TVM Capital Healthcare: Investieren in Health Care und die Zukunft der Medizin

1. Januar 2000, mit Patrick Pfeffer

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Patrick Pfeffer: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Digital Kompakt Edition Health Tech. Mein Name ist Patrick Pfeffer und ich habe heute einen ganz tollen Gast bei mir, nämlich Dr. Helmut Schüssler, den ich aber natürlich einfach Helmut nennen werde. Hallo Helmut, grüß dich und willkommen in der Show.

Helmut Schühsler: Servus Patrick, vielen Dank für die Einladung.

Patrick Pfeffer: Wie ihr wisst, geht es in der Edition Health Tech um die Zukunft der Medizin und das ist oftmals auch mit dem Thema Digitalisierung verbunden. Und ihr kennt ja meine Haltung inzwischen, dass ich in den nächsten zehn Jahren die Genau das, was ich jeden Tag tue. mit vielen medizinischen Startups zusammenzuarbeiten und diese Zukunftslandschaft mitzugestalten. Und das macht Helmut auch, aber wesentlich länger, als ich es tue. Er ist so etwas wie mein Role Model im Bereich Venture Capital für Healthcare. Und ihn nicht nur als Gast, sondern auch als Gesprächspartner in vielen, vielen anderen Themen zu haben, ist für mich eine große Ehre. Und lieber Helmut, ich würde dich bitten wollen, dich mal dem Publikum kurz vorzustellen.

Helmut Schühsler: Also vielen Dank für die Einleitung. Es freut mich auch hier zu sein heute und ein bisschen über meine Erfahrung in Medizin weitergeben zu können. Mein Werdegang, ich komme, wie man dann wahrscheinlich auch zunehmend hören wird, im Gespräch aus Wien und bin eigentlich Ökonom vom Werdegang her, habe Betriebswirtschaft studiert in Wien, war dann am Institut für höhere Studien und habe dann auch mehrere Jahre unterrichtet, Postgraduate Students in Corporate Finance. sehr früh begonnen, mich für das Thema Venture Capital zu interessieren und eigentlich mit 24 oder so habe ich beschlossen, in dem Bereich zu arbeiten. und das tue ich nun schon seit 35 Jahren. und es war, glaube ich, heute rückblickend die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können, weil ich, wenn mich heute jemand fragt, würde ich es nochmal tun, dann sage ich einfach, ohne zu zögern, ja, weil es gibt wohl einen Bereich, in dem man mit so vielen hochinteressanten Personen und Persönlichkeiten zu tun hat, so viele Neuigkeiten zu sich nimmt und erfährt und sich auch überlegen muss, immer an der Cutting Edge der wissenschaftlichen Forschung und immer auch intellektuell herausgefordert zu sein. Also das ist Venture Capital und deswegen liebe ich meine Tätigkeit. Und wir hatten viele Erfolge, wir hatten viele Misserfolge, so ist es in dem Sektor. Aber es war immer großartig. mit den Menschen umzugehen. Vor allen Dingen im Bereich Biotech, im Bereich Medizin, wo man es ja übrigerweise mit Menschen zu tun hat, die einerseits gut gebildet sind und oder sehr, wie soll ich sagen, verliebt in ihren Beruf. Die ihren Beruf als, wie heißt es auf Neudeutsch, als Calling, als Vocation betrachten und nicht nur als Job. Die das machen, weil sie etwas verbessern wollen in der Welt und weil sie menschlicher bleiben Leute, die sich mit Veterinärmedizin befassen, mindern wollen etc. Also ich fand es einfach eine faszinierende Zeit und bin sehr froh, dort eingestiegen zu sein vor vielen, vielen Jahren.

Patrick Pfeffer: Das war 1987. Ja, das ist schon eine Wengle her. Da war ich noch gute sieben Jahre alt und wusste ehrlicherweise noch nicht, was Venture Capital ist. Ich hoffe, du verzeihst es mir. Schon was ganz Besonderes für mich, mit jemandem wie dir zu sprechen, wo ich genau weiß, einige der Big Brands da draußen, die heute am Markt sind, die habt ihr von der Pike auf mitfinanziert. Und mich würde mal die ein oder andere Geschichte hier in unserem Gespräch interessieren. Vielleicht, dass du dir ein, zwei Themen mal aus der TVM-Zeit herausgreifst als Highlight, vielleicht aber auch als Lowlight, was du gerne unserem Publikum erzählen möchtest.

