Statusspiele: Nackt duschen, Achtsamkeit und Status

5. April 2020, mit Marina Löwe

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Marina Löwe: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Make-It-Mindful-Podcast bei digital kompakt. Nackt duschen und Statusspiele. Danke an Dominik für die Inspiration zur heutigen Podcast-Folge.

An einem wunderschönen Oktobertag durfte ich am Rhein einen kurzen Impuls zum Thema Statusspiele geben. Die Gruppe sollte sich dazu in Paaren zusammenfinden. Und meine Bitte war, ihr werdet euch gleich alle zum Bewerbungsgespräch treffen. Die Geschäftsführer heben bitte mal eben die Hand. Bei einigen Paaren gingen beide Hände hoch. Bei anderen waren beide zögerlich. Das war für viele schon das allererste Statusspiel noch vor der Übung selbst. Denn die erste Frage ist, wie reagiere ich bei sowas? Melde ich mich sofort, wenn nach Führung gefragt wird oder bewusst nicht? Was hättest du gemacht und warum? Status beschreibt die soziale Stellung einer Person innerhalb einer Gruppe.

Klassisch verbinden wir Status häufig mit Rollen wie Führungspositionen und manche von uns springen sofort auf alles an, was einen hohen Status triggert. Aber es ist eben nicht jeder scharf drauf.

Gerade im agilen Arbeiten ist Status auch nochmal viel fließender als früher. Wir hängen weniger an Hierarchien und an diesen dauerhaften Rollenverteilungen. Und Führung bedeutet heute, beides zu können. Führen und Folgen. Je nachdem, was die Situation gerade halt fordert. Wie kam es zum Nacktduschen? Bei meiner Arbeit in einem Energiekonzern in den Niederlanden hat mir ein Kollege auf meine Frage nach dem Hierarchieverständnis der Niederländer gesagt, weißt du was, wenn wir duschen gehen, dann machen wir das auch alle nackt, oder? Warum sollten wir dann so ein Theater machen wegen einem Titel? Und als ich das erzählt habe, kam aus der letzten Reihe nur, was, was, was ist das mit nackt duschen? Bei Dominik singt nur nackt und duschen als Buzzwords hängen geblieben. Und direkt die Frage, reden wir eigentlich noch über Statusspiele oder bist du schon bei Rollenspielen angekommen? Gute Frage, denn im Alltag vermischen wir das gerne mal, auch in der Teamarbeit.

Der Chef hat nämlich zum Beispiel nicht immer den höchsten Status. Stell dir vor, dass der Bewerber zum Beispiel ein extrem guter Programmierer ist, wenn der Geschäftsführer eines Maschinenbauunternehmens jetzt schon Lieferprobleme hat, weil die Maschine zwar fertig gebaut ist, die Software aber ohne Programmierer partout nicht fertig wird. Wer hat jetzt in dem Gespräch eigentlich den höheren Status? Und noch ein Beispiel.

Wenn alle im Team fließend Englisch sprechen und sich nur der Projektleiter schwer tut, den Diskussionen zu folgen, wer hat dann den höheren Status? Wenn der Bereichsleiter vor versammelter Mannschaft einen Mitarbeiter fertig macht, der von allen geschätzt wird, wer hat hier den höheren Status? Vielleicht merkst du schon, dass Status keine ganz 100% eindeutige Sache ist, sondern wirklich immer vom Kontext abhängt, von dem, was sich drumherum befindet und vielleicht auch von der Vorgeschichte.

