Direct Listings – spannende Alternative zum klassischen Börsengang
31. August 2020, mit Joel Kaczmarek
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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Road to IPO Podcast von Digitalkompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute geht es um was brandneues, nämlich um Direct Public Listings. Das haben vielleicht einige von euch noch gar nicht gehört, ist aber eine super spannende Alternative zu regulären Börsengängen und wir wollen heute nachvollziehen, was das genau ist, was für namhafte Beispiele gibt es dafür eigentlich schon, wann kommt das für mich als Firma in Frage? und einiges mehr. So, und da bilden wir heute ein Triumvirat. Neben mir ist nämlich noch der Thomas Turner da. Der steht sich natürlich auch gleich vor. Von Morgan Stanley, kennt ihr. Super bekannte und erfolgreiche US-Investmentbank. Und Jasper Lembke. Der ist Syndikus-Rechtsanwalt bei der Deutschen Börse. Jasper, schreibt man Syndikus eigentlich mit Y oder mit Ü?
Jasper Lembke: Mit Y, ja.
Joel Kaczmarek: Okay, hast dich verstanden, den Witz, wa? Nein, Spaß beiseite. Wir fangen mal mit dir an, lieber Jasper, weil wir ja auch, die Deutsche Börse ist ja unser Partner bei diesem Format. Schön, dass du da bist. Stell dich doch mal ganz kurz vor, sag, was du machst. Was ist eigentlich ein Syndikus-Rechtsanwalt? Und ja, dann tauchen wir mal straight ein.
Jasper Lembke: Ja, Syndikus Rechtsanwalt ist natürlich klassischerweise ein Rechtsanwalt im Unternehmen, der das Unternehmen bei allen rechtlichen Fragestellungen berät. Das macht bei uns in der Börse die Rechtsabteilung und die Syndikus Anwälte in der Rechtsabteilung, die heißen dann nochmal besonders, die heißen Legal Counsel. Ich bin im Prinzip Syndikus Anwalt in einem Business-Bereich, in dem Geschäftsbereich Listing und Issuer Services tätig. Listing ist der Bereich, an dem Wertpapiere zugelassen werden, erstmalig zur Börse oder fortwährend. Also der ganze administrative Bereich, bei dem ein IPO dann an die Rampe geschoben wird. Und Issuer Services ist ein Bereich bei uns, der sich im Vorfeld von Börsengängen mit Unternehmen kontaktiert, zusammenschließt. den Börsengang auch mal pitcht und erklärt, was ein Börsengang bringt, welche Vorteile er fürs Unternehmen hat und ob die Überlegung, an die Börse zu gehen, für das Unternehmen zum richtigen Zeitpunkt kommt oder nicht. Also da sind wir sehr, sehr stark im Vorfeld mit Unternehmen in Kontakt.
Joel Kaczmarek: Gut und liebe Hörer, ich kann euch schon mal flüstern, Jasper ist in seiner Position als jemand, der noch für sein Alter relativ jung ist, also für diese Stelle, das heißt, ich kann euch verraten, er ist ein richtig guter und gleiches trifft auch auf den Thomas zu. Thomas, erzähl mal ganz kurz, wer bist du, was machst du, wie kommt man zu einer bösen Investmentbank, bist ja ein guter, wirst dir das schon ausgesucht haben, erzähl mal ein bisschen was über dich.
Thomas Thurner: Um es vielleicht in einem Satz darzustellen, damit Jasper die Börsenkandidaten auch ans Börsenpaket schieben kann, braucht es natürlich einer gewissen Vorarbeit und das ist meine Rolle bei Morgan Stanley. Ich leite bei der amerikanischen Bank im Wesentlichen das Thema Kapitalmarkt für den deutschsprachigen Bereich und ein Hauptaugenmerk ist natürlich, Unternehmen an die Börse zu bringen, entweder durch einen klassischen IPO oder alternativ durch Direct Listings, dem Thema, über das wir heute sprechen werden. Ich mache das seit mittlerweile circa 20 Jahren, bin derzeit noch in London passiert. Und wir sind eine globale Investmentbank, die versucht, wirklich globales Kapital für unsere Kunden herbeizufassen. Ob das gut oder böse ist, das müssen andere entscheiden. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder auch die Aufgabe gehabt, mit einigen der größten deutschen Unternehmen zu arbeiten, die sehr, sehr schnell wachsen. Und das macht den Job natürlich super spannend.
Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, Spaß beiseite, Ernst, komm raus. Ich mache ja immer gerne mal Späßchen über Investmentbanker und über Berater, aber muss natürlich sagen, die Leute, die bei euch arbeiten, das sind natürlich also wirkliche Raketen. Und wenn du mir jetzt gerade sagst, du bist 39, glaube ich, ne? Genau. Und wenn du sagst, du machst das seit 20 Jahren, dann hast du mit 19 angefangen, also da bist du aber echt sportlich dabei. Respekt, liebe Hörer, ihr merkt, hier nur die Besten für euch vor dem Mikrofon. Und kommen wir mal zum eigentlichen Thema, Direct Public Listings. Können wir mal straight beginnen. Was genau ist eigentlich ein Direct Public Listing und was sind vielleicht die Unterschiede zu einem regulären Börsengang?
Thomas Thurner: Vielleicht fange ich mal an. Also das Direct Listing ist eine relativ neue, aber sehr spannende Alternative zu einem klassischen Börsungang oder im Englischen Initial Public Offering. Und es hat vor allem in letzter Zeit sehr, sehr schnell wachsenden Gesellschaften im Technologiebereich geholfen, rasch an die Börse zu kommen und anderen auch bessere Terms und Conditions, bessere Bewertung zu bekommen, wie das in einem normalen IPO funktioniert hätte. Aus Sicht der Banken und Investoren ist das eine willkommene Innovation, denn die Art, wie Börsengänge durchgeführt wurden, hat sich gefühlt in den letzten 50 Jahren kaum verändert. Sehr viel von diesen Prozessen des klassischen IPOs sind rechtlich getrieben. Aber es ist wichtig zu sagen, dass sich die Geschäftsmodelle, die Wachstumsgeschwindigkeit, der Zugang zu Kapital und zur Kapitalintensität der möglichen Börsenaspiranten sehr wohl über die Jahre geändert hat. Und dementsprechend hat man hier versucht, ein neues Format aufzubauen. Das Wichtigste aus meiner Sicht, das sollten wir gleich am Anfang erwähnen, dass im Kern beide Prozesse, also klassischer Börsengang, aber auch die Alternative Direct Listing das gleiche Ziel haben. Ein privat gehaltenes Unternehmen wird an einer Börse zum öffentlichen Handel eingeführt und gelistet und dabei ändert sich auch die Eigentümerstruktur. Ursprünglich hält man normalerweise in einem privaten Unternehmen die Gesellschaft an einer Hand von kleinen Investoren. Und dieser Investorenkreis soll sich durch einen Börsengang vergrößern und somit auch die Möglichkeit, weiteres Kapital aufzunehmen. Und dieses Vergrößern des Aktionärskreises passiert dadurch, dass man institutionellen Investoren die Möglichkeit gibt, mitzumachen, wie zum Beispiel große Investmentfonds oder Pensionskassen, aber auch natürlich wichtig Kleinanleger, die sich mit den Produktaktien auseinandersetzen. Also der große Unterschied zwischen den zwei Modellen IPO gegenüber Direct Listing ist im Wesentlichen die Art und Weise, wie man an die Börse geht. Viele der Marktteilnehmer sprechen bei einem Börsenlisting auch von einem IPO ohne dem O zum Schluss, weil es rein rechtlich gesehen hierbei auch kein Offering gibt. Vielleicht noch ein weiterer Punkt. Im Direct Listing werden die bestehenden Aktien gelistet. Es wird allerdings kein neues Kapital aufgenommen. Und das andere Thema, das wir auch noch besprechen sollten, ist die Tatsache, dass die betreuenden Banken und auch zusätzliche Berater, die bei einem Direct Listing mitmachen, eine leicht andere Funktion bekleiden, wie das bei einem klassischen IPO der Fall ist. weil es vor allem seitens der Banken kein verbindliches Underwriting oder eine Übernahme der Aktien gibt, sondern in einem Direct Listing, wie der Name das auch schon sagt, die Aktien direkt von dem Emittenten an neue Investoren weitergegeben werden. Vielleicht auch noch ein kleiner Hinweis zum Thema Bewertung und Verkaufspreis. Da wird natürlich immer sehr, sehr genau hingeschaut. Man möchte natürlich das Unternehmen und das abgebende Aktionär die bestmögliche Bewertung bekommen. Die Preisermittlung in einem Direct Listing sieht aus, anders aus als bei einem normalen IPO. Beim Direct Listing ist es wirklich möglich, dass die freien Marktkräfte, nämlich Angebot und Nachfrage, miteinander wirken, um den bestmöglichen Preis komplett fair für das Unternehmen zu bekommen. Bei einem klassischen IPO hat man normalerweise ein mehrwöchiges formelles Book Building. Das ist ein Prozess, der Vor- und Nachteile hat und dementsprechend sieht das etwas anders aus als beim Direct Listing, wo wirklich Angebot und Nachfrage den besten Preis stellen.