Helmut Schühsler: Wie gesagt, ich bin 1909 nach München gegangen, aus Wien. Bin seit damals auch weg aus Österreich und bin seit damals in verschiedenen Positionen bei TVM Capital. Und wir haben damals angefangen, das war 1990, TVM war damals ein Venture-Capital-Unternehmen, gegründet von Siemens im Jahr 1984. Es war eigentlich auch von Siemens als Versuch geplant, die damals schon sehr erfolgreiche amerikanische Venture-Capital-Industrie nach Deutschland zu bringen, vom Konzept her. Also TVM sollte ein VC-Unternehmen amerikanischen Zuschnitt sein. Und wir haben uns auch sehr bemüht, das umzusetzen. Das war nicht ganz einfach, weil in Deutschland gab es zu dem Thema eigentlich wenig Erfahrung, bis gar keine. Und ich kam damals 1990 dazu und habe mich in Deutschland umgesehen. Das war für mich natürlich auch in persönlicher Hinsicht was Großartiges, mit einem Koffer in der Hand in einer neuen Stadt aufzutauchen wie München, in einem neuen Land wie Deutschland, das 14 Mal so viele Einwohner hatte wie Österreich. Und es war alles neu. Und ich habe damals versucht, auch für mich selbst ein neues Profil zu erarbeiten und mir die Frage gestellt, was soll man tun in einem Unternehmen wie TVM, das eine bestimmte Aufgabe hat, in dieser Gesellschaft etwas Besonderes zu bewegen. Unterstützt wurde von sehr vielen Großunternehmen in Deutschland damals, an der Spitze eben Siemens. Und aber das Hauptaugenmerk auf Elektronik, industrielle Produktion, Software und Telekommunikation hatte. Und alle meine Kollegen damals, und das war eine ganze Menge, die kamen alle aus der Industrie, aber eben aus dem IT- und Elektroniksektor. Und ich habe mich damals entschlossen, etwas zu tun, was eigentlich keiner tun wollte, weil sich in unserem Team niemand mit Biologie und Chemie und Biotechnologie, all diesen sehr eigenartigen Themen befassen wollte. Und dann habe ich gesagt, okay, wenn das keiner tun will, und ich dachte damals, dass das ein echtes Zukunftsgebiet ist, dann mache ich das. Und habe angefangen, bei meinen ganzen Kollegen alle diese Geschäftspläne einzusammeln, mit denen sich sowieso keiner befassen wollte. Und habe angefangen herumzutelefonieren und ein Team von Advisoren und Beratern aufzubauen, mit dem wir dann über zehn Jahre hinweg, denke ich, zu der führenden Biotechnologie-Venture-Capital-Gesellschaft in Deutschland aufgestiegen sind. Es war damals eigentlich eine wahnsinnige Aufbruchstimmung in Deutschland. Und wenn ich heute zurückdenke an diese zehn Jahre zwischen 1990 und 1990, 1999, 2000, bis zur Technology Bubble, muss ich sagen, das war wahrscheinlich die faszinierendste Zeit in meinem Leben. Erstens war ich zwischen 30 und 40, was ja nicht so schlecht ist, um sich eine Karriere aufzubauen. Aber es gab damals eben auch diese Ausbruchstimmung in Deutschland, und zwar ganz besonders im Bereich Venture Capital. Es gab staatliche Unterstützung dafür. Venture Capital war in aller Munde. Es wurde diskutiert. Bis ins Finanzministerium wurden Aktivitäten gestartet, den Sektor zu unterstützen, auch mit Finanzierungen zu unterlegen, zu fördern. Die Unternehmensgründer wurden gefördert mit staatlichen Finanzierungen. Die Venture Capitalisten, die investierten in diese jungen Unternehmen, wurden durch Begleitfinanzierungen unterstützt, zum Beispiel von der TBG, der Technologiebeteiligungsgesellschaft. Und es hatten damals alle so das gleiche Ziel, nämlich in Deutschland war allen klar, gibt es eine große Menge von hervorragenden Technologien und hervorragender wissenschaftlicher Forschung in den Max-Planck-Instituten, in den Helmholtz-Instituten. in den großen akademischen medizinischen Zentren, in den Universitäten. Aber es war auf allen klar, was fehlt in Deutschland zu dieser Zeit, und ich glaube, das ist heute nicht grundsätzlich anders, ist die Kommerzialisierung. Das heißt, der Schritt nach der wissenschaftlichen Forschung, nach der Patentierung, und das ist vor allen Dingen in der Medizin wichtig, den nächsten Schritt zu schaffen, die Ergebnisse dieser Forschung in kommerzielle Produkte umzusetzen und die im Rahmen eines Unternehmens zu entwickeln, in den Markt zu bringen und damit erfolgreiche Unternehmen aufzubauen. Und wenn man zurückblickt, Deutschland war extrem erfolgreich in der pharmazeutischen Industrie Anfang des 20. Jahrhunderts. Die großen chemischen Konzerne wie Bayer oder BASF waren weltweit führende Unternehmen in der Pharmaindustrie für viele Jahre. und Und heute sind sie, glaube ich, wenn man Höchst vielleicht noch findet, also noch fand vor sieben, acht Jahren, dann ist es ja in der Zwischenzeit Sanofi und ein französischer Konzern. Bayer ist als unabhängiges Unternehmen noch da, Beringer Ingelheim. Aber die meisten anderen Unternehmen haben nicht mehr die Rolle, die sie hatten vor 40, 50 Jahren.

Patrick Pfeffer: Ich bin etwas später in meine Karriere eingestiegen. circa 15, 16 Jahre später, habe aber die gleichen Beobachtungen gemacht. In welchen Regionen wirklich gute Ideen vorherrschen, aber the lack of commercialization. Das hat mich wirklich damals schon auch zum Berufseintritt sehr beschäftigt, wie ich gesehen habe, jetzt in einem Vergleich zu den Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch immer mehr und immer mehr jetzt auch aus dem asiatischen Raum. Den Mangels nicht an guten Ideen, aber in puncto Kommerzialisierung sind sie uns in vielen Bereichen ganz schön weit voraus. Ist das vielleicht auch so ein bisschen ein Grund, ich bezeichne dich jetzt wirklich auch als Weltenmensch und Reisender für mich, weil ich dich zu unterschiedlichen Zeitpunkten in unterschiedlichen Regionen der Welt verbuche? Kann man das vielleicht auch so beschreiben, Helmut, dass du im Laufe der Zeit einfach mit, natürlich als Überschrift Globalisierung und immer verstärkte Globalisierung, aber sozusagen mit den Trends in die unterschiedlichen Regionen mitgewandert bist?

