Was ist Fintech und wie verändert es die Finanzindustrie?

19. Oktober 2017, mit Joël KaczmarekAndre BajoratMiriam Wohlfarth

Dieses Transkript wurde maschinell erstellt. Wenn dir ein Fehler auffällt, schreib uns gerne zu diesem unter redaktion@digitalkompakt.de.

Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Podcast von Digitalkompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und ich bin hier wieder, ich habe das Vergnügen, die Ehre wieder mit den Größten der Branche, in dem Fall des Fintechs-Bereichs zu sein. Und vielleicht ist euch aufgefallen, ich habe noch gar keinen Formatennamen am Anfang gesagt, weil wir noch keine Idee hatten, wie wir das nennen. Also ihr merkt schon, es soll um das Thema Fintech gehen. Ich bin nicht alleine, sondern gleich zwei wirklich versierte und auch schon fronterfahrene Unternehmer, die hier mit mir diskutieren. Fangen wir mal mit der Ladies First auf der Linken an. Stell dich mal ganz kurz vor.

Miriam Wohlfahrt: Hallo, ich bin Miriam Wohlfahrt von RatePay.

Joel Kaczmarek: RatePay. Und zu meiner Rechten, der ist ja selber schon Podcaster, den kennen alle schon.

Andre Bajorat: Ja, hallo, André Bajorat von Figo, CEO von Figo und in der Tat auch Podcaster mit Payment und Banking.

Joel Kaczmarek: Also das lege ich euch ganz warm ans Herz, das müsst ihr euch anhören. Payment and Banking, da passieren ja der wirkliche Deep Shit. Ich werde hier wahrscheinlich nicht immer ganz so tief tauchen können oder ich versuche das so ein bisschen oberflächlicher, erklärlicher auch mal zu machen, dass wenn man nicht irgendwie 15 Jahre Banklehre hinter sich hat, dass man uns trotzdem noch folgen kann, was aber gar nicht wertengemeint ist. Also ich finde das ja immer stark, wenn man tief geht. Ich finde sowas irgendwie richtig gut.

Andre Bajorat: Wir können Brücken bauen.

Joel Kaczmarek: Genau. Das liegt euch sehr ans Herz. Also Payment & Banking, das müsst ihr jetzt sofort abonnieren, während ihr hier zuhört. Bei iTunes, Soundcloud, wo seid ihr noch?

Andre Bajorat: Überall. Überall, siehst du? Oder nicht bei Spotify.

Joel Kaczmarek: Da bin ich auch gerade erst reingekommen.

Andre Bajorat: Ich habe dich gesehen.

Joel Kaczmarek: Muss ich dich mal vermitteln an Vincent, der mich da reingebracht hat, der Gute. Anyway, Miriam, erzähl mal ein bisschen was zu eurer Firma RatePay. Witzigerweise, ich weiß, glaube ich, noch als einer der wenigen, ihr seid doch mal aus dem FoundersLink-Umfeld entstanden, oder?

Miriam Wohlfahrt: Ja, also was heißt entstanden, aber die haben sehr stark bei uns mitgearbeitet am Anfang der Oliver und Fabian. Ja, RedPay ist gegründet worden 2009, also wirklich im, wie soll ich sagen, mitten in der Finanzkrise. Die Idee ist entstanden aufgrund, ich sage mal, von meiner damaligen Tätigkeit eben im PSP-Umfeld. Wir haben damals Payment Service Provider. Ich habe damals White Label Payment Service Provider aufgebaut und es gab eben auch das Thema, wie könnte man Rechnungskauf, Ratenkauf ins Internet bringen. Mein damaliger Arbeitgeber hatte kein Interesse, sowas bei sich zu integrieren und so ist das einfach so als, ich sag jetzt mal, Idee vom Produkt her, vom Kunden her entstanden. Das war dann 2009 gegründet. Es war sehr schwer, damals Kapital zu kriegen. Founders Link Oliver Weste hatte einen guten Draht zur Otto-Welt und so ist das Ganze dann entstanden, dass Otto bei uns investiert hat. uns dann irgendwann auch übernommen hat. Wir haben sehr viel von Otto lernen können, weil Rechnungsratenkauf sind die klassischen deutschen Zahlarten, die die Deutschen einfach gerne mögen. Dafür steht Otto, ich würde mal sagen, wahrscheinlich ohne jetzt irgendwelche Zahlen zu nennen, aber es ist einfach mal eine Vermutung, dass weit über 90 Prozent der Zahlungen bei Otto über Rechnungs- und Ratenkauf laufen. haben wir einfach da sehr viel mitnehmen können, wie man das eigentlich am besten macht und wie man es in Deutschland auch den Händlern anbietet. Ja, das war eine gute Zeit. Wir sind gut gewachsen. Es hat eine Weile gedauert. Es hat lange gedauert, bis wir gewachsen sind. Wahrscheinlich auch die ersten vier, fünf Jahre hat uns niemand überhaupt registriert. Die letzten Jahre sind wir extrem gewachsen. Wir haben uns dieses Jahr mehr als verdoppelt. Wir sind jetzt so 130 Mitarbeiter, arbeiten seit über einem Jahr profitabel. Also wir verdienen Geld inzwischen unglaublich. Wir haben eine BaFin-Lizenz.

Joel Kaczmarek: Ui, wow.