Joel Kaczmarek: Darf ich das jetzt mal ein bisschen vertiefend nachfragen, damit auch die langsamen Denker, wie ich das verstehen? Also wenn du sagst, das O bei IPO wird gestrichen, heißt also beim Direct Listing, man nimmt diesen ganzen Angebotsprozess, dieses, was du auch gerade mit dem Bookbuilding beschrieben hast, sozusagen, der wird eigentlich stark heruntergefahren, sondern man bietet quasi direkt an. Habe ich das so richtig verstanden?
Thomas Thurner: Es ist richtig, dass der Prozess kürzer und komprimierter erfolgt. Und der wesentliche Unterschied ist tatsächlich, dass es zu keinem rechtlichen Angebot der neuen Aktien an Neuinvestoren kommt, sondern dass man einfach bestehende Aktien, die bis dato in privater Hand gehalten werden, zum öffentlichen Trading am ersten Handelstag zulässt und dann erst Neuinvestoren reinkommen, anstatt im Vorfeld in einem langen Prozess die Aktien anzubieten.
Joel Kaczmarek: Okay, ich meine, vielleicht könnt ihr beiden ja sonst auch mal so ein paar namhafte Beispiele aus der Vergangenheit nennen, also gerne auch weltweit. Dann kriegt man, glaube ich, nochmal ein besseres Gefühl dafür, wie das genau funktioniert und auch mal ein paar Beispiele im Kopf von Unternehmen.
Thomas Thurner: Absolut, das sehr gerne. Es gibt da natürlich im Moment hohes Medieninteresse generell an dem Thema Börsengänge. Viele der Venture Capital Funds verwenden im Börsengang auch als Exit-Möglichkeit. Man muss fairerweise aber dazu sagen, dass wir gerade beim Thema Direct Listings noch gerade am Anfang stehen und mögliche Trends und mögliche Pfade, die wir in den nächsten Jahren erwarten, zwar theoretisch im Detail diskutiert werden, aber wenn du uns nach konkreten Beispielen für Europa fragst, gibt es da relativ wenige große Beispiele. Ein Blick nach Amerika erleichtert uns die Übung allerdings. In Amerika haben wir zwei sehr prominente und erfolgreiche Direct Listings, das Morgan Stanley betreut. Das eine war das Direct Listing für den Musikanbieter Spotify, der im April 2008 wir Direct Listing in Amerika in die Börse gingen. Und das zweite Fallbeispiel, das sehr bekannt ist, ist der Softwareanbieter, Softwareplattform Slack. Die sind im Juni 2019 mittels Direct Listing rausgekommen. Und in diesem Korridor sozusagen haben wir natürlich eine Reihe von weiteren möglichen Aspiranten, die sich das Produkt genau ansehen. Und diese zwei Direct Listings haben sowohl für die Gesellschaften als auch für neue Aktionäre gut funktioniert und dienen immer wieder auch in den Medien so ein bisschen als Flagship-Models.
Joel Kaczmarek: Jasper, du bist ja sonst der Deutschland-Experte. Fallen dir vielleicht noch ein paar deutsche Beispiele ein, auch wenn sie nicht ganz so groß sind, oder europäische?
Jasper Lembke: Ja, also vielleicht nochmal anschließend an Spotify. Spotify hat natürlich auch in Europa eine große Beachtung gefunden, weil es einer der prominenten Direct-Listing-Börsengänge war und Spotify auch bei uns in Europa handelbar ist. Also nicht nur über die amerikanischen Börsen kann man die Aktien dieses Unternehmens kaufen, sondern die werden auch bei uns auf Xetra gehandelt über Sekundärlisting. Und jetzt ist es bei diesen Sekundärlistings immer so, dass wir natürlich sechs Stunden den Amerikanern voraus sind an der Ostküste. Das heißt, wenn die dann ihre Börseneröffnung haben, dann sind wir schon am Spätnachmittag und wir wollen natürlich so einen Wert gerne noch am gleichen Tag bei uns handelbar machen. Bei dem normalen IPISO ist es so, dass man relativ schnell den ersten Preis hat aufgrund der Bookbuilding-Phase. Bei Spotify musste man doch eine Zeit lang warten. Weil eben eine Handelsaufnahme stattfindet und bis dann wirklich das Orderbuch voll ist und der erste Preis gemacht wird, durch Angebot und Nachfrage bestimmt, wie Herr Turner gesagt hat, dauert es ein bisschen. Und so saßen wir in Frankfurt ziemlich auf glühenden Kohlen und haben am Spätnachmittag noch versucht, Spotify handelbar zu machen. Also das war auch für uns wirklich ein spannender Zeitraum. In Deutschland und Europa gibt es tatsächlich noch nicht so prominente Beispiele. Wir haben trotz dessen Direct Listings und zwar eine Vielzahl. In der letzten Vergangenheit oder in der jüngeren Vergangenheit hatten wir IQ International und FCA Immobilien. Kleinere Unternehmen, die bei uns an die Börse gegangen sind, die auch nicht so einen Medienhype verursacht haben, wie es jetzt eine Slack oder eine Spotify haben. Aber es zeigt sich, dass die technischen und rechtlichen Möglichkeiten eigentlich bei uns schon vorhanden sind, um auch diese Form des Börsengangs abzubilden.
Joel Kaczmarek: Ich meine, vielleicht kann man ja dann trotzdem auch mal spezifizieren, warum kommt denn für ein Unternehmen überhaupt ein Direct Public Listing in Frage?
