Intellektualisierung, Rationalisierung, Ablenken. Auch Gewalt natürlich ist ein Abwehrmechanismus, um Hilflosigkeit nicht zu spüren. Den anderen die Schuld geben, ist eine wunderbare Art und Weise. Wunderbare in Anführungsstrichen jetzt natürlich, damit ich nicht selber mit diesem Gefühl von Schuld konfrontiert werde. Also all das lernen Jungen sozusagen von Beginn an und das ist natürlich hochproblematisch, weil es ihnen, ja auf Deutsch gesagt, den Zugang zu ihrem eigenen Innenleben völlig verbaut mit den Konsequenzen, die wir dann alle im Alltagsleben, aber auch in Unternehmen erleben. Und vielleicht noch einen kurzen Satz dazu, was es auch toxisch macht, nicht nur auf Auf individueller Ebene, nicht nur auf partnerschaftlicher Ebene, das ist jetzt vielleicht schon so ein bisschen deutlich geworden. Als Vater natürlich auch, klar, wenn ich keinen Zugang zu meinen Gefühlen habe, kann ich ganz schwer auf die Gefühle von meinen Kindern eingehen. Aber warum es auch in Unternehmen, glaube ich, sehr, sehr problematisch ist, weil es dazu führt, dass Verhalten nur auf der Basis von Intellekt gesteuert wird, auf der Basis vielleicht von Wissen. Bücherwissen, von Ideologien, wovon auch immer. Weil das muss ja so sein. Wenn ich für meine Verhaltenssteuerung keine Impulse aus dem Inneren bekomme, was normalerweise wieder in Anführungsstrichen so funktioniert, also die Gefühle haben alle den Sinn, mir Informationen für mein Handeln zu geben. Angst hat den Sinn, mir Informationen für mein Handeln zu geben. Trauer hat den Sinn, Schuld. Schönes Beispiel. Also wenn jemand eben nicht Schuld empfinden kann, wie so mancher US-Präsident beispielsweise oder so, also keinerlei eigene Fehlerhaftigkeit spüren kann, dann wird er natürlich auch nie einen Fehler korrigieren. Er wird es auch nie besser machen, weil er ja gar keinen Fehler sieht und so weiter. Und das ist etwas, wo ich sagen würde, dass das auf unternehmerischer Ebene, da bin ich kein Fachmann für, aber auf unternehmerischer Ebene toxisch und auch kostspielig ist, denke ich. Weil, nehmen wir mal nur dieses einfache Beispiel, wenn ich Wirklich, und das ist ja unbewusst, dass das passiert, wenn ich eigene Fehler nicht erkenne, weil ich die Schuld, diese Scham, dass ich einen Fehler gemacht habe, abwehren muss in mir, dann potenziert sich der Fehler ja und er wird immer teurer, auf Deutsch gesagt. Wenn ich mich zehn Minuten, nachdem ich was Doofes gemacht habe, korrigieren kann, ist das in der Regel deutlich billiger, als wenn, keine Ahnung, die ganze Charge schon mit Öl aus der Maschine verunreinigt ist und man jetzt eine Rückrufaktion für die letzten fünf Jahre durchführen muss, nur weil ich gar nicht in Betracht gezogen habe. nochmal, nicht weil ich blöd bin, sondern weil es diese Abwehrmechanismen in mir gibt, dass ich da was falsch gemacht haben könnte.
Marina Löwe: Und diese Abwehrmechanismen sind ja gerade das, was auch unsere Systeme in der Wirtschaft so unfassbar instand halten. Also da dockst du gerade sehr bei mir an, gerade diese Gefühle von Scham und Schuld, weil sich ja viele fragen, Wie konnte das möglich sein? Wir haben so viele Unternehmen mit Skandalen, sei es die Geldhinterziehung. Da gab es gerade einen sehr bekannten Fall im Finanzbereich, mal wieder. Dann gibt es die ganze Frage nach, wie kommt es zu diesen Abgasskandalen? Wie kann so eine ganze Branche korrupt sein? Wie kann Führung in diese Richtung lenken? Und für mich ist das ein ganz, ganz spannender Punkt, wenn ein System genau diese Verhaltensweise, die du beschreibst, dieses Abwehrmechanismen haben für, oh Gott, ich fühle was, ich packe mal irgendwas drüber und sei es, ich gucke da gar nicht hin oder ich spiele das runter oder ich lasse das so lange in meinem Körper gären, bis es sich in einer chronischen Krankheit oder in irgendwas, massiven äußert, wie einem Herzinfarkt, einem Gehörsturz oder sonstigen Sachen, dann verstärkt sich das natürlich in diesem System nochmal massiv. Und das ist das, was ich merke, je höher ich in den Ebenen unterwegs bin. Also gerade, wenn ich an Führungsteams unter der Vorstandsebene denke, inklusive der Vorstand kommt rein, da sitzen dann häufig acht Männer in exakt gleichen Outfits vor mir, also exakt gleiche Farbe vom Hosenanzug. Die Schuhe, fast das gleiche Modell, schwarz-weißes Hemd. Und wenn ich dann als einzige Frau in diesen Raum reinkomme, dann macht mir das Bauchschmerzen. Also ich fühle das körperlich, weil ich mich frage, wie wenig fühle ich mich hier sicher, dass ich nicht mal in der Kleidung abweichen mag. Geschweige denn in meinem Verhalten mich so sicher fühle, also diese psychologische Sicherheit habe. Ich kann hier über Fehler sprechen. Wir reden immer über Fehlerkultur. Aber das bedeutet ja, dass ich überhaupt erst in der Lage bin, diese Scham- und Schuldgefühle, die mit Fehlern zugeben, mir auch einfach einhergehen und erst mal mit dem Erkennen, oh Gott, ich habe da einfach mal was behauptet und ich habe eine Strategie vorgegeben und eine Richtung oder eine Entscheidung getroffen und die kostet jetzt Jobs oder die hat Folgen für die Umwelt oder für die Gesellschaft. Also wenn ich das nicht zulassen kann, wenn das im ganzen System gar nicht zulässig ist, Dann bin ich vollkommen bei dir, dann ist es das, was kostspielig wird. Und die große Frage ist ja jetzt, wenn ich mich mit diesem Verhalten auch noch in ein System und ein Team begeben habe, was ja das gleiche Verhalten hat, also systemisch das instand halte, wo dockst du an? Also wenn die Männer bei dir in die Therapie kommen und du sagst, das ist jetzt jahrzehntelang so gewesen, dann sind die auch noch in einem System, wo das auch instand gehalten wird. Ja. Wie komme ich da als Mann überhaupt hin, mir wieder einen Zugang zu mir selber zu erarbeiten und auch als Frau? Also ich sehe auch, dass die Frauen, die in die Führung gehen und in den Systemen funktionieren, in Anführungsstrichen, tun das ja häufig, weil sie sich ähnliche Strategien erfolgreich angeeignet haben und ich nehme mich da gar nicht raus. Also wenn jemand gut Gefühle auf der Meta-Ebene seinem Coach beschreiben kann, anstatt sie zu fühlen, dann bin ich das. Also ich habe das ganz klassisch mir mit abgeguckt.
Björn Süfke: Da waren ja ganz viele Aspekte drin, aber ich unterteile das mal in die zwei und schiebe mal nach hinten den zweiten Teil, wie mache ich das in der Therapie. Das ist auch der viel einfachere Teil, weil da sitze ich mit einem alleine und mache das, was ich auch gelernt habe. Das schieben wir mal hinten an. Ich will erstmal auf die Situation, die du beschrieben hast, sehr schön plastisch noch eingehen und mal den Fokus weglegen von dir und deinem Gefühl als Frau da, wo ich mich natürlich Trotz allem auch reinfühlen kann, wie das, ja, hast du es ja gerade sehr schön beschrieben, sein muss. Aber jetzt will ich mal den Fokus auf diese acht Männer, die du beschrieben hast, richten. Ja, wie eingenordet, symbolhaft hast du das über das Outfit beschrieben, wie eingenordet sozusagen dieses traditionelle Männlichkeitskonstrukt, sind die da? Ist natürlich völlig richtig, dass dieses System, was du beschreibst, ein Wirtschaftssystem, wahrscheinlich sogar fast noch mehr als das politische System, absolut dieses traditionelle Männlichkeitskonstrukt stützt. Verstöße gegen dieses Männlichkeitskonstrukt noch schärfer sanktioniert als in anderen Kontexten. Also ich würde mal sagen, jetzt ein bisschen flapsig gesprochen, die Wirtschaft und der Profifußball, da ist wahrscheinlich ein Outing als homosexuell, ein Outing als, keine Ahnung, dass man eigentlich lieber einen Beruf hätte, der klassisch weiblich assoziiert ist oder so.
Marina Löwe: Parallel gerne strikt, was auch immer, ne?
