Mit der Blockchain zur dezentralen elektronischen Patientenakte

1. Januar 2000, mit Patrick Pfeffer

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Patrick Pfeffer: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von Digital Kompakt, Edition Health Tech. Mein Name ist Patrick Pfeffer und ich habe heute Timothy Becker Heute geht es um spannende Themen wie zum Beispiel die DEPA, die dezentrale elektronische Patientenakte. Herzlich willkommen, Timothy. Herzlich willkommen, Stefan. Schön, dass ihr bei mir in der Sendung seid. Hallo.

Timothy Becker: Vielen Dank, dass wir hier sein können.

Patrick Pfeffer: So, zu Beginn stellt euch doch mal bitte vor, stellt mal Turbine Kreuzberg vor und bringt doch mal eine coole Überleitung zu dem DEPA-Thema der dezentralen elektronischen Patientenakte. Ich spreche es extra und bewusst langsam aus, weil es ein ganz schöner Zungenbrecher ist.

Timothy Becker: Ich denke, da fange ich an der Schiller-Messen an. Wie du schon richtig gesagt hast, mein Name ist Timothy Becker und ich bin für die Venture-Abteilung bei uns auf Business-Seite mit zuständig und unterstütze hier dabei die Turbine Kreuzberg, neue Geschäftsideen zu generieren, zu validieren und dementsprechend auch bis hin zum Markt reinzubringen. Um einen kurzen Hintergrund zu nennen, ist, dass ich studiert habe, mein Masterstudium in Technology and Innovation Management gemacht habe, daraufhin dann beim Helmholtz-Institut im Innovation Lab gearbeitet habe für ein Jahr hier in Berlin, beim High Sprint Innovation Lab, dann bei KPMG weitergemacht habe im Risikomanagement, bis ich letztes Jahr zur Turbine Kreuzberg gestoßen bin. Was ein sehr netter Übergang ist, da ich da über einen Kollegen aus dem Studium auf die Turbine Kreuzberg aufmerksam gemacht wurde, angefangen habe zu sehen, was die Turbine Kreuzberg macht und immer interessierter daran wurde. Und dann natürlich zu der Turbine Kreuzberg gestoßen bin, wo wir dann im Zuge dessen letztes Jahr auch diesen Venture-Bereich angefangen haben mit aufzubauen. Um ein ganz schnelles Intro noch zu geben zu der Turbine Kreuzberg, ist es, dass wir eigentlich eine Technologieagentur bzw. eine Digitalagentur sind und im Kerngeschäft an sich Produktplattformen, Marktplätze und auch individuelle Softwareanwendungen entwickeln, wo wir versuchen, mit Strategie, Technologie und Designunternehmen und Corporate Startups dabei zu unterstützen, die Chancen des digitalen Wandels erfolgreich zu nutzen. Und hier haben wir gemerkt, mit so einer technologischen Expertise, die wir die über Jahre aufgebaut haben, dass es zukunftsfähige Technologien gibt und zukunftsträchtige Technologien, wie in diesem Beispiel Web3 und dezentrale Technologien, wo wir dann angefangen haben, uns immer intensiver damit auseinanderzusetzen. Und hier auch, um den Bogen zu schlagen, in mehreren Kooperationsprojekten mit Berliner Hochschulen bereits mit der Zeit ein wissenschaftliches Fundament für diese zukünftigen dezentralen Technologien gelegt haben und die Relevanz dieses Technologiebereichs auch belegt haben an der Stelle. Und hier Hier haben wir ein disruptives Potenzial davon entdeckt und identifiziert, wo wir gesagt haben, eigentlich genau in diese Kernbereiche, in diese Technologien müssen wir reingehen, weil die sind zukunftsweisend. Und das war der Startschuss für unseren Venture-Bereich. Und innerhalb dieses Venture-Bereichs haben wir dann gesagt, okay. was könnten wir jetzt hier mit diesen dezentralen Technologien erreichen, wo kann der Weg hingehen? Und haben uns immer weiter angefangen, mit dem Gesundheitswesen auseinanderzusetzen, da hier gemerkt wird, die Digitalisierung im Gesundheitswesen, die steckt in den Kinderschuhen, die ist total am Anfang. Wir sehen eine Digitalisierung in anderen Bereichen wie Supply Chain, aber im Gesundheitswesen selbst in Deutschland ist noch extrem viel Potenzial. Und dieses Potenzial wollen wir jetzt auch mit unserer Mission, die wir an sich haben innerhalb der Technologie, Tech-Ventures erwecken und damit Deutschland auch hinsichtlich des Digitalisierungsgrads im Gesundheitswesen weiter vorantreiben, um hier nicht auf dem letzten Platz, wie es aktuell ist, sondern in der Zukunft möglichst weit vorne zu stehen im europäischen Vergleich. Und das hat uns dann auch zu der dezentralen Patientenakte gebracht, die du angesprochen hast.

Patrick Pfeffer: Vielen Dank. Krasser Pitch, Tim. Und nur eine kleine Aufgabe, wirklich sich den Gesundheitsmarkt vorzunehmen. Aber wir unterhalten uns dann noch ein bisschen genauer über die dezentrale Patientenakte im Verlauf des Gesprächs. Lieber Stefan, stell dich doch mal dem Publikum vor, bitte.