Jasper Lembke: Ja, also ich meine grundsätzlich aus den gleichen Gründen, wie auch ein normales IPO an der Börse stattfindet. Also es sind im Prinzip alle Vorteile, die so ein Börsengang und die im Nachgang bestehende Öffentlichkeitswahrnehmung und Transparenz und so weiter, die das Unternehmen bietet, auch das kommt alles beim Direct Listing zu tragen. Der ganz große entscheidende Knackpunkt, der das Ganze unterscheidet, ist, ist, dass es keine Kapitalaufnahme gibt. Ein Unternehmen geht ja in der Regel an die Börse, um frisches Eigenkapital aufzunehmen und dieser Grund fällt im Prinzip beim Direct Listing weg. Das heißt, man sammelt kein neues Geld ein. Alle anderen Vorteile, also ich bin dann irgendwann ein börsengelistetes Unternehmen, kann Kapitalerhöhungen durchführen, mit diesen Kapitalerhöhungen neues Geld einsammeln. Ich kann bei Übernahmen aufnehmen. oder Mitarbeiterbeteiligung, kann ich meine Aktien einsetzen als Währung. Ich kann sie entweder als Akquisitionswährung nutzen oder ich kann sie eben benutzen, um meine Mitarbeiter im Unternehmen zu inzentivieren, sie am Unternehmenserfolg zu beteiligen. Ich habe also quasi ein neues Mittel, was ich zum Einsatz bringen kann. Mein Bekanntheitsgrad als Unternehmen wird erheblich erhöht. Die Öffentlichkeitswahrnehmung von börsengelisteten Unternehmen ist nachweislich viel, viel größer als von privaten Unternehmen. Dann wird es auch erstmalig so sein, dass man eine relativ genaue Unternehmensbewertung bekommt. Man hat das natürlich vorbörslich auch anhand der Finanzierungsrunden, anhand dessen, was Venture Capital oder Private Equity bereit sind, für Anteile des Unternehmens zu zahlen. Kann man natürlich schon austarieren, was das Unternehmen ungefähr wert ist. Aber an der Börse hat man doch wirklich dann ein Abbild dessen, was die breite Masse meint, was das Unternehmen, die einzelnen Aktien des Unternehmens wert sind. Sobald man dann mal bei uns im regulierten Markt im Prime Standard gelistet ist, kann man in die Indizes aufgenommen werden. Man kennt das aus den Medien, den SDAX, den MDAX, den DAX und den TechDAX. Sollte man es tatsächlich als Blue Chip Company oder Large Corporate in den DAX schaffen, wird man zu einem der 30 prominentesten Unternehmen in Deutschland. Ich glaube, alle DAX-Unternehmen sind hinreichend begründet. Das hilft beim Recruiting. Ich will neue Mitarbeiter gewinnen. Als kleines Hidden Champion Mittelständlerunternehmen ist es schwieriger, Personal zu rekrutieren als DAX-Konzern. Ich glaube, das sind so die Vorteile, die schon immer bestehen, die beim Direct Public Listing genauso fortbestehen. Und dann kommt vielleicht jetzt noch, und das ist der Werbeblock Deutsche Börse, kommt noch dazu, dass wir natürlich auch rund um die gelisteten Unternehmensservices bieten und Angebote schaffen. Wir veranstalten jährlich das Deutsche Eigenkapitalforum, eine Konferenz, wo Unternehmen, Analysten und Investoren treffen können. Drei Tage lang findet das Ganze statt zum Netzwerken eben und zum Attrahieren von Investoren. Wir werden das dieses Jahr erstmalig virtuell durchführen. Das wird also auch eine Premiere für uns, in der Zukunft aber wieder als Präsenzveranstaltung. Das Unternehmen bekommt einen Stock Report, das heißt eine Analyse der Entwicklung seiner Aktie und welche Unternehmen oder welche Investoren in das Unternehmen investiert haben. Und der Medienwert ist eben extrem erhöht. Wenn man am Tag des Direct Listings auch noch eine IPO-Zeremonie durchführt, also am Börsenplatz bei uns unten in Frankfurt in der Innenstadt, die Glocke läutet und zum ersten Preis eben den ersten Preis ausrufen lässt, da ist die mediale Aufmerksamkeit extrem hoch. Es ist natürlich in Zeiten von Covid-19 alles ein bisschen beschränkt, weniger Teilnehmer am Börsenplatz, aber das wird sich auch wieder ändern und dann wird man damit vielen seiner Mitarbeiter diesen ersten Preis feiern können und es wird eine TV- und mediale Berichterstattung geben. Also das erhöht eben auch den Wert des Unternehmens maßgeblich, den Medienwert.
Joel Kaczmarek: Gut, Thomas, da ihr schon live sowas begleitet habt zweimal, auch die großen erfolgreichen gerade, die du genannt hattest, wie würdest du denn nochmal zusammenfassen, wann das für Unternehmen spannend ist, so ein Direct Listing anzugehen?
Thomas Thurner: Ich glaube, um ehrlich zu sein, sind die Motive für das Direct Listing wirklich unternehmensspezifisch unterschiedlich. Der wesentliche Punkt ist allerdings die Tatsache, dass das Direct Listing ein hohes Maß an Flexibilität bietet. Und wenn man sich das mal so ein bisschen überlegen kann, ein Beispiel, das sofort einfällt, das immer wieder auch hochkommt, wenn man traditionelle IPOs bespricht, ist das Thema Verwässerung. Das heißt, mit dem Börsengang, mit einem traditionellen Börsengang, wo neues Kapital aufgenommen wird, Haben Altaktionäre das Problem, wenn sie nicht mitziehen bei der Transaktion, dass ihre relative Unternehmensbeteiligung prozentuell schrumpft? Das ist nicht unbedingt schön, vor allem auch aus rechtlicher Sicht führt das oftmals zu Problemen. Beim Direct Listing sind wir hier flexibler. Es wird kein neues Kapital aufgenommen und dementsprechend ist das Thema Verwässerung auch kein Problem, mit dem sie bestehende Aktionäre herumschlagen müssen. Das zweite Thema, sehr spannend, das wir auch erwähnen sollten, Direct Listings für normalerweise zu höherer Liquidität in der Aktie. Das Thema Liquidität ist spannend, denn viele große Investoren haben gewisse Mindestliquiditätsanforderungen in einer Aktie. Je mehr, je öfter man eine Aktie im normalen Handel auch handeln kann, desto besser ist es aus Risikogesichtspunkten, desto besser ist es für die Preisfindung. Und beim Direct Listing ist es nun mal so, dass bestehende, aber auch neue Aktionäre sofort nach dem ersten Handelstag kaufen und verkaufen können und dementsprechend eine höhere Liquidität mittragen. Dass es wichtig ist, sich das vor Augen zu halten. In einem traditionellen IPO haben wir normalerweise Lockup-Vereinbarungen oder Marktschutzvereinbarungen, wo normalerweise in den ersten 180 Tagen nach dem IPO keine Aktie verkauft werden kann. Und das ist natürlich schon relativ hart, zum Beispiel für einen bestehenden Aktionär, der jahrelang investiert war, der gerne ein bisschen Liquidität rausnehmen möchte, sein Portfolio ein bisschen verändern möchte. 180 Tage zu warten birgt Risiken. Dementsprechend beim Direct Listing könnte man sofort verkaufen. Der dritte wichtige Punkt, ich habe es kurz auch schon erwähnt, ist die Preisfindung. Anstatt eine fixe Anzahl von Aktien bei einem fixen Preisband anzubieten, wie es in dem klassischen Bookbuilding eines IPOs der Fall sein würde, ist es so, dass bei einem Direct Listing sowohl die Anzahl der Aktien als auch dieser Preis nicht vorgegeben wird, sondern dass sich das alles erst im Markt danach, also wenn die Aktie listet, abspielt und dementsprechend hat man sowohl aufgrund der Größe als auch aufgrund des Preises volle Flexibilität. Manche von uns werden sich erinnern, Google hatte 2004 schon mal versucht, den IPO-Markt mittels einer Online-Auktion zu ändern. Damals war es aber so, dass nur der Preis flexibel war, nicht allerdings die Anzahl der Aktien oder die Größe, die angeboten wurde. Und bei Slack und Spotify war das tatsächlich so, dass beide Parameter komplett flexibel gewählt wurden. Ein letzter wichtiger Punkt ist noch die Investorenvielfalt. Jeder Investor kann bei einem Direct Listing so viele Aktien kaufen, wie er oder sie möchte, nachdem es ja keine Restriktionen zur Vermarktung gibt und dementsprechend auch die Liquidität und die Anzahl der Investoren, die reinkommen, höher ausfallen kann, als es bei einem normalen IPO der Fall ist. Vielleicht ganz zum Schluss noch ein Hinweis, es ist wirklich schwierig, über alle Kandidaten hinweg zwei, drei Parameter rauszuholen. Das Direct-Listing-Produkt ist super flexibel und dementsprechend muss man sich wirklich mit der Gesellschaft, mit dem Management, aber auch den Altaktionären überlegen, was im speziellen Fall Sinn macht.