Wenn du gerne mal auf Situationen aus deinem Arbeitsalltag gucken magst, was macht denn für dich eigentlich einen hohen Status aus? Und was zahlt alles auf Status ein? Also hier gibt es ein paar klassische Sachen, die wir mal durchgehen können. Du hast erstmal die Rolle. Der eine ist Geschäftsführer oder Vorstand. Der Titel, Körpersprache, wie groß, wie raumgreifend ist jemand vielleicht unterwegs, aber auch Statussymbole wie das große Eckbüro oder Den Maßanzug oder das Auto, auch die Stimme, also wie tief ist die Stimme. Status wird häufig zum Beispiel mit der tiefen Stimme verbunden, was dann bei Frauen in Meetings manchmal die Frage aufwirft, warum ihnen keiner zuhört. Weil Frauen gerne im Alarmbereich unterwegs sind, wo Männer denken, ich kann das gerade gar nicht gut hören, aber gar nicht genau wissen, woran das liegt. Körpergröße. kannst du relativ wenig dran dehnen, aber kann auch schon mit deinem Status verknüpft werden, die Reaktionen der anderen.

Also wenn du auf eine Gruppe triffst, woran erkennst du, wer hier den höchsten Status hat, wer der Ranghöchste ist? Fachwissen, Expertise and the list goes on. Also es kommt noch viel, viel mehr, was auf Status reinspielen kann und es ist gar nicht so eindeutig, denn manchmal ist derjenige, der den ganzen Tisch einnimmt und sich groß und breit macht, der da von allen nur belächelt wird und dem keiner aus der Gruppe folgt.

Also Die Frage ist ja jetzt, was macht dieses Verständnis oder das Beobachten von Status eigentlich wichtig? Und was hat das mit Achtsamkeit zu tun? Und dazu bin ich sehr dankbar, dass einer der Teilnehmer an dem Tag mit den Statusspielen zu mir gekommen ist und gesagt hat, diese Übung hat mich total konfrontiert. Und zwar damit, dass als ich als Geschäftsführer gestartet bin, ich mich benommen habe wie der letzte Honk.

Ich war dominant, ich war unfreundlich. Ich habe gesagt, okay, schön, dass Sie sich beworben haben, aber was können Sie eigentlich? Dann erzählen Sie doch erst mal, was Sie so mitbringen. Und als wir die Rollen getauscht haben, war mein Gegenüber ein so zuvorkommender, unfassbar sympathischer Geschäftsführer, der mir erstmal einen Platz angeboten hat. Möchten Sie was trinken? Was ist denn so? Ihr erster Eindruck, wenn Sie hier reinkommen? Da habe ich gedacht, natürlich, als Geschäftsführer darf man ja auch nett sein.

Also was habe ich denn da für einen Pin im Kopf, dass ich bei Geschäftsführerrolle direkt reinspringe in so ein dominantes von oben herab Verhalten? Wo kommt das denn eigentlich her? Und das finde ich eine extrem gute Frage. Also es gibt ein paar spannende Experimente und Geschichten dazu. Vielleicht hast du den Film mit Morris Bleibtreu damals mal gesehen, das Experiment, wo den Teilnehmern Rollen zugewiesen wurden. Entweder warst du Sträfling oder du warst der Gefängniswärter. Und je nachdem, welche Rolle diejenigen hatten, haben sie sich mit der Zeit auch immer mehr in diesen Rollen eingelebt. Also die Sträflinge haben sich mehr als ausgelieferte Opfer gefühlt und die Wächter haben immer mehr ihre Macht gezeigt und ausgelebt und waren übergriffig in ihrer Machtausübung. Also es scheint doch irgendwas zu geben an diesen externen Dingen, die uns entweder zugewiesen werden oder die wir uns erarbeitet haben, an denen wir uns sehr festhängen und denen wir den Status zuschreiben.

Und dazu nochmal ein ganz kurzer Besuch bei Björn Diemel. Das ist der Anwalt aus Carsten Dusses Roman »Achtzer Morden«, den ihr in der letzten Folge bereits kennengelernt habt. Der hat ja aufgrund seiner mangelnden Work-Life-Balance von seiner Frau das Achtsamkeitsseminar verdonnert gekriegt und muss jetzt bei seinem Coach atmen. Ich zitiere. Ich sagte nichts und spürte nur. Und jetzt versuchen Sie einmal, Ihren Körper als Ganzes zu spüren. Ich atmete und spürte weiterhin vor mich hin. Langweilige Scheiße.

