Blaupause für einen Börsengang am Beispiel Mister Spex
14. April 2022, mit Joel Kaczmarek
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Intro: Digital Kompakt. Heute aus dem Bereich Börse. Mit deinem Moderator Joel Kaczmarek und den Experten der Deutschen Börse. Los geht's.
Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek, ich bin der Geschäftsführer von Digital Kompakt und heute ist an meiner Seite wieder der liebe Peter Fricke von der Deutschen Börse, die uns ja fast von Stunde 1 an podcastseitig begleiten. Und Peter und ich haben ja immer Spaß daran, mal Börsenthemen von der Seitenlinie zu begleiten und zu fragen, wie ist das eigentlich, wie funktioniert das, wie fühlt sich das an, was bedeutet das, wenn ich dies, das, jenes mache. Und heute haben wir uns überlegt, wir machen mal wieder so einen Ritt aus dem Driver Seat heraus mit einer Firma, die ich schon extrem lange kenne, nämlich Mr. Spex. Ursprünglich gestartet als Online-Optiker, mittlerweile haben sie auch sehr hochwertige, schicke Läden. und mit den beiden Herren, die heute den lieben Peter und mich ergänzen, habe ich auch eine lange Historie. Ich erinnere mich noch gut, wie ich mit Dirk durch Berlin-Mitte gefahren bin in seinem Auto und er mir über seine Pläne erzählte und mit Mirko und nicht weniger. Alleine seine Frau hat meine damalige Firma gekauft mit Axel Springer, von daher Aber ich würde sagen, egal ob noch zu Metaversum-Zeiten oder jetzt zu Mr. Spex, hier sind jetzt mal heute vier Gentlemen, wo wir eine lange Historie haben. Und ich vertraue darauf, dass wir heute eine richtig coole Folge hinkriegen, weil wir vielleicht auch mal ein bisschen ein oder andere mehr erzählen, als man sonst so rauslässt. Aber natürlich achten wir immer auf all eure Shareholder-Aktivitäten, die ihr beachten müsst. So, that being said, lieber Peter, moin erstmal, schön, dass du da bist.
Peter Fricke: Hallo zusammen, freu mich, Joel.
Joel Kaczmarek: Du hast gar keine Brille, hast du dir schon mal hier eine Sonnenbrille bei Mr. Spex geklickert?
Peter Fricke: Ne, nur meine Kontaktlinsen.
Joel Kaczmarek: Ah, guck. Also habt ihr hier schon mal einen Kunden. Ich war Sonnenbrillenkunde und eher Kontaktlinsen. Und ja, Mirko und Dirk, auch schön, dass ihr beide da seid. Hallo erstmal.
Dirk Graber: Hallo Joel, hallo Peter.
Joel Kaczmarek: Hallo, hallo zusammen. Komm Dirk, wenn ich dir schon erzähle, dass wir damals durch Berlin-Mitte gefahren sind in deinem Auto. Ich bilde mir jetzt mal einen Golf. Kann das sein? Hast du einen Golf früher gehabt?
Dirk Graber: Ich hatte mal, ja, so einen Golf 4 war das, glaube ich, zum Start.
Joel Kaczmarek: Guck, Gedächtnis wie ein Elefant. Damals hast du mir von deinen Plänen erzählt. Erzähl doch mal heute von Mr. Spex, wo ihr steht, Geschäftsmodell, USP. Einfach mal so einen groben Ritt und dann tauchen wir mal ein.
Dirk Graber: Ja, also natürlich hat sich das über die letzten 14 Jahre mittlerweile echt wahnsinnig entwickelt und ich glaube sogar Mirko kann ein Tick besser sozusagen das alles erklären, weil Mirko ist ja bei uns sozusagen als Co-CEO für die ganzen Marktseite zuständig und ist sozusagen deutlich besser im Erklären des USPs.
Mirko Caspar: Ja gut, was wir tatsächlich herausgefunden haben, ist, dass zwei Drittel der Konsumenten, die Brille tragen in Europa, versuchen, den Kauf zu vermeiden, weil sie einfach keinen Spaß daran haben. Und dann haben wir geschaut, warum ist es so? Und vom Feedback der Konsumenten war es so, dass sie gesagt haben, sie sind in so einem Prozess, wo sie abhängig sind von einer Expertenmeinung, den sie auch nicht gut kontrollieren können. Und am Ende bekommen sie dann Produktvorschläge, die sie meistens auch nicht hundertprozentig verstehen, gerade was die Linsen angeht, also die Gläser. Und dann ist es im Endeffekt sehr häufig sehr teuer. Und unsere Idee war zu sagen, wir drehen das rum. Wir wollen dem Kunden und der Kundin alles geben, was sie brauchen an Informationen, an Tools, an Kanälen, an Sortiment etc. Und das ist eigentlich der Kern, dass wir gesagt haben, wir machen ein neues Kauferlebnis. shoppen für die Brille. Und das zweite war, dass wir gesagt haben, wir glauben, Omnichannel geht das am besten. Und da ist es tatsächlich so, dass sich Online und Offline sehr schön gegenseitig ergänzen, weil es ist ein sehr fragmentierter Markt. Und durch unsere Online-Präsenz waren wir sofort national unterwegs und konnten eine Marke aufbauen. Und das haben wir getan. Gleichzeitig, weil wir digital waren, haben wir wahnsinnig viel über die Kunden gelernt und deswegen waren wir irgendwann in der Lage zu sagen, mit der Kraft der Marke können wir in hochfrequente Standorte gehen und können, ohne dass wir zusätzlich Marketing ausgeben, noch weitere Neukunden akquirieren. Und weil wir ein total integriertes, datengetriebenes, technologisches Konzept haben vor Ort, gehen die dann mit einem Kundenkonto raus, wo alle Informationen drin sind, die es für die Kunden wahnsinnig einfach macht, wieder zu kaufen bei uns und für uns zu kaufen. uns es sehr, sehr einfach macht, sie dabei zu begleiten. Das sind vielleicht so die Themen. Ein neues Kaufverlebnis mit einem neuen Geschäftsmodell.
