Fokus als Schlüssel zum Erfolg

14. Juli 2020, mit Marina Löwe

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Marina Löwe: Hallo und herzlich willkommen zu Make it Mindful bei digital kompakt, dem Podcast für mehr Achtsamkeit im Arbeitsleben.

Heute geht es darum, wie anstrengend Freiheit sein kann. Es geht ums Luftanhalten, extreme Kälte und einen brennenden Mönch. Wir könnten natürlich auch noch über Hirnforschung, Data Biases, Hochleistungssport, Ernährung, über unser Menschenbild an sich und Moment mal, ich kriege hier gerade noch eine Nachricht. Da haben wir schon den Wahnsinn unserer digitalen Wissensgesellschaft. Wie behalte ich den Fokus? Letztes Jahr um diese Zeit liege ich bei allerschönstem Wetter im Krankenhaus.

Nach einer OP darf ich vier Tage lang das Bett nicht verlassen, mich nicht mal aufsetzen und anschließend auch noch sechs Wochen lang weder Fahrrad noch Auto fahren. Für jemanden wie mich, der sich selbst als sehr aktiv ist, teilweise umtriebig bezeichnen würde, war das ein ganz großartiges Gratistraining.

Mein Fokus wurde plötzlich sehr lokal. Mein Garten, ein Umkreis von 100 Metern und mein Alltag ohne Arbeit und Bewegung sehr ruhig. Zusätzlich konnte ich in den ersten Wochen kaum zwei Sätze lesen, ohne mich hinterher wieder zu fragen, was habe ich jetzt eigentlich gelesen? und schon wieder von vorne anzufangen. Für jemanden, der der klassische Knowledge-Worker ist, also auf Informationsverarbeitung angewiesen, ist das ein verdammt komisches Gefühl, wenn du dich plötzlich nicht mehr fokussieren kannst. Ich war also einmal komplett auf Null. Am Ende entstanden in der Zeit neue Freundschaften vor der Haustür, ein ganz neues Level an Gelassenheit und Prioritäten, sowie in kleinen Schritten die erste Folge zu diesem Podcast.

Alles nur dank der erzwungenen Umlenkung meines Fokus. Es war nicht spaßig, aber es war extrem wichtig. Und man sagt ja, wenn du was lernen willst, fang an es zu lehren oder mach einen Podcast. Und neben den Trainings und Workshops zeigt mir dieser Podcast, wie viel Fokus es von meiner Seite braucht, um euch komplexe Themen wie diese anzupassen. möglichst gut auf den Punkt rüberzubringen, sodass ihr mir gerne folgt. Und um euch gut mit auf die Reise nehmen zu können, lege ich für die Folgen von Make it Mindful, in denen ich euch was alleine erzähle, so wie heute, einen Überbegriff fest, mit dem ich vorher eine Weile schwanger gehe. Diesmal war es das Wort Fokus. Und gerade wenn du dich mit dem Thema beschäftigst, ist ja die spannende Frage, worauf lege ich denn den Fokus, wenn es genau um dieses Thema geht? Und ihr werdet merken, es wird auch noch Folge 2 und 3 geben, die an das Thema andocken.

Denn ich kann euch gar nicht sagen, wie viel Inspiration es dazu gab und wie viel Fokus es brauchte, um es auf diese Folge runterzubrechen. Wenn ich mich frage, welchen Fokus ich legen sollte, dann habe ich mich dieses Mal inspirieren lassen von meinen Coaches. Denn das, was die meisten von ihnen umtreibt, ist der Umgang mit dem digitalisierungsbedingten Informationsüberfluss. Aber Auch mit der Freiheit, die wir zum Beispiel durch unseren Wohlstand oder auch New Work haben. Wir haben Wahl, Entscheidungs-, Gestaltungsfreiheit. Wir können unser Arbeitsumfeld, den Ablauf bis hin zu unserer eigenen Rolle oder auch Aufgabenschwerpunkte selber definieren.