Miriam Wohlfahrt: Ja, also es hat sich eigentlich ganz toll entwickelt. Und wir machen das heute im größeren Stil. mal eine Größenordnung zu geben. Wir machen so am Tag etwa 4 bis 5 Millionen Umsatz, nach außen Umsatz. Das ist schon eine ganze Menge, was da gedreht wird. Das läuft alles automatisiert ab und wir sind eigentlich sehr, sehr zufrieden, wie es sich ganz entwickelt hat. Wir gehören ja seit vorletzter Woche offiziell zu Advent und Bain. Wir sind eine Portfolio-Company von Advent und Bain Capital. Ja, das ist ein bisschen was zu rate. Wir sitzen hier in Berlin, aber ich will jetzt gar nicht so Werbung machen. Also mich interessiert Fintech, mich interessiert Payment seit langer Zeit, wie eben schon gesagt. 2009 gegründet, ich bin seit 2000 in der Branche. Ich glaube, ich kenne André seit 2001, keine Ahnung. Wir haben uns mal vor vielen, vielen Jahren kennengelernt. Da wollten wir zusammenarbeiten und so haben wir uns kennengelernt. Da gab es noch nicht so viele von denen.

Joel Kaczmarek: Auch auf die Gefahren, dass ich mich jetzt ins Sexismus-Bermuda-Dreieck begebe. Wie kommt man als Frau dazu, Fintech zu machen und so früh? Du bist ja wirklich Avantgarde dieser Branche.

Miriam Wohlfahrt: Also ich finde ja immer so, dieses Frauenthema ist ja für mich ehrlich gesagt gar nicht so präsent. Ich bin da jetzt auch reingerutscht im Laufe der Jahre. Aber als ich damit anfing, habe ich nicht darüber nachgedacht, ob ich jetzt eine Frau bin. Ich habe durch Zufall, damals bin ich an eine Firma gekommen, die hieß zu der Zeit Bibit, Bibit Global Payment Services. Die sind mir quasi, ich habe damals in der Reiseindustrie gearbeitet, war mit dem Thema beschäftigt auch. wie entwickeln sich da eigentlich, wie entwickelt sich die Reisebranche, Ticketing im Internet und und und. Stieß eben auch durch Zufall eben auf diese Firma, ich fand das ganz interessant, die haben eben damals angefangen, Zahlungen im Internet abzuwickeln und ehrlich gesagt, das war gar nicht so sehr die Branche, es war eher der Mensch dahinter, der mich total inspiriert hat, wo ich dann gesagt habe, ich habe da echt Lust, das zu machen und es ist war bei mir schon immer so, dass Menschen mich inspiriert haben und dadurch irgendwie so ein Bauchgefühl auf einmal entstanden ist. Ich dann diese Firma damals kennengelernt habe, das waren damals so zehn Leute irgendwie, die saßen in Holland und die waren alle so alt wie ich und das war einfach anders. Es war eine andere Welt des Arbeitens. und Dann habe ich gesagt, ja, ich will das machen. Ich möchte jetzt raus aus diesem Konzern von Hapag-Leut in eine andere Welt eintauchen. Und das war genau das Richtige. Und der Vorteil derzeit war es ja auch so, es gab ja noch keinen Payment, es gab keinen Fintech. Das waren überhaupt die allerersten Anbieter, die sowas überhaupt gemacht haben, so Zahlungssysteme im Internet. Es gab ja noch keinen E-Commerce, weil letztendlich damals die größten Shops, die wir so 2000 hatten, die haben im Monat 50 Transaktionen gemacht oder sowas. Es war also eigentlich schon irre, wie sich das entwickelt hat. Und deshalb, glaube ich, hatte ich den Vorteil, es war eine neue Welt. Ich hatte Interesse an Technologie, aber ich musste nicht da Erfahrung mitbringen, um da irgendwie eine Rolle zu spielen. Damals mein Chef, der Peter van der Dus, der ist inzwischen im Gründer ja von Etienne und CEO von Etienne, der kam ja auch aus der Publishing-Branche. Also da war ja auch niemand, auch die ganzen Kollegen. Es gab ja niemand, der irgendwie aus dieser Welt kam. Also von dem her bin ich da gelandet und eher so, weil das nette Typen waren. Und so bin ich in dieser Männerwelt gelandet, ohne dass ich mir jemals darüber Gedanken gemacht habe, ob es denn eine Männerwelt war. Es waren einfach tolle Kollegen.

Joel Kaczmarek: Wie ist es mit dir, André? Wie hat deine Reise da begonnen? Du bist ja so der Fintech-Papst, wenn ich mich nicht täusche.

Andre Bajorat: Ich habe 96 angefangen in der Sparkassen-Finanzgruppe zu arbeiten und komme halt nicht aus der Payment-Welt, wie Miriam das gerade beschrieben hat von sich, sondern eher aus der Banking-Welt. Und bin da eher zufällig reingeraten, 96, weil ich mein Studium geschmissen habe und dann beim Verkauf meiner Jura-Bücher einen Zettel für einen Hotline-Job bei der Stadtsparkasse Köln gefunden habe. Und so bin ich sozusagen vor mehr als 20 Jahren in die damals noch nicht sogenannte Fintech-Welt reingeraten und habe dann im Laufe der Jahre zuerst in Köln angefangen, Banking-Software für Endkunden zu machen, zu verkaufen, zu vertreiben, zu entwickeln. Also nicht selber zu coden, aber halt in der Konzeption zu entwickeln. Und das war halt in einer Welt, in einer Zeit, wo es noch BTX gab, also wirklich pre-Internet im Grunde genommen. Und damals suchtest du für das Thema Internet-Killer-Applikationen und Banking war eine von denen. Und so sind wir halt mit T-Online und AOL im Grunde genommen durch die Lande gezogen und haben die Menschen versucht, online zu bringen über das Banking-Thema. Hat ganz gut funktioniert und bin dann irgendwann 1999 nach Hamburg gegangen, lange Zeit bei Starfinance gearbeitet. Starfinance damals gegründet, auch von Marco gegründet, genau. Hattest du ja auch im Podcast, nahm er vor, Gründer halt auch.

Joel Kaczmarek: Der ist großartig. Ist, glaube ich, der schlauste Mensch, den ich je getroffen habe, würde ich behaupten.