Stefan Adolf: Ja, sehr gerne. Ich spare mir alles, was man über Tobin Kreuzberg sagen kann, weil der Timus hier hat das gerade ja unglaublich gut dargelegt. Mein Name ist Stefan Adolf. Ich bin gebürtiger Diplom-Mathematiker und arbeite seit 200 Jahren in der Softwareindustrie. Habe mich in der Tat sehr viel mit Java, PHP und allen möglichen Programmiersprachen auseinandergesetzt, in der Industrie gearbeitet, für Startups gearbeitet. Ich habe auch schon mal selber ein Startup gegründet, aber das ist gefühlt 100 Jahre her. Es hieß Area Mobile und ich glaube, es haucht langsam seinen letzten Atemzug aus. Aber es hat sehr viel Geld verdient seinerzeit und ich bin immer noch sehr stolz darauf, das mal gegründet zu haben. Mittlerweile bin ich beschäftigt bei der Tavine Kreuzberg als Developer-Ambassador und ihr merkt schon, dass ich ziemlich schnell dabei spreche. Ich bin hauptberuflich Entwickler und versuche Dinge schnell und präzise zu machen. Und ich bin vor, glaube ich, zwei oder zweieinhalb Jahren mal zum Thema Dezentralität und Blockchains gekommen. Im Rahmen von alten Check24-Kollegen witzigerweise, aber dann während verschiedener Blockchain-Hackathons. Und stecke relativ tief drin in der gesamten Szene von IPFS, Web3, Ethereum, ein bisschen auch Bitcoin natürlich und allen möglichen Dingen, die da gerade auf uns zukommen. Und ich behaupte, ich verstehe relativ gut, was auch so das philosophische Potenzial dahinter ist. Denn der Blockchain, und da kommen wir natürlich auch noch drauf, ist fast nichts anderes als ein Tool, das es ermöglicht, die Welt zu auf eine dezentrale Art und Weise so zu verändern, dass man ganz viele der gelernten, seit Hunderten von Jahren bestehenden Intermediäre möglicherweise gar nicht mehr braucht. Das ist halt einerseits eine extrem potenzialhaltige Technologie und andererseits natürlich auch ein bisschen sehr, sehr disruptiv.

Patrick Pfeffer: Warum der Gesundheitsmarkt? Warum frage ich das? Ich bin seit Beginn meiner Karriere im Gesundheitsbereich unterwegs und da es ein regulierter Markt ist und da der Gesundheit des Menschen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird und werden muss, ist man dort nicht sozusagen at the forefront of innovation. Das heißt, man ist dort im Bereich Digitalvermarktung, also auch produktseitig, ein paar Jahre zurück im Vergleich zu anderen Industrien. Also warum nimmt man sich dann den Gesundheitsmarkt vor, wo man weiß, es ist eine regulierte Umgebung und es ist auch eine, wo man jetzt, ich sage mal, produktseitig und vermarktungsseitig nicht am Zahn der Zeit ist, was theoretisch möglich ist.

Timothy Becker: sehen für eine Digitalisierung, weil, wie du schon richtig sagst, in vielen unterschiedlichen Bereichen ist dieser Schritt schon angekommen und natürlich ist der Gesundheitsmarkt sehr reguliert, aber die Kernprämisse, die wir hierbei haben und den Punkt, den wir hierbei verfolgen, ist, dass nur wenn man sich bereits heute mit zukunftsträchtigen Technologien auseinandersetzt, können wir dann auch in der Zukunft am Kern der Zeit sein und eigentlich Player auch auf einem globalen Scale sein. Wenn wir uns aber heute nicht damit auseinandersetzen, wenn wir in Zukunft nicht da stehen und uns dann wieder, wenn wir das Beispiel nehmen, 2025 fragen, warum wir nicht schon früher damit angefangen haben, uns auseinanderzusetzen. Und genau aus dem Grund haben wir uns das Gesundheitswesen ausgesucht, weil wir gesagt haben, hier muss jetzt bereits der nächste Schritt begonnen werden. Hier sollte jetzt nicht, wenn wir die Digitalisierung anfangen voranzutreiben, sich überlegt werden, was für Technologien gab es denn in den 2000ern und wie könnten wir die denn jetzt nutzen, um gerade Potenziale hier raus zu generieren. Sondern wir sollten uns fragen, was gibt es in 2020 und wie können wir das umsetzen, um in 2050 in der Zukunft zu sein und uns dann nicht zu fragen, warum haben wir in 2020 nicht genutzt.

Patrick Pfeffer: Ganz gute Überleitung. Lass doch mal ein bisschen genauer auf das DEPA-Projekt schauen. Wer kann mir das von euch am besten erklären?

Stefan Adolf: Ich kann es gerne mal probieren. Es ist nämlich gar nicht so wahnsinnig schwer. Am Ende geht es ganz einfach nur darum, dass es eine Patientenakte für Patienten gibt. Und das planen wir, glaube ich, seit 1997 und seit 2004 gibt es eine. Es gibt für fünf auch das wunderbare Gesetz der elektronischen Gesundheitskarte und darauf aufbauend alles, was Patientenakten sind. Die interessante Entwicklung, die jetzt gerade passiert ist, dass es in der Tat live geht und zwar unter Druck. live geht, weil der Gesundheitsminister Jens Spahn sagte, so pass mal auf, wir reden jetzt seit über zehn Jahren effektiv darüber, sowas einzuführen. Das hat noch kein Gesundheitsminister vor mir auf die Schiene gestellt. Das wollen wir jetzt schaffen am 1.1.2021, das geht jetzt live. Ist super und die Technologie, die da drin steckt, ist, glaube ich, relativ gelungen. Das ist eine interessante Auswahl, auch eine historisch sehr gut belegte Auswahl. Und wir haben da nur gesehen, naja, 2020 gibt es allerdings Technologien, die sehr viele der Probleme der TI und der EPA, die da momentan gelöst werden, möglicherweise viel eleganter löst und möglicherweise auch potenziell viel sicherer löst und deutlich anschlussfähiger löst. Und das ist so ein bisschen der Grund, wie wir dazu gekommen sind, das Ganze mit dezentralen Technologien zu bauen. Am Kern geht es vor allem darum, dass man Dokumente bei Leistungserbringern oder wie der Volksmodus nennt, Ärzte, zusammenstellt und diese Dokumente dann irgendwie an den Patienten oder an andere Ärzte heranträgt. Im TI-Sprech ist das dann das KIM, dass Ärzte gegenseitig Informationen austauschen können, sicher. KIM ist im Prinzip ein aufgebohrtes E-Mail-Protokoll, einfach gesagt. Und auf der anderen Seite geht es darum, dass der Patient selbst seine Patientenakte hoheitlich verwaltet. Das ist auch das Ziel einer TI durchaus. Allerdings stellt es der Gesetzgeber den Patienten komplett frei, diese Akte überhaupt anzunehmen. Es ist, glaube ich, noch nicht so ganz geklärt, was eigentlich passiert, wenn der Patient sagt, du, ich will meine Akte überhaupt nicht haben, dann werden die Daten nämlich trotzdem irgendwie gespeichert, nur ohne, dass der Patient direkten Zugriff darauf hat. Und vor dem DEPA-Ansatz ist das in der Tat so gelöst, dass der Patient potenziell jederzeit auf die Historie, was in seiner Akte, die er vielleicht noch nie vorher gesehen hat, zugreifen kann, sobald er sich authentifiziert als der Patient, um den es hier geht.