Dirk Graber: So, jetzt ist der Werbeblock vorbei. Jetzt geht es sozusagen nochmal dahin, wie sind wir hingekommen? Und ich glaube, Joel, du hattest es vorhin angesprochen, wir haben uns irgendwann mal in Berlin-Mitte getroffen. Das muss wahrscheinlich so 2008, 2009 gewesen sein. Und wir haben noch eine Series A Finanzierung, ich glaube, Dezember 2008 gemacht. Damals waren das 1,5 Millionen. Heute, das würde man nicht mal announcen, so eine Finanzierungsrunde, so klein war Und das waren noch andere Zeiten. Also ihr seht ja, wie alt dann Mr. Spex auch schon ist, mit 14 Jahren jetzt. Und wir haben uns dann sukzessive dahin entwickelt. Ich glaube, das Schöne bei uns war, dass wir sehr konsistent an dem Geschäftsmodell sozusagen gearbeitet haben, aber jetzt nie einen riesen Pivot machen mussten. Und wir haben dann natürlich diverse Finanzierungsrunden gemacht, von rein online, wie du sagtest zum Anfang, Joel, schon 2010 in unserer Series B-Runde immer gepitcht, wir würden gerne Läden machen. Aber kein VC hat in 2010 uns irgendwie geglaubt, dass Läden irgendeinen Wert schaffen. Und deswegen haben wir das ganze Asset Light gemacht, haben unser Partnermodell mit den unabhängigen Augenoptikern entwickelt und hochskaliert, gezeigt, dass es einen Wert gab in Omnichannel für die Brille und haben dann konsequent 2016 unseren ersten eigenen Laden gemacht. Und das war so ein bisschen unser Weg. Und nebenbei haben wir das Business auch noch internationalisiert. Aber ich glaube, so hat sich das Geschäftsmodell erst mal entwickelt. Und mit dem wir dann auch an die Börse gegangen sind. Das, glaube ich, wichtig war, einfach ein sehr solides Geschäftsmodell zu haben.
Joel Kaczmarek: Gut, also dann vielleicht auch mal ein paar Kennzahlen unterlegt, dass die Hörerinnen und Hörer auch mal ein Gefühl kriegen, wovon wir eigentlich reden. Ihr müsst mir gleich mal beim Umsatz helfen, weil ich glaube, euer Jahresfinanzbericht kommt ja erst Ende März raus und wir nehmen gerade Ende Februar auf, 2022. Aber mein letzter Stand war, dass ihr in den ersten drei Quartalen 2021 so knapp 50 Millionen Euro Umsatz gemacht habt. Und aktuelle Marktkapitalisierung von euch liegt bei 345 Millionen, bei einem Aktienpreis von 9,90 Euro. Kommen wir vielleicht später auch nochmal dazu. Ausgabepreis lag damals nämlich bei 25 Euro. So, that being said, das ist, wo ihr jetzt rein von den Kennzahlen her gerade steht. Und jetzt ist natürlich die spannende Frage mal zu erfahren von euch, mal mit auf die Reise genommen zu werden. Ab welchem Zeitpunkt habt ihr denn eigentlich für euch beschlossen, dass das Thema Börse, Börsengang für euch irgendwie Sinn macht? Weil es hätte ja aus eurer Ecke viele, viele Stoßrichtungen gegeben. Also man hätte irgendwie konsolidieren können. Vielmann war bestimmt am Anfang immer mal ein Kandidat, mit dem man als Strategen nachgedacht hat, der einen vielleicht mal kauft. Was war für euch denn so der Moment, wo ihr gesagt habt, Börse wird der Weg sein, den ihr für euch als den richtigen erachtet?
Dirk Graber: Also wir haben relativ früh, also ich würde mal sagen vor fünf, sechs Jahren gesehen, dass unser Geschäftsmodell eigentlich eine sehr gute Skalierbarkeit aufzeigt und auch jetzt mit der Retail-Komponente nochmal der adressierbare Markt deutlich größer wird. Und deshalb war für uns zumindest die Option, dass wir irgendwann mal über den Börsengang nachdenken, immer im Hinterkopf. Wir haben aber auch gesagt, naja, wenn wir ein IPO machen, müssen wir eine gewisse Größe erreichen, um auch interessant sozusagen als Unternehmen zu sein. Und hier, würde ich sagen, war es dann so, dass wir in 2020 eine sehr, sehr gute Entwicklung genommen haben, sowohl was Wachstum angeht, was Größe anging, aber auch Profitabilität. Und deswegen haben wir dann konkret in Q4 2020 entschieden, dass wir wirklich diesen Börsengang jetzt machen wollen und angefangen, daran zu arbeiten.
Mirko Caspar: Vielleicht ergänzend kann man auch sagen, wir hatten auf der einen Seite ein großes Interesse, dieses Modell, so wie es ist, weiter zu skalieren, weil wir das Potenzial in Europa sehen. Und wir wollten der Firma auch eine gewisse Unabhängigkeit erhalten, sowohl für uns beide im Leadership-Team als auch der gesamten Company. Und da erschien uns der Börsengang tatsächlich das Mittel. der Wahl zu sein, um sowohl die Funding-Leads zu füllen, als auch der Company die Unabhängigkeit zu geben, um weiter zu skalieren.
Joel Kaczmarek: Wenn ihr mal so die Haupt-3-Gründe aufmacht, also einer war jetzt irgendwie Unabhängigkeit, weiteres Wachstum. Gab es irgendwie noch andere Faktoren, wo ihr gesagt habt, okay, das Thema macht einfach am Kapitalmarkt aus diesen und jenen Gründen total viel Sinn?
Dirk Graber: Zum einen ist es so, dass wir sozusagen unabhängig bleiben wollten. Die Börse uns oder der IPO die Möglichkeit gegeben hat, sehr viel neues Geld für die Firma, für das Wachstum einzusammeln. Und auf der anderen Seite aber auch diesen Spagat mit den bestehenden Gesellschaften sozusagen zu lösen. Weil ich hatte ja gesagt, wir sind jetzt schon 14 Jahre unterwegs. Unsere erste Finanzierungsrunde war 2008 mit institutionellem Kapital. Damals haben Grazia und der Hightech-Gründerfonds investiert. Die wollen natürlich irgendwann auch mal die Möglichkeit haben, ihre Anteile zu verkaufen. Das kann man zwar immer über Secondaries machen, ist in der Regel aber meist nicht so attraktiv. Insofern kann jetzt jeder Gesellschafter aktionär entscheiden, wann er verkaufen möchte. Und das war, glaube ich, eine andere wichtige Komponente, sozusagen so ein bisschen diesen zeitlichen Aspekt der bestehenden Gesellschafter oder die zeitlichen unterschiedlichen Horizonte einfach uns davon unabhängig zu machen. Und ja, das waren, glaube ich, so die wesentlichen Komponenten. Aber ich glaube auch, dass das Thema Augenoptik am Kapitalmarkt sehr attraktiv ist, weil es eben relativ wenig Unternehmen gibt in diesem Segment, was in Summe sehr attraktiv ist für Investoren. Und das passt da sozusagen, glaube ich, so vom Angebot und Nachfrage sehr gut zusammen.
Peter Fricke: Einen Punkt, den wir immer wieder hören, der sozusagen da auch mit reinspielt, ist diese erhöhte Wahrnehmung. gegenüber Kunden, Mitarbeitern und auch Partnern? War das für euch ein entscheidender Punkt zu sagen, es hat nochmal diese Wahrnehmung am Markt nicht nur seitens Investoren und Stakeholdern erhöht, sondern wirklich auch Richtung Kunde und Mitarbeiter?