Björn Süfke: Sei es nur das, genau, sicherlich am problematischsten ist. Und jetzt stellen wir uns nochmal diese acht Männer vor da. Und wie problematisch ist es schon, ein Stück von Individualität, von wie ich bin, wie es mir geht, dadurch auszudrücken, wie ich mich morgens anziehe sozusagen oder irgendwie auftrete oder die Haare schneide. Und jetzt ist das doch in potenzierter Form. Und wie problematisch würde das sein für meine männliche Identität, für meine traditionelle männliche Identität, wenn ich vor diesen sieben anderen Männern sitzen müsste und sagen müsste, das weiß ich nicht. Oder, oh, das habe ich bisher nicht berücksichtigt. Oder, deswegen sagt ein Mann ja auch ganz selten, das ist ein guter Gedanke, weil das ja impliziert, ich habe ihn vorher noch nicht gehabt. was sozusagen Eingeständnis ist eines Fehlers, einer Unperfektheit, was nicht passieren darf, sondern da muss eher der Gedanke übernommen werden als einer, ja, ja, da habe ich auch schon drüber nachgedacht und so weiter. Also das nochmal, das ist ja nicht bewusst und frauenfeindlich oder auch nicht blöd, das sind ja hochintelligente Menschen, die da sitzen. Sondern das sind Mechanismen, die sozusagen nötig sind, sage ich jetzt mal. Ich hoffe, du verstehst das richtig. Also natürlich nicht in der perfekten Welt, aber in dieser traditionell männlichen oder gegenderten Welt. Frauen, und da liegen ja genauso traditionelle Weiblichkeitskonstruktionen, aber das ist nicht mein Fachgebiet. So nötig ist das da, diese Abwehr zu betreiben, um männliche Geschlechtsidentität aufrechtzuerhalten. Also insofern, das ist eine ganz, ganz versteinerte Struktur häufig. Aber jetzt komme ich zu dem guten Teil, dem zweiten Teil deiner Frage. Wenn es tatsächlich so ist, dass ein Mann, und dann ist ja eigentlich schon eine gewisse Vorarbeit geschehen, weil wenn der überhaupt in der Lage ist, bereit ist, in einem Therapeuten zu arbeiten. Oder auch Coaching. Ich sage auch immer gerne bei Führungskräften, wir können das auch gerne Coaching nennen, was wir hier machen. Also letztlich ist das für mich das Gleiche. Wir sitzen hier und reden halt wir beide. Wir können das auch Supervision nennen.
Marina Löwe: Die Schmerzgrenze etwas niedriger, das merke ich auch. Also man sagt lieber, ich gehe zu meinem Coach, als ich gehe zu meinem Therapeuten. Da sind wir in Deutschland auf dem Weg vielleicht, aber
Björn Süfke: Das ist so wie Burnout statt Depression. Also wir können das auch Burnout nennen, sage ich dann gerne depressiven Klienten. Burnout klingt irgendwie nach, oh, ich bin ausgebrannt. Das heißt auch, man vorher hat man gebrannt. Man hat so wirklich alles gegeben für diese Gesellschaft, für das Land, für die Familie. Und jetzt ist man Burnout. Das ist okay.
Marina Löwe: Also du hörst schon so ein bisschen Zynismus raus. Ja, das ist ja durchaus was, wo du auch was aufweist. Was gibt mir überhaupt erst die Erlaubnis, mich mit mir selber zu beschäftigen? Und mein Erlebnis ist, es muss ganz schlimmer Druck da sein. Also dass diese Bereitschaft oder auch die Anfrage da ist, ich brauche Unterstützung. Dann kommt, wenn das wirklich schon, also man sitzt schon mit der Nase eigentlich an der Stoßstange des Vordermanns so ungefähr und merkt, ich kann hier nicht weiter. Oder das Leiden ist so überdeutlich, dass man zum Beispiel den Körper nicht mehr ignorieren kann. Oder es gibt eben diese Vertrauensbasis und das merke ich über eine längere Zusammenarbeit, dass über eine Vertrauensbasis man schrittweise an den Punkt kommt, dass der andere, und das erlebe ich im Austausch mit meinen männlichen Kollegen, anscheinend bei uns als weibliche Coaches, wir die Rückmeldung bekommen, weil dieses Thema würde ein Coachee mit mir nie besprechen. Und dann sage ich, naja, aber du bist auch der 1,96 Mann, der natürlich mit sehr viel Männlichkeit da im Raum sitzt. Vielleicht hat das auch nochmal eine Auswirkung, wer fragt denn jetzt nach den Gefühlen und wie viel lebst du vor? Also wie viel Zugang hast du als Coach oder Therapeut selber? oder wie sehr zerstörst du als Mann dann auch das Männerbild für deinen Gegenüber? weil das ist ja auch was, wie kann ich jetzt dich, Björn, als Therapeuten ernst nehmen, wenn du aber ganz gefühlig wirst und auch viel über Gefühle sprichst. und für mich ist das mein Thema. Also du hast gesagt, diese Vorarbeit ist schon passiert, sonst wäre derjenige nicht bei dir und man kann es auch Coaching nennen, aber in deiner Wahrnehmung, ich kenne es ja jetzt nur bei mir aus dem Coaching, was bringt die Leute am ehesten zu dir?
Björn Süfke: Also in der Männerberatung ist es ja nun so, da muss ja sozusagen was vorgefallen sein. Also du sagtest eben mit der Nase schon an der Stoßstange des Vordermanns, naja, in der Regel ist eigentlich schon ein Unfall passiert, also ich sage Da ist schon die Karre irgendwie gegen die Wand gefahren. Der Herzinfarkt war schon da. Der Arzt hat schon gesagt, mit all dem, ich kann nicht finden, organisch, wo die Männer beim Arzt sitzen und denken, lass es bitte was Organisches sein. Da muss ich wenigstens nicht zum Psycho heiligen. Oder es ist Gewalt passiert oder, oder, oder. Insofern, das ist quasi dann schon so ein bisschen der Vorteil, dass da schon sowas wie, okay, so geht es nicht weiter, vielleicht schon da ist als Erkenntnis. Aber nichtsdestotrotz bleiben ja diese von mir eben kurz angerissenen Abwehrmechanismen, die bleiben ja bestehen. Und so sitzt natürlich auch der traditionell männliche Mann, egal welche Form von traditioneller Männlichkeit, ob nun Rocker, Tattoo, Kutten, Outlook, weil, keine Ahnung, irgendwie, ich bediene jetzt mal ein paar Klischees, aber oft ist es ja nun auch so, weil Gewalttat vorlag und deswegen eine Therapieauflage oder eben jemand im Nadelschreifenanzug, weil die Frau sich trennen will oder sich schon getrennt hat oder aber der Herzinfarkt da war und so weiter. Und die Mechanismen bleiben natürlich gleich. Dass da beispielsweise der Mann sitzt und erstmal die Arme verschränkt, die Beine übereinander schlägt, vielleicht sogar ganz offen eine Zustandsbeschreibung macht und sich dann zurücklehnt und erwartet, dass du jetzt vielleicht wie der Arzt eine Pille aus dem Koffer ziehst und dann geht das sozusagen seinen Weg. So nach dem Motto, Hauptsache, ich muss nicht an mir arbeiten. Das muss nicht ins Eingemachte gehen. Und da ist es natürlich meine Aufgabe oder deine ja auf der Ebene auch, ja ganz klar mit diesen Phänomenen. Erstmal mit denen, die ich sehe. Also mit den Abwehrmechanismen, die mir vor Ort passieren. Es ist ja immer wichtig, hier und jetzt zu arbeiten. Damit zu konfrontieren. Also ich habe das, jetzt muss ich selber mal überlegen, ich glaube in den Männerseelen, ich weiß es gar nicht mehr, aber ich habe das mal genannt, das Prinzip der liebevollen Konfrontation. Also Wenn diese Abwehrmechanismen so stark sind, wenn du mir das jetzt mal einfach glaubst, ich habe das ja nur ganz kurz vorhin theoretisch hergeleitet, dann ist es ja offenkundig, dass ich einen stärkeren konfrontativen Impuls brauche, um diese Abwehrmechanismen ein Stück zu überwinden, außer Kraft zu setzen. Also ein klassisch psychotherapeutisches Vorgehen. Ich bediene mal wieder Klischees. Ah ja, wie geht es Ihnen? Was führt Sie denn zu mir? Also quasi zu erwarten dass der Klient, die Klientin, ich sage jetzt mal extra die Klientin, weil ich eben auch sagen würde, klassisches psychotherapeutisches Vorgehen ist auch wirklich auf Frauen als Konsumentin angelegt, nämlich darauf angelegt, dass der oder diejenige, der die kommt, auch schon was berichten kann von seinem Innenleben und ich dann als Therapeut, Therapeutin damit arbeiten darf. Diese wunderbare Voraussetzung, die Frauen eben häufig mitbringen, Frauen haben andere Probleme, aber das ist jetzt nicht unser Thema, oftmals beim Umsetzen beispielsweise, aber egal. Diese wunderbare Voraussetzung, die sie im Durchschnitt eher mitbringt, die bringen die Männer ganz oft nicht mit. Das heißt, da sitze ich eben in meinen Fortbildungen auch mit Psychotherapeutinnen, die das seit 30 Jahren machen und sagen Ich weiß nicht, was ich mit dem Mann machen soll, weil eben da eine sehr verfestigte Abwehrstruktur sitzt und die wird nicht dadurch aufgebrochen, dass ich nett bin oder sage, wie geht es Ihnen und das muss schwer für Sie sein. Das reicht auf Deutsch gesagt nicht aus, sondern da muss ich schon ein Stück konfrontativer rangehen und dem Mann auch bestimmte Sachen sehr deutlich spiegeln und Das ist jetzt wirklich ein dick geschriebenes und im Sinne von Parallelität. Und ich muss das aber so, ich nenne das immer liebevoll, weil ich kein besseres Wort habe, auf eine so akzeptierende, auf eine vielleicht über Humor, über Solidarität, über Einfühlung, wie auch immer, auf eine so liebevoll transportierte Art und Weise tun, dass der Mann Es zwar als Konfrontation auch an sich heranlässt, es muss ja seine Abwehr sozusagen durchbrechen, um jetzt mal ein bisschen martialisch zu sprechen, aber es darf ja nicht sofort eine neue Abwehr hervorrufen. Ich mache jetzt mal das Beispiel schlecht, wenn ich sage, ja Herr Mayer, aber jetzt mal ganz ehrlich, jetzt habe ich Ihnen fünf Minuten zugehört und So wie Sie hier reden, mit dieser absoluten Mangel an Emotionalität, kommen wir natürlich kein Stück weiter. Das ist hier Psychotherapie. Hier muss es schon auch um Gefühle gehen. Das wäre ein wunderschönes Beispiel für Ganz falsch! Das wäre ein wunderschönes Beispiel für konfrontativ, ja, inhaltlich völlig richtig, aber überhaupt nicht liebevoll. Sondern dann muss ich vielleicht eher sagen können, Herr Mayer, wir reden jetzt zehn Minuten miteinander. Dürfte ich Ihnen Ist vielleicht ein bisschen unverschämt jetzt, weil wir, wie gesagt, uns erst seit 10 Minuten kennen, aber dürfte ich Ihnen eine Rückmeldung geben? Etwas, was mir jetzt schon auffällt, nach 10 Minuten, wäre das okay für Sie? Also durch dieses Fragen bringe ich schon was rein nach dem Motto, ich haue dir jetzt nicht