Und diese Freiheit erfordert extremes Selbstmanagement. Gerade durch den Corona-Lockdown haben viele besonders gemerkt, wie viel Selbstmanagement es braucht, wenn diese Rahmenbedingungen wie der feste Arbeitsort, regulierte Arbeitszeiten oder auch eine engere Führung wegfallen und uns durch die Digitalisierung obendrauf auch noch eine Masse an Informationen zur Verfügung steht, sodass es wirklich viel Energie kostet, diese Informationen zu validieren und zu verarbeiten. Ohne diese Vorgaben oder Begrenzungen durch einen Chef, der eng dran sitzt, und das ist ja schön, diese Freiheit zu haben, aber dadurch ist plötzlich alles möglich. Wir müssen selber differenzieren. Wie unterscheiden wir die wenigen Wichtigen von den vielen trivialen Themen? Wirtschaftsnobelpreisträger Herbert Simon hat 1977 schon vorausgesagt, die Information verbraucht die Aufmerksamkeit ihrer Empfänger.

Und deshalb schafft der Reichtum an Informationen, den wir gerade haben, eine Armut an Aufmerksamkeit. Fangen wir also erstmal da an, wo der Fokus der Wissenschaft sich auf die Aufmerksamkeit gerichtet hat und die Frage, was uns wachsam also fokussiert hält, besonders interessant wurde. Leider kommen viele psychologische Erkenntnisse aus dem Zweiten Weltkrieg und so war das auch in diesem Fall, denn das Interesse entstand aus dem Bedarf heraus, Radarbeobachter über Stunden in höchster Aufmerksamkeit zu halten.

Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges haben Wissenschaftler im Auftrag des Pentagon das Aufmerksamkeitsniveau bei Schlafmangel untersucht und dabei festgestellt, dass selbst nach drei oder mehr Nächten hohe Konzentration möglich ist, wenn die Motivation stark genug ist. Was in diesem Fall natürlich der Fall sein sollte. Wenn die Radarbeobachter allerdings nicht aufgepasst haben, sind sie sofort eingeschlafen. Fokus im Sinne von Konzentration ist also zum einen eine Frage der Motivation. Einen weiteren Aspekt von Konzentration zeigt das extreme Beispiel von Thich Quang. Er ist ein vietnamesischer Mönch, der sich am 11. Juni 1963 in Saigon selbst anzündete, um so gegen die Unterdrückung der buddhistischen Bevölkerungsmehrheit in Vietnam zu protestieren. Der anwesende Journalist David Halberstam, damals Reporter der New York Times, beschrieb den Mönch als völlig gefasst. Flammen schlugen aus einem Menschen empor. Sein Körper verdorrte und schrumpfte langsam. Sein Kopf schwärzte sich und verkohlte.

Während er brannte, bewegte er keinen einzigen Muskel, gab kein Laut von sich und bildete damit durch seine sichtliche Gefasstheit einen scharfen Gegensatz zu den klagenden Leuten um ihn herum. Und wirklich, wenn ihr dieses Bild euch anseht, dann sitzt dieser Mönch mitten auf der Straße unter all diesen Menschen in absoluter Ruhe, lichterloh in Flammen stehend. In diesem Beispiel geht es mir überhaupt nicht um das Märtyrertum, sondern was dieses Bild bei mir in erster Instanz ausgelöst hat, ist die Erinnerung an die unfassbare Fähigkeit unseres Geistes.

Würde reine Motivation ausreichen, so fokussiert zu sein, dass die körperlichen Schmerzen beim Verbrennen so ausgeblendet werden können? Hier kommt der zweite Aspekt dazu. Fokus ist Trainingssache. Wir sind als Menschen zu so unglaublichen Dingen in der Lage, zum Beispiel 24 Minuten lang die Luft anzuhalten. Das war Alex Segura, der damit 2016 den Guinness-Weltrekord aufgestellt hat. Der Reflex, Luft zu holen, sitzt im autonomen Nervensystem bei uns. Dennoch sind wir mit dem Training unserer Willenskraft dazu in der Lage, selbst über lebensrelevante Reflexe zu unterdrücken. Auch das Aushalten von extremer Kälte.

Es gibt diesen verrückten Niederländer Wim Hof, der 2011 seinen eigenen Weltrekord im Eisbad mit einer Stunde 52 Minuten erneut übertraf und im Februar 2009 einfach mal nur in Shorts und Schuhen bekleidet innerhalb von zwei Tagen den Gipfel des Kilimanjaro bestiegen hat. Achtsamkeit ist Aufmerksamkeitslenkung und Training unserer mentalen Stärke. Der Mönch ist den radikalen Weg der Selbstverbrennung in einer Situation kollektiver Unterdrückung und Ungerechtigkeit gegangen. Wim Hof hatte immer schon eine Faszination für Kälte und ist nach dem Selbstmord seiner Frau als alleinerziehender Vater mit vier Kindern eher zufällig weiter den Weg in die Extreme gegangen. Manchmal bringen uns Extreme dazu, einen extremen Fokus zu suchen.