Joel Kaczmarek: So, und ich meine, jetzt haben wir da die Vorteile schon mal rausgearbeitet und es ist ja irgendwie, also es erschließt sich ja sehr schnell, warum das attraktiv ist. Warum sind denn aber Direct Listings dann bislang nur in den USA eigentlich? Von großer Relevanz mag man bei zwei großen ja fast gar nicht sagen, aber aufkommender Relevanz. Warum haben die in Deutschland noch keine oder welche haben sie denn hierzulande?
Thomas Thurner: Die Frage ist absolut fair. Wir haben uns auch lange mit möglichen Antworten beschäftigt. Ich glaube, eine These sagt, dass die Amerikaner uns traditionell zum Thema Innovation im Finanzmarkt noch eine Nasenlänge voraus sind. Das hat man über die letzten Jahrzehnte immer wieder gesehen. Der Kapitalmarkt in Amerika ist einfach sehr offen, was Innovation betrifft. Und dementsprechend waren wir auch wenig verwundert, dass die ersten Direct Listings in Amerika stattfinden. Ich glaube, es hat auch was mit einer höheren Risikotoleranz der teilnehmenden Investoren zu tun. Denn rein technisch bedingt wäre ein Direct Listing aus unserer Sicht in Deutschland schon jederzeit machbar und dementsprechend auch nicht besonders innovativ, wenn man sich jetzt wirklich mal die Strukturen, die die deutsche Börse bereits vor langer Zeit aufgesetzt hat, aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen anschaut. Und es gab in der Vergangenheit auch im deutschen Markt immer wieder ähnliche Strukturen, die an ein Direct Listing erinnern. Normalerweise hatten wir das damals aber als De-Risking-Strategie zu einem klassischen IPO gemacht, anstatt zu sagen, wir probieren jetzt mal was Neues, wir gehen jetzt mal richtig raus und versuchen hier innovativ zu sein, was die Strukturen betrifft. Separat davon erinnern sich vielleicht auch einige, haben wir über die letzten Jahre Börsengänge von Evonik, Schaeffler, Jost, das sind drei Beispiele, die mir spontan einfallen gesehen, die auch ähnlich wie in einem Direct Listing zuerst mal eine kleinere Investorengruppe angesprochen haben, um gelistet zu sein und dann erst im Laufe der Zeit ihren Streupressitz und ihr Investorenpublikum vergrößert haben. Also um es kurz zusammenzufassen, es gibt immer wieder Hinweise auch im deutschen Markt, die an ein Direct Listing erinnern. Ich glaube nur von der Vermarktung her und auch von dem Medieninteresse her haben wir da noch keine großen Beispiele, wie es in Amerika der Fall ist. Vielleicht noch ein Thema, das immer wieder hochkommt, auch in meinem praktischen Gespräch mit möglichen Direct Listing Aspiranten. Da kommt immer ganz schnell das Thema erforderlicher Mindeststreubesitz hoch. Es ist so, dass wenn man bei einem Börsengang in Deutschland erfolgreich sein möchte, es einem nahegelegt wird, einen Mindeststreubesitz von etwa 25 Prozent zum Zeitpunkt des IPOs darzustellen. Dazu gibt es Ausnahmen, das können wir dann auch gleich nochmal besprechen. Allerdings ist es so, dass bisher in Amerika die Streubesitze eher kleiner waren. Im Schnitt sind Streubesitze im amerikanischen Markt zwischen 10 und 12 Prozent. Also man geht zwar an einen Markt, beginnt allerdings kleiner. Und das ist auch für den einen oder anderen Direct-Listing-Kandidaten natürlich sehr attraktiv. Und dementsprechend, glaube ich, muss man einfach diskutieren, ob man diesen Mindeststreubesitz auch vor dem Hintergrund der Liquidität in irgendeiner Form anpassen kann, beziehungsweise die Ausnahmen, die es gibt, praktisch darstellen kann, auch für kleinere Unternehmen. Ein abschließender Punkt von meiner Seite noch ist das Thema Mittelzuflüsse beim Direct Listing. Wir haben ja besprochen, durch das Direct Listing selbst kommt es nicht zu einer Kapitalaufnahme. Das ist in Amerika, wenn man es mit Europa vergleicht, meistens kein Problem. Viele der möglichen Direct-Listing-Kandidaten aus amerikanischer Hand sind bereits sehr gut kapitalisiert, Serious DE und weitere Private Financings bekommen. Der Venture-Capital-Markt ist auch weiter ausgeprägt als das, was wir im Moment in Europa vorfinden. Das ändert sich zum Glück auch Schritt für Schritt. Aber amerikanische Startups kommen natürlich mit sehr, sehr gut kapitalisierten Bilanzen an den Markt. Und dementsprechend ist der traditionelle Nachteil des Direct Listings, dass kein neues Kapital aufgenommen wird, kein besonders schlimmer Punkt. In Europa ist es natürlich immer wieder so, auch in Deutschland, wenn man an die Börse geht, will man das auch gleich nutzen, um neues Kapital aufzusammeln. Und dieser Aspekt ist derzeit im Direct Listing noch nicht möglich.
Joel Kaczmarek: Gut, verstanden. Jasper, du bist ja live dabei. Wie siehst du das? Warum ist das bisher so ein US-Thema und kein deutsches?