einfach ungefragt meine Meinung um die Ohren, sondern ich frage dich, ob du das hören willst. Genau, manchmal sage ich das auch explizit, wenn der Mann so ein bisschen zögert, dann sage ich, ja, überlegen Sie das gut, weil die werden sich vorstellen, dass ich als Psychotherapeut jetzt nicht nur sagen werde, sondern es wird schon ans Eingemachte gehen. Das ist ja mein Job. Also wenn sie sagen, wir sprechen lieber erst noch eine halbe Stunde miteinander, ist kein Problem. Ich kann auch noch eine halbe Stunde die Schnauze halten. Und dann weiß der Mann aber schon, das bringt ja jetzt auch nichts. Und dass ich ihm dann vielleicht sage, Herr Mayer, die Art und Weise, wie Sie hier sprechen, allein schon diese, dann mache ich das auch nach, allein schon diese Härte in der Stimme, Sie sprechen ja in diesem Ton, Nicht mit mir, das ist ja gar nicht das Entscheidende, sondern sie sprechen ja mit sich auch so. Ja, und dann habe ich wieder versagt. An der Stelle ist es eben falsch gelaufen. Und dann, wenn sie über ihre Partnerschaft sprechen, dann hat auch meine Frau gesagt, so geht es nicht weiter. Also allein schon diese Härte in der Stimme, da möchte ich ganz ehrlich sagen, wie heißen sie mit Vornamen? Peter, der arme Peter, der sich das den ganzen Tag anhören muss. Sie sind ja nicht nur der Peter, der so mit anderen spricht. Auch. Also ich habe auch Mitgefühl mit Ihren Angestellten, die Sie das anhören müssen. Aber vor allem habe ich erst mal Mitgefühl mit Ihnen, dass Sie sich die ganze Zeit diese Härte anhören müssen. Weil so reden Sie ja über sich selbst. Setzen! Sex! Also ich bringe gerne auch so Beispiele. Also das ist so ein Versuch, konfrontativ genug zu sein, dass es den Mann irgendwie berührt. Weil er muss ja irgendwie denken, okay, ja, das könnte was bringen, zu dem wieder hinzugehen. Und dafür muss ich seine Abwehrmechanismen auch durchbrechen, um ihn zu berühren. Sonst erreicht ihn das nicht. Aber die Berührung muss eben auf eine so solidarisch akzeptierende, nicht verurteilende Art und Weise geschehen, dass nicht sozusagen eine neue Abwehr hervorbricht. Das ist das, was klassischerweise Frauen aus der Partnerschaft natürlich berichten. Ja, und dann sage ich ihm das und dann schaltet er erst recht auf stur. Und dann denke ich immer Ah, erstens, er schaltet nicht auf stur, weil er macht es nicht bewusst, sondern es schaltet auf stur. Und zweitens, darf ich mal nachfragen, wie Sie es ihm gesagt haben? Wahrscheinlich haben Sie ja das gemacht, Frau Meier, was sehr, sehr menschlich ist. Sie haben es ihm gesagt, als Sie so richtig auf Schaum waren.
Marina Löwe: Also vorgeworfen im wahrsten Sinne des Wortes. Und diese Vorwürfe sind natürlich was, wenn ich das hinhören würde, dann müsste ich mich ja eventuell schämen oder schuldig fühlen oder wütend oder traurig. Und das ist ja auf der einen Ebene nicht nur in der Partnerschaft die Kommunikation, sondern das Beispiel, was du jetzt bringst, ist ja exakt das, wo sich ganz viele Frauen im Coaching beschweren und sagen, man hört mir nicht zu, man nimmt mich nicht ernst. Ich habe das kritisch angesprochen, ich habe da mehrfach darauf hingewiesen, aber genau dieses Dilemma zu verstehen. Also auf der einen Seite wollen wir ja immer nicht trennen und sagen, wir wollen nicht zu sehr in Schubladen denken und in Stereotypen. Deshalb bin ich immer dabei und überprüfe mich, inwiefern habe ich da auch Vorurteile, weil ich im Coaching mit einem Mann vielleicht auch wieder unbewusst bin. anders agiere, aber so wie du das genannt hast, liebevolle Konsultation, so nennen wir das bei uns in der Beratung, wertschätzend, aber schonungslos. Und ich erfahre das den gleichen Ansatz, also schon die Konfrontation, dass es die braucht, weil ich an mehreren Stellen dann auch merke, spannenderweise ähnliches Vorgehen, darf ich einmal spiegeln, was ich hier wahrnehme oder was ich sehe. Also ich kündige immer an, Achtung, hier könnte was kommen, was weh tut. Hol mir auch schon immer vor den Workshops die Erlaubnis ein, inwiefern darf ich diese Dinge auch vor dem Team thematisieren. Und das ist auf der anderen Seite auch was, wo ich merke, die Teams brauchen häufig die Erlaubnis zu verstehen, wenn jemand in der Führung sitzt und genau diese Mechanismen so verinnerlicht hat. dann ist ein dezenter Hinweis und darin agieren wir Frauen tendenziell schon mal eher. Wir lassen uns durch die Blume sprechen, wir sind der Meinung, wir haben es jetzt sehr deutlich gemacht, aber es kommt eben nicht an.
Björn Süfke: Nein, genau. Also das kann ich auch im Privatleben auch nur tausendmal bestätigen. Wie gesagt, ich würde ja schon sagen, dass ich schon qua Beruf ein gewisses Maß an Emanzipation erreicht habe und trotzdem erlebe ich es auch mit meiner Frau, die genauso emanzipiert ist. Ganz klassisch, dass wir ganz oft hier mit drei Kindern und, und, und. Und dann sagt sie mir irgendwie später, ja, aber darüber haben wir doch gesprochen. Und dann sage ich, wann haben wir darüber gesprochen? Darüber haben wir nicht gesprochen. Und dann sagt sie, doch, da und da habe ich gesagt, das und das. Und dann sage ich, ja, aber ich habe dazu gar nichts gesagt, weil ich habe das gar nicht als Aufforderung verstanden. Also diese genau kommunikativen Bedingungen. Missverständnisse sozusagen, die erleben wir immer wieder. Und insofern, da möchte ich bei dir einhaken mit dem Schubladendenken. Ich fürchte, wir müssen einfach so lange die Dimension Geschlecht als Schublade, vielleicht nicht unbedingt als Dichotomie-Schublade, sondern auch als eine, die mehr Schubladen hat jetzt. Auch das wird ja zu Glück immer akzeptierter. Aber solange es so ist, dass es massive Unterschiede gibt, aufgrund einer unterschiedlichen Sozialisation für unterschiedliche Geschlechter, wäre es ja naiv, aus einem politischen Wunsch heraus, dass das Thema doch jetzt endlich mal durch sein sollte, dass wir doch keine Stereotype mehr besprechen wollen, weil wir wollen ja nicht mehr, dass sie da sind. Das halte ich nur für völlig falsch. Also ein Problem nicht zu besprechen, weil ich nicht möchte, dass das Problem noch da ist. Das halte ich für falsch. Im Gegenteil, was ich für viel gewinnbringender finde, sowohl auf der Ebene des Coachings oder der Therapie, aber auch auf der Ebene, wie wir es jetzt machen, auf der Beta-Ebene, über diese Themen zu sprechen, ist einfach mit ein bisschen mehr Gelassenheit und vielleicht sogar Humor zu akzeptieren, dass es diese Phänomene gibt. Und dass es vielleicht auch, ja, ich werde jetzt nicht sagen, nicht schlimm ist, dass es sie gibt, weil es entsteht viel, viel Leid dadurch, aber dass es nicht mein persönliches Verfehlen als Mann oder dein persönliches Verfehlen als Frau oder das persönliche Verfehlen meiner Frau, dass sie sich nicht klar genug ausdrückt, verdammt nochmal, als Frau ist, sondern dass das Dinge sind, die uns mitgegeben wurden und dass die nun mal so drin sind und das vielleicht mit einem bisschen, ja, lächelnder Selbsterkenntnis auch zu sehen und zu sagen, ja, okay, da war es wieder. Es ist spannend, das mit so einer Position, wie wir Therapeuten das ja lieben, absoluter Neugierde, also von Bewertungsfreiheit, betrachten zu können. Das ist, glaube ich, ein ganz großer Schlüssel und was ich auch versuche, mit den Männern schon in dem Tonfall, wie ich über Probleme spreche, reinzubringen. Nämlich, dass es kein Problem ist, ein Problem zu haben. Wir haben alle eine Menge Probleme und die sind ernst zu nehmen, diese einzelnen Probleme. Aber die Tatsache, dass wir Probleme haben, also die Tatsache, dass wir nicht perfekt sind, das ist traditionelle Männlichkeit in ihrer toxischsten Form, dass das nicht sein darf. Und deswegen, du hast es vorhin eine Versagenskultur genannt. Ha, genau so habe ich das auch in einem Kapitel von dem letzten Buch beschrieben. License to fail habe ich das genannt, also in Anlehnung an James Bond. Genau das bräuchte es aus meiner Sicht ab. In der Gesellschaft, aber ich glaube, das trifft auf Unternehmen in sehr potenzierter Form zu. Es braucht sowas wie eine Versagungskultur. Ich bin Psychotherapeut, ich bin trotzdem nicht total naiv. Mir ist schon klar, dass in der Wirtschaft knallharte Kostenmechanismen greifen. Mir ist schon klar, dass ein großer Automobilhersteller etwas nicht gemacht hat, weil sie sind alle böse Menschen und wollten alle der Menschheit schaden und sowas, sondern weil sie wahrscheinlich Angst hatten, sich am Markt nicht mehr halten zu können und so weiter. Aber nochmal, das wäre wahrscheinlich alles nicht so groß und nicht so schlimm geworden, wenn man mit einer intakten Versagenskultur ein Versagen viel früher hätte akzeptieren können, ansprechen können, besprechen können, gucken können, wie können wir anders damit umgehen, als einfach zu bescheißen. Aber dafür braucht es überhaupt erstmal den Zugang zu meinem Gefühl von Scham, den Zugang von meinem Gefühl von Hilflosigkeit. Oh, Chef, ich komme da an der Stelle nicht weiter. Und wie kann der Mann dem ich jetzt gesprochen habe, auf der Mittelmanagement-Ebene, das sagen, wenn er genau weiß, wenn ich so einen Satz bringen würde, wäre ich tot, auf Deutsch gesagt, sozial tot oder in diesem Unternehmen tot. Da greift ein Rädchen ins andere, das nicht funktioniert. Und nochmal, es ist viel zu einfach zu sagen, und das liegt daran, dass die bösen weißen alten Männer, die da oben in der Führung sitzen, eben alles nach unten weiter prügeln. Nein, diese bösen weißen alten Männer, in großen Anführungsstrichen, Und die sind auch Männer, damit will ich Sie nicht von Verantwortung freisprechen, wir sind verantwortlich für das, was wir tun, alle. Aber auch die und vielleicht gerade die sind extrem in diesen traditionellen Männlichkeitskonstruktionen strukturiert und hätten aus meiner Sicht da, ja, das meine ich überhaupt nicht zynisch jetzt oder ganz, ganz ernst, Beratung, Coaching, Therapie, eine Hilfe bei der Auseinandersetzung mit sich selbst, auch für ihr persönliches Wohlergehen verdient.
