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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Road-to-IPO-Podcast von digitalkompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute nehmen wir den Titel unseres Formats mal ganz, ganz wörtlich, denn wir schreiben quasi das Drehbuch für einen Gang an die Börse. Das heißt, ich habe mit der guten Renata, die kennen wir ja schon. Hallo Renata, guten Morgen.
Renata Bandov: Hallo Joel, guten Morgen.
Joel Kaczmarek: Zu dir gleich mehr. Wir haben ja schon mal gesprochen mit Delivery Hero, am Live-Beispiel sozusagen, wie Börsengänge funktionieren und wie sich das so anfühlt aus der Erleberperspektive. Und dann habe ich so ganz viele Fragen zum Thema Prospecting gestellt. Was passiert da eigentlich? Und dann sind wir so ganz im Privatgespräch ganz viele Themen durchgegangen von irgendwie, ja, wie pitcht man das? Wie macht man Bookbuilding? Was ist eigentlich eine Roadshow? Und haben so überlegt, okay, Das sollte man eigentlich mal als Drehbuch alles zu Audiospur bringen, zu MP3, nicht zu Papier. Und wen könnte man denn da fragen? So, jetzt fangen wir erstmal mit dir an, lieber Renata. Sag doch nochmal ganz kurz, was du gemacht hast oder bisher und was deine Rolle eigentlich ist bei der Deutschen Börse.
Renata Bandov: Ja, vielen Dank, lieber Joel. Ich freue mich auch diesmal dabei zu sein und das Thema Börse attraktiver zu machen für das Publikum und insgesamt da ein Stückchen mehr Öffentlichkeit für zu schaffen. Mein Aufgabenbereich bei der Börse ist letztendlich, die Unternehmen zu unterstützen, wenn sie sich entscheiden, an die Börse zu gehen, sie zu betreuen vor, während und nach dem Börsengang. Das heißt, wir haben verschiedene Initiativen und Maßnahmen, mit denen wir das tun, sind aber auch verantwortlich für die regulatorischen Themen. Also sprich, ein Unternehmen, was an die Börse will, muss verschiedene regulatorische Anforderungen erfüllen und muss diese dann auch, wenn es dann mal gelistet ist, weiterhin liefern. Wir überwachen das Ganze und betreuen die Unternehmen dabei.
Joel Kaczmarek: Hervorragend. Also genau dein Hometurf sozusagen. Also eigentlich erzählst du ganz viel aus deinem Alltag, was wir gleich hier besprechen. Und ich darf ja mal so den geneigten Zuhörer, der ja nichts sieht hier von dem, was wir tun, mal beschreiben. Wir sitzen hier in so einem super tollen Hochhaus im 11. Stock. Ich schaue über ganz Hessen gefühlt. Also euch muss man eigentlich mal besucht haben, muss man mal erlebt haben, die Börse. Bevor man so einen Börsengang macht, mal herfahren, sich das angucken. So, aber wie schon angedroht, braucht man natürlich gewisse Expertisen, wenn man einen Börsengang machen möchte. Das eine ist, glaube ich, so im Bereich Banking. Das andere ist naheliegenderweise im Bereich Legal, also Anwälte. Und da haben wir zwei ganz spannende Vertreter hier auch. Mit der einen Kanzlei habe ich schon mal gearbeitet, deswegen fangen wir mit dir mal an, lieber Andreas, von CMS Hasche-Siegle, euer Berlin-Headquarter. Mit dem Jörg Zätsch habe ich ja schon einiges gemacht. Sag doch mal ganz kurz, was ist CMS Hasche-Siegle, was machst du, was ist dein Aufgabengeld?
Jörg Zätsch: Ja, guten Morgen, Joel, zunächst. Ich bin Rechtsanwalt und Partner bei CMS Hasche-Siegle, leite das Kapitalmarktdezernat, beschäftige mich also mit der Beratung von Unternehmen und Banken bei Kapitalmarkttransaktionen, insbesondere eben bei IPOs.
Joel Kaczmarek: Spannend. Wie lange machst du das schon?
Jörg Zätsch: Also Anwalt bin ich jetzt schon fast 30 Jahre und Börsengänge mache ich seit Zeiten des neuen Marktes, so 98, 20 Jahre.
Joel Kaczmarek: Okay, dann werde ich dich nach unserem Podcast mal ein paar guten Anwaltswitzen fragen. Das mache ich immer, wenn ich mit Anwälten zu tun habe.
Stefan Ries: Das ist das Gute.
Joel Kaczmarek: Noch ein kleiner Snick-Preview. Wenn du mit Unternehmen zu tun hast, die sich mit der Börse auseinandersetzen, also mit dem Börsengang natürlich, was sind das so für Unternehmen typischerweise? Wie alt sind die? Was für Umsatzgrößen siehst du da? Hast du da schon mal so einen kleinen Voreinblick?
Jörg Zätsch: Ist bei uns ganz unterschiedlich. Wir beraten eigentlich alle Größenordnungen. Wir beraten nicht nur die großen Unternehmen. Wir haben auch schon sehr große IPOs begleitet. Aber wir machen auch kleinere IPOs. Wir haben viele Wachstumsunternehmen, traditionell viele junge Unternehmen, die wir an die Börse begleiten. Aber man kann da jetzt keinen bestimmten Schwerpunkt ausmachen.
Joel Kaczmarek: Gut. Und wie gesagt, man braucht auch jemanden aus dem Bankenbereich. Und deine Bank ist mir schon ganz oft begegnet und hat einen sehr guten Leumund im Bereich. Lieber Stefan, sag doch mal ein, zwei Sätze zur Berenberg-Bank und was du so tust.
Stefan Ries: Das freut mich sehr, Joel, dass du das so wahrnimmst. In der Tat sind wir, glaube ich, ganz gut unterwegs und haben eine hohe Wahrnehmung in dem, was wir tun. Ich bin bei Berenberg zuständig für alles, was mit Aktienplatzierung zu tun hat in der DACH-Region. Dort seit acht Jahren, mache das insgesamt aber schon seit über 20 Jahren. Und Berenberg hat in der Tat in den letzten zehn Jahren eine sehr, sehr starke Wachstumsstory hingelegt, viele Leute eingestellt, die das Geschäft verstehen und die eben Transaktionserfahrung haben. Und so haben wir, glaube ich, jetzt wirklich in den letzten Jahren auch in dem Markt eine recht wahrnehmbare, um nicht zu sagen führende Position eingenommen.
Joel Kaczmarek: Okay, ihr seid ja selbstbewusst, nicht schlecht. Darf man ja auch mal sein. Starten wir doch mal gleich direkt ins Thema. Also, wenn man sich für die Börse interessiert, und ich denke, lieber Andreas, da haben wir beide so den Kick-Off, das ist das Erste, womit man sich wahrscheinlich auseinandersetzen muss, wenn man den Börsengang anstrebt, ist eigentlich so die ganze Vorbereitung, wo man ja relativ schnell in so regulatorischen Themen drin ist, Corporate Governance, Due Diligence und Konsorten. Also, fangen wir vielleicht mal mit der Regulatorik an. Wenn so der erste Schritt beginnt, was würdest du sagen, sind so die Hausaufgaben, die man machen muss?