Mirko Caspar: Ja, ich glaube, tatsächlich war das weniger entscheidend für eine Entscheidung an die Börse zu gehen, sondern dann eher eine Entscheidung für Frankfurt. Weil wir natürlich in den deutschsprachigen Ländern unsere Kernmärkte haben und danach kommt dann Skandinavien. Und ich würde tatsächlich sagen, dass die Visibilität der Marke einen geringeren Ausschlag bei der Entscheidung für den IPO gegeben hat, aber bei der Entscheidung für Frankfurt durchaus einen ausschlaggebenden Faktor war.
Dirk Graber: Vielleicht noch eine Sache, was man aber schon gemerkt hat, dass innerhalb der Industrie, also Augenoptik, bei Lieferanten, bei Wettbewerbern schon die Wahrnehmung nochmal eine andere auch geworden ist. Zum einen ist man ein Tick transparenter natürlich für alle in der Branche, zum anderen aber, glaube ich, ist auch unser Ambitionslevel jetzt sehr klar unterlegt und das hat schon auch nochmal in der Visibilität geholfen.
Joel Kaczmarek: Wo Mirko eben angesprochen hat, den Faktor Frankfurt. Was waren denn sonst so eure Gründe, in Deutschland auf das Börsenpaket zu gehen und nicht zum Beispiel irgendwie an die Nasdaq oder nach London, Euronext? Also da hätte es ja noch Alternativen gegeben. Was waren denn eure Überlegungen dazu?
Dirk Graber: Also zum einen haben wir uns da angeschaut, was macht für uns am meisten Sinn? Und ich glaube, so Kriterien oder Gründe, warum wir Frankfurt gewählt haben, waren ganz klar, dass wir eine Tech-Driven Consumer Brand sind und jetzt unser Kernmarkt Deutschland und erweitert Europa ist. Und deshalb die Sichtbarkeit von Mr. Spex in Europa deutlich, deutlich größer ist, als jetzt an der Nasdaq das gewesen wäre. Und deshalb haben wir da auch viel mit Bankern darüber gesprochen, ob das aus Investorensicht einen Unterschied macht, ob wir jetzt in Frankfurt listen oder an der Nasdaq oder wo auch immer. Und dadurch, dass wir jetzt keine kurzfristigen Ambitionen Richtung USA hatten, war sehr klar für uns alle, dass wir uns auf unseren Kernmarkt und unsere Heimat sozusagen Deutschland fokussieren. Das war auch das einerliche Feedback. Insofern passte das sehr, sehr gut zusammen.
Joel Kaczmarek: Ich meine mich auch noch so dunkel zu erinnern, dass ihr doch auch Mitglied schon wart in diesem Deutsche Börse Venture Network, was die Deutsche Börse ja auch für Startups anbietet, wo man quasi so reinwächst, oder? Täusche ich mich?
Dirk Graber: Ja, das stimmt. Wir sind in allerersten Durchläufe von dem Deutsche Börse Venture Network Teilnehmer gewesen. und haben dort, ich glaube, so zwei Sachen gelernt oder mitbekommen. Das eine ist wirklich erstmal, wie funktioniert so ein Börsengang? Wie sieht der Prozess aus? Was sind die Anforderungen? Also eher so die inhaltlichen Themen. Und das hilft natürlich, wenn man das im Hinterkopf hat, was man so in seiner eigenen Firma aufbauen muss, wo man darauf achten sollte, dass man sich Sachen auch nicht verbaut letztendlich. Und das Zweite ist, dass wir schon früh mit dem einen oder anderen Experten mal sprechen konnten, sei es ein Jurist, sei es ein Banker, und sich sukzessive da ein gutes Netzwerk aufgebaut hat.
Joel Kaczmarek: Ich meine, Peter, magst du nicht sonst endlich mal so aus dem Nähkästchen plaudern, wie sieht denn eigentlich die andere Seite aus? Also, wenn so ein Mr. Spex bei euch aufschlägt und sagt, hier, die Neugierde wird größer, wir beschäftigen uns damit, auf was für Sachen guckt ihr denn immer und was hast du so für eine Erinnerung an diesen Mr. Spex-Prozess damals? Vielleicht
Peter Fricke: nochmal, um die Punkte aufzugreifen, die Dirk schon gerade ausgeführt hat, mit dem Venture Network sicherlich da und so eine Kernelemente, wirklich so die Unternehmen an den Kapitalmarkt heranzuführen, eine gewisse Kapitalmarktreife herzustellen oder sie zumindest zu befähigen, auf ein Level zu kommen, in dem dann ein Börsengang möglich wäre, das eben mit einem Netz erfolgt. jetzt gelistet sind, weitere in der Pipeline und was den Prozess angeht, ja, ist, glaube ich, früher. Kontakt hat sicherlich geholfen, um, sage ich mal, auch Verbindungen herzustellen, mit den Banken mal ein Pitch-Event zu machen oder auch, sage ich mal, so ein bisschen Banken-Roadshow anzubieten, das hilft sicherlich. und auf unserer Seite sozusagen eigentlich. zwei Phasen sind entscheidend, einmal diese Anbahnungsphase, eher eine Unterstützung, sich darauf vorzubereiten, Netzwerk auszubauen und dann sozusagen, wenn der Startschuss fällt, ist im Prinzip die reguläre Zulassungsphase, die dann losgeht und Dokumente eingereicht werden müssen. Erste Preisfeststellung muss festgelegt werden. Wie gestaltet man diesen ersten Börsentag? Also sozusagen da fängt dann die richtige Execution, wie wir es bei uns nennen, an, wo wir dann sehr eng mit den Unternehmen zusammenarbeiten auf den letzten Wochen und Monaten.
Joel Kaczmarek: Mirko, wenn du jetzt nochmal den Geist zurückwandern lässt, was waren denn so die größten Hürden und Herausforderungen in dieser Vorbereitungsphase? Also die meiste Arbeit ist ja auch so im Vorfeld von dem Börsengang. Wenn du da nochmal zu dich zurückerinnerst, was dir schlaflose Nächte bereitet hat, was war das?
Mirko Caspar: Also Ja, lass mal überlegen. Es sind sicherlich eine Mischung. Das eine waren, es gab ein paar ganz wichtige Entscheidungen. Also natürlich war das Erste, dass wir gesagt haben, wir wollen versuchen, vor dem Sommer noch durch das Fenster durchzurutschen. Das war goldrichtig. im Nachhinein, diese Entscheidung. Und das hat natürlich einen enormen Druck auf das Team aufgebaut, weil das sozusagen vom Arbeitsaufwand war das auch der erstmögliche Zeitpunkt. so ungefähr. Das heißt, wir haben enormen Druck uns selbst gemacht und aufgebaut, aber dem hat das komplette Team gut standgehalten. und dann gab es sicherlich so Entscheidungen, macht man einen Cornerstone, wo man sich schon auf einen Investor festlegt, dann auch auf eine Bewertung. Das ist schon keine einfache Entscheidung und die auch zu balancieren vom Timing. Ich glaube, das war schon eine sehr wichtige Phase. Und das andere war generell über sechs Monate einen enormen Arbeitsaufwand, den ich auch unterschätzt habe. Und ich kann es ehrlich sagen, einen enormen Arbeitsaufwand zu stemmen und parallel das Tagesgeschäft am Laufen zu halten. Also ich glaube, das wären so die Themen, die mir in Erinnerung geblieben sind. Aber ich weiß nicht, Dirk, wie du siehst.