Marina Löwe: Da kannst du wahrscheinlich gerade gut nachvollziehen, woher meine Leidenschaft für das zweite Thema kommt, für das ich ja auch einen Podcast habe, das Thema Achtsamkeit, weil mir eins aufgefallen ist, auch die Fälle, die du beschreibst, ja, wie jemand dann auch so hart mit sich spricht und das ist ja nicht nur auf Männer zuzuweisen, sondern das machen auch Frauen durchaus mit sich selber, aber es ist schon noch so, dass wir von der, Sozialisierung her, von dem, was uns gesellschaftlich suggeriert wird, auch von Werbung bis hin zu Führungskräftemodellen, definitiv so, dass es diese Unterschiede noch gibt. Und was es bei mir überwiegend aushöst, ist wirklich Mitgefühl. Also kein Mitleid, definitiv nicht, sondern Mitgefühl und das ist der Aspekt, den ich in der Achtsamkeit so wahnsinnig wichtig finde. Dieses Mitgefühl auch für sich selber entwickeln zu können. Und ich habe so ein Stück weit die These, dass Achtsamkeit gerade in den großen Konzernen auch dadurch den Zugang gefunden hat, denn es ist letzten Endes aufgehangen an Männern erst mal publik geworden. Es gab den Jon Kabat-Zinn, der mit Mind Based Stress Reduction dahin gegangen ist und gar nicht mehr so in der Esoterikschiene war, sondern aus der Schiene eher medizinische Forschung kam. Dann gibt es ja auch David Richardson und Daniel Goleman und noch einige andere, wo Männer erst in Berkeley, in Harvard oder sonst wo sein mussten und zeigen mussten, hey, im Hirnscan sehen wir, dass es die Leistung verbessert. Und plötzlich über dieses Argument öffnet sich eine Tür. Ja, ja. Dass ich eine Begründung habe, warum ich mich zwischendurch mal hinsetze und in meinen Körper rein spüre. Und das ist ja ein Wahnsinnsthema. Also für mich ist das ein riesiger Schritt, dass wir in den Führungsetagen so weit sind, dass wir eine Tür gefunden haben oder eine Ebene, um eine Legitimation zu bieten für dass du mal hinfühlst, dass du wieder Zugang zu deiner Intuition, zu deinem Bauchgefühl, zu deinen Emotionen bekommst, weil sie für deine Entscheidungen so wichtig sind, weil diese Emotionen eine Funktion haben, die du dir sonst verwehrst. Das ist ja ein Riesending, weil ich kann ja nicht jeden direkt zur Therapie begleiten und im Idealfall fährt auch nicht jeder direkt vor die Wand. Aber was kann ich denn im Kleinen als Mann tun, wenn ich sage, mir ist das schon bewusst geworden, dass ich da noch eine Chance habe, mir den Bereich anzugucken, aber ich weiß gar nicht so richtig, wo ich anfangen soll.
Björn Süfke: Ich antworte mal wieder auf beide Teile der Frage, also ich vergesse die Frage nicht, was kann man da als Einzelner tun, aber erstmal wollte ich zu dem erstgenannten bisschen Advocatus Diaboli noch spielen und ganz deutlich sagen, solange, du nennst es Achtsamkeit, solange Achtsamkeit, nur deswegen in Führungsetagen Einzug gehalten hat, weil es die Leistung verbessert. So lange ist vom Prinzip her noch nichts gewonnen, weil das Prinzip Leistung, das Prinzip, wir Männer müssen etwas leisten, im Bett, auf dem Sofa, bei der partnerschaftlichen Auseinandersetzung müssen wir jetzt etwas leisten. Früher musste man mit seiner Frau nicht reden, Hauptsache man versorgte sie. Jetzt müssen wir auch da kommunikativ was leisten, als Väter was leisten. Wenn ich mich als Vater um meine Kinder kümmere, aus diesem männlichen, toxisch männlichen Ideal heraus, diese Leistung wird heute von einem Mann verlangt. Wenn ich das tue, ist the more things change, the more they stay the same. Dann ist das alles alter Wein in neuen Schläuchen. Dann ist nämlich vom Prinzip der männlichen Leistungsorientierung kein Stück abgewichen. Nochmal, ich begrüße das natürlich trotzdem, wenn es auf so einem Weg Leute dazu bringt, achtsamer mit sich sein zu können.
Marina Löwe: Also die Frage ist ja immer, wie du das Leistungsprinzip deutest und inwiefern eine Umdeutung stattfindet, weil da bin ich vollkommen bei dir. Ich glaube auch, dass es an vielen Stellen, also du kannst jede Methode missbrauchen, du kannst auch eine psychotherapeutische Ausbildung in eine Richtung nutzen, wo man sagen würde, hm. Ist das jetzt so dienlich? Aber die Frage ist ja immer, wenn ich im Moment noch in diesem Leistungsprinzip unterwegs bin, wie komme ich überhaupt erst auf einen Weg, dass mir klar wird, da gibt es noch andere Aspekte. Und das ist, was ich erlebe, wenn gerade Menschen, und ich sage jetzt bewusst Menschen und nicht nur Männer, sondern es betrifft die Frauen genauso. Nämlich, ich kenne viele Frauen, die in der Hochleistung unterwegs waren, die in hohen Führungsetagen oder in körperlichen Hochleistungen unterwegs sind. Und bei denen ich sehe, wie diese Achtsamkeitsmethoden eine Tür öffnen, zu sagen Wow, wenn ich da mal hinspüre, dann merke ich auf einmal, dass nur auf Leistung zu gucken und jede Minute meines Tages durchzufokussieren und zu optimieren, dass das nicht nur sinnvoll und förderlich für mich ist. Und diese Tür, die ist ja für viele, wenn sie nur auf dem Leistungstrip sind, ohne die Wand, vor die sie fahren, manchmal gar nicht da. Und das ist so die große Frage. Wie kommt man überhaupt dahin, sich mit sich selber auseinanderzusetzen, ohne dass man die Karre schon
Björn Süfke: Also erstmal gebe ich dir völlig recht, wenn das die Tür ist, durch die ich vielleicht erst, weil es mir nur um Leistung ging, aber dann merke ich, dass etwas anderes hervorkommt, dann ist das natürlich wunderbar. Im Idealfall. Ja, im Idealfall, dann ist das wunderbar. Und ich wollte nur nochmal differenzieren, das war mir wichtig nochmal zu sagen, ja, aber es geht darum, das Prinzip, also das muss ich mit den Männern auch ganz häufig sagen, dass ich ihnen sage, und klassisches Beispiel nach Herzinfarkt, und es kommt so die Aufforderung quasi, machen Sie, dass ich wieder so funktioniere wie zuvor.
Marina Löwe: Ja, man bleibt in dem alten Leistungsprinzip.