Das ist also Achtsamkeit? Versuchte ich die Übung zu beenden. Wenn Sie gerade auf Ihren Atem achten, sind Sie achtsam. Richtig. Und damit verändere ich die Idioten um mich rum? Fragte ich. Nein. Damit verändern Sie Ihre Reaktion auf diese Idioten. Die Idioten sind also nicht weg? Nein, aber deren Einfluss auf ihr Wohlbefinden. Was machen Schnappatmung, Nackenverspannung und Magenschmerzen? Ich füllte nochmal in mich rein. War alles weg? Erstaunlich. Zur Erinnerung. Achtsamkeit ist sowohl Haltung als auch Praxis.

Und es ist eine bewusste Aufmerksamkeitslenkung. Wie Tony Robbins so schön sagt, where focus goes, energy flows. Also dort, wo du deine Aufmerksamkeit hinrichtest, fließt auch deine Energie hin. Wenn du sie also auf Dinge richtest, die du ablehnst, wie zum Beispiel jemanden, der sich immer fürchterlich aufplüstert in den Meetings, der sich viel zu dominant gibt, der immer den Raum beherrscht oder auch das ganze Gespräch, dann kann es sein, dass dir die versteckte Qualität dahinter nicht zur Verfügung steht.

Und das ist was, was mir im Coaching immer mal wieder begegnet. Ein ganz spannendes, ambivalentes Verhältnis zum Thema Status. Also Wenn es dir zum Beispiel nur gelingt, dich wohlzufühlen in einem hohen Status, also du hast eine fast krampfhafte Neigung dazu, jeden Raum beherrschen zu müssen, in dem du dich begibst oder immer klar zu machen, ich bin hier der Ranghöchste, dann ist es für dich natürlich genauso schwierig, die Leute in der Führung hinter dich zu bekommen, als wenn du sagst, den Status an sich komplett ablehnst und sagst, ich möchte aber auf Augenhöhe sein und ich will mich ja gar nicht über die anderen stellen. Ja, aber in dem Moment, wo du dich nicht vorne hinstellst oder dich irgendwo ein Stück weit aus der Gruppe der Mitarbeiter raushebst, kann man dir schwer folgen, weil man sieht ja gar nicht, wo du stehst. Und das Ganze einfach für sich mal spielerischer zu erkunden und zu beobachten. Was ist eigentlich meine Einstellung, meine Haltung zu Status? Dazu lade ich dich ein, das einfach für dich im Alltag mal mehr zu beobachten, nachdem wir den bewussten Atem schon kennengelernt haben.

Du jetzt ja schon weißt, dass das eine Möglichkeit ist, um dein Nervensystem zu entspannen, nehmen wir heute noch einen weiteren Aspekt mit in die praktische Übung. Und zwar das wertfreie Wahrnehmen, das Beobachten ohne zu beurteilen.

Und das ist ein weiterer sehr wichtiger Aspekt an der Achtsamkeit. Das eine ist, dass du dich mehr auf das Hier und Jetzt konzentrierst, dass du deine Aufmerksamkeit aus der Vergangenheit oder der Zukunft in das Jetzt bringen kannst.