Dirk Graber: Ich glaube auch, wir haben ja so eine Co-CEO-Struktur. Insofern war das, glaube ich, für diesen Prozess extrem hilfreich, dass Mirko sich eher auf das Daily Business konzentrieren konnte, auch wenn er im IPO-Prozess natürlich immer gefragt war für Roadshows, für Input. Und der Sebastian, unser CFO und ich eher den Prozess sozusagen machen konnten. Und das waren schon die wesentlichen Themen. Und natürlich die Auswahl der Partner, mit denen wir das gemacht haben. also der ganzen Dienstleister, auch parallel unserem Aufsichtsrat, unsere bestehenden Gesellschafter zu managen, deren Erwartungen, weil neben dem Prozess quasi die ganzen Investoren zu finden, hat man ja auch noch diesen, sagen wir mal, Gesellschaftsanpassungs- oder Umwandlungsprozess, der oft sozusagen mit so einem Börsengang einhergeht. Wenige Firmen, glaube ich, sind vorab schon eine AG oder SE. Die meisten Startups fangen mit einer GmbH-Struktur an und müssen das quasi nochmal anpassen. Das ist auch ein Prozess, den man auf der eigenen Shareholder-Seite noch managen muss und der nicht zu überschätzen ist aus meiner Sicht.
Mirko Caspar: Mir fällt gerade nur noch eins ein, weil wenn man das reflektiert, dann hört man Dirk sprechen. Also es gibt sicherlich noch einen Moment. Ich glaube, das waren die Early Looks, wo wir dann gesagt haben, okay, komm, wir können morgens früh anfangen, wir können abends spät weiter pitchen, wenn die Amis dazu kommen. Und dann hatten wir tatsächlich 36 Pitches in drei Tagen. Ich meine, wir waren danach echt ein bisschen gaga.
Joel Kaczmarek: Crazy. Aber spannender Punkt, den Dirk ja auch gerade ansprach, Dienstleister. Also man braucht ja auch irgendwie ein paar Leute, die einen dabei unterstützen. Anwalt, Bank, die Börse selber. Wie seid ihr denn da vorgegangen? Was waren so eure, also wahrscheinlich Netzwerk gefragt und sich von der Börse beraten lassen, würde ich mal tippen. Aber so Learnings, worauf habt ihr geachtet und was würdet ihr anderen weitergeben, was man in der Phase tun sollte?
Dirk Graber: Also ich würde sagen, mehrere Learnings. Das eine ist, wir alle im Management-Team hatten keine IPO-Erfahrung. Insofern, wir haben uns relativ schnell für so einen unabhängigen Advisor entschieden. Das war, glaube ich, für uns ein Goldwert, der uns quasi geholfen hat, so ein bisschen durch diesen Prozess zu navigieren, aber auch in den richtigen Stellen die richtigen, sage ich mal, Druckpunkte anzusetzen. Und da gibt es mehrere. Wir haben mit STJ gearbeitet, waren da sehr happy mit. Das zweite ist, dass wir gemerkt haben mit den Banken, Es ist eigentlich immer gut, wenn man die Beziehungen schon deutlich vorher aufbaut. Das heißt, dass man so eine Handvoll Banker hat, mit denen man sich sehr intensiv auseinandersetzt, auch was das eigene Geschäftsmodell angeht. Das Feedback sozusagen, was man kriegt von denen, vielleicht auch schon mal wiedergespiegelt von der Investorenseite. Was ist da relativ klar? Was wird positiv? Was wird negativ bewertet? Weil das hilft letztendlich nachher, um zu Diese ganze Alignment, um die Story sozusagen zu entwickeln, ist total wichtig. Und die Anwälte, die man braucht am Kapitalmarkt, mit denen hatten wir vorher nicht so viel zu tun. Da war es in der Tat so, dass wir auch immer wieder gute Referenzen uns eingeholt haben von einer Handvoll an CFOs oder CEOs oder Gründern, die schon an der Börse waren und die den Prozess einmal durchlaufen haben. Und wo ich immer dankbar war, dass ich die jederzeit anrufen konnte, im Prozess mal so off the record, um Feedback zu bekommen. Das war so ein bisschen der Set. Ich glaube, das Thema Banker, Anwälte, Und für uns noch Independent Advisor, das waren so die wesentlichen, die wir ganz zum Anfang im Dezember 2020 getroffen haben.
Peter Fricke: Noch ein Kommentar zu dem unabhängigen Advisor. Das ist ein Thema, was wir in den letzten drei, vier Jahren verstärkt sehen. Also dass vor allen Dingen Unternehmen sich aus dem Tech-Umfeld, Wachsunternehmen sich da jemanden zur Seite nehmen, weil man einfach sagen kann, gerade noch so hochskaliert und wachsend stark, da will man auch nicht von der Bremse runtergehen, weil man das ja auch braucht, diese Story dann für die Equity-Story einzubauen. Dass es sich etabliert hat, fast schon wirklich jemanden Unabhängigen da mit reinzunehmen, der vielleicht schon mehrere Börsengänge erfolgreich durchgeführt, um diese ganzen Kette der Prozesse der involvierenden Parteien so ein bisschen einem vielleicht nicht komplett von den Schultern nimmt, aber zumindest einem hilft, da durchzuführen. Wo es vielleicht mal eher etabliertere Unternehmen aus dem Mittelstand, dann häufig sieht man, dass dann vor so einem Börsengang vielleicht das CFO ausgetauscht wird. Da jemand reinkommt mit ein paar Jahren Erfahrung, ist auch häufig eine Indikation, dass da Sachen vorbereitet werden. Aber das sehen wir zumindest bei den unterschiedlichen Unternehmen, dass das so die beiden Wege sind.
Dirk Graber: Und vielleicht noch ein ergänzender Kommentar. Also wir haben ja trotz der Größe von unserem IPO mit relativ vielen Banken gearbeitet. Also wir hatten in Summe dann fünf Banken bei uns, die Research gemacht haben. Und das muss man a. managen, aber es hat auch geholfen letztendlich, weil es eine gewisse Peer-Pressure aufgebaut hat, gut abzuliefern in bestimmten Dimensionen. Und das würde ich auf jeden Fall auch wieder so machen.
Joel Kaczmarek: Und wenn ihr jetzt mal so die Gefühlswelt beschreibt, also ihr habt ja schon gesagt, drei Tage gepitcht, 36 Investoren da vor der Nase gehabt, Roadshow, alles was dazu gehört. Beschreibt vielleicht mal, wie sahen so diese zwei, drei Wochen, in denen ihr da quasi Börsengang-Vorbereitung getrieben habt, für euch aus? Wie sah euer Lebensalltag aus? Habt ihr eure Familie überhaupt noch gesehen?