Björn Süfke: Ja, mit anderen Worten formuliert, aber im Grunde wird das gesagt und dann sage ich im Erstgespräch, Herr Mayer, das mache ich nicht. Und dann mache ich natürlich eine Kunstpause extra, damit er mit dieser Verwirrung erstmal, das wollen wir ja nur, wir wollen ja Verwirrung stiften, weil dann kann sich etwas Neues zusammensetzen. Und dann sagt er eben auch oft, wie, wie, das machen Sie nicht, dafür sind Sie doch da. Dann sage ich, nein. Dafür bin ich überhaupt nicht da. Im Gegenteil, also da würde ich meinen Job verfehlen. Ich erkläre es Ihnen und dann erkläre ich Ihnen natürlich, dass wenn ich ihn wieder so machen würde, wie kurz vor seinem Herzinfarkt, dass ich ja quasi dann körperverletzend unterwegs wäre, weil dann ist ja der zweite Herzinfarkt vorprogrammiert. Nein, also was ich machen würde, ist ihm dabei zu helfen, zu gucken, wieso musste es so weit kommen, dass er mit 47 einen Herzinfarkt hatte. Wie kann er vielleicht verhindern, dass er einen zweiten Herzinfarkt bekommt? Also das ist ein ganz, ganz wichtiger Aspekt. Aber klar, die Frage, wie kommt jemand überhaupt dazu? Und da ist jetzt der Schlüssel, warum ich mich auch heute Morgen wieder hier für dieses Interview bereit erklärt habe, warum ich Bücher schreibe, warum ich fast jede Interviewanfrage, egal ob Frauenmagazin oder Führungskräfte-Podcast oder Männerzeitung annehme. Ich muss in irgendeiner Form auf dieses Thema gestoßen werden. Und das kann natürlich häufig in persönlich-emotionaler Form sein, durch die Partnerin ist natürlich ein Klassiker. Das kann aber auch, und die Erfahrung mache ich ja nun schon seit vielen Jahren, Männersehen ist glaube ich 2010 rausgekommen oder so. Das passiert ganz häufig auch durch, dass man einen Podcast gehört hat, dass man ein Interview gelesen hat. Als in der Zeit mal ein Dossier war, ein wirklich gut gemachtes Dossier, also wo Männerberatung auch nicht abgebildet wurde im Bild zum Text dann mit einem Teddybär in der Hand, sondern in der wirklich Gut gemachten, sehr guter Journalist-Dossier. Und weil ich dafür interviewt war, war unsere Männerberatungsstelle genannt. Da haben wir über Wochen und Monate die vierfachen Anfragen bekommen von Männern, die angerufen haben, weil sie über dieses Zeit-Dossier damit in Kontakt gekommen sind. Über ein Buch. Ich meine durchaus eine theoretische Auseinandersetzung damit, wie zum Beispiel so ein Buch zu lesen. All das kann dazu führen, führt häufig dazu. dass ich, ich hatte heute Morgen, und das ist nicht unüblich, zwei Anfragen am Tag, ist vielleicht sogar Schnitt, von Männern oder Frauen auch, die über ihre Männer dann schreiben, die mir geschrieben haben, ich lese ihr Buch und mein Mann findet sich in vielen wieder und so weiter, oder ich finde mich in vielen. Ich bin ständig dabei, irgendwie zu gucken, wo kann ich in Stuttgart, in Wiesbaden, in Nürnberg, in Essen Therapeuten finden, kenne ich da jemanden, um Leute weiter zu vermitteln, die über Buchlektüre sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Also, ich glaube, und das ist auch mein gesellschaftlicher, also Falls du die Frage gestellt hättest, was müssen wir als Gesellschaft tun, dann glaube ich einfach, wir müssen das tun, was die Frauenbewegung natürlich getan hat, nämlich das Thema, also Paragraph 218, die vielen, vielen Diskriminierungsproblematiken den Frauen unterliegen. das Thema in die Öffentlichkeit gebracht, um möglichst viele Menschen zu sensibilisieren für dieses Thema. Und dann wissen wir alle aus vielen, vielen Themen, Umweltschutz und so weiter, wenn wir eine kritische Masse bekommen, gibt es ja diese Theorien drüber, 10, 15 Prozent oder so, der Leute muss man wirklich kriegen für ein Thema, dann geht das seinen Lauf, dann ist das sozusagen unaufhaltsam. Dann pflanzt sich das weiter in nächste Generationen und dann wird das Fridays for Future. und nun will ich nicht sagen, wir werden diesen Planeten retten, aber zumindest das Prinzip kann man da nachvollziehen. Diese kritische Masse haben wir noch nicht erreicht, das will ich ganz deutlich sagen. Also wir haben es deutlich noch nicht geschafft, so viele Menschen für die Gender-Themen zu sensibilisieren, Frauen und Männer, um wirklich eine gendergerechte Gesellschaft erzeugen. Auch nur anzuvisieren, ich war schockiert vor ein paar Monaten eine anonyme Umfrage zu lesen, dass die Mehrheit der Befragten in, ich glaube Aufsichtsräten war es oder Vorständen, das weiß ich nicht mehr, von DAX-Konzernen gar nicht wollten, dass mehr Frauen in Führungspositionen sind. Da war ich wirklich schockiert.
Marina Löwe: Also nicht nur die Umfrage, das ist auch unsere Frage.
Björn Süfke: Also da muss ich ganz ehrlich sagen, da war ich naiv, da war ich schockiert. Ich habe immer gedacht, also auf dem Papier kann man das ja mal behaupten. Ob man es dann wirklich durchsetzt, ist was anderes. Aber ganz viele sind noch nicht mal sozusagen auf dem Papier so weit, dass sie das für eine gute Idee halten. Das zeigt mir ganz deutlich, wir haben die kritische Masse, dass das klar ist, dass es besser wäre. Die haben wir noch nicht erreicht. Aber die erreichen wir durch, jetzt sage ich es mal ganz allgemein, durch Initiierung von Auseinandersetzungen über diese Themen in irgendeiner Form. Und das kann Psychotherapie sein, das kann Beratung, Coaching, wie auch immer sein. Das kann die Ehefrau sein, die auch darauf hinweist. Das kann aber auch ein Buch sein, ein Podcast. Und das kann eine Scheidung, ein Entzug der Kinder, eine Lebenskrise, ein Herzinfarkt, das auch sein. Es kann auch vorher geschehen. Aber irgendwo muss, ich sage es jetzt mal ganz plastisch, es gibt keinen Veränderungswunsch ohne ein Leiden. Das kann ein klitzekleines Leiden sein, aber man muss leiden. Die Frauen, die die Frauenbewegung initiiert haben, haben gelitten unter den Veränderungen. Ohne Leid keine Veränderungsmotivation. Deswegen haben wir eben leider auch keine Männerbewegung, die diesen Namen verdient, weil das ja wieder bedeuten würde, ein Großteil von Männern müsste Zugang zu ihrem eigenen Leid haben, um sich beschweren zu können, um sagen zu können, das ist eine Unverschämtheit, Dass wir als Väter nicht ernst genommen werden, dass wir diskriminiert werden, dass unser Sorgerecht in 90% der Fälle nicht zugeschrieben wird. Warum sind wir die schlechteren Menschen? Dass es eine Frechheit ist, eine Unverschämtheit, dass wir in allen Gefahrenberufen überrepräsentiert sind, dass wir sieben Jahre früher sterben, dass wir uns dreimal häufiger umbringen. Wie kann das sein? Was läuft da falsch? Diese Form von Leiden setzt ja voraus, dass ich einen Zugang zu meinen Gefühlen habe. Zum Leiden eben. Und da beißt sich leider die Katze so ein bisschen ins Schwanz. Wenn uns das abtrainiert wurde, diesen Zugang zu haben, können wir auch uns gar nicht beschweren, gar nicht leiden und Veränderungen initiieren. Und das ist ein Teufelskreis im schlechten Sinne, der aber eben aufgebrochen wird, wenn an irgendeiner Stelle durch Auseinandersetzung da Sand ins Getriebe kommt. Und ja, dieser Sand versuche ich zu sein auch.
Marina Löwe: Sehr schön. Ich freue mich immer über jeden, der ebenfalls als Sandhaufen unterwegs ist oder als Sandwehe, denn das sehen wir ja eh nicht. Und wenn ich ganz ehrlich sein darf, was mich am tiefsten berührt hat in den letzten Jahren, ist der Austausch mit meinem Opa, der jetzt mit Mitte 90 mich so erstaunt, weil da eine Selbstreflexion stattfindet, die ich so nicht kenne. Also zum einen in meiner Familie, aber auch gerade so auf der Seite der Männer in dem Alter. Und dieses Zurückblicken auf sein Leben, auch drei Kinder, und sagen Ich habe die Kinder nicht aufwachsen sehen. Das ist schade. Ich war nie zu Hause. Und ich hätte auch sonntags dann nicht zum Kartenspielen gehen sollen. Da hatte Oma recht. Ich hätte zu Hause bleiben sollen. Das war nicht richtig. Und diese Sätze, die
Björn Süfke: Entschuldigung, wenn ich dich unterbreche. Und er sagt ja auch, und es war auch nicht schön für mich. Jetzt merke ich, ich bereue es. Ich wäre lieber zu Hause geblieben. Nicht meiner Frau zuliebe.