Jasper Lembke: Also ich glaube, dass die Beispiele, die wir jetzt in den USA gesehen haben, Slack und Spotify, dass das eben Unternehmen mit großer medialer Aufmerksamkeit sind. Das heißt, da kommen auch Retailer am ersten Handelstag und möchten gerne Aktien kaufen. Eine Brand ist schon da und mit dieser Brand Awareness passt das auch dann zu diesem Direct Listing. Für weniger bekannte Unternehmen, und das ist in Deutschland auch bei vielen traditionellen Industrieunternehmen der Fall, ist es ein bisschen schwieriger, diese Aufmerksamkeit zu generieren. Es eignet sich daher schon irgendwie für Unternehmen mit einer gewissen medialen Präsenz. Was Thomas ja schon gesagt hat, wir sehen so ein bisschen einen Aufstieg, einen Rise of the private markets. Das heißt, es geht mehr Geld in die privaten Märkte. Auch in Europa und Deutschland findet das vermehrt statt. Das heißt, wir haben jetzt in den letzten 10 Jahren, 20 Jahren vielleicht, sehen wir schon, dass auch Venture Capital in Deutschland funktioniert. Private Equity ist stärker und die Unternehmen brauchen länger, bis sie an die Börse gehen. Das ist ein Trend, der zeichnet sich jetzt ab. Der ist sicherlich noch nicht komplett erreicht, aber das Direct Listing oder das vermehrte Auftreten von Direct Listings könnte hier eine Konsequenz aus dieser Entwicklung sein. Das heißt, die Unternehmen bleiben länger private, sind dann besser kapitalisiert und mit dieser besseren Kapitalisierung ist die Not, Kapital aufzunehmen, nicht mehr so groß, sondern man geht eben aus anderen Gründen an die Börse. Und das könnte eben dazu führen, dass wir auch in Deutschland oder in Europa bald die ersten prominenten Direct Listings haben werden. Von der rechtlichen Seite ist es so, dass die Pfade beschritten sind, aber eben noch nicht ausgetreten. Das heißt, es ist noch nicht völlig komfortabel, so ein Direct Listing in Deutschland durchzuführen. Es gibt immer zwei Anknüpfungspunkte für das Prospekterfordernis in Deutschland beim Börsengang. Entweder das öffentliche Angebot oder eben die Börsenzulassung. Das heißt, nur weil man aufs öffentliche Angebot verzichtet, kommt man nicht darum hin, einen Prospekt zu schreiben, was immer sehr zeit- und kostenintensiv ist. Das ist im regulierten Markt sicher so. In unserem KMU-Wachstumssegment, das Segment für kleine und mittlere Unternehmen, haben wir eine Möglichkeit schaffen können, dass, wenn kein öffentliches Angebot erfolgt und keine Kapitalaufnahme stattfindet, man keinen Prospekt schreiben muss. Man muss dann allerdings ein sogenanntes Einbeziehungsdokument schreiben, dessen inhaltliche Anforderungen von den Börsen festgelegt sind. Dieses Dokument muss man nicht bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht billigen lassen, man kommt also um diesen aufwändigen Billigungsprozess herum, sondern das wird von der Börse genehmigt. Insofern auch jetzt schon für kleine und mittlere Unternehmen in dem Segment Scale ist das Direct Listing ein bisschen einfacher als im regulierten Markt. Und ansonsten ist es sehr ähnlich zu dem normalen IPO. Das heißt, ich brauche einen Mitantragsteller. Als Unternehmen muss ich mir also jemanden suchen, der mich beim Börsengang begleitet, der mich nicht nur im Vorfeld berät, sondern der auch diesen Antrag mit mir gemeinsam stellt. Und ich muss dann gewisse Kriterien erfüllen. Und da kommt eben auch der Streubesitz oder Free Float, wie er üblicherweise genannt wird, ins Spiel. Und Thomas hatte die Problematik da auch schon so ein bisschen skizziert. Wenn ich natürlich im Vorfeld eine Platzierung vornehme, dann kann ich diesen Streubesitz, also Streubesitz bedeutet, meine Aktien sind auch in der Masse ein bisschen verteilt, das kann ich über so eine Bookbuilding-Platzierungsphase gut erreichen. Wenn ich diese Phase nicht habe, dann muss ich in Europa vor dem ersten Handelstag einen Free Float von eigentlich 25 Prozent erreichen. Das ist nicht so ganz leicht. Die Amerikaner haben da eine Ausnahmemöglichkeit, dass dieser Streubesitz auch über den Handel erreicht werden kann. Diese Ausnahmemöglichkeit, die gibt es prinzipiell in Deutschland. Die Geschäftsführungen der Börsen und auch unserer Börse können so eine Ausnahme gewähren, wenn sie davon überzeugt sind, dass der Streubesitz über den Börsenhandel erreicht wird. Und zu dieser Überzeugung zu gelangen, ist vielleicht gar nicht so schwierig bei großen Unternehmen. Das Risiko ist aber doch nicht ganz unerheblich. Wenn es nämlich dazu käme, dass der Streubesitz nicht erreicht würde, dann müsste man theoretisch den Börsengang rückabwickeln und die Geschäfte, die getätigt worden sind, rückabwickeln. und Aber angesichts dieses Risikos ist man da bisher so ein bisschen zurückhaltend zu sagen, okay, es reicht uns, wenn der Streubesitz über den Börsenhandel erreicht wird. Das heißt, zurzeit sind wir da, das ist auch in ganz Europa valide, sind wir da noch so ein bisschen hinter den Amerikanern hinterher aus der regulatorischen Brille.
Joel Kaczmarek: Ja, aber ich finde eure Ausführungen gerade echt plastisch, weil da kriegt man mal ein Gefühl dafür, was ihr eigentlich meintet, welche Opportunities ich gerade will. Also gerade die Beispiele, die du auch hattest mit Flix oder Get Your Guide, dass man quasi vorbörslich finanziert, sehr, sehr stark, gut kapitalisiert losgeht und dann gar nicht mehr diesen Exit-Druck hat sozusagen für den Börsengang, sondern den auch aus anderen Erwägungen sozusagen durchführen kann. Jetzt würde mich ja beschäftigen, wenn ich jetzt irgendwie Tech-Gründer mit 500 Millionen Euro Finanzierung auf dem Konto wäre, ob es denn noch weitere Voraussetzungen gibt, die ich als Unternehmen erfüllen muss.
Jasper Lembke: Ja, da kommt jetzt wieder der Jurist in mir durch. Das kommt drauf an. Also zum einen will ich eine Zulassung im regulierten Markt oder will ich eine Zulassung im börsenregulierten Markt, also im Freiverkehr, in Scale, habe ich ja schon erwähnt, unser Wachstumssegment. Im regulierten Markt, klar, ich brauche meinen Mitantragsteller, ich brauche meinen Prospekt. Mein Unternehmen muss über das hinaus drei Jahre existieren. Also es muss eine gewisse Historie da sein. die durch rechtliche Existenz der Gesellschaft drei Jahre und drei Jahre Berichtshistorie nachgewiesen werden kann. Ich muss meinen Streubesitz erreicht haben, meine Aktien, mein Aktienkapital muss ordnungsgemäß geschaffen und eingetragen sein und meine Geschäfte müssen abwickelbar sein, also die Börsengeschäfte. Das bedeutet, dass die Wertpapiere, die man über die Börse kauft, dass die auch lieferbar sein müssen. Lieferbar in der heutigen Zeit bedeutet, dass eine Buchung in das Aktiendepot des jeweiligen Investors möglich ist. Alles im Prinzip ausgetretene Pfade, dafür gibt es die Clearstream, dafür gibt es die Banken, die die Depots haben. All das ist Standardprozedere und wäre natürlich beim Direct Listing auch notwendig. Für den börsenregulierten Markt, also für unser Segment Scale, da waren wir als Börse frei und waren auch ein bisschen schöpferisch tätig, die Anforderungen an so einen Börsengang festzuzurinnen und zu legen. Und wir haben da ein bisschen aus der Vergangenheit gelernt und haben gesehen, okay, Unternehmen sollten eine gewisse Börsenreife haben. bevor sie an die Börse gehen können. Das heißt, wir wollen nicht, dass ganz kleine Unternehmen mit drei, vier Mitarbeitern an die Börse gehen, weil es für die einfach extrem schwierig ist, in der Folge, nachdem sie dann an der Börse sind, die ganzen Transparenzanforderungen, die bestehen, einzuhalten. Das heißt, man braucht ein paar Mitarbeiter im Unternehmen, die es auch schaffen, sich mit diesen Themen dann wirklich zu beschäftigen. Und idealerweise hat man auch einen Investor Relations Officer, der die Außenkommunikation, die Kommunikation mit den Investoren übernimmt. Das alles erfordert Personal, das erfordert eine gewisse Unternehmensgröße. Da haben wir uns ausgedacht, fünf KPIs, die das Unternehmen idealerweise erfüllen soll. Drei von fünf KPIs reichen auch aus. Und diese Flexibilität, die wir bei den KPIs geschaffen haben, die ist ein bisschen dem geschuldet, dass Unternehmen sehr unterschiedlich sind. Wenn ich die KPIs mal durchgehe, das soll jetzt nicht zu spät sein. Untergerattert klingen, aber man soll entweder ein positives Eigenkapital haben, einen positiven Jahresüberschuss, mindestens 10 Millionen Euro Umsatz oder mindestens 5 Millionen pre-IPO eingesammeltes Kapital oder mindestens 20 Mitarbeiter. Alles zu erfüllen wird schwierig. Wenn ich mal das an einem Beispiel von einem Biotech-Unternehmen aufgreifen kann. Ein Biotech-Unternehmen, die sehr viel in Forschung und Entwicklung stecken, die werden Schwierigkeiten damit haben, 10 Millionen Euro Jahresumsatz zu haben oder Gewinne zu machen. Das wird für die in der Forschung- und Entwicklungsphase sehr, sehr schwierig sein. Insofern haben wir dieses Kriterium eingeführt, 5 Millionen pre-IPO eingesammeltes Kapital. Das weist nach, dass es vorbörslich Investoren gegeben hat, die ein gewisses Vertrauen in das Geschäftsmodell dieses Biotech-Unternehmens haben. Mit dieser Flexibilität an Kriterien sollten eigentlich die meisten Unternehmen dann klarkommen oder wenn sie sie eben nicht erfüllen, dann ist es vielleicht auch ein Signal, dass die Unternehmen noch nicht börsenreif sind. Ansonsten sind die Kriterien in Scale ein bisschen niedriger als im regulierten Markt. Zwei Jahre muss das Unternehmen bestehen und der letzte Jahresabschluss muss geprüft sein.