Andre Bajorat: Ich habe ja relativ lange mit ihm zusammengearbeitet.

Joel Kaczmarek: Lüge ich? Das ist doch so, oder?

Andre Bajorat: Absolut faszinierender Typ, gar keine Frage. Und auf jeden Fall jemand mit ganz großen Visionen und auch sehr stark darin, diese Themen auch greifbar zu machen. Also absolut faszinierend. Ich habe das dann gemacht bei Starfinance, immer das Thema Banking und das war immer noch PC-Software und bin so in diese ganze Welt reingeraten und bin dann über eine Erweiterung des Geschäftsmodells bei Starfinance auch in die Payment-Welt reingeraten. Da haben wir uns in der Tat kennengelernt, Miriam, ich glaube 2004 war es, 2004, 2005, haben GiroPay damals gegründet, so ein bisschen der Vorgänger von PayDirect, also ein Venture der Sparkassen, Volks- und Reifeisenbanken und Postbank. Und so bin ich halt in die Payment-Welt reingeraten, habe das bis 2009 gemacht und war dann bei Number 4 als CEO für zwei Jahre bis 2011. Echt?

Joel Kaczmarek: Wusste ich gar nicht.

Andre Bajorat: Und habe da das erste Team mit aufgebaut und wir haben die ersten Konzeptionen von Number 4 gemacht in den ersten zwei Jahren. Bin aber dann 2011 zurück nach Hamburg, da war ich zwei Jahre in Berlin und bin dann eher als Berater unterwegs gewesen. Das war die Zeit, als das Thema Fintech so ein bisschen anfing und da habe ich angefangen, den Blog Payment & Banking zu machen und habe dort versucht,

Joel Kaczmarek: die

Andre Bajorat: Aktivitäten, die Themen, die gerade so passierten, das fing ja an in Berlin mit SumUp und mit Pay11 als Payment-Varianten und einige andere Dinge, Stripe immer mir angeguckt, Square angeguckt, das Thema einfach in einem Blog zusammengefügt und habe dann angefangen, Linklisten zu machen, weil ich selber vergesslich bin und Übersichten. Wir haben letzte Woche mit Joel auch darüber gesprochen, über diese Mindmaps, die wir dann irgendwann angefangen haben und die ich angefangen habe. Und darüber, weil es zu dem Zeitpunkt auch niemanden gab, der das irgendwie zusammengeführt hat, hat das irgendwo so eine gewisse Branchenrelevanz bekommen, weil es plötzlich einen zentralen Ort gab im Blog, der am Anfang gar nicht Payment & Banking hieß, sondern einfach nur so ein WordPress-Domain war, dort die Sachen zusammenzuführen. Und warum habe ich das gemacht? Weil ich selber halt relativ vergesslich bin, habe ich halt Übersichten gemacht, habe ich halt irgendwie diese Linklisten gemacht, um es wiederzufinden. Und unter anderem auch deshalb, weil mich dann irgendwann auch ein Freund, Arnulf Käse, kennst du? Ex-Paper-CEO. Darum bat doch das, was ich lese, irgendwie ihm auch zugänglich zu machen. Und das war eigentlich der Startpunkt für den Blog. Dann haben wir irgendwann auch das Thema Podcast angefangen, aber viel, viel später. Und selber bin ich dann zu Figo geraten 2012. Gar nicht als Gründer, sondern als Sparrings-Partner für den ursprünglichen Gründer, der das Thema Figo als Banking-Applikation in München gegründet hat. Und dann haben wir im Laufe des Jahres 2012 so die ersten Ideen finalisiert. Ich hatte halt durch die Historie bei Starfinance einen ganz guten Banking-Know-how, was ich einbringen konnte. Und bin 2013 dann irgendwann mit in die Firma eingestiegen, als wir die erste Finanzierungsrunde gemacht haben mit dem HTGF. Und dann haben wir Ende 2013 das Modell gedreht von einem B2C-Case, von einer Banking-App, ähnlich wie es eine Outbank oder wie es die Sparkosten-App ist, zu einem B2B-Player. und das machen wir heute mit Figo aus Hamburg heraus mit ungefähr 50 Leuten mittlerweile als Banking-Service-Provider, also als API-Anbieter für Banken und für Banking. Ja und so bin ich mittlerweile da irgendwo reingeraten, mache den Podcast weiter mit ein paar Leuten zusammen.

Joel Kaczmarek: Macht ihr nicht auch ganz viel so Scoring-Geschichten? Also ich habe, als ich jetzt den Sebastian Diemer grillen durfte, war deine Factoring Mindmap eine meiner Grundlagen für die Wettbewerbsanalyse. Und der hat euch auch ganz lobend erwähnt, dass er euren Service nutzt zum Beispiel.

Andre Bajorat: Ja, es ist so, dass wir gar nicht so sehr auf das Thema Use Case gucken, sondern wir sagen halt, wir haben eine Infrastruktur, die halt die Konnektivität in Richtung Financial Sources, Richtung Bankdaten ermöglicht und welcher Use Case da drauf gebaut wird. Da sind wir relativ agnostisch. und Sebastian mit seinem Dienst, aber halt auch in AUX Money oder eine Deutsche Bank nutzen halt unsere Infrastruktur, um halt verschiedene Use Cases darauf abzubilden. Und in der Tat, Scoring machen wir nicht selber, sondern geben halt die Daten inklusive einer Aufbereitung der Daten an die Kollegen raus und die scoren dann daraus selber.

Joel Kaczmarek: Okay, also ihr habt so ein bisschen den Finanzwerkzeugkasten und ob man dann irgendwie sich ein Auto oder ein Haus draus baut, liegt bei den Leuten. Kannst du eigentlich mal mit einem Satz sagen, also du wirst das da perfekt beantworten können, jemand, der jetzt zuhört, sagt sich so Banking, Payment, hä, ist das nicht irgendwie dasselbe? Was ist denn da der Unterschied? Wie würdest du das so auseinanderhalten?