Marina Löwe: Genau, also das habe ich darunter gehört. Natürlich werden da nicht die Gefühle mit ausgedrückt. Also er sagt jetzt nicht, das macht mich traurig oder im Nachhinein bin ich da wütend drüber. Die Ebene ist es nicht. Aber was ich raushöre, ist im Rückblick schon das Bedauern darüber, dass er halt diese zwölf Stunden Schichten gefahren hat und als Mann geguckt hat, das Haus und so weiter da ist und dass er über die Enkelkinder gemerkt hat. Wie schön das ist, dass da plötzlich ein Kind auf seinem Schoß einschläft, Mittagsschlaf mit ihm macht, Gute-Nacht-Opa sagt, ihn anruft, ihm Bilder malt und sagt, boah, das habe ich bei meinen Kindern verpasst. Und das ist ein schöner Wandel, den ich schon wahrnehme in bestimmten Bereichen, dass ich sehe, dass da mehr Männer, gerade jetzt so in den 30ern mit ihren Frauen, sagen, wir teilen die Elternzeit zumindest auf. Wir machen halbe-halbe, einige wenige Fälle, wo ich sehe, dass der Mann zu Hause bleibt. Ich glaube, das, was du so schön beschrieben hast, du hast ja gesagt, die Männerbewegung gibt es seit zehn Jahren, die Frauenbewegung eben schon seit mehreren Jahrzehnten. Die große Herausforderung gerade ist, dass all diese Bilder, Männlichkeits- und Weiblichkeitsbilder, gerade parallel existieren. Also wir haben mehrere parallele Erwartungsbilder, weil da treffen sich jetzt, sagen wir mal Tinder, da wischen jetzt Leute hin und her. Und genauso ja auch, wenn ich nach Teammitgliedern suche, dann habe ich eine traditionelle Führungskraft, die will aber agiles Arbeiten haben und sucht jetzt nach agilen Mitarbeitenden. Und genauso habe ich die studierte Frau, die sagt, ich möchte Kinder haben, aber ich möchte weiter arbeiten gehen und die sucht jetzt nach dem passenden Partner. Und dadurch, dass alles gleichzeitig existiert, Noch dieses Traditionelle und das Neue. Ist das natürlich gerade ein besonderes Reiben und Ausbaldobern und du hast das so schön den Emanzipationsprozess genannt. Also was bedeutet in dem Falle für dich Emanzipationsprozess, der jetzt gerade noch leider einen Weg vor sich hatte?
Björn Süfke: Ja, Emanzipation ist einfach zu beschreiben. Das beschreibe ich auch nochmal gerne, was es tatsächlich wörtlich heißt, weil der Begriff ja oft noch so negativ belegt ist. Ich wollte mein Buch auch nennen, Männer emanzipiert euch, aber da hat der Verlag gesagt, um Gottes Willen, das kauft keine Sau. Aber inhaltlich beschreibt es das am besten, weil Emanzipation heißt eben, sich von diesen ganzen Vorstellungen von außen, wie man zu sein hat, ich mache es jetzt mal extra allgemein, egal ob gesellschaftliche Gender-Stereotypes oder auch die Vorstellung der Frau, wie ich zu sein habe, oder meiner Mutter oder meines Vaters, also von Vorstellungen von außen, wie ich zu sein habe, mal ein Stück zu befreien, kann ich nicht, aber das mal ein Stück an die Seite zu stellen und zu gucken, ah, das und das und das und das gibt es, dafür muss man das auch erstmal klar haben. wer welche Anforderungen an einen heranträgt. Deswegen ganz viel intellektuelle Auseinandersetzung auch. Und dann zu sich, du würdest das Achtsamkeit nennen, zu sich zu kommen und zu sagen, ja, und was davon will ich eigentlich sein? Unabhängig davon, ob es traditionell männlich, traditionell weiblich ist oder nicht. Also auch nicht das Antimodell. Alles, was traditionell männlich ist, will ich nicht mehr sein. Das ist auch nicht emanzipiert, das ist bockig. Das ist, ich sage immer, Berufsjugendlichentum. Also wenn du alles scheiße findest, was deine Eltern machen, dann bist du auch nicht emanzipiert. Dann bist du bockig. Wirklich für mich zu gucken, was davon will ich? Was davon bin ich auch? Vielleicht will ich manchmal da nicht traditionell männlich sein. Aber ich merke, ich bin es einfach. Und dann zu sagen, und so ist das. Das ist nicht gut, das ist nicht schlecht. Dann nerven mich auch manchmal Angebote aus dem Gender-Bereich, die mit diesen Bewertungsmechanismen kommen. Ja, da musst du auch zu stehen, das ist auch gut. Das ist so eine Stärke von uns Männern, wo ich immer denke, Bewertung ist untherapeutisch. Also das ist nicht gut, das ist nicht schlecht, dass ich mich für Fußball interessiere oder dass ich mich jetzt lieber um meine Kinder kümmere, als zur Arbeit zu gehen. Das ist beides einfach ich. Das ist weder gut, noch schlecht. Und das ist für mich Emanzipation und diesen Emanzipationsprozess brauchen wir ganz dringend. Den brauchen wir bei Frauen und den brauchen wir bei Männern. Mein Ideal ist immer Männer und Frauen, wenn sie Eltern werden, ich bin ja für einen starken Staat, also ich würde sagen, eigentlich müsste man das verpflichtend als Führerschein sozusagen einführen, dass sie sich schon pränatal zusammensetzen und sagen, okay, was gibt es für Erwartungen, wie wir das als Eltern zu tun haben und so weiter. und wie möchte ich es eigentlich tun? Auch getrennt voneinander erstmal aufzuschreiben vielleicht, wie möchte ich eigentlich Vater sein, wie möchte ich Mutter sein, um nicht schon gleich wieder den Wünschen der anderen sich zu unterwerfen oder sich damit zu arrangieren, sondern jeder für sich erstmal. zu gucken und dann als zwei Emanzipierte im wahrsten Sinne des Wortes Menschen aufeinander zu treffen und ja, auch zu verhandeln. Also meine Frau und ich mussten beim dritten Kind auch wirklich verhandeln, wer wie viel Elternzeit nehmen durfte. Nicht musste, wer muss wie lange zu Hause bleiben und darf seine Karriere nicht, sondern beim dritten Quint waren wir dann eher so weit, wer darf zu Hause bleiben, weil wir es eigentlich beide lieber wollten. Und dann sind das wirklich Verhandlungen, auch den Begriff wollte mir der Verlag, weiß ich noch, rausstreichen, weil er dachte, das klingt so negativ, Verhandlungen, aber ich meine genau das, manchmal muss man auch verhandeln. Wer zum Elternabend gehen darf und das ist auch nichts Negatives. Das ist für mich Emanzipation und diesen Prozess brauchen wir auf gesellschaftlicher Ebene, auf Unternehmensebene, aber es setzt natürlich voraus, dass ich ihn auf persönlicher Ebene beginne. Das ist ja was lebenslanges und wie man an dem Beispiel deines Opas sieht, niemals zu spät. Klar ist vielleicht zu spät, um sich noch wahnsinnig aktiv um die Urenkel sind es dann schon, ja, zu kümmern. Aber selbst wenn er sozusagen das, was er da erkennt in sich, nicht mehr auf der Handlungsebene wahnsinnig umsetzen kann, obwohl ein Gespräch mit einer Enkelin ist ja auch schon eine Handlung, ist es natürlich für seinen Empfinden, für seinen Seelenheil. Ich würde ja sagen, wenn er diese Traurigkeit in sich erkennt, auch wenn er es nicht als Traurigkeit benennt, also da würde ich als Psychotherapeut natürlich jetzt ein bisschen nachhaken und sagen, vielleicht nicht den Begriff traurig wählen, aber sagen, oh, Herr Meier, jetzt merken Sie, was es Sie gekostet hat auch. Und dann ein bisschen Pause lassen, dass er vielleicht einen Augenblick schweigen kann und dann, je nachdem, wie mutig ich bin, benutze ich vielleicht auch den Begriff. Und das ist auch ein bisschen traurig oder so. Also um Ihnen auch zu helfen, dieses Gefühl wirklich einsinken zu lassen. Und dann ist er ja, und das sage ich den Männern immer gerne, wieder auf ganz wissenschaftlicher Ebene, was die Männer ja gerne hören, und dann ist man ein gesünderer Mensch. Wenn ich die Trauer wahrnehme, bin ich psychisch betrachtet gerade gesünder geworden. Vielleicht nicht glücklicher in diesem Moment, aber Glück ist auch nicht meine Aufgabe. Glück dafür bin ich nicht zuständig, sage ich immer. Wofür ich zuständig bin, ist psychische Gesundheit. Und ein Mensch, der in Übereinstimmung ist mit seinen Gefühlen, das mag man jetzt für Psychotherapeuten gewerscheiden, ist aber wissenschaftlich belegt, der ist weniger affin, weniger anfällig für psychische und körperliche Erkrankungen. Ob er glücklicher wird, das ehrlich gesagt, das ist auch nicht meine Baustelle. Das hängt auch davon ab, ob man die richtigen Menschen trifft in seinem Leben oder genug Kohle im Hintergrund hat oder was auch immer. Vielleicht ist Glück auch nicht das einzig entscheidende Kriterium. Oder sagen wir so, Gesundheit, psychische Gesundheit, ist vielleicht ein hoher Prädiktor auch für später folgendes Glück. Insofern, dieser Emanzipationsprozess, wenn er dazu führt, dass sich, und das tut er ja, dass ich in Kontakt komme mit meinen eigenen Gefühlen, der macht mich, auf Deutsch gesagt, jetzt benutze ich mal zum Schluss eine Formulierung, die Männer lieben, die macht mich psychisch robuster.
Marina Löwe: Ja, also es steckt ja dann, auch wenn es sich unbequem anhört und außerhalb der Komfortzone für viele liegt, ein hoher Gewinn dahin. Also zum einen das Reduzieren wirklich von Kosten, die man erzeugt in dem Moment, wo man die Emotionen nicht mehr als Wegweiser hat. Das nehme ich von dir mit. Die Kosten, die es erzeugt in Bezug auf die psychische Gesundheit und auch den Körper, der am Ende ja mitleidet. Wenn ich dann doch das als Motivation nehme, mich mehr mit mir auseinanderzusetzen. Und wir gucken jetzt nochmal so in die Unternehmenswelt hinein. Du hast schon ein paar Sachen auf gesellschaftlicher Ebene genannt. Was kann der Einzelne im Unternehmen leisten, um diesen Emanzipationsprozess zu unterstützen? Also wenn du jetzt so deine Top 3 hättest und sagst, das sind schon mal kleine Ansatzpunkte, weil ich weiß, wir sind ja auf einer jahrhundertelangen Reise, das habe ich irgendwo anders schon von dir gehört. Im Kleinen, was kann man machen, um jeder einzelne von uns beizutragen, unabhängig von der Geschlechtsidentität?