Joel Kaczmarek: Gut. Thomas, wir säßen ja nicht hier, wenn das ganze Thema nicht ein gewisses Momentum auch hätte. Wie ist denn das? Woran liegt es, dass es gerade in letzter Zeit verstärkt zu so Direct Listings kommt?
Thomas Thurner: Ich glaube, der Hauptgrund, Joel, liegt darin, dass wir seit der Financial Crisis 2009 bis vor kurzem, bis zum Ausbruch der Corona-Krise einen wirklichen Bullenmarkt hatten. Die globalen Börsen sind auf Bewertungslevels getradet, die absolut spektakulär waren. Und wir glauben auch, trotz der Covid-Krise, dass fundamental die Börsen nach wie vor sehr, sehr gut werden in den nächsten zwei bis drei Jahren. Dementsprechend ist Folgendes eingetreten. Viele Börsenkandidaten haben gesagt, okay, ich gehe raus, ich gehe an die Börse. Aber erstens, meine bestehenden Aktionäre wollen nicht besonders viel abverkaufen. Die wollen lieber die weitere Upside mitnehmen. Also die Streubesitze, die Jasper gerade erwähnt hatte, wurden immer geringer. Und zum anderen war das dann natürlich auch so, dass die Liquidität im Aftermarket nach dem erstmaligen Börsenabkauf Handel gelitten hat und wir hatten eine Reihe von super interessanten, super illiquiden Tech-Unternehmen. Und um dem ein bisschen gegenzulenken, hat sich die Industrie entschieden, es ist jetzt wirklich Zeit für Innovation und wir testen mal dieses Direct Listing. Also eigentlich kann man zusammenfassend sagen, das Direct Listing ist ein Kind von Innovation, das darauf basiert, dass die Börsen so gut gelaufen sind. Und vielleicht noch ein Hinweis, die Kapitalausstattung der Unternehmen, die sich einen Börsengang überlegen, wird immer attraktiver. Ich hatte es eingangs schon kurz erwähnt. Viele der Venture Capital Arms, aber auch Family Offices, vor allem auch in Deutschland, beziehungsweise klassische Pensionsfonds, haben jetzt wirklich damit begonnen, im Tech-Segment große Investorenrunden mitzuführen und mitzufinanzieren. Also dieses Thema Staying Private for Longer ist ein absolut wichtiges Thema. Vor einigen Jahren war es normalerweise so, ein Tech-Wert wurde vor fünf Jahren gegründet und dann ging es relativ rasch an die Börse. Wir haben jetzt mittlerweile Unternehmen, die schon vor zehn Jahren oder früher gegründet wurden, die aber einfach gesagt haben, wir müssen nicht an die Börse gehen, wir brauchen das Kapital nicht. Und dementsprechend das Direct Listing hier eine Möglichkeit, Altaktionären eine Chance zu geben, auszusteigen, wenn das gewünscht ist, beziehungsweise schrittweise sich an den Kapitalmarkt zu gewöhnen und dann, wenn die Zeit recht ist, zum Beispiel mittels einer Kapitalerhöhung, wenn man schon mal gelistet ist, Kapital einzusammeln. Und das ist eben, wie gesagt, diese erhöhte Flexibilität, die der klassische Börsengang, obwohl er sehr, sehr gut getestet ist, leider nicht mehr zusammenführen kann. Vielleicht auch noch kurz ein Aspekt, das bringt mich wieder in diesen Vergleich Amerika gegenüber Europa. Wenn man sich amerikanische Börsengänge anschaut, wird man im Vergleich zu Europa relativ schnell darauf kommen, dass die Performance des Aktienkurses in den Tagen nach dem IPO meistens zweistellig im Plus ist. Also da gibt es so die Faustregel, wenn der IPO in Amerika nicht 20 bis 30 Prozent in den ersten Handelstagen nach oben schießt, dann war das kein Erfolg. Das ist aus meiner Sicht eine kulturelle Frage. In Europa ist es normalerweise so, dass die Aftermarket Performance eher im mittleren einstelligen Bereich liegen sollte. Aber auch da sieht man, in einem Direct Listing kann ich sofort nach dem Börsengang verkaufen. Und wenn man natürlich hier einen Börsengang hat, wo die Aktie so stark nach oben tradet, ist es natürlich auch von der Bewertungsbildung hier sehr attraktiv. Und dementsprechend hat man gesagt, okay, dieses Direct Listing aus Amerika kommen, das ist eine tolle Sache für alle Beteiligten.
Joel Kaczmarek: Gut, Jasper, jetzt hast du ja auch schon ein Stück weit erzählt, was so die rechtlichen Aufwände sind, was es zu beachten gibt. Jetzt ist es natürlich auch interessant, was sind denn sonst andere Aufwände, sprich Zeit des Vorgangs, Kosten, Vorbereitung? Womit muss ich da als Unternehmen rechnen?