Patrick Pfeffer: Kannst du nochmal erklären, was jetzt genau für 2021 geplant ist und was du als Versäumnisse für euch und für die Turbine identifiziert hast und was dann tatsächlich auch in das Depotprojekt einfließt?

Stefan Adolf: Also zum 01.01.2021 geht alles live, was die letzten zehn Jahre auch schon auf dem Weg dahin war, nämlich ein konnektorenbasiertes, potenziell VPN-basiertes, durchaus dezentral ausgelegtes Speichersystem, das von Krankenkassen und der Gematik TI getrieben wird. Das sieht in der Praxis so aus, dass Ärzte sich mit einer sicheren Schlüsselkarte an ihrem praxisbasierten Konnektor oder im Krankenhaus über die Krankenhauskonnektoren mit der TI verbinden und dann Daten erheben, die auf den lokalen oder weniger dezentralen Speichersystemen der Krankenkassen abgelegt werden. Das heißt, man muss als Patient, wie es in Deutschland üblich ist, halt ein Patient bei einer Krankenkasse sein, um an so eine Akte ranzukommen. Und da ist auch vielleicht schon der allererste Punkt, das ist vielleicht nicht für die breite Masse interessant, aber für mich persönlich ist es sehr interessant. Wenn man privat versichert ist, hat man sowas gar nicht. Die privaten Krankenversicherer nehmen daran nämlich gar nicht teil. Das ist schon einer der spannendsten Punkte übrigens, woran man sieht, dass so ein System halt ein bisschen komisch ist 2020, weil es ja im Prinzip geschlossen ist für den Zugang zu neuen Teilnehmern. So, das ist das größte Beispiel natürlich. Aber das betrifft die GAS, also die Anbieter von weitergehenden Applikationen ganz genauso.

Patrick Pfeffer: Aber würdest du nicht sagen, jetzt mal aus deutscher Perspektive, man kann froh sein, dass überhaupt erstmal etwas gestartet ist? Weil normalerweise sind wir bekannt dafür, dass wir die Dinge zu Tode analysieren und gar nicht erst an den Start bringen. Und dass jetzt unter Minister Spahn die Dinge jetzt in 2021 tatsächlich erstmal losgehen in diese Richtung. Würdest du das jetzt als positiv oder als nicht positiv bewerten, weil eben entsprechende Versäumnisse da sind?

Stefan Adolf: Ich würde Herrn Spahn sogar dringend empfehlen, doch als Kanzler zu kandidieren, weil wenn er das wirklich hinkriegt, dass in dieser Amtszeit am 01.01. das live geht und funktioniert, dann hat er eine der größten Leistungen des Gesundheitssystems in diesem Land vollbracht, die es jemals zu vollbringen gab. Also Herr Spahn, wenn Sie das schaffen, Hut ab, ganz große Sache.

Patrick Pfeffer: Damit verbunden natürlich auch eine herzliche Einladung in die nächste Podcast-Folge, lieber Herr Minister Spahn. Aber gut, lass uns mal heute bei dem Thema dezentrale Patientenakte bleiben. Ich habe verstanden, 2021, mit aller Wahrscheinlichkeit geht es los und es wird mehr oder weniger das berücksichtigt, was in den letzten, sagen wir mal, fünf Jahren in diesem Bereich innoviert wurde. Was ist denn da so der Stand der Technik? Könnt ihr da ein paar Player nennen und auch was diese einzelnen technischen Lösungen können?

Timothy Becker: Das ist der Punkt, den wir auch an der Stelle kritisieren, beziehungsweise den wir als verbessertwürdigen Punkt ansehen, dass der Stand der Technik bis auf 2004 mehr oder weniger zurückzudatieren ist. Das ist auch der Punkt, wo sie sich angefangen haben, mit der elektronischen Patientin auseinanderzusetzen. Und daher der Stand der Technik ist, dass sie auf zentrale Speicherung und auch eine zentrale Infrastruktur in Form der Telematik-Infrastruktur setzen. Wenn wir uns die elektronischen Patienten aktuell anschauen, hier haben wir als Player natürlich die Gematik, die auch auf Rechtswegen dazu verpflichtet ist, sich um diese Telematik-Infrastruktur zu kümmern. Und dann haben wir natürlich außenrum zahlreiche AIS- und KISS-Anbieter, die hier noch mit involviert sind, um dann natürlich die Frontends auf Arzt- und Patientenseite zur Verfügung zu stellen, um dann wiederum mit der Telematik-Infrastruktur kommunizieren zu können. Hier sagen wir natürlich auch, dass diese zentrale Speicherung auch als Hauptkritikpunkt nicht der Weg ist, den man natürlich gehen muss, sondern wir uns eigentlich mit anderen Möglichkeiten wie einer dezentralen Speicherung bzw. dezentralen Aspekten auseinandersetzen sollten, so wie beispielsweise es auch bei der Corona-Warn-App dann implementiert wurde, als von der IT-Community und auch von der Gesellschaft natürlich Kritik mit einer zentralen Lösung kam.