Dirk Graber: Gute Frage, ja. Also vielleicht eine Erkenntnis, wir haben ja den Börsengang komplett aus dem Homeoffice gemacht. Also wir haben weder einen Banker noch einen Anwalt noch einen Investor in diesen sechs Monaten jemals in Person gesehen. Das war quasi der harte Lockdown von Dezember bis Mitte 2021. Also das wurde dann im April, Mai wurde es ja wieder etwas entspannter, aber der komplette Prozess aus dem Homeoffice. Insofern hat das, glaube ich, sehr viel Reisezeit ausgenommen. Auf der anderen Seite, wenn man alles virtuell macht, das merken wir ja auch in den sonstigen Themen, die wir so haben, ist natürlich, sagen wir so, Kreativ-Workshops beziehungsweise Storytelling-Sachen zu entwickeln, rein virtuell, deutlich zeitintensiver, als wenn man das in Person macht. Insofern war es so eine Mixed-Erfahrung, aber es geht komplett aus dem Homeoffice. Und vielleicht so, was der Alltag angeht, naja, es gibt so gewisse Meilensteine, auf die man immer wieder hinarbeitet, auch in diesem Prozess von sechs Monaten. Der eine ist sicherlich diese Early-Look-Meetings, die Mirko angesprochen hat. 36 Investoren in drei Tagen, um das zu machen. braucht man natürlich erstmal eine Story, die wir erzählen. Und die sozusagen zu entwickeln, ist natürlich der Content. Aber die Zahlen müssen grob auch sozusagen in die Richtung gehen. Also jetzt Zahlenmaterial aufzubereiten. Insofern ist es eine Mischung gewesen aus viel Projektmanagement von innen und externen Ressourcen. Immer auch sozusagen Zeit zum Reflektieren zu haben, ob das jetzt die Story oder die Schwerpunkte, die wir gelegt haben, die richtigen sind. Und dann gab es eben diese, sagen wir mal, sehr fokussierten Meetings. Das eine war im Februar, Mirko, diese ersten Meetings. Dann hatten wir immer mal so interimistisch weitere Meetings. Großer nächster Block war die Analystenpräsentation. Das war quasi im April für uns. Und ganz zum Schluss gibt es nochmal ganz intensiv dann die Roadshow, wo man zehn Tage grob unterwegs ist und diese ganzen Meetings macht. Das waren schon sehr arbeitsintensive Monate. Also das kann man auch nicht dauerhaft so ableisten. Also da ist dann auch ein gewisser Druck irgendwann am 2. Juli abgefallen, als wir dann an der Börse waren.
Joel Kaczmarek: Wie war das so für dich, Mirko? Also du nix zustimmend bei dem, was Dirk so erzählt. Gerade die Analystenthemen, die sind ja super wichtig, weil die dann aufs Pricing auch irgendwie einfeuern. Wie ging es dir damit so?
Mirko Caspar: Naja, also ich kann ja noch ein, zwei Anekdoten da beisteuern. Tatsächlich ist ja dann so eine Analyst-Presentation, ich glaube vier, fünf Stunden oder was weiß ich, haben wir da gepitcht. Das war so erstmal schon sehr umfangreiches Material, was erstellt werden musste. Und danach haben die Analysten irgendwann ja ihre Papers. Wir wollten dann mal so ein, zwei Tage Ruhe haben an einem Wochenende. Und dann hatte ich vorhin auch gefragt, wie lange ist denn eigentlich so ein Analyst-Review dann? Also wenn die Analysten uns bewerten. Ich hatte so auf 50 Seiten oder sowas gehofft. Und ich glaube, dann kamen dann fünfmal 120 oder so, was die dann schnell durchgearbeitet werden mussten. So nach dem Motto. Oder zumindest worauf wir reagieren mussten, damit wir da vorbereitet sind. Und das ist mir noch in Erinnerung. Und dann ist es sicherlich so nachher, wie heißt es so schön, the plot thickens. Neben den ganzen Pitches kommt ja dann auch die Koordination mit dem Aufsichtsrat, dass man sich da irgendwie einigt vom Pricing. Und da ist dann neben dem einfach verkaufen, das ist ein fantastisches langfristiges Investment. Auf der anderen Seite die Taktik, wie kriegt man jetzt eine vernünftige Preispositionierung hin, Und dann sind natürlich immer noch ein paar prozedurale Themen offen. Und diese Stränge dann zusammenzubringen, dass alles dann zusammengreift, das wird dann schon sehr dicht, ist dann aber auch wahnsinnig aufregend und spannend. Genau, und der Druckabfall ist schon enorm. Und vielleicht noch eine Ergänzung. Wir waren ja dann Gott sei Dank eine von denen, die dann zur Börse gehen konnten, live. Während der ganze Prozess virtuell war, waren wir dann die Ersten. Wir hatten ja noch lange verhandelt, dürfen wir jetzt mit zehn Leuten rein oder mit zwölf. Und dann konnte unser gesamtes Management-Team mitkommen. Und das hat schon nochmal einen Unterschied gemacht. Dann irgendwie vor dem Gebäude und dann hingen da die Fahnen. Mr. Spex listet, das war schon ein super Moment, ja.
Joel Kaczmarek: Geil. Es ist eigentlich so, dass dann da jemand auch trainiert, also habt ihr dann eine PR-Agentur oder sowas und ihr müsst dann so, wie man das bei Anwälten irgendwie mal kennt, wenn die so Plädoyers üben, quasi fiktive Fragen beantworten, dann sagen die, nein Mirko, wenn die dich auf Retourenreporten ansprechen, dann sagst du das. Nein Dirk, guck nicht so böse.
Mirko Caspar: Absolut. Wir hatten FGH nochmal als Corporate Communication Agentur, wobei die eher die externe Kommunikation gemacht hat. Die haben uns auf die Interviews vorbereitet, Medientraining etc. Und das Pitch-Training für die Analysten und die Investoren und so, die haben wir im Wesentlichen mit unseren Banken zusammen gemacht. Aber dadurch, dass du natürlich auch viele Banken hattest, wie du schon gesagt hast, also du hast ja irgendwie deinen ersten Pitch-Versuch geleistet und da kommt irgendwie so aus fünf unterschiedlichsten Quellen das Feedback, was du dann verarbeiten kannst. Aber die Du läufst das dann schon mehrere Male als Dry Run durch.
Joel Kaczmarek: Ist ja wahrscheinlich auch undankbar. Also die Realität muss ja nicht immer was mit der Wahrnehmung der Leute zu tun haben. Und gerade wenn du dann eher konservative Anleger hast, ist es wahrscheinlich auch gar nicht so einfach. Aber gut.