Jasper Lembke: Also das ist eine gute Frage und ich will jetzt bloß keine Zahlen nennen, die den Thomas nachher in Bedrängnis bringen, wenn er sich in irgendwelchen Behandlungen befindet. Aber ich glaube, man kann auch da wieder sagen, dass es ganz unterschiedlich ist, je nachdem wie groß das Unternehmen ist und in welchem Stadium sich das Unternehmen befindet, wie groß der avisierte Börsengang auch ist. Nehmen wir mal als Beispiel eine GmbH. Wenn die an die Börse gehen möchte, dann muss sie erstmal ihre Gesellschaftsform ändern. Sie muss zu einer AG werden oder zu einer SE oder zu einer KGAA. Das heißt, man muss hier so einen Rechtsformwechsel vollziehen. Da muss man Anwälte involvieren. Also das ist einfach ein Prozess, der kostet Zeit. Dann gibt es natürlich die eigentliche Phase, wenn man alles aufgegleist hat, seine Rechtsform entsprechend ausgerichtet. Man möchte in den Prime Standard gehen. Man muss also seine Rechnungslegung auf auf internationale Rechnungslegungsstandards umstellen, auf sogenannte IFRS. Auch das ist ein zeitaufwendiger interner Prozess für Unternehmen. Das sind so die großen Weichenstellungen, die man vorher nehmen muss. Und ab dann geht es los, dass man wirklich in eine Planungsphase des IPOs geht. Dann muss man erste Gespräche mit Investoren führen. Das heißt, man sucht sich die Banken aus, die einen bei diesem Prozess begleiten sollen, geht dann mit denen unter Umständen schon mal auf eine kleine Roadshow, spricht mit Investoren. Ich würde sagen, roundabout, wenn man es auf eine Zahl runterbrechen muss, dann dauert so ein Börsengang von 18 Monaten über vielleicht für ein kleines Unternehmen, das rechtlich und von der Berichterstattung schon so aufgestellt ist, dass es passt, bis zu sechs Monaten. Aber unter sechs Monaten halte ich einen Börsengang für wirklich nur sehr, sehr schwer möglich. In der letzten Phase, so drei Monate vor dem IPO, werden auch die Anwaltskanzleien involviert und schreiben den Wertpapierprospekt. Der muss geschrieben werden und dann muss er irgendwann bei der BaFin zur Billigung eingereicht werden. Dieses Billigungsverfahren dauert auch in etwa sechs Wochen, würde ich sagen. Das ist auch so ein bisschen Pingpong, back and forth. Ich reiche den Prospekt ein, die BaFin hat Kommentare, das fehlt, dieses fehlt, das muss genauer beschrieben werden. Bitte noch den Risikohinweis so und so ergänzen. Das ist ein Prozess, da sind ruckzuck sechs Wochen rum und dann muss man den Prospekt relativ gut timen, diese Prospektbilligung timen mit dem tatsächlichen Börsengang. Das heißt, der sollte möglichst einige Tage vorher gebilligt werden, bevor dann das Glockengeläut und die erste Preisfeststellung stattfindet. Aus Börsensicht? Also unser Bereich, wir sind relativ schnell. Wir sind so die letzten zehn Tage vor dem IPO sind wir als Börse involviert. Da wird dann dieser Zulassungsantrag bei uns gestellt, die Dokumente eingereicht, der gebilligte Prospekt, der Billigungsnachweis und die begleitende Dokumentation rund um das Unternehmen. Wie gesagt, das ist aus Börsensicht relativ schnell. Wir sind quasi die letzte Hürde, die man noch nehmen muss. Im Vergleich zu dem Gesamtprozess sind wir aber eher im Bruchteilsbereich dessen, was es an Aufwänden erfordert.
Joel Kaczmarek: Thomas, du hattest ja am Anfang unseres Gesprächs auch gesagt, dass sich die Rolle von Banken und auch von anderen Partnern teilweise verändert. Welche Rolle nehmt ihr denn, also Banken, im Direct Public Listing Prozess überhaupt ein?
Thomas Thurner: Das ist eine absolut faire Frage. Ich glaube, es ist auch fair zu sagen, dass die großen Arbeitspakete, wie wir sie bei einem klassischen IPO sehen, sich nicht wesentlich ändern durch dieses Direct Listing Modell. Also im Wesentlichen übernehmen wir die Beratung bei der Positionierung der Equity Story. Warum soll ein Investor die Aktie überhaupt kaufen? Das ist ein Thema, das wir mit dem Management im Detail aufbauen, nicht nur was jetzt operative Themen betrifft oder Strategie, sondern vor allem auch was die Financials betrifft. Wir bereiten das Management auf die Investoren Q&A vor. Das Management muss einfach absolut gut vorbereitet sein, auch die kritischsten Fragen von einer globalen Investorenbasis beantworten zu können. Und wichtig ist auch, dass wir dem Unternehmen helfen, die Financial Guidance geradezuziehen. So wie es auch bei einem normalen IPO üblich ist, kann man keine Geschäftspläne teilen oder Detailinformationen über die nächsten fünf Jahre mit möglichen Investoren besprechen. Aber man muss dem Markt schon eine gewisse Richtgröße, wo die Zukunft des Unternehmens hingeht, an die Hand geben. Und das ist auch mit Aufgabe der Bank, dass man hier kredibel auftritt und dass man dem Markt gewisse Trends erzählt, die man dann auch wirklich liefern kann. Das ist ein wesentlicher Value-Add der Investmentbank in so einem Prozess. Und wie gesagt, hat sich nicht geändert im Vergleich traditioneller IPO versus Direct Listing. Wichtig allerdings ist der große Unterschied zum Thema Aktien Research. Bei einem traditionellen IPO ist es so, dass jede Bank, die auf dem IPO arbeitet, einen Research-Analysten dabei hat, der eine Detailstudie anfertigt. Und wenn ich Detailstudie sage, dann meine ich so 150 bis 200 Seiten Studie über die Financials, über die Strategie, Vor- und Nachteile des Unternehmens. Diese Studien werden dann verwendet von diesem Analyst, neue Investoren in ein Orderbuch zu bringen. und das ist eben der große Unterschied im Direct Listing. Es gibt kein Orderbuch und es gibt auch keinen Einzel- oder keine zwei Analysten, die diese Vermarktung übernehmen, sondern das Management übernimmt. des Börsenkandidaten im Direct Listing geht selbst zu Investoren und versucht selbst Nachfrage zu generieren. Es gibt allerdings parallel eine Marketingveranstaltung, die wir Investor Day nennen, das heißt ein eintägiges Event, wo sehr breit eingeladen wird, meistens drei, vier Wochen vor dem ersten Handelstag, wo sowohl Investoren kommen können, als auch Research-Analysten aller Banken, die sich dafür interessieren. Also das wird nicht klein gehalten nur für die Syndikatsbanken, sondern es ist ein offenes Invite, hat den Vorteil, dass viele Analysten die Gesellschaft treffen können. Der Nachteil ist natürlich, da sind immer wieder auch Analysten dabei, die einen konträren View schreiben möchten, die sich vielleicht mit dem Management nicht so gut verstehen. Das ist dann realistisch relativ schwierig zu managen. Also im klassischen, traditionellen IPO lädt man im Wesentlichen die Banken ein, wo man auch weiß, dass die ganze Bank dahinter steht, über den Investmentbanker bis hin zum Trader, bis hin zum Research Analysten. Aber hier im Direct Listing ist das alles breiter aufgesetzt und dementsprechend mit verschiedenen Vor- und Nachteilen besetzt. Ansonsten ist die Bank ein allumfassender Partner für das Management-Team, nicht nur zum Zeitpunkt des Direct Listings, sondern vor allem auch im Aftermarket, also in den Wochen und Monaten nach dem Börsengang und das ist uns besonders wichtig. Wir werden als Bank genauso wie das Management an dem Erfolg des Börsengangs, aber auch der Aftermarket-Performance gemessen. Wir hätten nichts davon, wenn der Börsengang spektakulär erfolgt, die Aktie dann aber in den Monaten danach abbricht. Dann hätten wir relativ rasch eine Reihe von Investoren, die sagen, dass wir das nicht gut gemacht haben. Dementsprechend sind die Interessen zwischen dem Management-Team, den Altaktionären und auch der beratenden Banken hier in der Regel aligned. Und es arbeitet sich aus der Praxis immer sehr, sehr gut, wenn man die Gruppe betrachtet. der Teilnehmer klein hält. Also ich kann sagen, so ein Direct Listing, aber auch ein traditionelles IPO ist wirklich ein 24-7-Job. Da wird sehr, sehr hart gearbeitet, weil man eben diesen ersten Tag dieses Eröffnen des Börsenhandels absolut richtig hinbekommen möchte. Das ist nicht nur eine Frage der Bewertung, das ist auch eine Frage, das Investoren-Sentiment richtig zu lesen und einfach das Management bestmöglich auf die Realität im Markt vorzubereiten.
Joel Kaczmarek: Was mich jetzt noch beschäftigt ist, wie wird denn die Bewertung in einem Direct Public Listing festgelegt? Also Aktionäre und Gründer wollen ja gar nicht um jeden Preis verkaufen.