Andre Bajorat: Naja, Payment ist ja grundsätzlich erstmal etwas zu bezahlen und da kommt das eigentlich her. Und E-Commerce-Payment hat sehr viel mit Kreditkarten in der Anfangszeit zu tun und mittlerweile wächst das in der Tat ein Stück weit zusammen. Das merkst du an solchen Diensten wie PayDirect oder halt auch an solchen Diensten wie Miriam sie ja selber macht, weil du da plötzlich das Thema Bank, nämlich das Bankkonto und die Bankinformationen mit nutzt für das Thema Payment. Aber ursprünglich hast du Payments, ist für mich Bezahlen, Bezahlen mit Karte, Bezahlen irgendwo am Point of Sale mit der EC-Karte, mit der Kreditkarte oder im E-Commerce mit Paypal. oder mit den Karten. Und Banking ist halt ein Stück weit das, was du selber siehst auf deinem Bankkonto, was du an Krediten hast, was du möglicherweise an Anlage hast, was du an Depot hast. Das ist für mich Banking. Das ist ein Stück weit eine andere Welt. Aber in der Tat, im Fintech wächst das auch ein Stück weit zusammen und auch die Payment-Welt wächst da ein bisschen zusammen mit der Banking-Welt.

Joel Kaczmarek: Jetzt wollen wir ja einen Fintech-Podcast machen. Kannst du mal, Miriam, so der Welt da draußen, die vielleicht so bei Fintechs ein grobes Gefühl hat, aber vielleicht gar nicht so weiß, wo fängt das an, wo hört das auf, so deine Definition geben, was du als Fintech betrachtest?

Miriam Wohlfahrt: Also das Wort sagt ja Finanzen und Technologie, wenn man zusammenhängt, also es hat was damit zu tun, dass es im Prinzip Unternehmen sind, die bankennahe Dienstleistungen erbringen, um es jetzt mal so zu sagen, und das Ganze vielleicht auf technologisch hochwertiger Art tun oder das Ganze digitalisieren, wenn man es so schön sagt. Das ist für mich Fintech, also im Prinzip die Technologie in die Finanzbranche zu bringen, weil die meisten Banken, denen fehlt das so ein bisschen oder das war einfach auch, ist auch glaube ich der Unterschied, der passiert ist in den letzten Jahren oder das ist auch. Ich glaube, heute Morgen war in einem Finanz-Newsletter über die Deutsche Bank, dass die im Vergleich zu, was war es, JP Morgan oder so, extrem wenig in IT-Ausgaben. Die Ausgaben für IT sind extrem klein gegenüber anderen Banken. Und ich glaube, das ist das, was die Fintechs machen. Die sagen, okay, ich komme eben von der technologischen Seite und bilde dann eben die banknahen Dienstleistungen ab. So würde ich das für mich erklären, also technologisch. Im Falle von RatePay, wir sind ja auch ein Dienstleister für Payment, aber jetzt im Zahlungsverkehr für Rechnung und Rate. Mit Rate ist nochmal ein bisschen ein besonderes Produkt. Ist also auch eine Lösung, die eigentlich ja die Banken früher erbracht haben, Zahlungsverkehr. Wir haben uns aber auch von der anderen Seite genähert. Nicht jetzt so von der Bankenseite, sondern von der Kunden-Usability-Seite. Wie kann man das technisch schöner machen, sodass es für den Kunden sehr einfach zu nutzen ist. Und ich glaube, das ist so ein bisschen der Unterschied.

Joel Kaczmarek: Ich meine, wenn du früher Linklisten gemacht hast, machst du immer noch?

Andre Bajorat: Ne, machen wir nicht mehr. Ist aufwendig.

Joel Kaczmarek: Sehr schön, so kommt man von seinen ursprünglichen Use Cases weg. Wie würdest du clustern? Also was wären so Inseln im Fintech-Bereich, die man unterscheidet? Weil wenn ich mir so deine Mindmaps jetzt so wie vergegenwärtige, das ist natürlich oft nach Lokationen unterschieden, wenn ich mir jetzt ein Thema angucke, aber was gibt es da so für Inseln? Was weiß ich, Payment hatten wir jetzt, Banking hatten wir, was gibt es da noch?

Andre Bajorat: Also ich glaube, das ist auf jeden Fall das Thema, wie du gerade beschrieben hast, Payment gibt. Dann gibt es das Thema Scoring, was du gerade auch schon angesprochen hast. Dann gibt es das Thema Anlage, also das Thema Sparen, wie du es möglicherweise machst. Und das kannst du dann auch noch ein Stück weit unterteilen, in welche Anlage Produkte du investierst. Dann gibt es das Thema Robo auf jeden Fall. Dann kannst du, wenn du es weit fassen willst, auch das Thema InsureTech mit da reinpacken. Dann kannst du Tools mit da reinfassen, weil das ist glaube ich etwas, was wir momentan im Banking sehen, dass Banking mehr und mehr in den Kontext reinwandert. Das heißt also, wenn du zum Beispiel als Freiberufler oder als UG oder GmbH auch das Thema Buchhaltung machst, dann willst du möglicherweise das Thema Banking direkt in deiner Buchhaltungssoftware mit drin haben. Das war früher relativ schwierig und das merken wir halt heute, dass da Technologie in andere Dienste mit reinwandert und dass plötzlich Banking und auch Payment mit in andere Dienste reinwandert. Und so kannst du diese Cluster eigentlich fast beliebig groß machen oder beliebig klein machen oder kannst es weiterclustern. Also du hast auch Tools, die ich halt auch im Fintech-Bereich sehen würde, wie halt Small Medium Business Tools oder halt das Thema Buchhaltungstools.