Jörg Zätsch: Also zunächst mal brauche ich eine börsenfähige Rechtsform. Die meisten Gesellschaften in Deutschland haben ja nicht die Rechtsform der Aktiengesellschaft. Aber um an die Börse zu gehen, brauche ich eben entweder die Rechtsform der Aktiengesellschaft oder möglich ist auch eine sogenannte Kommanditgesellschaft auf Aktien. Rechtlich sind beide Rechtsformen möglich, sodass der erste Schritt sicherlich ist, dass man sich damit auseinandersetzt, wann wechsle ich die Rechtsform in das börsenfähige Vehikel. und mit welchen satzungsmäßigen Grundlagen, Geschäftsordnungen etc.
Joel Kaczmarek: Was ist denn sonst mit der SE? Ich sehe ja immer mehr Unternehmen, also ich glaube Zalando ist eine SE, Xing ist eine SE, wenn ich mich nicht täusche.
Jörg Zätsch: Die habe ich vergessen, Joel, da hast du recht, mit denen kann man natürlich auch an die Börse gehen. Ich sehe allerdings meistens immer noch die klassische AG, ich weiß nicht, wie es Stefan sieht.
Stefan Ries: Ist so, absolut, würde ich bestätigen. AG ist immer noch das Häufigste. SE spielt da eine Rolle, wenn es eben um Mitbestimmungsthemen geht. Ich glaube, da ist eine SE vorteilhafter als eine Aktiengesellschaft. Stimmt, ja. Und die KGA kommt immer ins Spiel, wenn es eine Familie ist oder wenn die Eigentümer bisher dann auch nach dem Börsengang noch die Kontrolle und die Mitbestimmung behalten wollen. Aber insofern würde ich auch sagen, die Aktiengesellschaft ist immer noch eigentlich die häufigste Rechtsform.
Joel Kaczmarek: Okay, das will ich noch genauer verstehen. Was habe ich für Vorteile, was für Nachteile bei der jeweiligen Wahl der Formen? oder ist das gar nicht so gravierend? Also ich habe jetzt schon gelernt, wenn ich Familienunternehmer bin, der irgendwie sein 50 Jahre lang aufgebautes Unternehmen an die Börse bringt, bin ich eher bei der Kommanditgesellschaft. Der Klassiker ist AG. Aber warum benutzen zum Beispiel ganz viele die SE, die jetzt eher so aus dem Digitalbereich kommen? Was sind denn also die unterschiedlichen Eigenheiten?
Jörg Zätsch: Ich glaube, Stefan hat es zu Recht gesagt, das ist die berühmte deutsche Mitbestimmung, die man dadurch etwas minimieren kann oder auch vermeiden kann. Aber ich glaube, die gängigste Rechtsform, wie Stefan gesagt hat, ist eben die AG, gerade auch für junge Unternehmen. Ja, weil wenn man keinen besonderen Grund hat, glaube ich, für die KGA, wir haben die Merck KGA, ich glaube Fresenius ist auch eine KGA, also es gibt einige, DWS ist ja gerade sogar an die Börse gegangen, die ehemalige Tochter der Deutschen Bank. Also man kann das natürlich mit anderen Rechtsformen machen, aber ich glaube für so das klassische Unternehmen, das vielleicht auch noch jung ist und das keinen besonderen Grund hat, diese nicht so investorenfreundliche Rechtsform der KGA zu wählen, für diese Unternehmen bleibt dann schon die klassische Aktiengesellschaft die beste Rechtsform.
Stefan Ries: Du hast das Stichwort genannt, investorenfreundlich. Das ist in der Tat natürlich immer der Blick, den man da drauf hat. Und in der Tat ist sicherlich am investorenfreundlichsten die AG, weil die eben was Mitbestimmung angeht oder Kontrolle angeht, klare Verhältnisse schafft. Und die anderen Formen sind am Kapitalmarkt auch akzeptiert und auch teilweise, du hast Beispiele genannt, Andreas, sehr erfolgreich unterwegs und deswegen auch machbar, aber eben immer aus einem speziellen Blickwinkel heraus gewählt.
Joel Kaczmarek: Renata, du hast ja ganz viel damit zu tun und wahrscheinlich in den frühen Phasen werden genau solche Fragen auch gestellt. So der Erfahrung nach, rüttelt das eine Firma stark durch, wenn man sowas ändert? Müssen die stark umdenken? Ist es aufwendig oder ist das eigentlich gar nicht so ein Akt, wie er vielleicht von außen manchmal wirkt?
Renata Bandov: Sich darauf vorzubereiten, organisatorisch, ich glaube schon, dass das ein Schritt ist, der gut organisiert werden muss. Und man sollte das nicht auf die leichte Hand nehmen. Man braucht da einen gewissen Vorlauf. Diese ganzen Umsetzungen und diese ganze Planung, auch letztendlich die Registereintragung und all das, das sind halt einfach Hausaufgaben, die man im Vorfeld gemacht haben muss. Und die sollte man ehrlicherweise irgendwie mit einem entsprechenden Vorlauf machen, um dann nicht, wenn es wirklich irgendwie spannend wird und im Verlauf einer IPO-Planung und eines Prozesses tauchen immer noch verschiedene Themen auf, dann sollte man die Sachen, die man abhaken kann, auch halt einfach so machen.
Joel Kaczmarek: Ich meine, gib uns mal so einen Blick in die Praxis, Andreas. Wie lange dauert es so etwas ungefähr, seine Rechtsform umzustellen? Sitz, Firmensitz wird sicherlich ein Thema sein, Satzung. Was sind so Do's und Don'ts? vielleicht auch, dass wir mal ein Gefühl kriegen, wie viel Aufwand da eigentlich hinter steckt?