Thomas Thurner: Absolut. Das ist ein fairer Punkt. Müssen Sie auch nicht. Das ist der Riesenvorteil im Direct Listing. Man kann mal schauen, wo die Aktie zu traden beginnt. Und im Wesentlichen gibt es hier ein ganz gutes Tool seitens der Börse. Es wird die Eröffnungsaktion dafür verwendet. Es ist ja auch so, dass an jedem Börsentag, selbst wenn es kein IPO gibt, es immer einen Anfangskurs gibt, der über Angebot und Nachfrage reinkommt. Also jeder Käufer kann seine Orders abgeben und die Verkäufer, das wird in einen Topf geworfen. Um es plastisch darzustellen, das ist im Wesentlichen auch die Übung, die man im Direct Listing macht und man versucht dann Angebot und Nachfrage auszupendeln und dementsprechend entsteht der erste Handelskurs. Somit kann man dann als bestehender Altaktionär sagen, okay, das reicht mir, ich verkaufe jetzt rein oder ich warte ein paar Tage in der Hoffnung, dass die Aktie nach oben handelt. Und das ist der große Unterschied zum traditionellen IPO, wo man ja schon Wochen davor mit einem Book-Billing und einer Preisspanne gewisse Bewertungsparameter an den Markt kommuniziert und zwar auch im Aftermarket Angebot und Nachfrage hat, aber schon viel früher den Markt in eine gewisse Richtung leitet, was die Bewertung betrifft.
Joel Kaczmarek: Gut, abschließend. Was für zukünftige Trends seht ihr denn bei dem ganzen Thema noch? Wenn wir mal ein bisschen hier den Blick nach vorne aufmachen. Jetzt haben wir, glaube ich, gut verstanden, worum es geht. Was glaubt ihr, kann noch so an Trendentwicklung kommen?
Jasper Lembke: Also ich glaube, dass man tatsächlich mehr Direct Listings sehen wird in Zukunft. Wie viele, das ist jetzt noch nicht abzuschätzen und ob sich das wirklich richtig durchsetzt, ist auch spannend zu beobachten. Also da mag ich mich jetzt keine Prognose trauen. Aber ich habe das schon gesagt und Thomas sieht es genauso. Staying private for longer ist ein Thema. Das heißt, die Unternehmen werden im Private Market besser kapitalisiert. Das könnte dazu führen, dass es mehr Direct Listings geben wird. Das ist für mich definitiv ein Trendsignal. Das zweite, was ich sehe, ist, viele Unternehmen fahren Dual-Track. Das heißt, sie halten sich beide Optionen, den Exit über die Börse oder den privaten Verkauf an einen Interessenten des Unternehmens. Und dieses Dual-Track-Fahren zeigt auch, dass es am Ende entscheidend auf die Bewertung ankommt. Was ist mein Unternehmen wert? Was wird es an der Börse wert sein? Was ist es im Private-Market wert? Vielleicht lässt sich dies dann auch noch irgendwie kombinieren mit einem Exit über Direct-Listing. Man sieht es teilweise auch bei Spin-Offs. Jetzt ThyssenKrupp hat das lange diskutiert. daraus ergeben. Beide Formen werden aber, das glaube ich mit Sicherheit, werden nebeneinander Bestand haben. Das heißt, der klassische IPO wird durch das Direct Listing nicht abgelöst werden. Es wird immer Unternehmen geben, die Kapital über die Börse aufnehmen wollen, die das eben als Finanzierungsquelle heranziehen, auch um einfach flexibel zu sein. Ich mache private Finanzierung, ich kann ein IPO machen, ich kann, wenn ich einmal gelistet bin, immer wieder neues Kapital über die Börse einsammeln. Diese klassische Form wird sicherlich bestehen bleiben.
Joel Kaczmarek: Thomas, wie ist das bei dir?
Thomas Thurner: Ich sehe im Wesentlichen drei Punkte, die ich als absolut spannend bezeichnen würde im Kontext eines Direct Listings. Punkt eins ist, bisher haben wir Direct Listings aus dem engeren Tech-Sektor gesehen, Software, Internet, E-Commerce. Ich glaube, dass sich langsam aber doch auch andere schnell wachsende Branchen anschließen werden, wenn man jetzt über MedTech, Biotech, Artificial Intelligence und so weiter Gedanken macht. weil es dort auch tolle Wachstumspfade gibt. Dort gibt es auch eine Venture-Capital-Szene, die das Exit-Szenario optimieren möchte. Und das hilft natürlich, weil ich bin nie ein großer Fan davon, dass man gewisse Kapitalmärkte immer nur mit einer Industrie bespricht. Ich glaube, es braucht einen kollektiven Push, um das Produkt zu verbessern. Der zweite Punkt, den wir ganz klar beobachten, das ist die Tatsache, dass Firmen, Viele große Investoren, also vor allem weltweit agierende Pensionsfonds, versuchen vor einem Direct Listing, sechs, acht Monate vorher, schon in die private Finanzierungsrunde zu kommen, um dann auch beim Direct Listing abverkaufen zu können. Also im Wesentlichen geht es darum, wenn man ein attraktives Unternehmen gefunden hat, möglichst rasch in die Kapitalstruktur zu kommen. Da geht es gar nicht um Corporate Governance mit Bestimmung. Es geht darum, möglichst früh Exposure zu bekommen und dann das Direct Listing zu nutzen, relativ rasch abzuverkaufen. Ich sage das deshalb, weil viele der großen Hedge Funds, aber auch Long Only, sprich Pensions Funds, uns ansprechen und sagen, wo gibt es hier interessante Kandidaten. Und das war bisher eigentlich der Spielplatz von klassischen Growth Investoren, Venture Capital. Aber wie gesagt, diese Investorenbasis verbreitet sich und dementsprechend kann das dann auch dazu führen, dass das Direct Listing selbst dann als Exit Schritt größer wird und die Liquidität dementsprechend höher wird. Und ich glaube, das andere Thema ist natürlich, oder der dritte Punkt, den ich machen wollte, ist natürlich die Frage, ob man in Zukunft die Kapitalaufnahme, also diesen Primary Race, den es im Moment im Direct Listing noch nicht gibt, ob man den rechtlich verknüpfen kann mit dem Direct Listing. Wenn man hier eine Form finden würde, die rechtlich und operativ machbar ist, dann hätte man das Beste aus beiden Welten sozusagen kombiniert. Dann braucht es im Wesentlichen nur einen mutigen Ersten, der das Format auch testet, nachdem das hunderte von Anwälten, Börsenmanagern und Investmentbankern durchexerziert haben. Aber ich glaube, das ist so die nächste Iteration, die uns in den nächsten ein bis zwei Jahren beschäftigen wird.
Joel Kaczmarek: Ihr beiden, es war ein Privileg, das mit euch zu besprechen, weil ich glaube, super aktuelles Thema für viele Unternehmen, extrem spannend und es gibt da glaube ich kaum größere Profis als euch. Von daher, es hat viel, viel Spaß gemacht. Wie ist das, wenn man sich jetzt dafür interessiert? Kann man euch darauf ansprechen oder was sind so die besten Kanäle, um da mal einen Schritt nach vorne zu wagen?
Thomas Thurner: Ja, absolut. Direkter Outreach ist immer am besten.
Joel Kaczmarek: Gut, dann seien alle, die das hier hören und sich damit beschäftigen wollen, dazu aufgerufen. Euch beiden ganz, ganz herzlichen Dank. und ja, ich bin mal gespannt, wie sich das Thema noch so weiterentwickelt. Lieben Dank euch.
Jasper Lembke: Danke dir für die Einladung.
Thomas Thurner: Danke, Joel.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Börsengänge: Unsicher auf dem Börsenparkett? Nicht mit uns! Gemeinsam mit unterschiedlichen Expert:innen der Deutschen Börse spricht Joel regelmäßig über alles rund um die Themen Börse, Börsengang und späte Finanzierungsphase (pre IPO).