Joel Kaczmarek: Ich muss gleich an Holvi denken. Das ist ja so eine finnische Bank, die sich stark damit gerade positioniert, dass sie Banking machen.

Andre Bajorat: Mittlerweile übrigens gekauft. Eines der ersten Exits, wenn du so willst, aus dem Fintech-Umfeld.

Joel Kaczmarek: An wen verkauft? BBVA. Ah, okay.

Andre Bajorat: Siehst du, ist an mir vorbeigegangen. Also die beiden Vorzeige, ich sag mal B2C oder bei Holvi ist es ja eher so B2SMB. Fintechs sind ja beide von der BBVA gekauft worden. Das eine war ja Simple aus den USA und dann halt Holvi, lange Zeit später, aber sind von denen gekauft worden. Und da sieht man halt auch, dass das Miriam gerade beschrieben hat. dass Banken relativ wenig in IT investieren, auch teilweise jetzt mittlerweile darum mitbeantwortet wird, dass man halt auch anfängt, wirkliche Asset-Deals zu machen und auch Teams und auch Produkte zu kaufen.

Joel Kaczmarek: Und wie sieht so die gaussische Verteilungskurve aus im Fintech? Also ist es irgendwie so, dass es so zwei, drei Sparten gibt, die so das Gro an Umsatz machen und der Rest ist eher longtailig? Also wie ist das verteilt, das Kräfteverhältnis?

Andre Bajorat: Ich glaube, was du eher angucken kannst, ist, welche Modelle gehen direkt auf den Kunden und welche sind eher ausgerichtet an Dienstleister oder an große Partner wie Banken. Und da verdienst du natürlich als Dienstleister, als Anbieter für Banken wahrscheinlich erstmal mehr Geld, als wenn du halt auf der B2C-Ebene versuchst, einzelne Kunden heranzukarren. Das ist, glaube ich, eher eine Unterscheidung, die ich machen würde.

Joel Kaczmarek: Du warst jetzt an der Front, hast irgendwie wirklich in der Goldrush oder den Goldrush eigentlich erlebt, warst schon vorher da. Was passiert mit mir, wenn ich Fintech baue? Was bedeutet das eigentlich konkret? Weil man sagt ja immer, das ist irgendwie so komplex wegen Regulierung und da gibt es ja irgendwie die große Alteingesessen, mit der du zusammenarbeiten musst, was aber immer so krampfig ist. Ist das wirklich so? Was kommen da so für Hürden auf einen zu?

Miriam Wohlfahrt: Es kommt ja auch darauf an, welche Art von Fintech du machst. Ich glaube, es ist ein Unterschied, wenn du diverse Geldanlageplattformen machst. Du brauchst andere Lizenzen, als wenn du Payment machst, wenn du Geld einlagerst, wenn du Gelder verteilst. Bei uns ist es ja so, wir brauchten eine BaFin-Lizenz, aber wir wussten das am Anfang auch nicht so richtig, um ehrlich zu sein. Weil uns Anwälte gesagt haben, nee, ihr braucht das nicht. Dann kommt aber irgendwann die BaFin und sagt, nee, nee, also das geht so nicht, ihr müsst. Es ist, glaube ich, sehr schwer am Anfang zu erkennen, wann brauchst du eine Lizenz, für was genau brauchst du eine Lizenz. Ich glaube, das ist nicht so einfach zu beantworten. Dann hast du also diese Lizenz, die du brauchst.

Joel Kaczmarek: Was brauchst du dafür, dass du die kriegst? Das ist ja auch ein ziemlich spieler Reifenspring.

Miriam Wohlfahrt: Ja, also bei uns hat der Prozess sehr, sehr lange gedauert. Ich darf mal gar nichts sagen, es hat zweieinhalb Jahre gedauert. Wahnsinn. Ja, also von diesem, ich sage mal, du bekommst halt diese Briefe, die du von der BaFin bekommst, dann die Korrespondenzen, dann stellst du diesen Antrag und das sind ordnerweise Dokumente, die da erstellt werden. Und du musst bei dir eben auch sehr viele Sachen einfach umsetzen. Du musst sehr viele, da gibt es so was, Mindestanforderungen an, ich sage mal, wie du Händler aufsetzt, wie du KYC machst, wie das Eigenkapital im Unternehmen ist. KYC ist Know Your Customer Prüfung. Du hast eben ganz viele so Dinge, die du eben auch für diese Lizenz brauchst und die musst du ja alle umsetzen. Wenn du ein kleines Unternehmen bist, das ist alles mal bei dir irgendwie, dass du die Art und Weise, wie du Kunden prüfst, wie du das alles machst, das muss alles dokumentiert sein und jederzeit für die BaFin eben zugänglich. Du musst den Jahresabschluss anders machen.

Joel Kaczmarek: Also das sind schon

Miriam Wohlfahrt: Du hast sehr hohe Anforderungen an Eigenkapital, weil es geht ja im Wesentlichen darum, dass die Gelder, die du eben einnimmst, dass die zu jeder Zeit auch gesichert sind. Im Falle von einer Rate-Pay-Insolvenz, du musst eben sichergestellt sein, dass die Gelder eben über Treuhandkonten oder wie auch immer geschützt sind. Also es ist schon ein Riesenapparat, der da abläuft. Und als kleineres Unternehmen, wenn du anfängst, Also, aber Gott sei Dank, ehrlich gesagt, wir wussten es damals nicht so ganz genau. Ich glaube, wenn du genau gewusst hättest, was du um alles machen musst, hätte man wahrscheinlich gedacht, oh Gott, das traue ich mir gar nicht zu. Das ist alles so mit der Zeit gekommen. Wir dachten, okay, wir wollen ja weitermachen und wir müssen weitermachen. Und das läuft ja gut. Also müssen wir uns jetzt all diesen Sachen da, ich sage jetzt mal, stellen und eben durch diesen Prozess da durchgehen. Es gibt auch die persönliche Eignung der Geschäftsführer. Das ist auch ein wichtiges Thema. Also gar nicht mal, ich glaube, es gibt auch schon Unternehmen, die daran gescheitert sind. Also das ist eben auch sowas.