Dirk Graber: Es ist auch ein großer Unterschied, ob du jetzt den deutschen Fondsmanager triffst oder so einen amerikanischen wachstumsorientierten Kollegen. Es ist ja so, du hast in der Regel eher Generalisten auf der Investorenseite, wenn du so ein Small-Mid-Cap-Unternehmen bist. Also das heißt, die haben immer Fonds, die investieren dann über sehr viele verschiedene Industrien hinweg. Und du hast ganz unterschiedliche, sagen wir mal, Aufsatzpunkte in der Kommunikation mit den Investoren. Dem einen musst du das Geschäftsmodell von Grund auf erstmal erklären. Der andere ist jetzt schon mal bei, ich sage jetzt mal, einem Vielmann oder einem SELO Luxottica investiert gewesen, kennt die Industrie. kennst sozusagen die Sweetspots von dieser Industrie und da hast du eine ganz andere Diskussion und das musst du innerhalb dieser 36 Meetings in drei Tagen auch immer wieder hinkriegen.
Joel Kaczmarek: Sag mal Peter, die Jungs haben ja gerade erzählt, dass sie sehr viel remote gemacht haben und die Welt wurde ja so ein Stück weit zwangsdigitalisiert. Ist es in der Börsenwelt auch so, dass wenn jetzt zukünftig Leute einen Börsengang machen, dass die vielleicht die ganze Equity-Story kreativ in einem Raum bauen, aber die ganzen Meetings, die sie mit Investoren haben, dass sie dafür nicht mehr nach New York und nach London fliegen, sondern das vielleicht remote machen? Hat sich da was geändert?
Peter Fricke: Auf jeden Fall. Also das zeichnet sich definitiv ab oder hat sich jetzt in den letzten Jahren erfolgreich bewährt. Mein letztes Jahr war ja eines der erfolgreichsten IPO-Jahre seit über 20 Jahren. Und auch dort hat ein Großteil der Kommunikation, Abstimmung komplett remote stattgefunden. Es wurden ja auch sogar Sonderregeln eingeführt, dass jährliche Analystenkonferenzen verpflichtend sind, dass die auch oder Hauptversammlungen digital abgehalten werden dürfen. Und ich vermute mal, dass sich das auch für die Zukunft durchsetzen wird.
Joel Kaczmarek: Gut, so und wenn wir jetzt nochmal den ganzen Prozess uns angucken, rückblickend, von irgendwie wirklich erste Idee über Daten hinlegen, über Investoren pitchen, Analysten bespaßen und, und, und, und. Was waren eure größten Learnings, die den gesamten Prozess betreffen, sowohl positiv als auch negativ?
Dirk Graber: Ja, das ist eine gute Frage. Also ich würde sagen, ich habe bei uns in der Firma schon auch gemerkt, dass so ein Prozess zwar sehr arbeitsintensiv ist, aber sehr viel positive Energie kreieren kann. Also wenn du so ein sehr klares Ziel hast, darauf hinzuarbeiten. Aber auf der anderen Seite gab es auch immer wieder Aufs und Abs. Ich glaube, sechs, sieben Wochen vor unserem Börsengang war gerade an der Börse so ein sehr hohes Volatilitätsfenster und es mussten zwei, drei, vier Börsengänge abgesagt werden. Und ich glaube, das war so ein bisschen meine größte Angst, dass wir auf Sachen, die wir nicht beeinflussen können, und ich würde sagen, Beim IPO, da hast du so ein 20% Restrisiko, was du nicht managen kannst, was dich treffen kann. Und wenn du so sehr viel Momentum aufgebaut hast und das dann irgendwie nicht funktioniert, aber eigentlich nicht an dir als Firma liegt, dann ist das, glaube ich, schon etwas, was echt viel Energie saugen kann nachher auch. Das habe ich gelernt. Das hätte ich zum Anfang gar nicht so klar gesehen, aber das ist mir dann so aufgefallen. acht, neun Wochen vor dem eigentlichen Börsengang nochmal bewusst geworden. Und das andere ist, ich glaube, wir hatten ein Setup, dafür bin ich auch sehr dankbar, mit den Beratern, was ein sehr, sagen wir mal, angenehmes, positives Arbeitsumfeld ist, ja. Und ich glaube, das ist wichtig, weil du gehst durch so viel Zeit zusammen, dass das funktioniert. Und auch von den Investoren gibt es natürlich so ein Achterbahn-Feedback. Zum Anfang alle super, weil die wollen natürlich immer überall dabei sein, erstmal so einen Fuß in der Tür haben. Wenn es dann hart auf hart kommt, natürlich investieren da nicht alle oder schreiben überall ein Ticket. Und da seine eigene, sage ich mal, Psyche ein bisschen zu managen und dann nicht sofort im Boden zu versinken, wenn du jetzt eine Absage von irgendeinem großen Investor bekommst. Das kennt man so ein bisschen aus Private Rounds, aber im Börsengang ist das Momentum, glaube ich, noch mal mehr relevant, fokussiert auf ganz wenige Tage nachher im Orderbuch im Vergleich zu einer Private Sache. Das sind so meine Learnings, glaube ich. Aber Mirko, gerne noch mehr von dir.
Mirko Caspar: Ja, also vielleicht einen Blick nach innen nochmal. Es war wirklich Wahnsinn, was auch unser internes Team dann abgeleistet hat. Ich habe nicht gedacht, dass es so viel Arbeit ist und gerade Legal und Finance, aber eben nicht nur die, sondern auch das gesamte Team, was natürlich versucht hat, den Laden im Laufen zu lassen. Da wächst so eine Organisation über sich hinaus. Das ist wirklich toll zu sehen. Das Zweite, das kann ich nur nochmal paraphrasieren, was Dirk gesagt hat, einfach die richtigen Partner. Wenn man die richtigen Partner hat, dann geht man eben mit denen entsprechend. Reichwörtlich durch dick und dünn. Und das ist immer noch echt ein guter Prozess und eine positive Stimmung, egal wie schlecht es läuft, mal wenn man ein Downer ist. Und das hatten wir, glaube ich, auch, auch die externen Partner. Es war wirklich eine tolle Zusammenarbeit. Und dann, glaube ich, tatsächlich sich in den Riesenkreis. wichtigen Momenten Zeit nehmen für die wichtigen Entscheidungen. Ich glaube, das haben wir auch immer gemacht. Für welche Investoren entscheiden wir uns gegen? Welche Strategien nehmen wir jetzt beim Pricing? Wofür entscheiden wir uns dann? Wie machen wir das letzten Endes? Und sich da dann die Zeit zu nehmen und sich genug zu beraten intern mit den richtigen Leuten. Ich glaube, das sind die drei Dinge, die ich so mitnehmen würde.
Dirk Graber: Ich glaube, wir hatten ein ganz gutes Bauchgefühl bei dem einen oder anderen Thema und das hat uns nicht im Stich gelassen.
Joel Kaczmarek: Habt ihr Fehler gemacht an irgendeiner Stelle, wo ihr sagt, wenn ich es nochmal machen würde, das würde ich anders machen?
Dirk Graber: Bestimmt haben wir auch Fehler gemacht.