Jörg Zätsch: Also der Rechtsformwechsel an sich in die AG ist relativ schnell bewerkstelligt. Man muss eben sich frühzeitig damit beschäftigen, wie soll die Satzung aussehen. Also der Rechtsformwechselvorgang, der wird ja im Handelsregister eingetragen. Ich muss einen Gesellschafterbeschluss fassen und dann hängt es ein bisschen am Registergericht, wie lange es dauert, bis dann die neue Rechtsform eingetragen ist. Aber ich muss mich eben vorbereiten, was soll in dieser Satzung stehen. Normalerweise ist die AG bei privaten Gesellschaften ja nicht so beliebt. weil man im Gegensatz zur GmbH als Gesellschafter nicht unmittelbar auf den Vorstand durchgreifen kann, ihm Anweisungen etc. erteilen kann. Deswegen ist die GmbH für die meisten Eigentümer das leichtere, das bessere Vehikel und deswegen muss man genau planen, wann geht man in die AG. Denn in der AG könnte man in der Satzung auch einiges regeln, was die AG GmbH ähnlicher machen kann. Aber das wäre dann nicht kapitalmarktfähig. Also beispielsweise Entsendungsrechte in den Aufsichtsrat, das könnte man satzungsmäßig regeln, dass einzelne Eigentümer das Recht haben, Aufsichtsräte zu entsenden, zu bestimmen, wäre aber ein No-Go für den Kapitalmarkt. Der Kapitalmarkt möchte die Gleichbehandlung aller Aktionäre. Dasselbe gilt für Sonderrechte, die beispielsweise Finanzinvestoren sich häufig einräumen lassen, also Pre-IPO einräumen lassen, dass sie irgendeine Präferenz haben an den Gewinnen, eine Liquidation-Präferenz haben für den Fall, dass es nicht funktioniert. Das sind alles Dinge, die müssen aus der Satzung kommen. beseitigt werden, wenn ich eben an die Börse gehe. Also da muss die Satzung vom Grundsatz der Gleichbehandlung bestimmt sein. Das andere ist, dass man glaube ich an der Börse schon gutiert, wenn Vorstand und Aufsichtsrat gewisse Kapitalien zur Verfügung haben, also ein genehmigtes Kapital wird üblicherweise dafür genutzt, dass man die Aktie dann als Kaufwährung einsetzen kann, indem man das Kapital erhöht, braucht man keine Hauptversammlung dazu, sondern Vorstand und Aufsichtsrat machen das. Wenn es satzungsmäßig verankert ist, bedingt das Kapital häufig für Stockoptions vorgesehen und für andere Finanzierungsmöglichkeiten. Also wichtig ist, glaube ich, als Überschrift wirklich festzuhalten, dass diese Satzung, die kapitalmarktfähige Satzung, keine Sonderrechte für einzelne Aktionäre vorsehen sollte.
Joel Kaczmarek: Ist das so ein bisschen der Grund auch, dass diese, also wenn du sagst, das ist nicht kapitalmarktstauglich, wenn man das so und so und so macht, das kann man ja mal so ein Stück weit fragen, was ist denn eigentlich der Grundgedanke einer AG, dass man die favorisiert? oder SE oder die Kommanditgesellschaft als Börsenformen? Also warum tut man das eigentlich, dass man diese konkreten Formen nimmt und warum beschränkt man diese Einflussnahmen?
Jörg Zätsch: Na, ich glaube, die Aktiengesellschaft ist eine ganz gute Form, so ein bisschen von Check and Balance, sagt man da im Angelsächsischen dazu. Also ich habe eben einfach verschiedene Organe. Ich habe den Vorstand, der weisungsungebunden ist nach dem Aktiengesetz, der also in seinen Entscheidungen frei ist, anders als der GmbH-Geschäftsführer, der weisungsunterworfen ist, weisungsgebunden ist. Im Hinblick jetzt auf die Gesellschaftsversammlung, der Vorstand ist grundsätzlich frei. Vorstand wird aber vom Aufsichtsrat bestimmt und gegebenenfalls auch abberufen, kontrolliert, überwacht. Habe ich also ein weiteres wichtiges Organ als Überwachungsorgan, den Aufsichtsrat, der in der Regel ja auch, so sollte es zumindest auch sein, nach dem Corporate Governance Codex auch von unabhängigen Leuten besetzt wird, die dann eben schon schauen, dass das beim Vorstand auch alles gut läuft. Und dann habe ich noch die Hauptversammlung. Das ist mir schon das Organ eben aller Aktionäre, die natürlich schon bei vielen Dingen dann in der jährlichen Hauptversammlung, bei vielen Dingen mitbestimmen können und Einfluss auch nehmen können. Also ich glaube, das ist eine ganz gute Rechtsform, um das so ein bisschen austariert zu haben.
Stefan Ries: Und aus Kapitalmarktsicht ist es ja so, dass man im Grunde genommen wechselt von einem Alleineigentümer oder mehreren größeren Eigentümern zu ganz vielen Eigentümern. Also es kommen viele neue Eigentümer hinzu. Und die wollen natürlich möglichst, dass sie weitgehend gleiche Rechte haben wie die, die schon drin waren. Und nicht, dass die Alteigentümer sich irgendwelche Rechte sichern und die anderen, die neu dazukommen und die ja eher Kleinstanteile dann nur haben, da machtlos gegenüber sitzen und nichts machen können. Und das ist eigentlich so der Blick, so ein bisschen One Share, One Vote, sagt man ja auch, ne? dass eben hier die neuen Miteigentümer auch nicht von den alten quasi dominiert werden können, bei allem.
Renata Bandov: Und das ist auch nicht nur zur Beliebigkeit freigestellt. Es ist tatsächlich so im Kapitalmarkt, wir brauchen vertretbare Wertpapiere, die halt eben die gleichen Rechte auch haben, damit sie auch untereinander fungibel sind, also austauschbar auch sind. Sonst können wir auch keinen Handel gewährleisten.
Joel Kaczmarek: Corporate Governance ist doch ein spannendes Stichwort auch an der Stelle. Was brauche ich denn eigentlich für eine Besetzung in einem Vorstand und einem Aufsichtsrat? Wie gehe ich das an, wenn ich in der Vorbereitung bin? Macht man das schon vor dem Börsengang alles komplett fertig? Beziehungsweise wann und wie geht man vor? Worauf achtet man? Was würdest du sagen, ist das Prozedere?
Jörg Zätsch: Auf jeden Fall rechtzeitig vor dem Börsengang wird nach meiner Erfahrung häufig unterschätzt, also gerade das Thema Aufsichtsratsbesetzung, weil man ja gerade, wenn man aus der GmbH kommt, als Rechtsform hat man noch keinen Aufsichtsrat und muss dann eben erst nur einen Aufsichtsratsmitglieder finden. Das sind dann immerhin drei Stück mindestens. Und das sollten ja eben kompetente Personen sein mit Kapitalmarkterfahrung. Und nach meiner Erfahrung wird dieses Thema sehr häufig von Emittenten unterschätzt. Die sagen, ja, da habe ich schon einen. Aber mit dem habe ich schon einen beginnt auch das Problem, weil es soll ja eben nicht ein Freund sein oder sonst jemand aus dem Privaten, vielleicht noch Familienmitglieder. Nein, nein. sondern es sollen eben wirklich unabhängige Personen sein. Vorstandsbesetzung genauso. Manchmal trifft man gerade im Bereich junger Unternehmen die Situation an, dass es vielleicht nur einen Vorstand gibt, vielleicht noch keinen CFO. Juristisch möglich, Alleinvorstand bei der Aktiengesellschaft geht. Aber Kapitalmarkt, glaube ich, ein No-Go, oder Stefan?