Joel Kaczmarek: Wieso, was muss man da mitbringen als Geschäftsführer?

Miriam Wohlfahrt: Ja, du musst eben der BaFin aufzeigen, dass du auch vertrauenswürdig genug bist, dass du genügend Berufserfahrung hast, dass du auch wirklich keinen Ärger jemals hattest. Du brauchst ein spezielles Führungszeugnis, da gibt es so unterschiedliche Kategorien. Es ist nicht zu unterschätzen. Es kann nicht jeder so einfach das machen. Also wenn du in deiner Jugend Mist gebaut hast, könnte das schon schwierig sein.

Andre Bajorat: Lass mich mal eins ergänzen. zum Thema BaFin-Lizenz. Du hast natürlich nicht irgendwie eine BaFin-Lizenz, sondern du hast natürlich für verschiedene Klassen, für verschiedene Themen BaFin-Lizenzen. Ich glaube, was es teilweise ist, wenn du über diese Hürde gesprungen bist, was Miriam gerade beschreibt, ist es natürlich auch eine unglaubliche Einstiegsbarriere für andere. Also wenn du dieses Thema hast und gemacht hast, dann hast du natürlich dein Business möglicherweise auf ein ganz anderes Level gehoben. Und insofern ist das, glaube ich, auch nicht unbedingt eine schlechte Entscheidung, dieses Thema voranzutreiben. Und ich kann das genau bestätigen, weil wir gerade auf dem Sprung dahin sind, halt auch eine BaFin-Lizenzierung zu beantragen. Es sind vor allen Dingen Prozesse. Es sind Prozesse, es sind Prozesse. Genau, immer wieder.

Miriam Wohlfahrt: Und du brauchst halt plötzlich andere Menschen.

Andre Bajorat: Und wenn du halt anfängst mit 10, 15, 20 Leuten am Anfang eine Firma zu gründen, dann bist du ja sehr hands-on und bist auch in der IT sehr hands-on. Und plötzlich musst du dann darüber nachdenken, wie du genau diese Dinge halt nachweist. Bisschen Continuity Management und all diese ganzen Dinge, die damit einhergehen. schon echt eine andere Liga, die du dann plötzlich aufmachst.

Joel Kaczmarek: Ich kann mir das ein bisschen vorstellen. Als ich meine Firma gegründet habe, haben wir einen TÜV-Siegel bekommen. Und da musste ich sagen, was im Erdbebenfall mit meinen Mitarbeitern passiert, wie ich die informiere und so.

Andre Bajorat: Stichwort Continuity. Das allererste ist sowas wie, dass du einfach plötzlich an der Tür eine Kladder liegen hast und jeder, der halt reinkommt, sie irgendwie eintragen muss.

Miriam Wohlfahrt: Genau.

Andre Bajorat: Das sind ja so die ersten Sachen, dass du halt eine Zugangskontrolle sozusagen zur Firma hast. Und das sind so die mini kleinen Zeichen dafür, dass du halt erwachsener wirst.

Joel Kaczmarek: Okay, ich sehe schon, wir machen eine Folge mal nur zu BaFin-Lizenzen. Was gibt es, wie kriege ich die hin?

Miriam Wohlfahrt: Oh Gott, lade ich mir noch einen Kollegen von mir ein, aber ich bin ja gar nicht der Spezialist.

Andre Bajorat: Ich glaube, was wir halt auch da sehen ist, wenn du dir Fintech anguckst und Fintech aus der Historie anguckst, so 2011, 2012, hat das niemand von den Gründern so richtig auf der Agenda gehabt. Und wenn du heute mit den Leuten sprichst, dann ist es, was Miriam gerade schon beschrieben hat, so, dass nahezu jeder sofort darüber nachdenkt. Und auch VCs, über die du ja auch sehr häufig sprichst oder die du manchmal auch dabei hast, Das ist für die, glaube ich, mittlerweile eine der ersten Fragen. Ist das in irgendeiner Art und Weise lizenzpflichtig? Wie denkt ihr darüber nach? Wollt ihr die bekommen? Nutzt ihr irgendwas White-Label-mäßiges? Das war vor vier Jahren nicht so, vor fünf Jahren nicht so. Und das ist mittlerweile halt ganz normal geworden.

Joel Kaczmarek: Das ist ja eine schöne Brücke. Kann man denn eigentlich da im Prinzip das Ökosystem auch ein Stück weit anzapfen? Weil was ich so mitkriege, beim Kollegen Diemer zum Beispiel, habe ich gelernt, der schlüpft dann unter die BaFin-Lizenz der Solaris-Bank. Also der hat dann irgendwie eine Bank im Hintergrund, die ihm hilft. Wie ist denn da mittlerweile so der Austausch?