Joel Kaczmarek: Aber keiner, der dir so präsent geblieben ist, dass es dich heute noch erwurmt?
Mirko Caspar: Also ich sag mal, ich glaube nicht, das sagst du, aber ich glaube tatsächlich gerade in dem Prozess, ich hatte es ja vorhin schon mal gesagt, das Window war für uns gar nicht so groß, weil wir brauchten noch Zeit, uns vorzubereiten und wir wollten vor dem Sommer raus und wir haben im November gesagt, ich glaube, also du hast ja da noch gesagt, Dirk, irgendwie, nee, wir machen es nicht im Herbst, wir machen es am 2. Juli und dann sind wir ja am 2. Juli, ich meine, das haben wir im November gesagt und so eine Punktlandung da zu machen, natürlich gab es immer Setbacks und mal eine Fehlentscheidung, ob wir jetzt einen Equity-Spin, den wir danach dann angepasst haben oder, oder, oder, aber ich glaube, in den großen Ganzen haben wir entweder schnell korrigiert oder haben uns durch diese Reflexion mit den richtigen Partnern dann einfach an den wichtigen Abbiegungen immer richtig entschieden. Deswegen würde ich sagen, da ist ganz wenig hängen geblieben, wo ich gar nicht so sage, oh, da ärgere ich mich heute. Oder Dirk?
Dirk Graber: Nee, bin ja bei dir.
Joel Kaczmarek: Jetzt muss man ja ehrlicherweise dazu sagen, die Börse arbeitet mit mir zusammen. Wir sind auch wirtschaftliche Partner. und trotzdem, ihr habt jetzt die volle Freiheit auch mal zu sagen, würdet ihr das auch anderen Unternehmen empfehlen, einen Börsengang zu machen? oder unter welchen Prämissen? Also wahrscheinlich nicht jedem. Die Kollegen aus Frankfurt sagen natürlich immer, das ist super toll, verstehe ich auch, ist ja auch ihr Deli-During, haben sie auch recht in den meisten Fällen, aber in welchen Fällen vielleicht nicht. Also wann würdet ihr das empfehlen, wann nicht?
Dirk Graber: Gute Frage. Also ich glaube oder ich bin überzeugt, dass man eine gewisse Reife haben muss als Unternehmen. Im Sinne von Geschäftsmodell etabliert, auch das Team sozusagen so gut aufgebaut, dass man den IPO machen kann. Also wir hatten beispielsweise den Sebastian, unseren CFO, im Sommer 2020 dazu geholt, schon mit dem Hintergedanken, einen IPO machen zu wollen. Und ich glaube, was natürlich schon der Fall ist, dass am Public Market nachher die Transparenz deutlich größer ist. Und das heißt, da geht es jetzt nicht nur um Professionalisierung, sondern geht es dann darum auch, was will ich in den nächsten zwei, drei, vier Jahren mit meinem Unternehmen erreichen und worauf fokussiere ich mich denn? Und ist das kompatibel für die Börse? Und ich glaube, nicht jede Story ist zu jedem Zeitpunkt kompatibel mit Public-Market-Investoren. Zumindest meine Wahrnehmung aus den letzten Monaten. Und daher aber, ich glaube Wenn das Ziel ist, letztendlich neues Geld einzusammeln und man sich bewusst ist, womit man sich sozusagen am Public Market nachher auch beschäftigen muss und man diese Entscheidung reflektiert treffen kann, ich glaube, dann ist das schon auch für viele Unternehmen was. Wir haben natürlich in Deutschland schon noch einen Anlegerseitig, einen Markt, der sich hoffentlich im nächsten Jahr noch weiterentwickelt. Wir hatten nach dem neuen Markt erstmal eine sehr lange Trockenzeit. Das ist jetzt, glaube ich, schon deutlich, deutlich besser geworden. Und auch vom Mindset her. Und deshalb, glaube ich, öffnet sich die Option Börse für immer mehr Unternehmen in Deutschland.
Peter Fricke: Im letzten Punkt kann ich nur zustimmen. Also wenn Sie uns die Bandbreite der Unternehmen anschauen, die in den letzten zwei, drei Jahren an die Börse gekommen sind, war das wirklich eine enorme Tiefe von Tech-Unternehmen, Mittelständlern, Spin-offs, Carve-outs, auch Specs der letztes Jahr, aber auch größere etablierte Unternehmen. Das ist wirklich eine sehr gute Bandbreite. gerade gesagt, das ist ein wirtschaftliches Interesse. Ich glaube, man muss es so verstehen oder so verstehen wir es auch. Das Produkt, was wir anbieten, ist im Prinzip der Börsengang. Also wie ein Unternehmen Dienstleistungen anbieten, bieten wir dieses Produkt an und wir sehen es als unsere Aufgabe, Unternehmen in die Lage zu versetzen, dass sie die Entscheidung, ob dieses Produkt für ihre individuelle Position das richtige Produkt ist. Das ist sozusagen, was ich mir selber als Anspruch setze. Ob das für das individuelle Unternehmen dann der richtige Weg ist, das müssen sie selber entscheiden. Also das war ich nur mal zur Klarstellung zu sagen, dass wir uns natürlich freuen über Börsenkandidaten und natürlich the more the merrier, aber am Ende ist es nur ein Angebot, was wir schaffen, den Zugang zum Kapitalmarkt, das ist unser Produkt und es muss dann für das Unternehmen passen, ob dieses Produkt in der aktuellen Reifephase, Entwicklungsstufe auch zum Unternehmen passt und zu dem, was sie damit erreichen wollen.
Joel Kaczmarek: Bin ja auch nur so ein kleines ironisches Medienstück hier, was immer unabhängig wirken will, ne? Von daher. Gut, ihr beiden. Aber vielleicht so nach hinten raus nochmal. Vorher-Nachher-Blick. Wie hat sich eure Lebenswelt zu früher verändert? Ihr müsst jetzt wahrscheinlich zehnmal mehr aufpassen, was ihr in Gesprächen mit so Hanseln wie mir erzählt und sagt. Ihr seid mehr unter der Lupe der Öffentlichkeit. Zahlen und so weiter spielen eine größere Rolle, klar. Aber wie fühlt es sich für euch an? Was sagt ihr, ist heute anders als früher?
Mirko Caspar: Ich glaube, die Punkte, die du genannt hast, sind natürlich so. Ein bisschen weniger Transparenz sowohl in der Kommunikation an alle Mitarbeiter. Wir waren ja sehr, sehr transparent mit unseren Zahlen. Wir sind ja über 1000 Mann. Das haben wir nicht mehr in dem gleichen Ausmaß. Das können wir gar nicht mehr wieder nach innen. Und natürlich hast du nach außen eben auch deine Veröffentlichungspflichten, die gewissen Regularien entsprechen, an die du dich halten musst. Also erstmal sozusagen musst du darauf aufpassen. Das Zweite ist, du musst es ein bisschen planen. Das sind schon ein paar Zusatzaufnahmen. Natürlich, die Berichtspflichten sind auch nochmal ab und zu vom Aufwand. Das, was Dirk am Anfang gemeint hat, auch wenn das nicht unser originäres Ziel war vom Image, ist es schon, dass ein börsennotiertes Unternehmen, zumindest in Deutschland, habe ich den Eindruck, nochmal einen anderen Status zugesprochen bekommt. Und ich glaube, dass meine ich, schon zu spüren, sowohl was die Mitarbeiter angeht, denen das auch was bedeutet hat, ja, und als auch in den Gesprächen mit externen Partnern oder den Medien. Es macht einen Unterschied und den muss man teilweise eben auch managen. Ich weiß nicht, wie du siehst.