Helmut Schühsler: Wenn man sich die Entwicklung von TVM im Biotech- und Medizinbereich ansieht, die ich ja gestaltet habe im Wesentlichen und mehrere Teams aufgebaut habe im Zuge von In diesen 20 Jahren muss man das ganz klar sehen. Wir haben in Deutschland begonnen, weil TVM in Deutschland war und weil in Deutschland auch diese enorme Aufbruchsstimmung herrschte in den 90er Jahren. Aber wir haben dann sehr schnell auch ähnliche Konditionen vorgefunden in anderen Ländern in Europa, in den Niederlanden, in Frankreich, in England und in der Schweiz und auch in Österreich. Also wir haben in all diesen Ländern investiert. und sind sicherlich eine der führenden, wenn nicht die führende, pan-europäische Venture-Kapitalgesellschaft in Biotechnologie gewesen. Aber weil mein Grund, ursprünglich in Biotech zu gehen, eigentlich die Entwicklung dieser Industrie in Amerika war, haben wir dann sehr schnell begonnen, auch in Amerika aktiv zu sein. Im Biotech-Bereich haben wir dann eine Biotech-Strategie entwickelt für den amerikanischen Markt. Und ich habe glaube ich 1999 begonnen, ein Team aufzubauen in Boston. Und dieses Team in Boston, TVM in Boston, wurde dann innerhalb weniger Jahre zu einem der zehn größten Venture-Capital-Unternehmen an der amerikanischen Ostküste. Und wenn man sich Venture-Capital in Amerika ansieht, dann ist es so die größte Konzentration von Venture-Capitalisten, aber auch von Unternehmen, die Venture-Capital nehmen, ist zweifellos an der Ostküste, also Massachusetts, New York auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Westküste. San Francisco, San Diego sind die hauptsächlichen sozusagen Nuklei der Biotech-Industrie an der Westküste. Und wir hatten Aktivitäten an beiden Küsten. Und das war für mich extrem faszinierend, aus Deutschland diesen Sprung nach Amerika zu machen. Und wir hatten unsere Teams besetzt auch mit Amerikanern hauptsächlich, aber auch mit Amerikanern. und hatten damals nicht diese Internationalität im Team, die wir heute haben und dazu kommen wir noch später, aber doch immerhin versucht, einen europäischen Gesichtspunkt oder Standpunkt mit einem amerikanischen Standpunkt zu verbinden und daraus eine Synthese zu machen. Es war eine ganz interessante Zeit. Und dann auch das aufzunehmen, das war der erste Schritt in die Internationalität von München nach Westen und der zweite Schritt kam dann von München nach Osten. Worauf du auch angespielt hast, dass wir dann vor ungefähr zehn Jahren den Schritt nach Dubai gemacht haben, um im Mittermosten zu investieren und dann vor zwei Jahren angefangen haben, unser Team in Singapur aufzubauen, wo ich jetzt gerade bin und von wo auch wir aus wir diese Aufnahme machen. Und wir werden demnächst anfangen im Jahr 2021 auch in Südostasien. Also einen ziemlich globalen View über die letzten 30 Jahre.

Patrick Pfeffer: Musst du dann demnächst mit Elon auf den nächsten Planeten gehen, wenn dann die Regionen gecovert sind?

Helmut Schühsler: Da ist noch viel zu tun. Südamerika ist ein weißes Blatt für Dubai. Nach China sind wir nie reingegangen. Das ist ein sehr großes Land und sehr unübersichtlich. Außerdem tun das so viele andere nicht. Es kam immer zu dem Standpunkt, dass in China uns nicht wirklich irgendjemand braucht. Wenn man sich auf die kleineren Länder, die auch sehr groß sind, Indonesien hat 260 Millionen Einwohner, Vietnam hat 100 Millionen, also das sind alles riesige Länder, dort kann man auch sehr, sehr viel bewegen.

Patrick Pfeffer: Lass uns mal ein bisschen über die Medizin sprechen. Es gibt ein ganz klares Bekenntnis zum Biotech-Sektor. Wenn wir uns jetzt die Felder überhaupt innerhalb der Medizin anschauen, dann ist das sehr plakativ gesprochen. MedTech, Biotech und Digital Health. Bei euch gibt es einen ganz klaren Fokus für die biotechnologischen Themen. Nichtsdestotrotz, jetzt auch aufgrund steigender Digitalisierung, Sie siehst du dort unterschiedliche Bereiche miteinander verschwimmen? Dass du nicht nur sagst, ihr schaut euch mehr und mehr biotechnologische Themen an, wo auch jetzt smarte Algorithmen die Basis sind und möglicherweise sogar auch in Zukunft einen Teil des Geschäftsmodells stellen. Und darüber hinaus, welche Themen siehst du generell in Zukunft im medizinischen Sektor?