Andre Bajorat: Auf jeden Fall. Also da hast du Technologieanbieter auf der einen Seite, die du natürlich so als Basis nutzen kannst, aber natürlich hast du auch regulatorische Shelter, also wirklich Schirme, wenn du so willst, die du in Teilen nutzen kannst. Und da haben sich ja im Laufe der letzten Jahre die eine oder andere Bank entwickelt auf der einen Seite, dahin entwickelt auf einer anderen Seite oder halt auch komplett neu gegründet worden, wie eine Solaris. Also eine Wirecard ist das Vorzeigebeispiel für eine White Label Bank. Für eine White Label Bank und für eine White Label PSP. Also die sind eigentlich im Grunde genommen ja erst bekannt geworden darüber, dass viele sie wahrgenommen haben, weil sie halt Steigbügelhalter für viele Fintechs waren. Und ich glaube, die meisten haben die Wirecard erst wirklich wahrgenommen, nachdem klar war, dass Number 26 mit denen arbeitet. Ansonsten war das für viele irgendwie ein unbeschriebenes Blatt. Andere Banken hast du halt, wie eine Solaris, haben wir gerade schon darüber gesprochen, die genau das als Geschäftsmodell für sich sieht. Fintechs die Möglichkeit zu geben, unter ihr Dach zu schlüpfen und deren Geschäftsmodell zu ermöglichen, was du ansonsten halt als kleines Unternehmen dir möglicherweise im ersten Schritt nicht leisten willst. Eine Sutor-Bank, ganz spezielle Bank in Hamburg, die sehr das Thema Einlagengeschäft mit Partnern macht. Du musst dir aber vorstellen, die kommen zum Beispiel aus einem Thema vermögenswirksame Leistungen, die über Berater vermittelt worden sind. Und für diesen Fintechs einfach nur digitale Vermittler. Also die denken das Thema einfach anders. Früher waren es halt die Berater, die bei denen vorbeigelaufen sind und die halt sozusagen die Verträge angeschleppt haben. Und jetzt sind es Fintechs, die das digital machen. Also sowas wie ein fair.de zum Beispiel, arbeiten komplett mit einer Sutor-Bank. Und da gibt es halt noch ein paar andere, die das genau an

Miriam Wohlfahrt: Wir arbeiten ja auch mit der Wirecard-Bank. Wir haben ja eine BaFin-ZRG-Lizenz, aber wir sind ja keine Bank. Also deshalb, wir dürfen kein, ich sag mal, Zins-Geschäft machen. Das wiederum darf nur die Bank machen. Deshalb arbeiten wir da auch schon immer mit der Wirecard-Bank zusammen, weil die auch als eine der ganz, ganz wenigen das überhaupt verstanden haben, was wir machen. Also gerade damals 2009, wenn du zu einer normalen Bank gegangen bist, hast du gesagt, okay, du suchst jetzt eine Bank, mit der du online Ratenkredite machen kannst und haben die meisten gesagt, hier, das ist ja Quatsch, was ihr macht und so, auf gar keinen Fall, das kann nicht gut gehen. Und die Wirecard, die haben eben sehr früh erkannt, dass da auch echt eine große Chance für sie ist, auch da einzusteigen in diesem Bereich. Wobei die ja auch eigentlich eines der ersten Fintechs waren, wenn man es so will. Die sind ja auch, ich glaube, wann ist Wirecard, also die gab es auch schon 2000, da waren die auch da, dann waren sie mal insolvent. Dann sind die aber komplett neu, mit neuen Gründern irgendwie an den Start gegangen. Ich weiß gar nicht mehr, wie die genau hießen, EBS Holding, ich weiß nicht.

Andre Bajorat: Es war ja auch eine, im Grunde genommen ist die BIW Bank mittlerweile Fintech Group, der gleiche Nukleus. Und die einen haben die Banklizenz übernommen und die anderen haben die Kreditkarten-Acquiring-Lizenz übernommen. Und die Wirecard waren am Anfang die Kreditkarten-Acquiring-Lizenznehmer und haben dann aus dem gleichen Nukleus heraus das Payment-Geschäft vorangetrieben. Und die BIW Bank hat das Thema Payment als White Label vorangetrieben, also gleicher Nukleus.

Miriam Wohlfahrt: Genau. Und Payment als White Label war eben auch, Wirecard hat da auch ganz, ganz viele, ich sag mal, Mitfirmen zusammengearbeitet, die dann deren Lizenz genutzt haben fürs Acquiring. Weil im Acquiring hattest du das, was du für die Banken hast, als wie eine Solaris White Label Bank gab es im Acquiring schon lange. Also das quasi Acquirer, ich sag mal, wie hieß das, Rente, Binnen oder sowas, ich weiß gar nicht mehr, dass eben diese Acquiring Lizenzen zur Verfügung gestellt werden konnten und du damit arbeiten konntest.

Joel Kaczmarek: Wie ist das insgesamt so? Ich habe das öfters, dass ich mal mit Leuten zu tun habe, die so einen Banking-Background haben, in Banken arbeiten. Und auch einer meiner Messenger-Gruppe, der immer abstöhnt über Banken, der wird jetzt zuhören, sich freuen und sich einen ablachen. Hat sich das verbessert? Also hat die Bankenwelt insgesamt in Deutschland so diesen Fintech-Schuss schon gehört?

Andre Bajorat: Auf jeden Fall. Also sie hat ihn gehört und nimmt ihn ja auch auf und setzt ihn in Teilen ja auch um. Also dieses Thema Fintechs als Lieferanten, Fintechs als Partner von Banken, hast du in den letzten drei Jahren so viel gesehen wie noch nie zuvor. Also du hast hier im Haus, wo wir hier sitzen, die Jungs von Genie, die waren eine der ersten, die das Thema Banken als Kunden komplett vorangetrieben haben. Und nahezu jede Bank hat ja mittlerweile irgendwie eine Kooperation, eine Lieferantenbeziehung zu einem Fintech. Ist das jetzt mittlerweile schon in der kompletten Bank angekommen und ist das möglicherweise auch auf C-Level angekommen? Natürlich noch nicht überall. Du hast ein paar Vorzeigebanken, bei denen ist das so. Aber das Thema Financial Technology und Wichtigkeit von Technologien an der Bank, das ist mit Sicherheit bei allen angekommen. Aber steckt natürlich, wie so oft in großen Konzernen, dann noch in Lehmschichten feste. Und du kriegst es natürlich weder von oben einfach durchgedrückt, noch von unten einfach nach oben durchgedrückt. Und das ist, glaube ich, bei vielen, vielen Banken heute immer noch das Problem, dass es halt nicht durchlässig ist.