Stefan Ries: Absolut, würde ich bestätigen. Vorstand braucht man mindestens zwei, typischerweise CEO und CFO, weil man in der ganzen Vermarktung immer zwei Dinge beleuchtet. Das eine ist eher so Strategie, Positionierung, Wettbewerb, Markt. Das macht der CEO, der Vorstandschef. Und dann natürlich im zweiten Teil die Zahlen. Da muss eben einer dabei sein, der eben dann die Zahlen im Griff hat. und das den Investoren erklären kann. Und in der Tat, bei der Aufsichtsratsbesetzung sind wir auch manchmal früh einbezogen, weil die Leute uns dann auch fragen, habt ihr da möglicherweise Ideen oder habt ihr einen Kontakt, den ihr uns zur Verfügung stellen könnt, der da auch passen würde zu unserem Unternehmen. Und unser Rat ist immer, dass man Leute reinholt, die eben auch unabhängig sind. die dem Unternehmen oder den Eigentümern nicht unbekannt sein müssen. Die wollen ja, wenn sie das Unternehmen an die Börse geben, auch nicht irgendwelche, sage ich jetzt mal, wildfremden Menschen da mit reinholen. Können also durchaus bekannt sein, aber eben unabhängig. Und die in irgendeiner Form ein Know-how auch mit in den Aufsichtsrat bringen. Ein Tech-Unternehmen sollte jemanden holen, der auch im Tech-Bereich tätig ist und Erfahrung hat. Oder ein klassisches Produktionsunternehmen in einem bestimmten Sektor sollte jemanden holen, der da auch eine Erfahrung mitbringt. Das ist der Rat, den wir da an der Stelle geben.
Joel Kaczmarek: Also es ist jetzt nicht so, dass man hingeht und sagt zum Beispiel, ich nehme mein Investorenboard und ändere einfach nur die Überschrift oder nehme irgendwie, weiß ich nicht, meine VCs, die ich hatte oder meinen Beirat und wandle die einfach um, sondern es sind in der Regel schon Neubesetzte?
Stefan Ries: Meistens sind es schon Neubesetzte, weil es natürlich in der Alleineigentümerschaft oder wenn es mehrere Mehrheitseigentümer gibt, ist das ja ein in sich geschlossener Kreis von Leuten, die man kennt und die in der Tat möglicherweise nicht unabhängig sind. Und am Kapitalmarkt gelten eben hier andere Gesetze und wird ein anderer Blickwinkel auch drauf geworfen. Und deswegen muss man das an der Stelle umorganisieren.
Joel Kaczmarek: Renata, kannst du mal einordnen, wie mächtig so ein Aufsichtsrat eigentlich ist? Wie viel Einfluss hat der wirklich?
Renata Bandov: Am Ende die Aufgabe eines Aufsichtsrates ist, den Vorstand zu überwachen und auch den Vorstand zu bestellen. Das ist die wichtigste Aufgabe. Insofern hat das eine große Bedeutung.
Joel Kaczmarek: Und was sagt so der Blick in die Praxis? Also wenn ich mich so umhöre, höre ich immer, dass das irgendwie sehr männerlastig ist, hohes Alter, geringe Innovationsfreude. Kann man da vielleicht auch Akzente setzen, indem man sich sozusagen Gedanken macht, dass man das ein bisschen innovativer macht? Oder ist das eher eine sichere Bank, wenn ich an die Börse gehe, dass ich sage, ich nehme jetzt irgendeinen Silberrücken, der das schon bei drei anderen Buden macht und bin auf der sicheren Seite?
Renata Bandov: Ich glaube, das Wesentliche ist, dass man sich jemanden sucht, der Erfahrung mitbringt. Und Expertise auch mitbringt, um das Unternehmen zu beraten. Am Ende des Tages, glaube ich, ist es irgendwie dann nicht wichtig, welches Geschlecht dahinter steht. Ich glaube, was wichtig ist für Investoren, dass sie das Vertrauen haben, dass jemand auch drüber sitzt, der das Unternehmen entsprechend auch beraten kann und begleiten kann. Das ist das Wesentliche und Wichtige bei mir.
Stefan Ries: Denke ich auch. Ich glaube, das steht wirklich im Fokus, wenn am Ende dann auch darauf geachtet wird, dass vielleicht eine Frau in den Aufsichtsrat mit dazukommt. Das ist schon manchmal ein Blickwinkel, muss man sagen. Aber wie gesagt, am Ende ist das Know-how und die Erfahrung, das ist das, was zählt. Was das Alter der Person angeht, gibt es da ja durchaus auch sich sehr schön ergänzende Altersstrukturen. Also gerade ein junges Unternehmen, das von jungen Gründern und Vorständen dann geleitet wird, hat oft auch ein Interesse daran, eben gerade den eben zitierten Silberrücken mit reinzuholen, weil es ja auch darum geht, Strukturen aufzubauen, sich zu professionalisieren und Erfahrung reinzuholen, was eben so ein junges, dynamisches Unternehmen möglicherweise Inhouse noch nicht hat. Und deswegen ist es eine sehr schöne Ergänzung.
Joel Kaczmarek: Gut, also ich lerne, die Mischung macht es, egal ob jetzt Geschlecht, Erfahrungslänge, Erfahrungstiefe oder Innovationsgrad. Lieber Andreas, wie ist das denn mit regulären Mitarbeitern, weil du auch Stockoptions schon angesprochen hast? Mache ich in dieser frühen Phase auch schon die ersten Gedanken rund um das Thema Aktienpakete für meine Mitarbeiter und wenn ja, wie setze ich sowas um?
Jörg Zätsch: Ja, erlebe ich sehr oft. Es ist ja so, früher zu Zeiten des neuen Marktes, als ich mal mit dem Thema begonnen habe oder mich damit zum ersten Mal beschäftigt habe, da war das Standardprogramm, dass man Stockoptions für Mitarbeiter ausgegeben hat. Das gelingt rechtstechnisch über ein sogenanntes bedingtes Kapital und man muss dann gewisse Erfolgsziele definieren. War damals eigentlich klar, dass man das haben musste, wenn man an die Börse geht. Dann war es, glaube ich, mal ziemlich lang out, kann man fast sagen. Und jetzt in letzter Zeit erlebe ich aber wieder eine stärkere Nachfrage. Ich weiß nicht, wie Stefan es von der Bankenseite erlebt. Wir erleben schon sehr oft, dass auch pre-IPO, also vor dem IPO schon ein wie auch immer geartetes Programm installiert wird. Da gibt es auch manchmal virtuelle Shares. Das ist dann im Grunde nichts anderes als ein Bonusprogramm. dass die Mitarbeiter also Boni bekommen, also nicht wirklich beteiligt werden, sondern einfach besser bezahlt werden, wenn der Share-Price steigt. Also man erlebt verschiedene Dinge, man lebt aber auch noch klassische Stock-Options auf. Ja. Akefen, wie erlebst du es?