Helmut Schühsler: Ja, also wenn wir von Medizin sprechen, muss ich dazu sagen, in unserem Gespräch wird es ganz gerne sehr breit sein. Medizin im Sinne von Therapie, Diagnose chronischer und akuter Erkrankungen. Und wenn wir uns das ganze Feld anschauen, dann ist das, was wir in den letzten zehn Jahren in unserem Bereich getan haben, jetzt wo ich selbst tätig war, nämlich im Mithanosten und im Südostasien ist immer mehr, geht es auch um Healthcare Services, also um Spitäler, um Kliniken, um Labors, Apotheken, Ketten und als mögliche ganz praktische Themen, die jeden von uns eigentlich betreffen als Konsument. von Medizin. Der erste Teil meiner persönlichen Geschichte mit TVM ist ausschließlich auf Biotechnologie und Life Sciences fokussiert. Und es war hauptsächlich Pharmaentwicklung, also Entwicklung von Medikamenten, von Krebstherapie bis Diabetes und Erkrankungen des zentralen Nervensystems und Infektionserkrankungen, antivirale Wirkstoffe, Antibacteriowirkstoffe, alles das waren so die ersten 20 Jahre meiner Tätigkeit. Und seit 2010 bin ich selbst mehr fokussiert mit unserer Firma in Dubai und jetzt in Singapur auf Themen, die sehr viel näher an Patienten sind, sehr viel weniger wissenschaftlich, sehr viel weniger abhängig von der Zulassung von Produkten durch Zulassungsbehörden wie die Food and Drug Administration in Amerika oder die EMA in Europa, sondern da geht es mehr um die Entwicklung von Rehabilitationszentren, von Onkologie-Kliniken und so weiter. und ähnlichen Themen. Weil was ich versucht habe mit dieser Expansion von TVM Capital in Emerging Markets, wie es so schön heißt, also hauptsächlich nach Asien zu erreichen, war, einer möglichst großen Anzahl von Menschen eine medizinische Versorgung sicherzustellen, die von der Qualität her vielleicht nicht das Gleiche ist wie das, was wir in Europa haben und in Amerika, aber doch zumindest dem nahe kommen. Und man muss sagen, dass von den großem oder vier Milliarden Menschen in Asien eigentlich nur einen Bruchteil Zugang zu einer hochqualitativen medizinischen Versorgung hatte und auch immer noch hat. Wobei das in den letzten zehn Jahren natürlich auch sehr viel besser geworden ist durch das starke Wachstum in Asien und durch die Entwicklung einer Mittelschicht, die erstens einmal bessere Ausbildung genießt als jemals zuvor. auch ein höheres Einkommen hat und eine grundsätzlich bessere medizinische Versorgung sowohl im eigenen Land als sich auch zunehmend vieles leisten können, zumindest im Extremfall medizinische Versorgung im Ausland in Anspruch. einige Länder in Asien, die medizinischen Tourismus als Hauptgebiet ihrer ökonomischen Entwicklung sehen, zum Beispiel in Thailand oder in Malaysia.

Patrick Pfeffer: Das erste Bild, was jetzt mir in den Sinn kommt, ich habe neulich auf Netflix eine Dokumentation über Bill Gates gesehen, der sich auch mit seiner Foundation beschäftigt, mit einigen medizinischen Themen beschäftigt. Bill Gates hat es beschrieben als rein Optimierungsgedanken. Er möchte das System optimieren und mit dieser Optimierung kann man wirklich eine sehr breite Bevölkerung erreichen. Und das Bild kam mir gerade in den Sinn. Du als Venture Capitalist hast sicherlich deine Beweggründe, jetzt auch viel im Services-Bereich zu machen, dadurch, dass du viel mit impactgetriebenen Leuten zu tun hattest in den vergangenen Jahrzehnten. wird das sicherlich auch der Motivation dazu beigetragen haben. Aber kannst du das nachvollziehen? Beziehungsweise war das auch so eine Art Treiber für dich zu sagen, wenn ich Services mache und nicht Drug Development, dann erreiche ich auf einen Schlag eine Vielzahl an Menschen, eine Bevölkerungsschicht zum Beispiel in Regionen der Welt und habe Dann mit dem, was ich da tatsächlich finanziere und in den Markt bringe, einen ganz anderen Hebel, als wenn ich mich jetzt weiterhin im Drug Development aufhalte.

Helmut Schühsler: Also ich glaube, ich habe es nicht von der Seite betrachtet, sondern eher von einer ganz anderen. Ich war 20, 25 Jahre lang mit der Entwicklung von neuen Therapeutika und Medikamenten befasst und das war eigentlich das Hauptthema, das wir damals hatten. uns bei TVM behandelt haben. Und wir hatten viele Erfolge, wie ich sagte, aber auch sehr viele Misserfolge, wie das in der Entwicklung von neuen Medikamenten so üblich ist. Und ich glaube, in meiner Zeit als Managing Partner damals haben wir ungefähr 120, 130 Unternehmen finanziert und hatten ungefähr 50 Börsengänge aus diesem Portfolio und haben viele Unternehmen erfolgreich verkauft, aber auch viele verloren. Und ich glaube, in diesem Beruf, wie ich schon einmal sagte, man steht jeden Tag auf, man kämpft für Und was und für was. Und man lernt jeden Tag eben was Neues. Und damals, so 2007, 2008, hatte ich den Eindruck, dass ich ganz gerne was Neues lerne. Dass ich ganz gerne diese Erfahrung aus Einerfolgen und Misserfolgen ganz gerne wohin mitnehmen würde, in einen ganz neuen Bereich. Um für mich selbst auch was zu lernen und zu wachsen an einem ganz anderen, neuen Thema. Und was mir immer klarer wurde in diesen 25 Jahren, Biotech VC ist, dass wir uns eigentlich niemals wirklich ernsthaft mit dem Patienten befassen müssen. Denn wir befassen uns mit Wissenschaft, wir befassen uns als Venture-Kapitalisten doch meistens mit Dingen, die sich auf molekularer Ebene abspielen und die von Wissenschaftlern erklärt werden, die kein Mensch versteht, wenn man nicht jahrelang entweder erst studiert hat oder sich damit befasst hat. Aber am Ende ist Molekularbiologie eben molekular. Und wenn wir etwas produziert haben, was funktioniert hat, und was Wirkung gezeigt hat im Menschen, dann hat uns das jemand abgekauft und meistens ein großes Pharmaunternehmen oder wir sind an die Börse gegangen und dann wurde das Unternehmen dann aufgekauft von einer großen Pharmafirma. Aber am Ende ist es die große Industrie, die in den allermeisten Fällen den Kontakt zu den Versicherern hat, die das bezahlen. am Ende, den Kontakt zu den Krankenkassen, die das bezahlen, was da passiert. Den Kontakt zu den Patienten, die es brauchen und diesen Anspruch nehmen, zu den Ärzten und so weiter. Das ist etwas, was als Venture-Kapitalist hat man diesen Kontakt gar nicht in der Form. Wobei ich dazu sagen muss, heute noch eher und viel mehr als vor 10, 20 Jahren, als ich angefangen habe. Und deswegen dachte ich, es wäre eigentlich an der Zeit, dass ich mich persönlich, ganz persönlich mit wirklichen Patienten befasse, dass ich verstehe, wie diese Industrie wirklich funktioniert und wie sie tickt und wovon sie abhängt und wer was bezahlt oder nicht bezahlt und was die Grenzen der Finanzierbarkeit sind und ähnliche Themen. Und deswegen fand ich diesen Umstieg in ein ganz anderes Thema. Kliniken aufzubauen, mit Versicherern zu verhandeln über Und über Erstattungsraten. Das war für mich was ganz Neues, aber ich musste es auch tun. Und das war eine fantastische Erfahrung.