Dirk Graber: Nee, ich glaube, du hast die relevanten Punkte angesprochen. Ich glaube, das ist natürlich so als Vorstand von einer börsennotierten AG, dieser oder SE, der Prozess selbst, aber auch danach, so ein persönlicher Lernpfad, den man durchschreitet, ja. Und wo man auch sagen muss, das muss man auch wollen, glaube ich. Und ich zumindest selber habe zum einen inhaltlich, aber auch sozusagen, was diese ganzen Themen, die Mirko gerade angesprochen hat, in den letzten zwölf Monaten eine Menge gelernt.
Joel Kaczmarek: Sag mal, wie ist denn das Thema der, sagen wir mal, Mental Health, ne? psychische Hygiene, weil Dirk, du hast ja vorhin erzählt, wenn Investoren mal abspringen, dann muss man sich gleich auch mal mit sich selber beschäftigen, dass man halt auch irgendwie weiß, dass es nichts Persönliches ist. Das ist ja bei so einem Kursus auch nochmal krasser. Also ihr seid mit irgendwie 25 Euro an die Börse gegangen, lauft jetzt gerade auf 9,90 Euro, also mehr als halbiert. Das kann einen ja auch emotional echt runterziehen, wenn die Börse die eigenen Hypothesen, an die man total glaubt, nicht irgendwie teilt. Und das muss ja gar nicht sein, dass die falsch sind, sondern am Ende des Tages ist ja eine Börse auch ein sehr empfindliches Umfeld, sage ich mal, um über sowas nachzudenken. Wie geht ihr damit um? Wie schaut ihr euch das im Nachhinein an?
Dirk Graber: Das ist ein sehr valider Punkt, Joel, glaube ich. Man muss es irgendwie schaffen, dass der Aktienkurs nicht seine tägliche Stimmung irgendwie widerspiegelt, dass man das sehr gut abkoppeln kann. Auf der anderen Seite ist, glaube ich, das Feedback von Investoren schon sehr relevant. Aber ich glaube, das ist die kurzfristige Kursentwicklung nur in seltenen Fällen, was mit der langfristigen Strategie und Umsetzung innerhalb des Unternehmens zu tun hat. Also ja, natürlich hätten wir uns eine andere Entwicklung des Kurses erhofft in den Monaten nach dem Börsengang. Aber wenn man sich halt den Gesamtmarkt anschaut, gerade was so Consumer Driven Businesses angeht, da sind viele sozusagen mit deutlich zweistelligen Korrekturen seit Mitte oder Ende letzten Jahres zumindest unterwegs. Und das ist natürlich nochmal ein Aufwand, den wir dann auch Richtung Mitarbeiter haben in der Kommunikation, weil es natürlich auch eine gewisse Verunsicherung zum Teil mit sich bringt. Als Private Company hat man irgendwie so alle ein, zwei Jahre ein Funding Event. Manchmal auch öfter, wo man eine Bewertung festlegt. Und bei uns war es immer so, dass die Bewertung sich relativ linear oder beziehungsweise gut korreliert zu unserer Unternehmensentwicklung entwickelt hat. in den Private Funding Rats. Auf der Public-Seite, würde ich sagen, ist das schon nicht mehr ganz so gegeben aus unserer Sicht. Und das ist natürlich immer sehr stark zukunftsorientiert und Momentum basiert gewesen. wie sich dein Aktienkurs irgendwie entwickelt. Also ich glaube, da ist die Kunst, das wirklich so ein bisschen in der Kurzfristdenke auf jeden Fall aus seinem Kopf rauszubekommen.
Mirko Caspar: Ich glaube, wenn es jetzt ganz hoch hebt, Mental Health, hast du gesagt, individuelles Wohlbefinden. Ich glaube, da ist schon wichtig, dass man das innere Spiel spielt. Und das heißt jetzt nicht, dass uns der Aktienkurs egal wäre. Aber wichtig ist, dass wir die Company strategisch, mittel- und langfristig auf den richtigen Pfad setzen beziehungsweise so weiter steuern, Natürlich nimmt man da das Feedback der Investoren auf. Das ist eine inhaltliche Auseinandersetzung und eine Diskussion. Aber das sozusagen sich zu fokussieren, die Kampagne bestmöglich zu führen, das ist, glaube ich, das Kernaugenmerk. Und bei mir ist es auf jeden Fall so, wenn ich halt irgendwie merke, im täglichen Geschäft läuft irgendwas nicht so, wie wir es für richtig halten, das wurmt mich mehr, als wenn der Aktienkurs eine Schwankung macht. das heißt aber jetzt nicht eine Verantwortungslosigkeit gegenüber dem Restaurant, sondern ich glaube sozusagen, die Verantwortung muss sein, das Ding richtig nach vorne zu steuern. Und ich glaube, das ist das, wo das Herzblut hängt.
Joel Kaczmarek: Sehr gut. Wir haben ja früher mal gesagt bekommen, als wir noch angefangen haben, das ist ein Marathon, kein Sprint, glaube ich. Von daher gilt das ja auch weiterhin. Und ich danke euch beiden ganz herzlich, dass ihr Peter und mich mal mit unter die Haube genommen habt. Also Peter erlebt das ja tagtäglich, aber so einer wie ich ja nicht. Wie es jetzt eigentlich so anfühlt, dieser Ritt? Also mal so eine Inperspektive auf so einen Börsengang hat man ja auch nicht aller Tage. Und Kann man wahrscheinlich auch noch seinen Kindern erzählen, oder?
Mirko Caspar: Wahrscheinlich ja. Also die haben es auch ein bisschen mitbekommen, wenn wir abends saßen und geplitscht haben und konnten nicht zum Abendessen.
Dirk Graber: So ist es.
Joel Kaczmarek: Na gut, ihr beiden. Hey, dann drücken wir euch weiterhin feste die Daumen und danken euch ganz herzlich für eure Zeit und all euer Wissen. Macht's gut. Absolut. Vielen Dank. Vielen, vielen Dank.
Outro: Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. Und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Börsengänge: Unsicher auf dem Börsenparkett? Nicht mit uns! Gemeinsam mit unterschiedlichen Expert:innen der Deutschen Börse spricht Joel regelmäßig über alles rund um die Themen Börse, Börsengang und späte Finanzierungsphase (pre IPO).