Stefan Ries: Absolut. Der Blick darauf ist einfach, dass man Interessen gleichschalten will zwischen Investoren, die neu reinkommen und denen, die das Unternehmen steuern und bestimmen, wo es hingeht. Und da ist der Blick ganz einfach. Es soll ein Interesse geschaffen werden, dass es gut läuft und wenn der Vorstand oder die Eigentümer eben auf der Unternehmensseite davon mit profitieren und die Investoren, die neu reinkommen, dann hat man hier gleichgeschaltete Interessen und deswegen ist es ein sehr wichtiges Instrument.
Joel Kaczmarek: Ich glaube, ein Thema, was doch auch mal aufkam, das habe ich im ganzen Umfeld von Facebook mitbekommen, sind die Stimmrechte an den Anteilen. Kann man die variieren lassen? Weil wenn ich mich richtig entsinne, hat ja so ein Mark Zuckerberg zum Beispiel gar nicht die Mehrheit der wirtschaftlichen Anteile, aber die Mehrheit der stimmrechtlichen Anteile, was ihn halt relativ mächtig macht in seinem Unternehmen. Ist das ein Faktor oder habe ich das aus der Presse überbewertet gelesen?
Jörg Zätsch: Also in Deutschland, Stefan hat es ja vorhin gesagt, haben wir eher so One Share, One Vote für erfolgreiche Börsengänge, dass man also nicht unterschiedliche Aktienklassen schafft. Juristisch möglich wäre es, es gibt das Instrument der sogenannten stimmrechtslosen Vorzugsaktie. Also man könnte auch in Deutschland ähnlich wie Zuckerberg das gestalten, aber ich glaube, es ist nicht wirklich kapitalmarktfähig. Es sei denn, man hätte vielleicht mal einen solchen Milliarden-IPO, wo das vielleicht irgendwie funktioniert und wo das dem Investor nicht so wichtig ist, dass es zweierlei Klassen gibt.
Joel Kaczmarek: Gut, also so ein bisschen ein amerikaner Phänomen verstanden. Dann gibt es ja diesen ganz großen Bereich, den ja Startups eigentlich auch schon kennen, wenn sie eine VC-Runde machen, Due Diligence. Also das Prüfen des Unternehmens auf Herz und Nieren. Wie sieht das denn in Vorbereitung für einen Börsengang aus? Ist es da anders als bei einer Finanzierungsrunde oder kann man sich das relativ ähnlich vorstellen?
Jörg Zätsch: Aus meiner Sicht ist es, ja ähnlich ist es ja, aber es ist schon was ganz anderes. Weil ich darf ja nicht vergessen, ich gehe nachher public, wie es so schön heißt. Ich bin also an der Öffentlichkeit. Ich muss dem Kapitalmarkt Bericht erstatten. Ich bin gläsern, ich bin transparent als Unternehmen. Nach dem Börsengang und vor dem Börsengang bin ich aber noch privat. Heißt, diese Due Diligence ist wirklich eine hervorragende Möglichkeit, aber alles nochmal auf den Prüfstand zu stellen. Einer genauen Überprüfung zu unterziehen, weil ich in der Phase ja noch die Gelegenheit habe Dinge zu reparieren. Und ich habe das sehr oft in meiner Praxis erlebt, gerade auch im Bereich Legal, dass eben irgendwelche Dinge doch mal schief gegangen waren. Keine Leiche im Keller, nichts Bösartiges, sondern einfach, wo Dinge mal durch den Hausjuristen, ich habe auch Fälle erlebt, wo Notare was ganz falsch gemacht haben. Und wo man dann aber die Gelegenheit hatte, und die hat man Gott sei Dank in der Regel bei der Juristerei, dass man Dinge reparieren kann. Es dauert dann vielleicht mal einen Moment und man muss vielleicht auch nochmal irgendwie mit dem Handelsregister und hat ein bisschen Zeitverzögerung zu gewärtigen bei der Reparatur. Aber man kann es eben noch reparieren. Und wenn man public ist, dann kann man es meistens nur noch sehr schwer reparieren. Oder es ist mit erheblichen Rufschädigungen verbunden, wenn man irgendwie sagen muss, man hat, was weiß ich, die Tochtergesellschaft x nie rechtlich wirksam erworben. dann ist das natürlich keine gute Nachricht am Kapitalmarkt. Wenn ich das vorher feststelle, kann ich das wie gesagt in der Regel noch reparieren. Und eins ist mir in dem Zusammenhang auch wichtig, das Fazit eigentlich aus dem, was ich gesagt habe, ist, diese Due Diligence ist im besten Interesse des Emittenten. Es gibt viele Emittenten, auch so oft erlebt in meiner Praxis, die erstmal zumachen, weil sie schon so sagen, naja, das ist jetzt der neue Anwalt der Kapital. Wir haben ja unseren Hausanwalt, so ist das ja meistens. Wir kommen rein so als Projektanwalt für den IPO und wollen dann Due Diligence machen. Und dann sagt der Emittent so, ja, das stecken wir das alles mal in den Datenraum bis auf den Vorgang X, weil das erledigt ja gerade unser Hausanwalt. Bis dahin haben wir das erledigt. Und dann stellt man plötzlich kurz, das habe ich auch schon erlebt, vom IPO fest, dass beispielsweise um ein wichtiges Patent immer noch gestritten wird. Und da sage ich, je früher man das transparent in der Gruppe macht mit den Banken, mit den Anwälten der Banken und mit dem IPO-Anwalt, desto besser ist es, weil der kann da vielleicht auch noch helfen. Und zumindest ist es von vornherein dann allen Beteiligten transparent. Und wenn man da so kurz vor Torschluss mit so einer Geschichte noch um die Ecke käme, dass irgendein Patenträtstreit besteht, dann ist das schlecht. Also es ist im besten Interesse wirklich der Gesellschaft, früh damit anzufangen, das ist so ein Sanity-Check, wirklich die Gelegenheit zu nutzen, die Dinge nochmal zu reparieren.
Joel Kaczmarek: Magst du mal grob beschreiben, was so die Abschnitte sind, die man sich da anguckt und wie das genau abläuft?
Jörg Zätsch: Mein Kernpart ist natürlich die Legal Due Diligence. In der Regel wird die Legal Due Diligence auf der Grundlage von Anforderungslisten der Bankenanwälte und der Gesellschaftsanwälte erstellt. Also es wird ein Datenraum bestückt mit eben diesen rechtlichen Unterlagen. Weiterhin gibt es aber eben auch noch eine Business Due Diligence, die sich mit dem Geschäftsmodell befasst oder überprüft, wie tauglich ist das Geschäftsmodell. Financial Due Diligence, die Zahlen, Tax natürlich auch noch ist steuerlich alles in Ordnung. Business Utilitions gehört ein bisschen so zum Thema Geschäftsmodell, glaube ich.
Joel Kaczmarek: IP ist dann so bei Business tendenziell drin? Also guckt man dann auch wirklich so Source Code und da sind ja so Sachen mit, ist es Open Source oder was du gerade gesagt hast, Patente. Also sind das so die Themen, die man da auch in dem ganzen Bereich Business Modell abhört?