Patrick Pfeffer: Total spannend und nachvollziehbar für mich, weil ich in eine Zeit in den Markt reingekommen bin, wo im Grunde das Hauptschlagwort Patient Empowerment und Patient-Centric Services stand. Also das war wirklich die ersten Monate lang. die mich im Job beschäftigt haben. Und so ist es jetzt für mich sozusagen mit einer Bird's-Eye-Perspektive total nachvollziehbar, was du davor gemacht hast, aber dann in diese Zeit hineingekommen bist, in der ich sozusagen in diese Industrie hineingekommen bin. Und ja, wie sich das Ganze jetzt weiter und weiter entwickelt. Lieber Helmut, the future of venture capital. Würde ich gerne ganz kurz mit dir noch drüber sprechen wollen. Ich habe jetzt persönlich aufgrund unseres Tuns gemerkt, dass Venture Capital und Private Equity salonfähiger wird, dass breitere Bevölkerungsschichten sich für diese Asset-Klasse interessieren. Heißt nicht gleich, dass sie sofort einschätzen können, was damit verbunden ist, welche Chancen, aber auch welche Risiken. Aber es ist aufgrund der Finanzlandschaft, in der wir uns befinden, salonfähiger geworden und auch öfters diskutiert. Wie ist denn da deine Perspektive auf das Thema Venture Capital Stand heute und in Zukunft? Um dir da mal so ein paar Schlagworte mitzugeben. Für wen ist Venture Capital etwas, für wen vielleicht aber auch nicht? Und wie kann ich mir da jetzt die Rolle von Corporates in Zukunft vorstellen, um bei der Finanzierung von medizinischen Innovationen mitzuwirken?

Helmut Schühsler: Das ist natürlich ein weites Thema. Ich denke, die Venture Capital, muss man dazu sagen, hat es ja immer gegeben. Ob man es jetzt so genannt hat oder nicht, ist wieder ein anderes Thema. Aber jede risikobehaftete Finanzierung unternehmerischer Aktivität kann man subsumieren unter Venture Capital. Und das ist nun etwas, was ja über Jahrhunderte oder Jahrtausende stattgefunden hat. Die Erfindung der modernen, institutionalisierten Venture Capital Industrie jedoch ist neu. Die geht zurück auf die 40er, 50er Jahre in den USA. Und ich glaube aber, dass die Etablierung von spezialisierten Teams, die in der Lage sind, unternehmerische Pläne zu beurteilen, zu erfassen, zu kritisieren, weiterzuentwickeln und dann potenziell in sie zu investieren, dass das was ganz, ganz Wichtiges ist für die Produktivität in jeder Gesellschaft. Das ist in Amerika nicht anders wie in Europa oder in Asien. Und ich denke daher, dass diese Industrie weiterhin wachsen wird. eigentlich mit kleinen Unterbrechungen immer gewachsen ist. Ich glaube, dass die Industrie, die früher von Fonds dominiert war, ganz am Anfang, die sehr klein war nach heutigem Maßstab, 20 Millionen Dollar oder Euro, 30 Millionen, 50 Millionen, war zu Zeiten, als wir alle begonnen haben mit Venture Capital, in den 80er Jahren oder so, das war viel Geld. Die größte österreichische Venture-Capital-Gesellschaft beträgt die Ehre hatte, mehr als zwei Jahre zu arbeiten, heute unter Venture Management, hatte damals einen Fonds, ich kann mich erinnern, 356 Millionen Billig groß, das war 1987. Und das ist nach heutigem Geld ungefähr 20 Millionen, 17 Millionen Euro.

Patrick Pfeffer: Ja, ich wollte gerade sagen, durch sieben war auf D-Mark-Niveau und dann durch zwei.