Björn Süfke: Also Top 1 ist natürlich aber auch da, sage ich wieder, du hast es schön gesagt, ich bin nicht zuständig für die Komfortzone, auch das ich immer, das ist hier kein Ponyhof, also Psychotherapie ist jetzt kein Wellnessprogramm, das ist richtig, das ist jetzt kein Komfortteil, sondern eher eins, was vielleicht auch schmerzliche Konsequenzen bringen könnte. Aber es braucht natürlich die Leute, die es vorleben. Es braucht die Vorreiter. Es braucht, egal auf welcher Ebene, klar, es ist viel potenter, wenn umso höher in der Hierarchie da jemand vorlebt. Aber es braucht natürlich auch auf den unteren Ebenen diesen Mut, dieses Selbstbewusstsein im wahrsten Sinne des Wortes, beispielsweise als werdender Vater, da aufzutreten und zu sagen, ich werde jetzt Vater und ich nehme sieben Monate Elternzeit. Und das ist so. Und wenn mir das Nachteile im Unternehmen einbringt, dann ist das auch so. Aber das ist meine Prioritätensetzung und take it or leave it.
Marina Löwe: Was ja paradoxerweise wieder in dieses Bild der Stärke reinpasst. Also wenn jemand so stark und selbstbewusst Also ist ja gar nicht mal unbedingt was, was das Traditionelle angreift, sondern da zu sagen, ich bin jetzt selbstbewusster Vorreiter in dem Bereich.
Björn Süfke: Ich bin ein großer Fan von vielen Menschen. männertypischen Eigenschaften und Verhaltensweisen. Mir sind Männer auch oft sehr sympathisch, auch ehrlich gesagt die Anzugträger, die so oft, ich finde viele von denen auch in der Therapie, sehr sympathische Menschen. Das ist gar nicht der Punkt. Es ist für mich ein ganz wesentlicher Unterschied, ob ich etwas selbstbewusst im wahren Sinne des Wortes sage, weil ich mir es vorher selbstbewusst gemacht habe, also es wirklich in Übereinstimmung mit meinen Gefühlen ist und es dann Also stark zu sagen, finde ich was Wunderbares. Also vielleicht oben auf der Bühne auf eine Frage aus dem Publikum zu sagen, boah, das weiß ich nicht. Also ganz selbstbewusst seine Hilflosigkeit zum Ausdruck zu bringen oder ganz stark zu sagen, ganz ehrlich, das sind auch Sachen, die machen mir Angst. Also sowas, dann finde ich das was Wunderbares, wenn es eben stark ist, aber ohne Selbstbewusstsein im Wahnsinn des Wortes, sondern einfach eben auf Abspaltung basierende Stärke, dann ist es ein Problem. Also gegen Stärke ist überhaupt nichts zu sagen.
Marina Löwe: Oder was du gesagt hast in diesem, jetzt folge ich einem neu skizzierten Männerbild und mache das, weil ich der Meinung bin, man erwartet das jetzt von mir als modernem Mann, dann bist du ja in der gleichen Suppe drin.
Björn Süfke: Same, same, but different. Also das braucht es. Da kann ich wirklich mal die Frauenbewegung auch zitieren. Die Frauenbewegung wäre nie so weit gekommen, wenn nicht einzelne Frauen, und das hat einzelne Frauen viel gekostet, ich sage immer gerne, den Arsch aus dem Fenster gehalten haben und der wurde nicht nur geküsst, sondern auch getreten. Also das braucht es natürlich Frauen an der Stelle, Männer auch die sagen, so ist es, so bin ich, so geht es mir. Und wenn du es nicht magst, ist es aber trotzdem noch so. Und die braucht es natürlich. Und klar, wenn das auf einer höheren Ebene ist, ist es immer besser. Und dann werden wir, glaube ich, ganz, ganz viel profitieren können. Da brauche ich gar keine Top 2 und Top 3 mehr. Wenn es da Männer gibt, die sich so auseinandersetzen, die das so einbringen ins Unternehmen. Ich habe neulich bei einer Väterveranstaltung in einem Unternehmen, ich nenne es jetzt mal nicht, obwohl es jetzt was Gutes ist, Da hat mir ein Mann erzählt, der fünf Kinder hat und hat 50-50 gemacht mit seiner Frau. Er sagt immer, ich habe einfach sowas von Glück gehabt. Der hatte einen Chef, der von Anfang an gesagt hat, ja, ist okay, du kannst das von zu Hause machen, also mir ist halt wichtig, dass es gemacht wird. Also so ein ganz, so ein im herrlichsten Sinne emanzipierter Mann. Und er hat gesagt, das ist ein Traum. Ich habe, wenn der mich morgens um acht anrief und sagte, das und das muss muss erledigt sein heute, das brauche ich morgen um 8 Uhr auf dem Schreibtisch. Und ich gesagt habe, ja, mein kleiner zahnt und der zweitälteste muss zum Orthopäden oder was. Aber heute Abend um 8 Uhr setze ich mich dran, hast du um 12 Uhr auf dem Schreibtisch. Das ist eine Win-Win-Situation für beide gewesen. Das war auch der Vater, der da am entspanntesten saß bei dieser Veranstaltung und gesagt hat, oh, ich bin einfach nochmal hergekommen, weil ich jetzt, fünftes Kind ist jetzt mit. zehn Jahren Pause sozusagen gekommen, weil ich einfach das toll finde, dass es solche Angebote gibt. Wollte mal gucken, wie andere fällt da so heute damit und so. Der strahlte das richtig aus, hatte natürlich ein extrem hohes Commitment ans Unternehmen. Also auch das, denke ich, ist betriebswirtschaftlich ein ganz, ganz wichtiger Faktor. Ich glaube, dass Unternehmen mit einem Männlichkeitsbild, was sehr, sehr stark traditionell ist, sich auch über die nächsten 100 Jahre, sage ich mal, nicht mehr am Markt werden halten können, weil sie eine unglaublich hoch gebildete und leistungsstarke Arbeitnehmerschicht nicht mehr bekommen, weil die nicht mehr bereit sind, sich solchen traditionellen männlichen Konstrukten zu unterwerfen. Also nochmal, das ist vielleicht in zwei und in fünf Jahren noch nicht so oder nur bei einem kleinen Prozentsatz der Männer, aber in 100 Jahren wird vielleicht die Mehrheit der Männer, die Väter werden nicht mehr bereit, würde ich sagen. Ja, okay, wenn das Kind 24 Stunden alt ist, dann komme ich wieder zur Arbeit und arbeite 40, 60 Stunden die Woche. So bescheuert ist auf Deutsch gesagt keiner dann mehr, wenn das nicht muss und dass ich aussuchen kann und Fachkräftemangel, bla bla bla. Also ich glaube, da bin ich ganz optimistisch, dass sich das Problem auch auf diese Art vielleicht ein bisschen auswachsen wird, dass sich Unternehmen nur werden am Markt behaupten können, wenn sie mit den Anforderungen, die du hast vorhin die flexibilisierte Gesellschaft schon mal beschrieben, mit den Anforderungen, die Arbeitnehmer heute haben, besser umgehen können. Und vielleicht noch ein Satz zu dieser Parallelität der Entwürfe, die du da in dem Zusammenhang auch genannt hast, das würde ich voll so bekräftigen. Wir haben heute die traditionellen Konstrukte, die weiterhin gültig sind, aber kritisch hinterfragt werden. Sie sind ja noch lange nicht abgewählt. Guck dir mal nur die Werbung an, dann weißt du genau, 90% der Werbespots sind immer noch extrem stereotypt. Aber das Konstrukt, sonst würden wir hier nicht sprechen, ist ins Wanken gekommen. Es gibt aber auch noch keine neuen Konstrukte, die es ersetzt haben, sondern es gibt eine Parallelität verschiedener Entwürfe, das es extrem überfordert. Aber es ist natürlich auch eine Riesenchance. Deswegen sage ich immer, wir haben eine Krise der Geschlechterverhältnisse im Moment und das finde ich wunderbar, dass wir die haben. Als Psychotherapeut liebe ich Krisen, weil diese Krise ist auch eine Riesenchance. Ich würde sagen, es ist vielleicht sogar eine historische Chance, dass wir eben jetzt als Gesellschaft und als Unternehmen ist das ja mikromäßig ähnlich, gucken können, und wie gehen wir jetzt damit um, mit diesen unterschiedlichen Entwürfen, die wir haben, und zwar möglichst, und da wiederhole ich mich jetzt, emanzipatorisch, das heißt nicht irgendwie aus Prinzip an dem einen oder anderen festhalten, weil es gerade durch die Medien gehypt wird, sondern weil wir uns selber befragt haben sozusagen, was ist für uns alle am besten, was ist meinetwegen auch am effektivsten dann fürs Unternehmen. Diese Chance, wenn ich jetzt ganz pathetisch werden wollte, würde ich sagen, diese Chance sollte man nicht verschlafen.