Patrick Pfeffer: Jetzt kommen wir mal so langsam auf das Pudelskern. Also die bestehenden Lösungen bezeichnet ihr als, ich würde mal sagen, Windows 95. Sie basieren auf technischen Lösungen und Architekturen der damaligen Zeit und sind jetzt über etwas mehr als 15 Jahre weiterentwickelt. Korrekt?

Stefan Adolf: Im weitesten Sinne, die Architektur ist auf jeden Fall etwa auf dem Stand von, ich behaupte jetzt mal, 2005. Ein

Timothy Becker: Punkt, der da natürlich an die Architektur mit anspielt, ist, dass hier auch noch auf proprietäre Hardware gesetzt wird, wie beispielsweise die Konnektoren, die immer noch in den Arztpraxen existieren, über die dann wieder der Zugang zu der TI, zu der Telematikinfrastruktur geregelt wird, was dementsprechend heutzutage auch an sich nicht mehr zeitgemäß ist, wo wir auch darauf eingehen können, dass das natürlich auch bereits seitens der Gematik, identifiziert und gesehen wurde, wo beispielsweise Herr Dieken mit seinen sechs Prinzipienpunkten der Gematik genau auf diesen Punkt eingegangen ist, wo er sagt, die TI, wie sie jetzt ist, muss überarbeitet werden. Deswegen gibt es ja den Ansatz einer Telematik-Infrastruktur 2.0, wo dann unter anderem darauf eingegangen wird, dass wahrscheinlich eine elektronische Gesundheitskarte, wie sie jetzt existiert, in Zukunft eigentlich nicht mehr zeitgemäß ist, sondern durch eine E-ID, also eine elektronische ID abgelöst wird. Genauso wie in Zukunft es keine proprietäre Hardware mehr geben sollte und proprietäre Netze, sondern diese entfallen müssen, um eine universelle Erreichbarkeit der Dienste zu gewährleisten. Und genau diese Aspekte werden ja, was das Schöne ist, durch solch eine dezentrale Infrastruktur gewährleistet und können dadurch ermöglicht werden.

Patrick Pfeffer: Was glaubt ihr, wie kann es sein, dass in einem Land wie Deutschland, dass man 15 Jahre lang die Dinge weiter treibt und die immer noch auf einer alten Architektur basieren und dass da keiner in 2012, 2015, 2017, 2019 oder 2020 gekommen ist und gesagt hat, ey Leute, das ist wirklich Windows 95, wir müssen die Dinge hier mal komplett neu denken, was so ein bisschen auch in Richtung eures Projektes geht. Ist das ein strukturelles Problem? Ja. Ist das, ich sage mal, unsere Risiko-Aversität, die wir hier in Deutschland haben? Ist es ein politisches Thema oder ist es ein Mix aus allem?

Stefan Adolf: Das ist aus meiner Sicht ein ganz großes philosophisches Problem. Wenn man mal eine Milliarde erst investiert hat in etwas, was nicht so gut funktioniert, dann wird man versuchen, in diesem Land nochmal eine Milliarde zu investieren, damit es mal doch irgendwann funktioniert. Es ist ein uraltes Problem in dem eher defensiven Denken des Gründertums und der gesamten Entwicklung. Andere Kulturen schaffen das halt, wenn sie merken, ich glaube, das ist keine gute Idee, es wegzuschmeißen, einfach anders zu machen. Es muss man dazu sagen, wir sind hier über 80 Millionen potenziell Versicherte. Man muss schon ein System bauen, was dann an Tag 1 ganz gut funktioniert. Und wenn man sich Softwareentwicklung und generell Produktentwicklung anguckt, ist es natürlich viel spannender, etwas zu bauen, was iterativ entsteht. Eine elektronische Patientenakte ist allerdings jetzt seit über 100 Jahren, man weiß, wie sowas aussehen muss und man hätte jetzt gerne das, was man im Kopf hat, genau so auf die Straße gestellt am 1.1. Und da widerspricht natürlich so ein bisschen die Spezifikation der letzten 100 Jahre dem Startup-mäßigen agilen Herangehen von modernen Unternehmen. Und das aufzubrechen, das ist der Gematik, glaube ich, bis heute nicht so richtig gelungen. Aber sie entschuldigen sich oft dafür und sagen, ja, wir haben es halt so spezifiziert, ja, wir wissen selber, das ist nicht so gut, aber wir kümmern uns drum, das wird noch besser, wie ihr werdet schon sehen. So wird es im Prinzip erzählt.

Patrick Pfeffer: Ich verstehe, also agil und iterativ Dinge für 15 Jahre bauen, das können wir auch in anderen Industrien, wie wir aus dem Berliner Umfeld gelernt haben.