Helmut Schühsler: Ja, nur so 17, 18. Ja, genau. Das war mit Abstand. die größte Gesellschaft dieser Art. Und heute sind kleine Fonds nicht 17 oder 18 Millionen Euro, sondern 100 oder 200 Millionen Euro. Und die Industrie ist insgesamt gewachsen, auch deswegen, weil vor allen Dingen die Geldmenge, die bewegt werden muss und investiert werden muss, in der Welt gewachsen ist. Die Kapitalsammelstellen von BlackRock bis zu Universitätsendowments und Foundations und so weiter, die werden alle so groß. Die Pensionsfonds, die Sovereign Wealth Fonds, die werden alle so groß, dass es fast schon schwierig ist, überhaupt mit einem kleinen Manager zu tun zu haben. Also wenn wir heute 250 Millionen raisen für unseren Südostasien-Fonds, dann gibt es also jede Menge großer Pensionsfonds, bei denen kriege ich nicht einmal einen Termin, um vorzusprechen, weil die sagen, das ist zu klein. Wir müssen Geld in 100 bis 300 Millionen Dollar Stücken kommentieren und subscribieren. Und das geht nicht, wenn einer einen Fonds rast mit 250 Millionen. Die haben ja auch ihre Regularien und dürfen normal nicht mehr als 10 oder 15 Prozent eines solchen Fonds erwerben. Das heißt, das setzt eben sehr enge Grenzen. Und für viele in der Welt ist das einfach zu klein. Deswegen meine ich sehe vorher, dass die erfolgreichen VCs sehr, sehr viel größer werden müssen, um überhaupt Zugang zu den ganz großen Investoren zu haben, um ihre Fonds zu finanzieren. Es wird immer diesen Bereich geben, wo kleine Nischenplayer aktiv sind. 50 Millionen Dollar, 100 Millionen Euro. Aber das ist sehr schwierig. Also 100 Millionen aufzubringen als Venture Capital Manager ist oft schwieriger als 500 Millionen, weil man eben das Geld von ganz anderen Leuten einsammeln muss. Und dann komme ich zum Thema. Ob Venture Capital etwas ist für Privatpersonen, weiß ich nicht. Ich glaube, wenn es die Möglichkeit gäbe, für Privatpersonen relativ kleine Beträge in Venture Capital zu investieren, und ich spreche jetzt nicht von ultra high net worth individuals, also Milliardären und Leuten, die 50, 100 Millionen Dollar zu investieren haben, sondern Ich spreche von Menschen, die ein sehr gutes Einkommen haben und die vielleicht einmal 10.000 oder 50.000 oder 100.000 investieren können. Dann denke ich, das könnte interessant sein, weil es auch eine intellektuelle Herausforderung ist, zu verstehen, was der Manager tut. Vielleicht mitzuleben und auch die Reports, die man so kriegt aus diesen Fonds aufzunehmen, sich dafür zu interessieren und irgendwie mitzuleben. Ich kann mir das ganz interessant vorstellen, aber Man muss im Ende davon ausgehen, dass diese Fonds auch manchmal eben nicht erfolgreich sind. Und das bedeutet nicht, dass das ganze Geld verloren ist, sondern das bedeutet, dass vielleicht kein Return rumkommt oder dass sogar 20, 30 Prozent des eingesetzten Kapitals verloren geht. Das Risiko kann man niemandem wegnehmen. Und wer sich mit Venture Capital beschäftigt, der weiß, dass das möglich ist. Es kommt, glaube ich, nicht oft vor, aber es ist möglich. Und dieses Risiko muss man ganz bewusst, auch als Investor natürlich, in Kauf nehmen.

Patrick Pfeffer: Was ich für mich festhalte und aber auch aus eigenen Beobachtungen kenne, Venture Capital ist auch wirklich für die interessierten Investoren und nicht diejenigen, die sagen aus Convenience-Gründen, ich habe meinen ETF-Sparplan und gut ist und gucke da in ein paar Jahren vielleicht wieder rein und beschäftige mich nicht damit, sondern ist wirklich für jenen, der auch, wie du sagst, sich gerne mal mit den Reports auseinandersetzt und auch wirklich bewusst investiert. sich mit diesen Investitionen dann beschäftigt. Ich hatte neulich einen Gast bei mir, der hat zu Beginn des Gesprächs, da musste ich erstmal so ein bisschen zusammenzucken, gesagt, Venture Capital lohnt sich nicht.