Mit ausreichender Motivation und entsprechendem Training ist also radikale Hochleistung möglich. Und es ist genau dieser Aspekt, der natürlich schnell in die Kritik geraten kann, wenn Unternehmen Achtsamkeitsprogramme einführen. Dann wird gefragt, sollen wir nur noch schneller rennen können, am besten unsere Grenzen ausblenden können? Nein. Eine der bekanntesten Formen von Achtsamkeitstraining, MBSR oder Mind Based Stress Reduction, wurde von John Kabat-Zinn entwickelt, um Patienten, denen medizinisch aktuell nicht mehr geholfen werden kann, eine Methode an die Hand zu geben, die es ihnen ermöglicht, einen besseren Umgang mit der Situation zu finden. Du kannst also gerade medizinisch deinen Schmerz nicht wegnehmen oder deine Krankheit nicht teilen.

Du kannst aber über Achtsamkeit den Fokus verlegen. Es geht nicht um das Ausblenden und Wegdrücken. Im Gegenteil, das, was wir wegdrücken, kommt nämlich noch stärker zurück. Denk zum Beispiel gerade nicht an den lila Pinguin mit dem grünen Tütü im Porzellanladen. Und am besten noch, wie der da gerade schön rumtanzt in seinem grünen Tütü. Der lila Pinguin. Sprache erzeugt Bilder. Und da, wo du den Fokus hinlegst, da geht deine Energie hin. Es geht um das Präsentsein. Mit dem, was ist. Um das wertfreie Annehmen. Das Verändern unserer Beziehung zu den Dingen. Wie Hermann Hesse so schön gesagt hat. Weh tut es ja immer noch. Das ist nicht zu leugnen. Aber so soll es denn in Gottes Namen wehtun. Ich überlasse die Krankheit sich selber. Ich bin nicht dazu da, ihr den ganzen Tag den Hof zu machen.

Paradoxerweise werden gerade dadurch Ressourcen frei, die uns erst wieder handlungsfähig machen. Wenn wir uns vor lauter Stress und Komplexität überfordert fühlen, dann noch Angst dazu kommt, treffen wir die bescheidensten Entscheidungen und verlieren die Perspektive für Alternativen. Eine Standortleiterin beschrieb mir im Coaching, für welche Vielzahl von Themen sie sich jetzt gerade verantwortlich fühlt, wie sie am Vorabend völlig erschöpft zu Hause zusammengebrochen ist. Und bei der Durchsicht der Themen fiel ihr auf, dass sie so im Überlebensmodus unterwegs war, dass sie neben dem stumpfen Funktionieren und Abarbeiten der Themen völlig aus den Augen verloren hat, zu hinterfragen, was davon wirklich notwendig war und ob all das wirklich von ihr gemacht werden muss oder auch vielleicht gut durch Kolleginnen oder Mitarbeiterinnen übernommen werden kann.

Da war irgendwann der reine Funktionsmodus aktiviert und im Coaching konnte sie erst sehen, wie viele Hilfsangebote, Entlastungsmöglichkeiten und auch wenig relevante Aufgaben sie übersehen hatte. Die Lösungen waren im Tunnelblick einfach nicht mehr im Fokus. Dieser negative Stress ist allerdings nicht die einzige Herausforderung für unseren Fokus. Genauso schwierig war es für zwei junge Geschäftsführer, die Prioritäten in ihrem erfolgreich wachsenden Unternehmen zu bestimmen. Die beiden zeigten das klassische Dilemma des Erfolgsparadoxons. Wer erfolgreich ist, dem bieten sich immer mehr neue Möglichkeiten.

Und je mehr diese Möglichkeiten angenommen werden, desto mehr entfernen wir uns ja verrückterweise von dem, was uns zu Anfang so erfolgreich gemacht hat. Das kannst du dir vorstellen wie einen Kreis, von dem mehrere Pfeile in alle Richtungen ausgehen. Verstreuen wir unsere Energie dann in viele Richtungen und Themen, dann ist jeder dieser Pfeile nur relativ kurz. Würden wir die Energie aber auf ein Thema bündeln, dann gäbe es einen langen Pfeil.