Timothy Becker: Ich nehme mal gerne den Vergleich zur Automobilindustrie und ich denke, das ist auch eine philosophische und eine Risiko-Aversionsfrage, dass wir uns grundsätzlich in Deutschland, habe ich oft das Gefühl, mit altem Funktionierenden auseinandersetzen. Und da, wenn man das Bild nimmt, wir melken halt die Kuh so lange, bis halt es nicht mehr geht. Deswegen haben wir uns auch so spät mit der E-Mobilität auseinandergesetzt, als wir gemerkt haben, huch, da gibt es ja auch noch andere Leute aus anderen Ländern, die scheinen da weiterzugehen und die scheinen immer größer zu werden und tatsächlich gerade der Zukunft entgegenzuschreiten. Und erst dann, wenn es kurz vor knapp ist, fangen wir an, uns mit diesen neuen Möglichkeiten auseinanderzusetzen. und ich denke, das kann man auf alle Bereiche meist übertragen.

Patrick Pfeffer: Manche, dass Deutschland eine Chance hat mit unserer Generation, die im digitalen Umfeld groß geworden sind. und digital heißt oftmals demokratisiert, heißt dezentral, heißt oftmals auch global. Also glaubt ihr, dass wir damit eine Chance bekommen, von alten Denkmustern ein Stück weit loszulassen und auch in Richtung Disruption zu blicken?

Stefan Adolf: Also auf europäischer Ebene findet es statt. Es gibt Gesetze auch auf Bundesebene. Es gibt durchaus Gesetze, die Innovation begünstigen und vorantreiben. Nur man muss jetzt nur Tagesschau gucken. Holt jemand das Geld, was dazu verfügt, steht eigentlich auch ab. Also der Wille ist, glaube ich, da. Aber Deutschland ist seit Bismarck ein bürokratisiertes Land. Wir sind ein Land der Beamten. Das kriegst du jetzt aus dieser Nation in dem Sinne nicht wirklich raus, ohne weiteres. Dafür lacht man ja in Europa teilweise über uns. Aber der Trick ist, damit es am Ende alles gut funktioniert und ein sauberer Rechtsstaat entsteht, wo alles seine Ordnung hat, ist Deutschland natürlich absoluter Vorreiter.

Patrick Pfeffer: Und trotzdem macht ihr dieses Projekt, also um 80 Millionen Beamte zu bekehren oder

Stefan Adolf: Ja, Tobine Kreuzberg versteht sich schon als Innovationsdienstleister. Also wir wollen natürlich auf der agilen Seite stehen. Ob das jetzt die helle oder die dunkle Seite ist, sei es mal dahingestellt. Wir versuchen, Innovationen voranzutreiben. Und das war eine langfristige Strategie dieses Unternehmens, die sich bisher sehr gut bezahlt gemacht hat. Also unsere Softwareentwickler arbeiten äußerst innovativ, gerade in den großen Marktplatzlösungen. Ich glaube, da können sich viele andere Startups schon sogar fast eine Scheibe abschneiden.

Patrick Pfeffer: Malten wir mal das Bild von der DEPA. Wie sieht eure Lösung aus?

Timothy Becker: Ich glaube, das ideale Bild der DEPA wäre, wenn wir jetzt fünf Jahre in die Zukunft schauen, dass es eine dezentrale Infrastruktur statt einer zentralen Telematik-Infrastruktur gibt, auf die natürlich dann von der TI auch migriert werden kann. Diese dezentrale Infrastruktur ist da für eine sichere Speicherung, einen vertrauenswürdigen Austausch von medizinischen Daten, wo wir migriert sind dann von einem Gesundheitswesen, das sich nur um Kranke in Anführungsstrichen kümmert zu einem Gesundheitswesen, das bereits vorzeitig da ist und sich um Gesunde kümmert, damit sie gar nicht erst krank sind, wo jeder Patient die absolute Hoheit über seine Daten hat und souverän über seine Daten dementsprechend ist und auch den Schlüssel zur Verschlüsselung seiner Daten. selbst hält, wo kein zentraler Server dazwischen geschaltet ist, der dann die Verschlüsselung für einen vornimmt, der dementsprechend auch angreifbar ist. Und da sehen wir natürlich aktuell das Bild, dass diese dezentrale Struktur durch Blockchain-basierte Identitäten, also eine eigene elektronische ID, gelauncht wird durch Smart Contracts und bei uns dann das verteilte High-System IPFS.

Stefan Adolf: Also um die DEPA einmal bildlich darzustellen, am Kern der ganzen Geschichte steht der wunderbare Begriff IPFS, das Interplanetare File System. Also das ist schon ein bisschen komplizierter zu verstehen möglicherweise, aber am Ende ist es gar nicht so wahnsinnig schwer. Das ist eigentlich nur ein Peer-to-Peer-Netzwerk zwischen beliebigen Endgeräten, also zwischen Smartphones, zwischen Servern, zwischen Computern, die sich gegenseitig finden. Aber jeder Teil dieses Peer-to-Peer-Netzwerks kann potenziell down gehen. Und die Idee ist, dass die Patientenakten, so wie wir uns das jetzt gerade vorstellen, in diesem dezentralen Filesystem gespeichert werden. Ganz wichtig, so ein Filesystem ist niemals permanent. Das heißt, jeder ist erstmal, ganz einfach gesagt, für sich selbst verantwortlich und muss die Daten bei sich speichern. Da kommt man dann später auch zu Geschäftsmodellen, weil man muss diese Daten natürlich auch persistieren. Und auf der anderen Seite ist das Problem, ist ja schön, dass wir jetzt alle Daten miteinander austauschen können, aber du willst natürlich irgendwie auch sicherstellen, dass ein Arzt ein Arzt ist und ein Patient ein Patient und nicht jeder beliebige Mensch auf alle möglichen Daten zugreifen kann. Das ist genau die große Herausforderung einer sicheren Infrastruktur. Und genau für diesen Punkt benutzen wir selbstsouveräne Identitäten, die wir derzeit auf einer Ethereum-Blockchain verankern, relativ gängige Technologie. um damit sicherzustellen, dass ein Teilnehmer an dem Gesamtsystem auch wirklich der Teilnehmer ist, der ausgibt zu sein.