Helmut Schühsler: Wie siehst du das? Also Venture Capital, denke ich, kann sich schon lohnen. Lohnt sich nicht, wäre eine sehr generelle Aussage. Und es gibt nun Fonds, die lohnen sich sehr. Und dann gibt es welche, die haben sich nicht gelohnt. Und auch Manager mit sehr gutem Ruf, also unter den Führenden, Managern dieser Welt gibt es immer wieder Fonds, die aus irgendwelchen Gründen sich nicht rentieren. Das hat sehr oft auch mit Konjunktur zu tun, denn auch als Venture-Kapitalist kann man sich nicht vollkommen loslösen aus Konjunktur, aus Ökonomie, aus Kapitalmarktentwicklung. Wenn alles Wie damals 2001 nach diesem denkwürdigen Auftritt von Tony Blair und Bill Clinton im EW, wo sie sagten, das Genom des Menschen wird nicht patentierbar sein. Und damals waren wir gerade mitten in der Tech-Bubble und in der Genomic-Bubble und so weiter. Das wussten zwar alle, dass das so ist, jedenfalls alle, die in dieser Branche wirklich zu tun hatten, aber offensichtlich wussten das nicht. Viele, die in genomische Unternehmen und Biotech-Unternehmen investiert hatten, damals wussten das nicht und waren dann plötzlich besorgt. und haben angefangen zu verkaufen. Und das hat dazu geführt, dass viele unserer Unternehmen, die damals an der Börse notierten, dann innerhalb von zwei, drei Wochen 70, 80, 90 Prozent ihres Börsenwertes einbüßen. Also wenn Sie einen Fonds investiert haben, der dann fünf, sechs Unternehmen in so einer Zeit an die Börse bringt und dann hinterher mit so einer Katastrophe konfrontiert sind, dann kann es durchaus sein, dass etwas, was Ende Februar ausgesehen hat wie ein fantastischer Winner, Ende März als Loser darstellt. Und die Firmen selber hatten sich in dem Monat ja nicht verändert. Es waren keine guten Nachrichten, keine schlechten Nachrichten. Aber es war, die Marktlage hat sich vollkommen verändert. Und damals, dieser 19. März, ist mir deswegen in Erinnerung, weil es eingeläutet hat, eine Zeitspanne zwischen 2001 und 2012, in der es fast nicht möglich war, Biotech-Unternehmen vernünftig zu finanzieren, weil kein Mensch davon was hören wollte. Und es war in Deutschland so, Das war in ganz Europa so zum Beispiel. Das war in Amerika nicht ganz so schlimm, aber auch. Also es war eine ganz, ganz harte Zeit für Piotek-Fondsmanager. Also wir können uns auch bei aller Qualität, wenn man so smart ist, wie man das sein kann, man kann sich nicht aus diesen Marktentwicklungen auslösen.

Patrick Pfeffer: Helmut, kommen wir zum Ende des Gesprächs nochmal auf die Regionen der Welt zu sprechen. Ich sage oft in meinen Gesprächen, dass sich die Menschheit, wirklich jetzt erst am Start der Digitalisierung befindet und dass man jetzt gewisse Themen an andere Regionen der Welt abgegeben hat. Phase 1 der Digitalisierung zum Beispiel an die Americas, Phase 2 der Digitalisierung wie zum Beispiel eine AI-Strategy. Das geht möglicherweise mehr an die Chinesen, wo die Europäer sich immer noch nicht schlüssig sind, wie deren Positionierung bei den Themen wie AI aussieht. Nichtsdestotrotz, mit mir hast du es jetzt mit einem überzeugten Europäer und auch mit einem Kämpfer für Europa zu tun. Dementsprechend sage ich, naja, die Menschheit befindet sich ja jetzt erst am Anfang dieser Journey und Phase 3 der Digitalisierung. holen wir uns nach Europa zurück. Wie ist denn da so? dein Take auf Europa Stand heute, aber auch mit einem kleinen Blick in die Glaskugel und wenn ja, was müssten wir tun, damit Standort Europa auch tatsächlich in Zukunft eine Rolle spielt?