Dieser klare Fokus ermöglicht uns, ganz für diesen einen Weg zu gehen. Festlegen macht frei. Ich gebe dir gerne noch ein paar Beispiele. Wenn du ein Hotel gebucht hast und du kannst es nicht stornieren, dann brauchst du dich nicht mehr damit beschäftigen. Das Hotel ist gebucht. Punkt. Aus. Solange es noch stornierbar ist, bleibt jederzeit die Option, doch noch ganz kurzfristig umzuplanen, noch ein besseres Angebot zu finden. Bei Teilnehmern eines Kunstkurses, die eins ihrer Bilder behalten durften, war es so, dass sie ihr Bild deutlich lieber mochten, wenn die Entscheidung final war. Wenn man ihnen die Möglichkeit gab, sich später nochmal umzuentscheiden, gefielen beide Bilder deutlich weniger.

Das ist die Chance auf einen lukrativen Jobwechsel, ein spannendes neues Projekt, den nächsten Traumpartner übers Internet, der Überblick über alle Möglichkeiten, mit denen wir den Abend verbringen könnten, all die Netzwerkevents, an denen wir teilnehmen könnten. Mit diesem Spielraum, dem Informationsangebot und der Reizüberflutung durch digitale Medien ist es überhaupt kein Wunder, dass unsere Fähigkeit, uns auf eine Sache zu fokussieren und auch dabei zu bleiben, extrem gefordert ist. Eine Ebene von Fokus ist also die Konzentration, die Fähigkeit, sich mit Leichtigkeit für eine längere Zeit einer Sache zu widmen.

Die zweite Ebene ist das Bewusstsein oder Awareness. Das ist unsere Fähigkeit, weise den Fokus unserer Aufmerksamkeit zu wählen und auch zu bemerken, wenn wir mit dem Fokus wieder abdriften. Da liegt das Konzept der kristallisierten Intelligenz. Wir erkennen, was wichtig ist, das Signal inmitten des Rauschens. Beides lässt sich praktischerweise trainieren. Unterschiedliche Achtsamkeitstechniken führen dabei allerdings zu unterschiedlichen Ergebnissen. Wer Fußball trainiert, wird unter anderem in puncto Kondition mit Sicherheit auch beim Handballfortschritt bemerken, aber nicht unbedingt in seiner Technik beim Diskuswurf. Um die Wirkweise besser differenzieren zu können, haben Forscher am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig drei klassische Arten von Meditation miteinander verglichen.

Drei Monate lang übten Neueinsteiger täglich entweder liebende Güte, Konzentration auf den Atem oder das Beobachten der Gedanken, ohne sich davon mitreißen zu lassen. Die Konzentration auf den Atem bestätigte den oft zugeschriebenen Effekt der Entspannung und Beruhigung. Das ist, was wir erwarten. Aber im Gegensatz zu diesen Klischees haben weder die Praxis der liebenden Güte noch die Überwachung der Gedanken den Körper entspannter gemacht. Offensichtlich, weil beide geistige Anstrengungen erfordern. Klar, wenn wir unsere Gedanken beobachten und bewusst wahrnehmen wollen, ab wann wir mitgerissen werden und uns dann wieder in die reine Beobachtung zurückzuholen, das erfordert Konzentration, das ist anstrengend. Und auch die Praxis der liebenden Güte unterscheidet sich, da es unsere Stimmung hebt, wenn wir uns selbst und anderen Gutes wünschen.

Bei diesem Effekt können die Beobachtungen unseres Atems und unserer Gedanken allerdings nicht mithalten. Also what gets practiced gets improved. Das, was du praktizierst, das wird auch verbessert. Um noch einen hinterherzulegen, what you do is what you get. Das, was du tust, bestimmt, was du bekommst. Meditation ist keine einzelne Aktivität. Es ist eine breite Palette von Praktiken, die alle auf ihre ganz eigene Weise wirken. Verloren im Wunderland hat Alice die Grinsekatze ja mal gefragt, welchen Weg soll ich gehen? Und die Grinsekatze sagt, das hängt davon ab, wo du hin willst. Dieser Rat gilt auch für Achtsamkeit. Achtsamkeitsübungen stärken die Konzentration, insbesondere die exekutive Kontrolle, die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses und die Fähigkeit, aufmerksam zu bleiben. Einige dieser Effekte stellen sich schon ein, wenn du nur vier Tage jeweils 20 Minuten übst. Natürlich, je länger das Training dauert, desto nachhaltiger sind die Effekte. Dazu gibt es übrigens das spannende Buch »Konzentriert euch« von Goldman.

