Haftungsrisiken beim IPO richtig managen

5. März 2024, mit Joel Kaczmarek


⚡️ Warum das wichtig ist

Wir wünschen uns mehr Börsengänge in Deutschland, doch verbinden sich mit einem IPO immer auch Risiken und Haftungsthemen. Wer sein Unternehmen an die Börse bringen will, sollte also um Faktoren wie die Risiken einer Prospekthaftung und die gängigen Versicherungskonzepte aus POSI und D&O Versicherung Bescheid wissen.


🧠 Joëls Learnings

(Dies ist keine Rechtsberatung und alle Angaben ohne Gewähr)

  • Für einen Börsengang erstelle ich immer einen Prospekt, in dem ich über Chancen, Risiken, Finanzen usw. informiere und dafür gibt es eine Prospekthaftung (trifft nur die Emittentin, Veranlasser und die Banken mit einer Beweislastumkehr), d.h. finden sich dort Fehler oder Falschaussagen, kommt es zu einer privilegierten Haftung (=gedeckelt auf den Ausgabepreis und kann nur bei Verlust geltend gemacht werden) und kapitalmarktrechtlichen Folgen (ohne Cap, mit einer persönlichen, unbegrenzten Haftung)

  • Bsp.: Ich gebe eine Aktie für 50 Euro pro Stück aus, der Wert steigt auf 55 Euro und eine Käuferin steigt ein, anschließend sinkt die Aktie auf 45 Euro – dann kann die Käuferin auf die 5 Euro Differenz zwischen 50 Euro Ausgabepreis und 45 Euro aktuellem Preis eine Haftung geltend machen, falls sie Fehler im Prospekt findet – es kommt selten zu echten Haftungssituationen, doch die Abwehrkosten sind hoch, zumal nach außen gesamtschuldnerisch gehaftet wird und dann aufwändig auseinander dividiert wird, ob etwas vorliegt

  • Diese nicht vermeidbaren Risiken kann ich versuchen zu transferieren, indem ich neben der üblichen D&O-Versicherung von Manager:innen (Directors & Officers Insurance) auch eine POSI abschließe (Public Offerings Securities Insurance) – dies ist eine Versicherung, welche die Prospekthaftungsrisiken abdeckt und verschiedene Bausteine mitversichert (z.B. genügt eine behauptete Pflichtverletzung, um Abwehrkosten, Gutachten usw. auszulösen, was die POSI abdeckt)

  • Die empfohlene Absicherung liegt bei 25-40% bei 500 Mio. Ausgabevolumen und dies bedeutet (abhängig vom Risikohunger) sechs- bis siebenstellige Versicherungskosten zum IPO, was 12 Jahre und länger Schutz für 100 Mio. und mehr bietet – Versicherungen dieser Art werden durch mehrere Versicherer in einem so genannten "Tower" strukturiert: Darin gibt es ein Primary (= Grundvertrag über 10-15 Mio.) und dann einen Underwriting Call, wo die Versicherer eine Präsentation bekommen und wie einem Captable Prämien, Abdeckung und das Framework der POSI verhandeln

  • Eine D&O-Versicherung alleine genügt nicht, zwar geht diese viel weiter als die POSI, doch mit dem IPO ändert sich die Haftungssituation durch neue Regelpublizitätspflichten, Ad hoc-Publizitätspflichten, höhere Compliance-Anforderungen usw. – dann hast du eine D&O, aber nicht für diese Situation, braucht dann einen Check und Umbau

  • Bin ich in den USA gelistet, habe ich einen völlig anderen Haftungsrahmen: durchschnittlich jedes fünfte Unternehmen wird dort verklagt (immer inklusive des Managements) und da man klagefreudiger ist und die Verteidigungskosten viel, viel höher ausfallen, ist eine D&O dort 50 mal teurer als in Deutschland und eine POSI praktisch nicht mehr einzukaufen


🔮 Ausblick in die Zukunft

Mit der steigenden Komplexität der Börsenregulierungen und der komplexen Haftungssituation, insbesondere in den USA, dürfte für immer mehr Unternehmen der Blick auf die Absicherung der Risiken eines Börsengangs relevant werden. Dennoch hängt dies auch von der eigenen Risikobereitschaft ab.

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Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Börsengänge: Unsicher auf dem Börsenparkett? Nicht mit uns! Gemeinsam mit unterschiedlichen Expert:innen der Deutschen Börse spricht Joel regelmäßig über alles rund um die Themen Börse, Börsengang und späte Finanzierungsphase (pre IPO).