Jörg Zätsch: Ja, also das wäre sowohl legal, man muss in legal natürlich gucken, dass das Patent rechtsbeständig ist, nicht angegriffen ist und aber natürlich auch von der Business-Seite.
Stefan Ries: Genau, in der Regel gibt es dazu keine spezielle Due Diligence, das wird in dem rechtlichen Bereich mitgemacht. Ausnahme ist wahrscheinlich eher, wenn es um Biotech-Unternehmen geht oder Pharma-Unternehmen, wo Patente eine besondere Rolle spielen. Da gibt es dann in der Tat manchmal sogar über einen externen Berater nochmal eine spezialisierte Kanzlei, auch eine wirkliche Patent-Due Diligence.
Joel Kaczmarek: Wie lange dauert das so ungefähr?
Jörg Zätsch: Wir haben noch gar nicht über den Gesamtzeitablauf gesprochen. Ich sage mal, einen IPO kann man in einem halben Jahr schaffen. Das ist aber dann, glaube ich, schon auch ambitioniert. Also je nachdem, wie die Gesellschaft aufgestellt ist, wenn sie schon in der Rechtsform der AG ist, vielleicht auch schon einen Datenraum aus einer anderen Transaktion eingerichtet hat, der eben nur noch upgedatet werden muss. Also deswegen die Due Diligence ist somit der erste Schritt, der beginnt, wenn man gemeinsam immer da ist, also ein halbes Jahr vorher mindestens. Ist aus meiner Sicht aber manchmal auch ganz klug, wenn man seinen Anwalt schon hat für den IPO, dass der vielleicht auch noch ein bisschen früher anfängt. Also gerade wenn der Gründer, der Vorstand das Gefühl hat, es gibt ein Thema, was vielleicht genauer geprüft werden muss, was vielleicht schon Jahre zurückliegt. Also ich habe zum Beispiel mal erlebt, dass einer ein Notar tatsächlich GmbH-Geschäftsanteile, GmbH-Geschäftsanteile müssen notariell übertragen oder in notarieller Form übertragen werden, der hat die falsch geteilt. Das heißt, es waren die Eigentümer, die eigentlich jetzt dachten, sie wären es, waren nicht Eigentümer geworden. Und das musste alles mit den damaligen Verkäufern geheilt werden. Ein Riesenprozess ist es aber gelungen. Aber eigentlich nur deshalb gelungen, weil der Auftrag sehr früh bei uns im Hause war, weil da einer schon sagte, hm, Damals ist so viel kompliziert da umgeschichtet worden, das möchte ich eigentlich mal, dass ihr euch das anschaut. Und prompt, seine Nase war nicht falsch, haben wir da halt einen Fehler gefunden. Und dann ist es natürlich schön, wenn man noch ein bisschen Zeit hat bis zu dem geplanten IPO, zur Reparatur.
Joel Kaczmarek: Renata, du siehst das ja ganz oft. Was sagst du, wie viel der Unternehmen kriegen? irgendwie Schmerz im Due Diligence Prozess oder ist das eher Formalität?
Renata Bandov: Also ich glaube, das sind Standardprozesse. Die Experten, die da involviert sind, wissen, was sie tun im Regelfall. Bei uns ist es natürlich so, dass wir diesen Prozess wenig mitbekommen von der Börsenseite. Also das heißt, wir kriegen dann die ersten Gespräche, entweder wenn man sich grundsätzlich mal informieren will im Zusammenhang mit einem Börsengang oder wenn schon der Due Diligence Prozess läuft oder stattfindet. vielleicht auch schon abgeschlossen ist und der Prospekt schon in der Erstellung ist und sich das Unternehmen dann hier an der Börse mit einem Antrag vorstellig macht. Das heißt also, in die Due Diligence Prüfung und Gestaltung sind wir nicht eingebunden.
Joel Kaczmarek: Was sind denn sonst so Klassiker, die dir unterkommen bei Due Diligence, also die Problemklassiker? Wo brennt am ehesten die Hütte? Ist das so IP, ist das irgendwie Vertragswerk? Was sind da so typische Faktoren?
Jörg Zätsch: Es ist unterschiedlich. Also IP kann schon natürlich ein Thema sein, gerade wenn das Unternehmen vielleicht sogar dieses geistige Eigentum und die Patente braucht. Dann findet man schon manchmal, dass irgendwas nicht ganz in Ordnung gelaufen ist. Aber es ist tatsächlich häufig auch Gesellschaftsrecht. Dass gesellschaftsrechtliche Dinge in der Vergangenheit nicht so gut gelaufen sind. Das Gesellschaftsrecht ist deswegen auch ein bisschen blöd, weil das häufig so Folgerungen nach sich zieht. Wenn zum Beispiel ein Aufsichtsrat, was ich auch schon erlebt habe, nicht ordnungsgemäß besetzt wurde oder nicht ordnungsgemäß gewählt wurde, dessen Vorstandsbestellung ist ja damit auch unwirksam. Das heißt, ich habe so einen Dominoeffekt. Und den habe ich im Gesellschaftsrecht leider relativ häufig. Also da findet sich, gerade wenn eine Gesellschaft eben vielleicht sehr, sehr schnell gewachsen ist, dann hat es vielleicht viele Finanzierungsrunden gegeben, Eigentümerwechsel. Es hat vielleicht auch Wechsel in der Geschäftsführung gegeben. Man hat sich einfach im Schnellgang um die juristischen Dinge gekümmert und wollte sich, was ja auch richtig ist prinzipiell, auf die operativen Dinge stürzen. Das Unternehmen ist wahnsinnig gewachsen. Und dann hat man juristische Dinge vielleicht ein bisschen schleifen lassen. Und deswegen finde ich Gesellschaftsrecht schon häufiger mal Themen.
Renata Bandov: Wobei das klingt so, Andreas, vielleicht um das zu ergänzen, als ob jeder jetzt ein Leiche im Keller hätte und die wird dann hochgespült, wenn das Unternehmen an die Börse will. Ich glaube, das ist sicherlich nicht so und es kommt immer ein Stückchen weit auch auf die Strukturen bei der Gesellschaft an. Ich glaube, du hattest es erwähnt, ich glaube, wenn es wirklich junge Unternehmen sind und die Geschäftsmodelle vielleicht irgendwie erst vor kurzem aktiviert worden sind, dass man da irgendwie andere Prioritäten hatte von der Gründungsphase und zur Etablierung des Geschäftsmodells und da so vielleicht von den Strukturen organisatorischen das hinten angestellt hat. Ich glaube, es gibt natürlich aber auch an der Börse oder die Unternehmen, die sich für die Börse interessieren, die größer sind, große Konzerne, da ist sicherlich irgendwie auch eine ganz andere Struktur. Da muss man natürlich auch im Einzelfall gucken. Aber ich glaube, was wichtig ist, was man bei dieser Due Diligence-Thematik mitnehmen kann, ist, dass das Unternehmen sich intensiv insgesamt nochmal mit dem gesamten Inhouse-Prozess beschäftigen kann. Und zum Anlass nehmen kann, auch sich zu überlegen, wie will man sich auch am Ende des Tages präsentieren am Kapitalmarkt und für den Investoren. Das ist so die erste Möglichkeit, auch zusammen mit der Bank und auch mit den Beratern zu überlegen, wie entwickelt man auch die Equities so.