Patrick Pfeffer: Ich würde jetzt etwas ketzerisch sagen, der größte Feind eurer Idee ist die Convenience des Nutzers. Wir leben jetzt gerade in einer Zeit, in der jeder Mann und jede Frau sehr gerne eine große Menge an Daten mit diversen Diensten, meistens aus den Vereinigten Staaten von Amerika, verwendet. Euer Konzept ist der komplette Gegenentwurf, nämlich ich habe komplette Ownership über meine Daten. Also warum sollten wir uns jetzt tatsächlich in diese Richtung begeben, wohl wissend, dass heutzutage jeder Mann und jede Frau noch sehr gerne viele Daten teilt? Ich glaube, das einzige Bild, was viele Deutsche hier haben, ist dieses Horrorszenario. Ich teile zu viele Daten mit meinen Krankenversicherungen und irgendwann entscheiden sie dann über meine Beiträge, weil mein Lifestyle nicht gesund ist. Ich denke, das ist so ein gängiges Beispiel, was so durch die Medien schwirrt. Aber nochmal, warum sollten wir von dieser Zeit heute, wir teilen relativ frei relativ viele Daten und noch geht es uns gut damit, in eure Richtung gehen, eben wieder die Herrschaft über die eigenen Daten zu erlangen?

Stefan Adolf: Das ist in der Tat eine Bewegung, die gerade fast überall stattfindet. Und wir kriegen sie gerade nur als Ausläufer mit. Wenn man in der Szene drinsteckt, merkt man, wie viel Potenzial da mittlerweile erkannt wird, dass man das komplette Internet dezentralisiert. Und so weit wollen wir heute vielleicht gar nicht kommen. Das Spannende ist, wenn man sich sowas anschaut wie die Corona-Warn-App, dann merkt man, dass nicht nur Dezentralität, sondern Datenschutz eine riesengroße Rolle spielt. Und jetzt habe ich mich auch wieder sehr weit aus dem Fenster gelehnt, weil wenn man jetzt wieder Tagesschau guckt, dann sieht man, dass natürlich die große Kritik an einer Corona-Warn-App in ihrer aktuellen Ausprägung darin besteht, dass keiner mehr so genau weiß, wer hier eigentlich mit wem wann Kontakt hatte. Was aber unglaublich spannend wäre, um diesen Virus einzudämmen. Und das ist genau die große Gratwanderung. Was spielt eine größere Rolle? Die Forschung oder die Convenience oder der Datenschutz? Ich ganz persönlich, das ist gar nicht so eine Turbine Meinung, das ist wirklich eine Stefan Adolfs Meinung. jetzt, stelle mich da sehr gerne mehr auf die Seite des Ulrich Kelber, Bundesdatenschutzbeauftragter. Der sagt, der Datenschutz steht hier an erster Stelle. Jeder Bürger muss wissen, was mit seinen Daten passiert und muss möglichst davor geschützt werden, dass er zu viele Daten verliert. Viele Bürger wissen das ja gar nicht, was sie an den Preis geben, wenn sie Metadaten ins Netz schicken. Und die DEPA ist genau vor dem Hintergrund gebaut worden, dass man sagt, wir gehen mehr in die Ulrich-Kälber-Richtung und sagen, wir wollen erstmal, dass seine Daten sicher sind, bevor du anfängst, sie an irgendjemanden zu verteilen. Das ist übrigens gar nicht so eine völlig alleinstehende Meinung. Wir waren neulich auf einem schönen Bitkom-Event zur digitalen Transformation. Da wurden, glaube ich, 68, 70 Teilnehmer, ganz sicher nicht repräsentativ, aber sie wurden gefragt, was ist aus eurer Sicht denn das Wichtigste an einer elektronischen Patientenakte? Und ich glaube, es waren 92 Prozent, die sagten, Datenhoheit. ich möchte wissen, was mit meinen Daten passiert. So, das war nicht repräsentativ, das war jetzt nicht irgendwie der Durchschnittspatient, aber das waren eine Menge Leute, die sich mit dem Thema auseinandersetzen und man merkte, welchen Stellenwert die Hoheit über Daten tatsächlich im Gesamtsystem hat.

Timothy Becker: Ich denke, was man dem auch beifügen kann, ist, dass zwar natürlich immer dieser Convenience-Aspekt steigt, aber genauso wird ja auch die Welle immer größer dahingehend, warum sollte ein Unternehmen mit meinen eigenen Daten Geld verdienen? Warum genau sollte Player wie Google oder Apple mit meinen Daten ihren Hauptumsatz machen? Warum sollte denn eigentlich nicht ich mit meinen Daten den Umsatz machen, denn sie Diese Daten werden ja ursprünglich von mir generiert, also sollte ja ich eigentlich auch der Player sein, der daran am Ende wiederum verdient.

Patrick Pfeffer: Und damit kommen wir dann sozusagen auf das Pudelskern Version 2, nämlich Geschäftsmodelle. und wer verdient daran in Zukunft Geld. Und ich höre heraus, dass bei der D-Paar, du hast ein dezentrales Modell, du hast eine Ownership über deine Daten, du hast entsprechend auch die Hoheit zu sagen, ich gebe einen Teil meiner Daten raus und verdiene damit auch tatsächlich Geld. Das ist ein mögliches Geschäftsmodell versus. wir haben heute zentralisierte Umgebungen, sehr mächtige Umgebungen, die Herrscher über ganz, ganz viele Daten sind und damit auch eine Menge Kohle verdienen. So, wie in aller Welt sollte man die Transition von diesem Modell zu diesem Modell tatsächlichen. Wo wir doch wissen, dass wir es mit sehr mächtigen Spielern in der Welt zu tun haben, die nicht nur in den einzelnen Regionen der Welt entsprechenden Einfluss ausüben können, ich sag mal Steuerzahlung und Co., sondern auch mit dieser Vielzahl an Daten neue Lösungen generieren können, smarte Algorithmen. was du auf einer dezentralen Struktur zum Beispiel auch nicht tun kannst.