Helmut Schühsler: Das ist natürlich ein beliebig schwieriges Thema. Ich glaube, ich selber bin ja auch überzeugter Europäer und bin ja in der Mitte Europas groß geworden und habe ja auch viele, viele Jahre in Europa gearbeitet und zwar auch überzeugt in Europa gearbeitet. Ich hätte viele Gelegenheiten gehabt, nach Amerika zu gehen, um unser Unternehmen in Amerika aufzubauen und zu leiten oder überhaupt wie viele andere europäische Venture-Kapitalisten TVM überhaupt nach Amerika zu verlagern. Und da gibt es gute Beispiele von anderen, die das getan haben und auch sehr erfolgreich getan haben. Und wir haben das nie getan, sondern haben immer versucht, diese europäische Identität nicht zu verlieren und auch trotz aller Vorteile des amerikanischen Marktes weiterhin in Europa zu investieren. Das war also immer ein klares Commitment von allen Partnern von TVM. Und das ist auch heute noch so, wie es immer war. Und ich denke, das europäische Experiment einer einer Europäischen Union hat sicherlich viel dazu beigetragen, dass es den europäischen Ländern oder den meisten von ihnen doch relativ gut geht. Also gerade auch Deutschland und Österreich. Ich sehe aber auch, dass die Stärke der europäischen Ökonomien, sage ich mal, ganz grundsätzlich in den analogen Technologien liegen und weniger auf der digitalen Seite, wo es natürlich wahnsinnig viele Unternehmen gibt, die auch sehr erfolgreiche Dinge entwickelt haben. Also viel Skype ist in Europa entwickelt worden und vieles andere. Und es gibt sehr viele sehr erfolgreiche digitale Unternehmen. Aber an der obersten Spitze dessen, was sich in der digitalen Welt und in der Welt der digitalen Lösungen tut, ist es doch etwas geworden, was man leider, ich persönlich sage leider, als der Winner takes it all dann bezeichnen muss. Es ist nun einmal wieder einmal so, dass alles das, was international rasch wachsen kann, was scalable ist, auf einer internationalen Ebene von den Amerikanern und von den Chinesen und so weiter offensichtlich besser beherrscht wird als von den Europäern. Und in China ist es noch immer nicht so, weil China mit 1,4 Milliarden Menschen quasi eine halbe Welt für sich ist. Also Chinesische Unternehmen wie Alibaba oder Ant und wie sie alle heißen, die müssen nicht sofort nach Südostasien oder nach Amerika expandieren oder nach Europa. Die haben einen wahnsinnigen, riesigen Markt vor sich und sind schon in einzelnen Industriebereichen die größten Unternehmen der Welt, bevor sie überhaupt den Hut ins Ausland helfen. Und das ist nun ein Vorteil, den ein europäisches Unternehmen niemals haben wird. Diesen Vorteil hatten die amerikanischen Unternehmen im 20. Jahrhundert, weil die den mit Abstand größten Binnenmarkt vor sich hatten, den es in der Welt gab. Und das haben sie genützt im 20. Jahrhundert. Und ich glaube, was der amerikanischen Industrie jetzt immer schwerer fällt, ist, weil es eben jetzt demnächst bald nicht mehr der größte Weltmarkt sein wird, diese Hegemonie weiter aufrechtzuerhalten. Und was man jetzt schon sieht, ist, viele amerikanische Unternehmen verlieren an Bedeutung. Und die einzigen, die an Bedeutung zunehmen, sind die mit digitalen Lösungen, die es geschafft haben. ihre digitalen Lösungen und ihre Produkte und Services in der ganzen Welt zu positionieren. Das sind die Googles und die Facebooks und die Apples dieser Welt. Und ich glaube, da wird es jetzt einen ziemlich interessanten Wettbewerb geben. zwischen den großen Unternehmen in Amerika, die einen Binnenmarkt von 350 Millionen Menschen haben und die es geschafft haben, das dann in der zweiten Phase auf die ganze Welt auszudehnen, und den chinesischen großen Unternehmen, die 1,4 Milliarden Menschen als Binnenmarkt haben und dann im Ende ja ganz genau das Gleiche tun werden. Also auf diesen Wettbewerb bin ich schon sehr gespannt. Aber in diesem Wettbewerb wird niemand aus Europa eine Rolle spielen. Das ist meine Vorhersage. Und aus dem Grund, also wenn es um B2C geht, Und um Themen, die Milliarden von Menschen betreffen, ist für europäische Unternehmen, Länder und so weiter, glaube ich, das Spiel derzeit nicht mehr zu spielen. Das Spiel, das man in Europa spielen wird müssen, denke ich, wird hochspezialisiertes B2B-Business sein, nämlich weiter auf die industriellen Stärken aufbauen, die Europa hat, in industriellen, spezialisierten Lösungen. für Märkte, die zwischen 100 Millionen und ein paar Milliarden groß sind und nicht hunderte Milliarden groß sind, um sich dort im Wettbewerb zu behaupten. Und um eine solche Strategie herum sehr profitable Unternehmen aufzubauen. Das ist im Ende ja die Stärke der deutschen Industrie, die Stärke der Schweizer und der österreichischen Industrie. Alles begonnen vor 100 Jahren und ausgebaut. Aber wenn man sich die Industriestruktur im deutschsprachigen Raum anschaut, dann ist das ja im Ende der Backbone, wie es so schön heißt, unserer Industrie. Und ich denke, dieser Backbone von hochspezialisierten Unternehmen, Profitablen, weltweit aktiven Unternehmen. Also dieses Konzept lässt sich auch auf die digitale Welt übertragen. Aber jetzt ein zweites Google aufzubauen oder ein zweites Epic, das ist abgefahren. Der Zug ist aus der Station.

Patrick Pfeffer: Ein sehr spannendes Zukunftsbild, was du hier malst mit Europa als Hub und andere Regionen der Welt als Spoke. Oder anders gesehen vielleicht auch den Inkubator für gewisse Themenfelder und gewisse Industrien in Europa angesiedelt. Aber auch mit der Perspektive oder eben auch Nicht-Perspektive, dass man an Binnenmärkte à la USA aktuell oder China stark steigend eben niemals herankommen wird.

Helmut Schühsler: Ich denke ja, also die Existenz von zwei Dingen aus meiner Sicht in der Industriestruktur dieser Welt ist extrem wichtig. Das eine ist der Binnenmarkt, der ohne Hürden zu überwinden sozusagen erreichbar ist. Und das zweite ist die Funktionalität und Größe des Kapitalmarkts. Also institutionelle, professionelle Kapitalaufbringung ist ein Wettbewerbsvorteil, für die, die Zugang zu solchen Märkten haben und die Zugang zu Kapital haben, ist heute wahrscheinlich ein wesentlich bedeutenderer Wettbewerbsvorteil als der Zugang zu Technologie oder der Zugang zu Wissenschaft. Und das hat Amerika und die Vereinigten Staaten von Amerika im 20. Jahrhundert soweit vorgebracht, weil In beiden Fällen hatten die Amerikaner sowohl das größte Land als auch den größten Binnenmarkt als auch den aktivsten bei weitem größten Kapitalmarkt. Und leider konnte Europa dem niemals wirklich standhalten oder hat niemals irgendwas wirklich wettbewerbsfähiges auf die Beine gebracht. Und jetzt schauen wir mal, wie die nächsten 100 Jahre laufen. Ich persönlich denke, es gibt so viele intelligente, smarte und akkreative Menschen in Europa. Es kann nicht sein, dass wir zum Erbkonzenter der Welt werden, wo man nur hinfährt, wenn man italienische Musik und Essen hören will oder französische Musik. Ich glaube, da ist noch mehr zu holen.

Patrick Pfeffer: Und ich bin auch sicher, du hast irgendetwas im Portfolio aus dem Longevity-Bereich, das wir die nächsten 100 Jahre noch gemeinsam erleben werden. Lieber Helmut.

Helmut Schühsler: Ja, was glaubst du, warum wir investieren in diesen Bereich? Das ist doch alles aus Selbstinteresse.

Patrick Pfeffer: Na also, lieber Helmut, vielen, vielen Dank für das Gespräch, dass du da warst.

Helmut Schühsler: Danke für die Einladung. Wie gesagt, es hat mich gefreut. Servus.