An dieser Stelle gebe ich dir gerne einen kurzen Überblick, welche Arten von Fokus du überhaupt trainieren kannst. Denn da ist eine relativ große Bandbreite. Erstens Kontrolle. Das ist unsere Fähigkeit, uns nur auf ein Ziel, auf eine Sache zu konzentrieren und gleichzeitig eine Flut von anderen Reizen zu ignorieren. Die größte Herausforderung dabei sind sensorische und emotional aufgeladene Signale. Also gerade wenn irgendwo dein Name fällt oder Es gibt gewisse Nachrichten, da kommt eine Mail von dem Chef rein zum Beispiel. Also alles, was emotional aufgeladen sein könnte, ist die größte Herausforderung für unseren Kontrollmuskel. Wenn du einen kleinen Selbsttest machen möchtest, dann denk mal eine Minute nur an ein Wort. Such dir ein Wort und dann fokussier dich 60 Sekunden lang nur auf dieses eine Wort, nichts anderes. Ganz ehrlich, wie gut gelingt dir das? Wie gut gelingt dir das in der Bahn, in einem Café, wenn dein Handy neue Nachrichten anzeigt? So viel zur Kontrolle, deinen Fokus zu halten.

Der zweite Aspekt ist Kapazität. Wie viele Informationen kannst du aufnehmen? Ein Gefühl für die Kapazität ist, wenn du eine Sekunde um dich guckst, dann die Augen schließt. An wie viele Details kannst du dich erinnern?

Der dritte Aspekt ist die Geschwindigkeit. Wie schnell verarbeiten wir die Informationen? Hier geht es auch um eine sehr schnelle Reaktionsfähigkeit, zum Beispiel beim Kampfflieger oder auf dem Trade Market.

Der vierte ist Agilität. Das ist ein schneller Wechsel von A zu B zu C, vielleicht wieder zu A und dabei das vorherige Thema immer ganz loslassen. Du schreibst eine Mail, eine Kollegin kommt rein. Wie schnell kannst du ganz präsent bei dem Gespräch sein? Wie gut von dem Gespräch wieder auf die Mail wechseln. Und es ist eben nicht Multitasking. Das heißt nicht, dass du an der Mail weiter tippst, während die Kollegin in der Tür steht, sondern wie gut kannst du das eine liegen lassen, dich auf das andere richten.

Es geht aber auch darum, wie gut du deine Fähigkeit zum Perspektivwechsel nutzen kannst, zum ganzheitlichen Blick, wie gut kannst du deine Sichtweise parken, um dich in dein Gegenüber hineinzuversetzen. Okay, ich hatte eine Meinung, ich hatte einen Plan, ich lasse das mal los und lasse mich jetzt auf mein Gegenüber ein. Gerade bei Themen, in denen eure Meinungen meilenweit auseinander liegen, ganz schöne Herausforderungen. Was übrigens ein fantastisches Training dafür ist, ist Improvisationstheater. Wie schnell kannst du dich dann auch aus den Details rauszoomen und wieder in das große Ganze?

Der fünfte Punkt ist Klarheit. Komplexe Themen in High Definition zu erfassen, als wenn du das Chaos in der Schneekugel ausblenden und nur noch das Bild in der Mitte erkennen kannst. Und gerade da sind diese kurzen Momente von Achtsamkeit das, was so einen starken Effekt hat. Wenn du zum Beispiel diese eine Minute Pause vor dem Meeting hast, die auch Paul Kotes empfohlen hat, oder für dich selber vor der Aufnahme eines komplexen Textes oder von einer Menge an Daten die Augen schließt und einen Moment Achtsamkeit für dich nutzt. Je ruhiger unser Geist, desto aufnahmefähiger sind wir und desto eher können wir aus der Komplexität mit einer Klarheit filtern, was gerade wichtig ist.