Timothy Becker: Das ist eine sehr interessante Frage. Grundsätzlich, wie wir uns auch gerne positionieren, was ich auch immer gerne vorher vor so etwas vorweg sage, ist natürlich, dass unsere Mission bei dem Ganzen ist, dezentrale Technologien als allererst für die Gesellschaft zugänglich zu machen und nutzbar zu machen. Daher verfolgen wir auch mit der DEPA meist zu Beginn kein konkretes Geschäftsmodell. Natürlich wollen wir ein Verdienst damit machen, dass wir so eine dezentrale Patientenakte oder solche eine dezentrale Infrastruktur bereitstellen als technischer Umsetzer. Aber wir haben primär keine kein direktes Geschäftsmodell im Sinne. Das resultiert auch daraus, dass natürlich solche zukunftsweisen Technologien sind und ich nenne es gern die digitale Revolution, die eigentlich jetzt geschieht, die wir kommen sehen werden, dass sich auf Basis dessen komplett neue, disruptive Geschäftsmodelle entwickeln werden. Wenn wir uns aber jetzt auf die Geschäftsmodelle, die möglich sind und uns da Gedanken zu machen, gäbe es beispielsweise, wenn wir bei der dezentralen Patientenakte und der dezentralen Infrastruktur bleiben, die Möglichkeit eines sogenannten Pinning-Services. Was bedeutet, dass anstatt, dass meine Daten nur auf meinem Endgerät gehalten werden, also auf dem Endgerät des Patienten an der Stelle, gibt es einen sogenannten Pinning-Service. Dieser Pinning-Service wird angewiesen, Kopien meiner Daten bereitzuhalten, natürlich in verschlüsselter Form. sodass es nicht mehr notwendig ist, dass ich all meine Daten auf meinem Endgerät jederzeit habe, weil das würde natürlich bedeuten, wenn ich mein Endgerät verliere, sind alle Daten dementsprechend weg, was natürlich eine große Problematik ist. Das heißt, es könnte weitere Stellen geben wie Krankenversicherung, es könnte auch das BMG sein oder andere Player, die sogenannte Pinning-Services bereitstellen, wo sie dann gegen ein monetäres Entgelt die Daten verkaufen. von einzelnen individuellen Patienten pinnen und auf ihren Servern gegen ein Entgelt bereithalten. Und dann, wenn der Patient wiederum mit einem neuen Gerät darauf zugreifen will, kann er über den Pinning-Service seine Daten wieder entschlüsselt auf seinem Gerät lesen und dann wiederum dem Arzt beispielsweise zur Verfügung stellen.

Patrick Pfeffer: Und geht eure Denke auch so weit, dass man sagt, also jetzt nicht nur für Forschung und Entwicklung stelle ich meine Daten zur Verfügung, sondern auch für Services à la Facebook, Google, LinkedIn, TikTok und Co., dass ich sozusagen auch an diesen Geschäftsmodellen in Zukunft mit meinen Daten mitverdienen darf?

Timothy Becker: Also ich denke, dass dieses Geschäftsmodell natürlich beliebig weit gedacht werden kann. Wir haben jetzt in unserem Ökosystem innerhalb der Turbine Kreuzberg bisher hauptsächlich daran gedacht, dass man dann seine Daten, da wir in dem medizinischen Sektor sind, auch der Forschung zu medizinischen Zwecken bereitstellt, damit diese dadurch natürlich einen Mehrwert generieren kann, um insgesamt das Gesundheitswesen zu verbessern. Aber wenn man jetzt dieses Gedankenspiel natürlich weiterschwindet, kann man das für alles Mögliche nutzen. Wie du schon gesagt hast, wenn wir Facebook haben, die Daten gehören am Ende nur mir. Facebook darf sie nicht nutzen. Ich kann sie aber anderen Diensten bereitstellen und beispielsweise daraus auch ein Geschäftsmodell entwickeln, dass wenn ich meine Daten ihnen bereitstelle, kostet mich der Service keine 99 Euro im Monat, sondern kostet er mich halt nur noch 4 Euro im Monat. Und dann kann wiederum Unternehmen XY sich überlegen, was sie mit diesen Daten tut. Oder man treibt es sogar noch weiter, dass man dann wiederum Abstufungen daran hat, wie diese Daten natürlich weiterverwendet werden können.

Patrick Pfeffer: Das Kopfkino geht bei mir gerade voll los. Wie groß der Beitrag meiner Daten oder der Wert meiner Daten zum bedingungslosen Grundeinkommen beiträgt?