Marina Löwe: Ja, und ich glaube, da spielen ganz viele Dinge zusammen. Also herzlichen Dank dir dafür, wenn ich an mehrere Bücher von Harari, die das ja ganz schön aufzeigen, oder Rüdger Bregmann, der im Grunde gut geschrieben hat, Ich glaube, wenn man es noch radikaler sieht, wir haben ja im Moment das viel über die Geschlechterdiskussion gesehen, aber ich glaube, die andere, die parallel mitläuft, ist auch der Paradigmenwechsel insgesamt. Also wir sind ja in einem volkswirtschaftlichen Verständnis unterwegs, immer noch von höher, schneller, weiter. Also alles ist auf endloses Wachstum ausgelegt. und eigentlich, wenn man sich die Natur so anguckt, dann weiß man, es ist kein endloses Wachstum, es ist ein Kreislauf von Wachsen und Vergehen und dann entsteht was Neues und aus dem, was gestorben ist, das ist genau der Nährboden für das Neue.
Björn Süfke: Wenn ich kurz einhaken darf und da berühren sich aber beide Diskussionen, weil, das würde ich einfach mal so weil dieses höher, schneller, weiter Konstrukt ist kein Vernunft oder unseren emotionalen Bedürfnissen entsprechendes Konstrukt, sondern es ist eben Teil dieses traditionellen Männlichkeitskonstrukt, was natürlich, aber die historische Dimension machen wir nicht mehr auf, zumal gleich meine Kinder nach Hause kommen, Aber was natürlich eine Sinnhaftigkeit mal hatte, die Rollenzuschreibung. Frauen und Männern hatten natürlich mal eine funktionale Sinnhaftigkeit, die sich längst erledigt hat in einer Welt, wo wir nicht mehr jagen und nicht mehr 37 Kinder kriegen, sondern nur noch 1,7 Kinder, wo man höchstens ein paar Monate für den Arbeitsmarkt fehlt. Aber es hatte mal eine Sinnhaftigkeit und diese Sinnhaftigkeit hat sich längst erledigt. Das heißt, es ist kein vernünftiges Konstrukt mehr. Also ich benutze extra diesen Begriff. Aber es ist eins, was sich über Geschlechter, über diesen Geschlechterprozess sehr, sehr verfestigt in uns allen hat. Und deswegen, glaube ich, müssen wir auch genau diese beiden Prozesse, vielleicht könnten wir als Dritte eben so diesen der Flexibilisierung, das Anything is possible, das ist, glaube ich, unsere historische Aufgabe, das miteinander zu verknüpfen, also um mal die anderen beiden Dimensionen zu verknüpfen. Gerade weil Anything is possible, muss man sich ja sehr stark überlegen, was davon will ich aber? Das ist ja auch die Herausforderung, vor der unsere Jugendlichen stehen. Viel besser als wir, weil du bist ja noch jünger als ich, aber ich bin 47. Wir mussten keine schwierigen Entscheidungen treffen, was wir Samstagabend im Fernsehen gucken oder ob wir was gucken, weil da gab es nur Wetten, dass Und außerdem war das ein Muss, Wetten, dass zu gucken. Jugendliche heute müssen Entscheidungsprozesse, die wir nie führen mussten, tun. Was ist wichtig, was ist nicht so wichtig, was ist gut, was ist schuld? Diese drei Aufgaben, denke ich, müssen wir zusammen denken und angehen.
Marina Löwe: Und da ist ja meine Hoffnung, auch wenn du es skizziert hast, dass man deine These nicht mehr verifizieren kann, weil sie auf mehrere hundert Jahre angelegt ist, die diesen Wandel betreffen, dass vielleicht auch da die Digitalisierung uns ein Stück weit in die Karten spielt, denn sie hat ja eben nicht nur herausfordernde Folgen, sondern auch Chancen, wie, dass dieses Wissen, diese Aufklärung schneller verbreitet wird, so wie du es ja gesagt hast, diese Podcasts bringen Leute damit in Kontakt, ist ja auch einer unserer Beweggründe, Oder die Bücher, aber eben auch Interviews, die man von dir ja auch im Internet sehen kann. Und dieses Phänomen, was ich im Moment sehe, gerade auch viel in unterschiedlichen Unternehmen, in denen ich unterwegs bin, ist, dass diese Emanzipation so parallel läuft, dass es jetzt häufig auch Fälle hat, wo beide Vollzeit arbeiten gehen und sich beide dann nebenbei um die Kinder kümmern. Und das ist natürlich in Deutschland was, was nicht gut aufgeht, weil in Schweden erreichst du nach 5 Uhr zum Beispiel keinen mehr im Büro. Die sagen alle, habt ihr kein Privatleben, wir gehen nach Hause. Auch in den Niederlanden ist man für Überstunden statistisch gesehen weniger anfällig und die Teilzeit ist ganz anders verteilt. Das heißt, da ist gerade bei Paaren, wo beide einen akademischen Abschluss haben, eher das Modell, dass beide vier Tage arbeiten oder diese drei und zwei Tage miteinander kombinieren. Und da denke ich, haben wir noch einiges zu tun, uns in Deutschland zu fragen, wenn wir jetzt die Frauenbewegung dahin schieben, dass Frauen mehr im Karrieremodus unterwegs sind, die Männer aber noch nicht ganz in Richtung Familie. Wo stellen wir uns eigentlich die Grundsatzfrage als Paar, aber auch als Gesellschaft? Wie viel Fokus haben wir auf unsere Wirtschaft und wie viel Fokus haben wir auf das Thema Familie und die Kinder? Und nicht, dass die mit rundum Sorglosbetreuung jetzt am besten aufwachsen. Aber es ist etwas, wo wir manchmal vergessen, dass es eben auch historisch gewachsen und gesellschaftlich entwickelt ist und keine Gesetzgebung, die sagt, so geht es auf jeden Fall immer am besten.
Björn Süfke: Ja und auch da können wir wieder die Verknüpfung zu der gesamtgesellschaftlichen Gender-Debatte machen, was ich ja nun immer gerne mache. Dass beispielsweise Schweden, das du aufgezählt hast, das heute so hat, liegt nicht daran, dass sie in Schweden so viel schlauer sind und was weiß ich, sie haben auch nicht unbedingt weniger sexualisierte Gewalt und Schweden sind auch nicht die besseren Menschen. Aber es liegt schlicht daran, dass die vor 50 Jahren, als die Frauenbewegung aufkam, schon verstanden haben, dass das ein gemeinschaftliches Thema ist und nicht ein Thema der Frauen. Und die Konsequenz sehen wir jetzt. Das haben wir in Deutschland eben und auch nur einige verstanden. von uns seit zehn Jahren vielleicht verstanden, dass es ein gemeinschaftliches Thema ist, kein Frauen-gegen-Männer-Thema, kein Frauen-oder-Männer-Thema, sondern ein gemeinschaftliches. Das haben sie in Schweden viel früher verstanden, sind entsprechend aktiv geworden. Und ja, das könnte ein sehr hoffnungsvolles Schlusswort sein. Und dann sieht man auch schon nur 40 Jahre später, welchen Effekt das hat. Nämlich, ich finde immer schön, das so in Videos zu sehen dann, wenn man da so Paare interviewt, wie die gar nicht unbedingt mehr Genderbücher gelesen haben, aber wie die immer so ganz irritiert fast sind, wenn so die Fragen gestellt werden, die wir deutschen Journalisten so stellen oder sagen, ja nee, also hier ist das so und so. Und die sagen das wirklich so wie, und so ist das hier. Also das hat sich echt schon etabliert, so ein Spirit. Also sozusagen da in den Augen zu lesen, finde ich fast das Spannendste. zu sehen, okay, das sind jetzt 35-Jährige, die eben, weil da vor 40 Jahren was anders aufgegriffen wurde, ganz anders sozialisiert sind. Insofern, ja, ich habe in dem Buch mal geschrieben, weil ich mal die Zahlen von männlichen Erziehern in der Kita und Männern, die in Elternzeit gehen, hochgerechnet habe und dann kam ich bei 50-50 tatsächlich erst in 500 Jahren raus. Aber insofern kann uns Schweden und auch vielleicht deine Hoffnung auf die Digitalisierung, die ich an der Stelle teile, vielleicht können wir das Ganze um ein, zwei Jahre verkürzen.
Marina Löwe: Um ein, zwei Jahre wäre ja schon mal ein Gewinn. Björn, ganz, ganz herzlichen Dank, dass du dir Zeit genommen hast heute. Da waren so viele Aspekte drin, dass ich glaube, die Folge werde ich mir sogar selber nochmal zwei, dreimal anhören. Wenn ich auf einen Satz das zusammenbrechen würde, dann nehme ich mit von dir, dass gemeinsam bewusst werden und drüber sprechen. mit Sicherheit eine ganz wichtige Basis dabei ist und das unabhängig von Partnerschaft oder Team oder Führungsetage oder sogar auf gesellschaftlicher Ebene. Ganz herzliche Grüße nach Bielefeld an deine Familie auch und ich freue mich, wenn wir uns bei anderer Gelegenheit gerne in das Thema nochmal tiefer reinarbeiten, weil das, ja, ich glaube, das ist noch lange, lange, lange nicht fertig.
Björn Süfke: Alles klar, Dankeschön.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Diversity: Lasst uns Organisationen neu, offen und tolerant denken! Nachdem wir anfangs die Organisationsentwicklerin Marina Löwe und Ratepay-Gründerin Miriam Wohlfarth wiederholt vor dem Mirko hatten, um dich für Diversity zu sensibilisieren, diskutiert Joel mittlerweile regelmäßig mit Lunia Hara (Diconium) zu Themen rund um Leadership und Diversity. Dabei geht es den beiden explizit nicht um Mann oder Frau, sondern um die Schaffung von Empathie füreinander sowie ein ganzheitliches Bild und Verständnis für verschiedene Rollen und Perspektiven.