Der sechste Punkt ist Ausdauer. Wie lange kannst du den Fokus halten? Dazu kannst du dir einen Timer stellen und dich auf ein Wort oder Objekt konzentrieren. Bei Kontrolle ging es ja darum, ob du eine Minute nur an den einen Gegenstand oder das eine Wort denken kannst. Wenn es um die Ausdauer geht und du hast eine Minute geschafft, dann kannst du gerne gucken, wie lange kannst du es denn doch durchhalten? und stoppe die Zeit, sobald du abgelenkt bist. Gerne fair und ehrlich. Okay, jetzt zu den praktischen Tipps. Liebe Fabienne, du hast dir über LinkedIn konkrete Handlungsempfehlungen gewünscht. Hier sind sie. Trainiere deinen Fokusmuskel, indem du erstens häufiger Zeiten für konzentriertes Arbeiten einplanst. Je mehr wir unser Gehirn darauf trainieren, längere Zeit am Stück an einer Sache zu arbeiten, sogenanntes Deep Work, desto besser werden wir darin. Keine Mails, keine Slack- oder WhatsApp-Nachrichten oder sonstige Störungen.

Mein Tag ist zum Beispiel unterteilt in Zeiten, in denen ich störungsfrei arbeite und Zeiten, in denen ich Mails und Nachrichten bearbeite. Am besten funktioniert der Fokus, wenn das Handy in deiner Deep Work Zeit oder bei wirklich wichtigen Gesprächen in einem anderen Raum liegt. Denn selbst umgedreht auf dem Tisch beeinflusst es unsere Konzentration immer noch. Also wirklich mal weg damit. Zweiter Punkt, deine Zeit auf Social Media. Und insgesamt am Handy limitieren.

Es gibt Tatsächlich eine direkte Korrelation zwischen starkem Medienkonsum und dem Schrumpfen unserer Exekutive oder der Kontrollfunktion in unserem präfrontalen Cortex. Wenn unser Gehirn auf dauerhafte Störungen wie durch permanente Mitteilungen konditioniert ist, bauen wir diese Kontrollfähigkeit rigoros ab. Mein Fokus liegt zum Beispiel ausschließlich auf LinkedIn. Die anderen Plattformen ignoriere ich getrost.

Und selbst da, die Likes, Benachrichtigungen, endlose News-Streams, das trainiert genau das Gegenteil von Fokus. Es ist unangenehm. Alles anhand genau der Funktion unseres Gehirns ausgerichtet, um uns möglichst lange auf der Plattform zu halten, um uns möglichst schnell wieder dorthin zurückgehen zu lassen. Also digitales Fasten ist eine absolut sinnvolle Sache und beobachte einfach mal, was das mit dir macht. Wie gut funktioniert das? für ein paar Stunden am Stück, vielleicht auch mal Tage am Stück. Wenn du da schon denkst, oh Gott, oh Gott, das ist undenkbar, dann hast du da vielleicht einen echt guten Hebel. Feste Zeiten und Deadlines helfen definitiv. Oder halt ganz aussteigen. Also, wie viel Fokus gönnst du dir im Alltag? Die reine Konzentration auf die eine Sache. Wie wir gelernt haben, hilft Motivation. Also was motiviert dich, die Störungen auszublenden und an was dran zu bleiben? Das kann das intensive Einarbeiten in ein neues Thema sein, Erlernen eines Instruments, einer Sprache.

All das erfordert Fokus von uns. Genau wie das Beobachten unseres Atems.

Wenn du neben Entspannung dabei vor allem deinen Fokus trainieren willst, dann mach folgendes:

Zähle deinen Einatem. Jeder Einatem. Eins. Zwei. 3. Zähle bis 10 und von 10 an wieder rückwärts.

Wie viele Runden schaffst du, bis dir auffällt, dass du nicht mehr weißt, wo du gerade aufgehört hast zu zählen? Oder bis du bei 13 oder 14 angekommen bist? Denn dann hast du den zweiten Punkt vernachlässigt. Das Bewusstsein. Das Bewusstsein dafür, dass dein Fokus gerade weggewandert ist.

In diesem Sinne, zuerst schließen wir die Augen, dann sehen wir weiter. Bis zur nächsten Folge Make it Mindful.

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Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Achtsamkeit: Tief durchatmen und in den Bauch horchen! Auf deinem Weg in ein achtsameres Arbeitsleben begleitete dich bei uns regelmäßig Marina Löwe. Von ihr erfährst du in verschiedenen Folgen, welche Potenziale in dir stecken, wenn du Achtsamkeit als Haltung in deinen Berufsalltag integrierst.