Stefan Adolf: Und das entscheidest du potenziell in dezentralen Technologien ja selber. Also eines der ganz großen Stichworte, wenn man über Dezentralität und ich nenne es jetzt nochmal Blockchains nachdenkt, ist die Inzentivierung in Form von Tokenisierung. Und das ist eine ganz schön große Begriffswelt für das Gesundheitswesen natürlich, aber genau darauf läuft das im Prinzip hinaus. Du versuchst, solche Verfahren zu ökonomisieren, aber möglichst alle Beteiligten, die Daten erheben, daran beteiligen zu können, indem sie zum Beispiel einfach Tokens dadurch bekommen, dass sie Daten freigeben. Also das ist schon in die Zukunft gedacht, aber das ist gar nicht so völlig absurd. Es gibt große Projekte, die sich mit sowas auseinandersetzen. Wenn man zu Amazon geht, gibt es da einen wunderbaren AWS-Service, der nennt sich Data Lake. Das ist der Oberbegriff für solche Dienste. Man schmeißt eine Menge Daten zusammen und dann kann man mit einem guten Search-Server darauf irgendwie zugreifen und Sinn draus machen. Solche Services gibt es heute schon dezentral. Also wenn du, Patrick, einen bestimmten Datensatz, den du hast, an einen Datenpool übergibst, der dann irgendwann diesen gesamten Datensatz, den Data Lake, veräußert, dann kriegst du für deinen ganz kleinen Beitrag potenziell auch einen ganz kleinen Tokenbeitrag zurück. Und schon hast du eine Ökonomie erfunden, die nicht von einem zentralen Facebook abhängt, an der jeder partizipieren kann.

Patrick Pfeffer: Wir hatten im Vorfeld uns ja über das Thema schon unterhalten und da habt ihr das Projekt Star Trek erwähnt. Wollt ihr gegen Ende des Gesprächs nochmal ein bisschen darauf eingehen, wie da eure Vision in diesem Bereich aussieht?

Stefan Adolf: Genau, die Frage ist in einer dezentralen Infrastruktur immer, wenn sie dezentral ist, dann ist ja gar keiner mehr verantwortlich. Das widerspricht ein bisschen dem, was da auch im SGB steht. Da steht nämlich, die Gematik bzw. die Gesellschaft für telematische Dienstleistungen im Medizinwesen ist hier verantwortlich, diese TI zu betreiben.

Patrick Pfeffer: Also wir brauchen eine Pille, ne?

Stefan Adolf: Genau, du brauchst irgendwie den, du brauchst die Krankenstation, du brauchst irgendwie den, der das Raumschiff baut und der das Raumschiff betreibt. Du brauchst die Sternflotte, genau genommen. Wer ist denn das in einer dezentralen Welt? Ja, das sind wir alle. Jetzt die Blockchain-Kenner werden es merken, wird ganz sicher nicht jeder Patient hier seinen eigenen Blockchain-Node hochfahren. Natürlich wird es ein mehr oder weniger verteiltes Netzwerk von solchen Blockchain-Nodes geben, die diese grundlegende Sicherheit, die Infrastruktur effektiv betreuen. Wenn man jetzt Bitcoin kennt zum Beispiel, dann weiß man, um Gottes Willen, das ist eine Umweltkatastrophe, sowas zu betreiben, weil da wird ja eine Menge rumgerechnet. Das sind ja mittlerweile schon ein bisschen weiter. Also es gibt Lösungen, die das ablösen, was Bitcoin da bis heute verursacht. Und in unserem Fall nennt sich das Proof of Authority. Das spielt im Prinzip in eine ganz ähnliche Richtung wie das, was auch die TI macht. Sie verlagert nämlich die Verantwortung für die Gesamtfunktionsweise des Systems auf mehrere breite Schultern. Und nicht auf jeden einzelnen und nicht auf einen, sondern auf mehrere große. Das nennt sich Proof of Authority. Man betreibt sozusagen ein großes konsortionales Blockchain-Netzwerk und alle Player sollten einen Incentive haben, das nicht kaputt zu machen. Eine Krankenkasse hat das, behaupte ich. Ein Krankenkassenverband vermute ich auch. Das Bundesgesetzministerium ganz sicher auch. Und die Idee ist, dass man im Prinzip ein ökonomisch geschlossenes Netzwerk von solchen Blockchain-Teilnehmern baut, die untereinander diese Tokens erzeugen, mit denen die Patienten am Ende vergütet werden, wenn sie Daten bereitstellen. Und schon hast du im Prinzip ökonomisch geschlossenes, sicheres System erstellt, das nie wieder down gehen kann oder das irgendwie nicht zentral kontrolliert werden kann, weil es sehr viele große Player gibt, die dazu beitragen, dass es läuft.

Patrick Pfeffer: Ist das ein deutsches Thema oder kann man sowas auch international denken?

Stefan Adolf: Es gibt ein Netzwerk aus, ich glaube, 150, wenn das mal reicht, amerikanischen Notaren, die so ein Netzwerk zum Beispiel zur Beglaubigung von Dokumenten in Amerika schon gelauncht haben, das heißt POA Network. Das ist ein bisschen abseits von uns. Aber es gibt im Prinzip niemanden, der zentral sagt, ihr müsst das jetzt hinstellen, sondern jeder kann im Prinzip daran teilnehmen. Zum Beispiel, wenn er irgendwas mitbringt. Man könnte sagen, du musst halt eine Million Euro mitbringen, damit du überhaupt Teil des Netzwerks werden darfst. Und dann entscheidet das Netzwerk, was damit passiert.

Patrick Pfeffer: Ich finde es eine unglaublich spannende Diskussion, insbesondere das Thema Datenschutz und wie viel dahinter steckt und wie viel man von einer Demokratie hinzugeben kann oder wegnehmen kann, wenn man das Thema Datenschutz falsch anfasst. Das ist für mich sozusagen der spannendste Take-away unseres Gesprächs heute. Im Sinne der Zeit, vielen, vielen Dank Tim, vielen, vielen Dank Stefan für das Gespräch. Ich hoffe, wir begegnen uns bald wieder und hören, was die Fortschritte eures Projektes machen, ob dann in 2025 tatsächlich wir in Richtung die zentrale Patientenakte steuern. Vielen Dank für das Gespräch.

Stefan Adolf: Vielen Dank für die Einladung, Patrick. Danke.

Timothy Becker: Vielen Dank dir für die Einladung.