Der andere Aspekt ist, dass du trainieren kannst mit Achtsamkeit, etwas wertfreier unterwegs zu sein. Denn in dem Moment, wo du Dinge ablehnst, Stehen sie dir nicht zur Verfügung? In dem Moment, wo du etwas unbedingt haben willst und alles andere keine gute Option ist, wird es für dich schwierig, damit umzugehen, wenn es doch anders kommt, als du es gedacht hast. Also wie gelingt es dir, auch gerade in diesem Moment zum Beispiel zum Thema Status, eine wertfreie Haltung einzunehmen, sodass du mehr in die Beobachterposition kommst? Und so wie Björn Dieme so schön sagt, sind die Idioten dann weg? Nein. Aber deine Reaktion auf Menschen, die dich triggern, ist anders. Und in dem Moment, wo du nicht mehr auf jedes emotionale Pferdwild aufspringen und mit dem durch die Gegend reiten musst, bist du wieder fester im Sattel und kannst bewusster steuern, wie du auf denjenigen reagierst und kannst für dich auch bewusster wählen, muss ich mich jetzt gerade hier so groß machen oder muss ich mich gerade so viel kleiner machen? Was ist gerade eigentlich das, was in diesem Moment richtig und stimmig ist? Und da hilft dir, wenn du wertfreier in der Lage bist, wahrzunehmen. Was ist jetzt gerade? Das ist der erste Moment.

Und auch dafür lade ich dich, egal was du gerade machst, ein, dir wieder einen ganz kurzen Moment zu gönnen, in dem du innehältst und erst mal über drei tiefe Atemzüge da ankommst, wo du gerade bist. Und du kannst gerne tief durch die Nase einatmen. Und durch den Mund ausatmen und dann zu deinem natürlichen Atemrhythmus zurückkommen. Und wenn du in dieser Ruhe und Stille bist, dann nimm dir gerne einen Moment, um zu beobachten, wie aus der Vogelperspektive, als wenn du mit etwas Abstand auf die Erde gucken würdest und deine Gedanken sind wie der Straßenverkehr. Was sind das eigentlich für Gedanken, die da langziehen? Welche sind besonders prägnant Welche sind besonders schnell? Und von welchen kannst du kaum den Blick lassen? Und immer wenn du bemerkst, dass deine Gedanken zu viel Raum bekommen, dann zoomst du dich wieder ein Stück weit raus und gehst wieder auf mehr Abstand.

Und eine einfache Methode, mit der du das machen kannst, ist es zu benennen oder auf Englisch auch Noting. Noting ist erstmal, dass du es bemerkst und Naming ist, dass du es benennst. Du bemerkst, da ist ein Gedanke und du sagst, ah, ein Gedanke und lässt ihn weiterziehen. Und so wie dein Muskel sich gegen den Widerstand trainiert, je häufiger du das Gewicht anhebst, so trainierst du auch deinen Geist mit wiederholten Übungen darin, dass du Gedanken schneller wieder loslassen kannst. Gedanken, an denen Bewertungen hängen, Interpretationen. Und die dann Gefühle auslösen. Und wenn du magst, nimmst du dir einfach immer mal wieder kurze Auszeiten.

Das kann auch mal nur eine Minute sein. Oder du gönnst dir vielleicht auch den Spaß mal über einen längeren Zeitraum wie zehn Minuten. Oder solange du es aushalten magst, einfach zu beobachten. Was geht mir da so durch den Kopf? Und wie kann ich mit etwas mehr Distanz Einfach nur benennen, ein Gedanke und ihn dann weiterfahren lassen oder weiterziehen lassen.

Vielleicht passt das Bild mit den Autos für dich, vielleicht ist es eher das Treibgut im Wasser, was du weiterziehen siehst oder Wolken, die unter dir sind. Welches Bild auch immer für dich am besten passt, nimm es für dich gerne als Anker, um die Gedanken ziehen zu lassen.

Heute gebe ich dir gerne wieder ein Zitat mit auf den Weg. Dieses Mal von Lao Tse oder Lao Tse. Bin mir nicht sicher, wie man ihn ausspricht. “Wenn ich loslasse, was ich bin, werde ich, was ich sein könnte. Wenn ich loslasse, was ich habe, bekomme ich, was ich brauche.” In dem Sinne, glaub nicht alles, was du denkst. Und make it mindful. Bis zum nächsten Mal. Hey! Hey! Hey!

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