Stefan Ries: Insofern absolut richtiger Hinweis, das Ganze wird ja nicht gemacht, um Fehler zu finden, sondern eigentlich, um das Unternehmen so aufzustellen und vorzubereiten, dass man sicher ist, dass es am Kapitalmarkt später auch gut verkaufbar und positionierbar ist. Wenn auf dem Weg dahin irgendwelche Fehler gefunden werden, dann kann man die eben auch sehr schön dann noch vorher reparieren, dass man es nicht hinterher merkt. Aber die Absicht der Due Diligence ist im Grunde genommen ja nur das Suchen nach der Bestätigung, dass dort alles in Ordnung ist und man dann auch eine attraktive Story am Ende verkaufen kann.
Jörg Zätsch: Also das ist völlig richtig, was Renata und Stefan sagen. Du hast es ja auch gefragt nach irgendwelchen Dingen. Ich frage ja ein bisschen digital orientiert. Und die weit, das will ich auch klar sagen, die weit überwiegende Zahl der Börsengänge, die ich begleitet habe, waren tatsächlich problemlos in diesen Punkten, waren komplett in Ordnung. Man hat gar nichts, man hat die Stecknadel umgedreht, aber keine Leichen gefunden. Das ist völlig richtig.
Stefan Ries: Und so ist das ja für den Teil der Business und Financial Diligence auch. Also man würde in den Prozess gar nicht einsteigen, wenn man beispielsweise vorher schon gesehen hat, dass das Unternehmen in den letzten drei Jahren, dass die Umsätze runtergegangen sind und die Profitabilität schlechter geworden ist. Dann würde man sofort sagen, okay, dann braucht ihr einfach noch ein bisschen Zeit, um zu zeigen, dass es wieder in die andere Richtung geht. Also auch da guckt man sich die Zahlen einfach nur mal an, dass man bestätigt ist, dass das auch alles so ist. Und ob das Geschäftsmodell attraktiv für den Kapitalmarkt ist, muss man eigentlich auch vorher schon wissen. Und überprüft dann aber eben einfach nochmal die Positionierung, welche Kunden bedient man, in welchen Märkten ist man aktiv, um da einfach positiv zu bestätigen, dass das alles auch spannend und attraktiv ist für Investoren.
Joel Kaczmarek: Was kann denn jemand tun, der jetzt sozusagen absehen kann, dass er sich für einen Börsengang interessiert, um diesen Prozess schon mal vorzubereiten? Also was kann ich denn irgendwie vorher schon erledigen, damit so eine Due Diligence vielleicht reibungsfreier und schneller abläuft?
Jörg Zätsch: Auf jeden Fall die Unterlagen, die eine Rolle spielen können. Und darauf kann man ja auch als junges Unternehmen kommen. Man kennt natürlich die Due Diligence-Anforderungslisten vielleicht noch nicht im Detail, die auf einen zukommen. Aber man weiß ja, dass natürlich von der Gründung ab gesellschaftsrechtliche Dokumente vorliegen sollten. Natürlich Businesspläne, die Jahresabschlüsse etc., Steuererklärungen, dass man das wenigstens schon mal irgendwo geordnet bereithält. In der Regel wird das ja heute im virtuellen Datenraum gemacht. Und das wäre natürlich, wenn man sich wirklich präparieren möchte, und da gibt es ja auch sehr professionelle Anbieter für virtuelle Datenräume, dass man also frühzeitig eben einen Datenraum schon bestückt und nicht erst anfangen muss, die ganzen Unterlagen zusammenzusuchen.
Stefan Ries: Du hast ein Stichwort genannt, der Businessplan. Das ist in der Tat aus der Erfahrung heraus etwas, was nicht immer da ist. Und insofern auch, man nur raten kann, dass man das frühzeitig angeht. Wir als Bank in der Tat uns dann eben auch den Businessplan nach vorne raus angucken, eben nicht nur die drei Jahre zurück, sondern eben die drei bis fünf Jahre nach vorne. Wie will das Unternehmen sich entwickeln hinsichtlich Umsätze, Kosten und dann eben auch Profitabilität, die da rauskommt. Und das sind in der Regel wirklich relativ komplexe, integrierte Excel-Modelle. die wir uns dann genau angucken und auch schauen, wie ist das verlinkt von den einzelnen Verästelungen. Und da machen wir schon hier und da die Erfahrung, dass das eben noch nicht da ist. Und das ist auch ein sehr zeitintensives Thema. Deswegen kann man da nur früh den Hinweis geben, sowas auch rechtzeitig anzugehen.
Joel Kaczmarek: Wofür brauche ich denn einen Businessplan? Ist das sozusagen Thema, wenn ich dann verkaufe an Investoren, weil da mache ich eigentlich einen Prospekt, den ich baue? Oder ist das irgendwie für euch zum Verstehen des Modells?
Stefan Ries: Warum brauche ich den? Ja, im Prospekt sind ja keine Zukunftszahlen drin, die dürfen da nicht drin sein. Aber natürlich will ich an der Börse ja Zukunft verkaufen. Das heißt, ich will ja nicht den Investoren sagen, wie hat es sich in der Vergangenheit entwickelt. Das wollen die auch sehen und machen einen Haken dran. Das muss positiv sein. Aber viel mehr interessieren die sich ja dafür, wie wird sich das Unternehmen in den nächsten drei bis fünf Jahren entwickeln. Das darf das Unternehmen auch nicht selbst dem Markt oder außenstehenden Teilnehmern sagen, sondern das wird eben dann gemacht über die Analysten, die ja auch irgendwann ins Spiel kommen. Da kommen wir später, glaube ich, nochmal drauf. dass man eine gewisse Guidance gibt, wie sich das Unternehmen nach vorne heraus entwickelt. Und dafür schauen wir uns eben vorher an, wie das Unternehmen das selbst sieht. Und wir plausibilisieren sozusagen, ob das auch realistisch ist, was die sich da vornehmen, damit wir nicht etwas rausgeben, was dann vielleicht in den nächsten Quartalen oder ein, zwei Jahren plötzlich in eine ganz andere Richtung geht.
Joel Kaczmarek: Gut, dann haben wir noch einen großen Block vermutlich. Da fallen immer so diese Worte wie IFRS und solche Geschichten. Also das ganze Thema Buchhaltung, Finanzkennzahlen, also wie ich im Prinzip meine Zahlen organisiere. Was brauche ich in dieser legal vorbereitenden Phase von einem Börsengang im Bereich Finanzkennzahlen?
Jörg Zätsch: Wenn ich an den regulierten Markt gehe, dann braucht man eben als Bestandteil des Prospekts drei Jahre historische Finanzabschlüsse, IFRS. Das ist aus meiner Sicht, ich bin kein Wirtschaftsprüfer, aber doch auch eine große Herausforderung für die Unternehmen, wenn sie das noch nicht haben, wenn sie noch nach HGB bilanzieren, wird häufig unterschätzt. Aber das brauche ich eben, um in den regulierten Kapitalmarkt zu gehen. Da wird Renata später noch was zu den einzelnen Segmenten der Börse sagen. Und wenn ich eben das höchste Transparenzlevel erreichen will für die Phase nach dem IPO, dann brauche ich eben IFRS-Abschlüsse.
Joel Kaczmarek: Was ist denn der Unterschied zwischen IFRS und HGB? Was verändert sich da?
Stefan Ries: Ich glaube, da sind wir alle nicht die Fachleute. Das sind halt andere Bewertungsmaßstäbe und Richtlinien, wie man Bilanzpositionen in die GV aufnimmt.
Jörg Zätsch: Stefan, jetzt kommst du ins Spiel.
Stefan Ries: Da würde ich mich jetzt hier zurückhalten.
Renata Bandov: Ich würde auch sagen. Also ich meine, HGB ist halt hier in Deutschland gesetzlich vorgesehene Rechnungslegungsvorgabe. Das muss man machen. Und international eben, wenn man Kapitalmärkte nutzen will, ist halt einfach die internationale Rechnungslegungsvorgabe maßgeblich.
Stefan Ries: Vielleicht kann man so ein Statement noch machen, dass es eben Unterschiede gibt in den Bilanzierungsverfahren und der Bewertung von Vermögen und Schulden, keine Ahnung, sowas.
Renata Bandov: Aber ich glaube, da werden wir irgendwie zu ungenau.
Stefan Ries: Ja, eben. Aber im Grunde ist es eigentlich eher der Kommentar, dass wenn man an den Kapitalmarkt geht, wird man verglichen mit internationalen Unternehmen. Und da ist ARVS eben der Maßstab, der Birnen mit Birnen vergleicht und eben nicht unterschiedliche Rechnungslegelstandards.
Joel Kaczmarek: Gut, also verstanden. Dann ist sozusagen IFRS ein Stück weit zu sehen als ein internationaler Standard, mit dem ich dann auch quasi vergleichend arbeiten kann. Jetzt habe ich noch eine Frage an dich, lieber Andreas. Das ist natürlich immer undankbar, weil ich weiß, das kann man eigentlich nicht sauber beantworten, das Thema Kosten. Also wer jetzt zugehört hat und denkt so, ach du je. Corporate Governance, dann die ganzen Satzungsgeschichten und due diligence, was das wieder kostet und ich mache nur die Anwälte reich. Also ich überspitze das jetzt mal ein bisschen zu deinem Leidwesen, sieh es mir nach. Wahrscheinlich kann man es nicht so sauber sagen, was so etwas kostet, aber vielleicht kannst du mal ein Gefühl geben, was man vielleicht als Kostengrobegröße denken muss oder ob das modular aufgebaut ist, wie das so funktioniert.
Jörg Zätsch: Ja, wir bauen das ganz gerne tatsächlich modular auf. Bei einem IPO gibt es so viele Bausteine, gibt viele, die notwendig sind. Da haben wir gerade ja auch schon teilweise darüber gesprochen, aber es gibt natürlich Themen wie Stock-Option-Programme. oder wenn eben der gesellschaftsrechtliche Formwechsel noch ansteht, wenn sehr viele Gesellschafter beteiligt sind, sehr viele VCs, dann ist das Thema Shareholder-Management auch ein wichtiges, was dann häufig auch jedenfalls von den Rechtsanwaltskanzleien gemacht wird. Um es abzukürzen, wenn man den Issuer berät, Prospekt wird übrigens auch von Anwälten geschrieben, vergisst man manchmal, ist ein ganz entscheidendes Modul und auch ein teures Modul, weil es ein sehr
Joel Kaczmarek: aufwendiges
Jörg Zätsch: Dokument ist, wird man sagen können, dass sich das abspielt, ich sage mal, in einer Range zwischen 300.000 und 450.000, 500.000 Euro.
Joel Kaczmarek: Ich meine, wir haben jetzt gar nichts mal gesagt über Inhouse versus extern. Also was ich bei dir eigentlich jetzt rausgehört habe, vielleicht fragt sich das der eine jetzt, kann ich das nicht mit meinem Inhouse-Anwalt machen? Da lautet die Antwort vermutlich nein, oder?
Jörg Zätsch: Die lautet in der Tat nein, aber dafür können noch nicht mal wir Anwälte was, sondern es liegt daran, dass sich als Marktstandard einfach etabliert hat, dass die beteiligten Rechtsanwaltskanzleien sogenannte Legal Opinions und Disclosure Opinion abgeben. Die Legal Opinion bestätigt, dass bestimmte Rechtsvorgänge rechtswirksam sind, zum Beispiel die Kapitalerhöhung, aus der dann der Börsengang sozusagen gespeist wird. Und die Disclosure-Opinion ist noch wichtiger, deswegen schreiben die Anwälte auch den Prospekt, weil damit sagen wir Anwälte oder die, die den Prospekt geschrieben haben, dass der Prospekt richtig und vollständig im Sinne des Wertpapier-Prospekt-Gesetzes ist. Und für diese Opinion haften wir natürlich auch als Anwälte und dann ist es natürlich klar, dass wir dann den Prospekt auch schreiben müssen, die Due Diligence machen müssen und ein Inhouse-Anwalt würde daran natürlich scheitern und würde ja auch gar keine solche Erklärung abgeben können und wollen.
Joel Kaczmarek: Verstanden. Also ist, glaube ich, naheliegend, aber dass man es vielleicht für den einen oder anderen, der über sowas nachsinnt, auch mal besprochen hat. Hervorragend. Dann ist das, glaube ich, ein guter Einstieg, dass wir mal unseren Teil 1 hier cutten. Also die ganzen rechtlichen Vorbereitungen. Das regulatorische Corporate Governance hatten wir dieses Mal. Und beim zweiten Teil wird dann der gute Stefan selig ein bisschen mehr Airtime haben. Da geht es ja um die richtig heißen Dinger. Pitch-Kriterien und wie man so eine Equity-Story entwickelt. Da freue ich mich schon sehr drauf und danke euch ganz herzlich für eure Teilhabe. Hey! Hey!
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Börsengänge: Unsicher auf dem Börsenparkett? Nicht mit uns! Gemeinsam mit unterschiedlichen Expert:innen der Deutschen Börse spricht Joel regelmäßig über alles rund um die Themen Börse, Börsengang und späte Finanzierungsphase (pre IPO).