Miriam Wohlfahrt: Das ist halt grundsätzlich ein Digitalisierungsproblem. Du kannst als großes Unternehmen schwer hingehen und sagen, wir haben jetzt eine neue Kultur und die müssen jetzt alle anwenden. Du hast ein altes etabliertes Unternehmen und jetzt sollen alle anders denken. Ich finde das echt, das ist schon schwierig und das wirst du auch schlecht hinkriegen. Und die Banken sind manchmal schon, also manchmal hat man schon das Gefühl, wenn du so bei Twitter liest oder grundsätzlich, dass da ein großer Wunsch da ist, jetzt auch sich sehr stark zu verändern. Aber wenn man so viele Mitarbeiter hat, das ist ja gar nicht so einfach, das zu tun.

Joel Kaczmarek: Man muss ja auch als Bild mal zeichnen, was ich so mitgekriegt habe. Wir sprechen ja von der Industrie, die irgendwie so in den 60er, 70er Jahren entstanden ist, die irgendwie auf riesigen Serverräumen noch fußt, wo noch so Kobol und solche Späßchen irgendwie in Betrieb sind. Also ich durfte gerade mal lernen, dass Polen wohl irgendwie so ein hochinnovativer Fintech-Markt ist, weil die einfach nach den 90er Jahren, also Anfang der 90er erst die ganze Bankenentwicklung genommen haben. Das heißt, die haben diese Legacy zum Beispiel nicht.

Miriam Wohlfahrt: Ja, nicht die Altsysteme.

Joel Kaczmarek: Wie ist das so insgesamt? Also wo steht Deutschland, wenn man sich jetzt mal den Fintech-Markt anguckt, weltweit? Weil wir haben ja sonst im Internet immer so diese GAFA-Thematik. Google, Apple, Facebook, Amazon kommen und machen uns die Märkte platt. Also Amazon hat, glaube ich, gefühlt 50 Prozent des E-Commerce in Deutschland. Ist das beim Banking, Payment, Fintech-Bereich auch so?

Andre Bajorat: Es ist momentan noch sehr lokal. Also das Thema Banking ist super lokal. Payment weniger. Payment ist schon ein bisschen europäischer, ein bisschen weltweiter, wenn man das so betrachtet. Aber Banking ist noch sehr lokal, wird sich aus meiner Perspektive aber stark verändern, weil du in Europa einen harmonischen Zahlungsverkehrsraum hast. Durch die SEPA, Single European Payment Area, wird sich das sehr stark verändern. Aber Banking endet heute global. Großteils noch an der nationalen Grenze. Das wird sich aber in den nächsten fünf Jahren komplett verändern. Du siehst in Europa die modernsten Banksysteme, die modernsten Bankinglösungen eigentlich in Spanien, witzigerweise. Die spanischen Banken haben das sehr stark vorangetrieben, die Digitalisierung. Und du siehst in Santander, du siehst in BBVA, du siehst in La Caixa, was die Sparkassen in Spanien sind, sind absolute Innovationstreiber für das Thema Banking. Wo sind wir in Deutschland, war ja so ein bisschen deine Frage. Dadurch, dass wir halt der größte Markt sind in Europa, sind natürlich auch hier viele, viele Lösungen unterwegs. Sind wir Innovationsführer? Glaube ich nicht. Sind wir ganz, ganz weit hinten dran? Sehe ich auch nicht so. Wir haben halt einen sehr speziellen Bankenmarkt. Weil du hast halt in Deutschland die Sparkassen mit 400 Einzelinstituten und die Volks- und Treibhausenbanken mit 1.100 Einzelinstituten. Und die in Summe haben halt 70 bis 75 Prozent des Bankenmarktes. Und wir reden halt immer über eine Deutsche, wir reden über eine Commerzbank, wir reden halt möglicherweise über eine DKB. Aber die haben in Marktanteilsvolumen, sind die halt relativ klein.

Joel Kaczmarek: Ist das nur Kundenanteil oder Umsatzanteil? Weil so ein Apple hat ja zum Beispiel auch nur 5% der Laptop-Besitzer, aber derjenigen, die halt richtig Cash ausgeben.

Andre Bajorat: Ja, in Deutschland ist es in der Tat Kundenanzahl, Retail-Kundenanzahl. Also wenn wir wirklich auf dich, auf Miriam, auf mich gucken, wo haben wir unsere Girokonten, dann ist es aber halt ein starker Indikator dafür, wie stark halt sozusagen auch die Bankengruppe ist. Natürlich hast du dann andere Geschäftsbereiche bei Banken, die dann möglicherweise eine deutsche Bank führend in Deutschland ist. Aber für das, wo wir beim Fintech sehr stark darauf gucken, ist ja meistens halt auch Retail, Small, Medium, Business. Und da haben wir halt in Deutschland die Situation, dass Sparkassen und Volksbanken super marktführend sind. Und das macht es dann auch manchmal ein bisschen schwieriger, auch an das Thema heranzugehen.

Miriam Wohlfahrt: Und in Payments siehst du eigentlich Ähnliches. Wenn du jetzt mal den deutschen Mark rausnimmst, mal gucken, wie bezahlen denn eigentlich die Deutschen gerne? Dann hast du natürlich, ich sage mal, viele Menschen, die gerne mit PayPal bezahlen und moderne Zahlungsarten nutzen. Aber rate mal, wie hoch die Verbreitung der Kreditkarten in Deutschland ist. Weißt du das? Was würdest du schätzen?

Joel Kaczmarek: 40 Prozent.

Miriam Wohlfahrt: Das ist gut. Also es ist irgendwie 37 oder so, 96, 37 Prozent im Vergleich zu USA.

Joel Kaczmarek: 90 wahrscheinlich.

Miriam Wohlfahrt: Wahrscheinlich sogar 100 fast. Die haben dann sogar mehrere Karten, auch Frankreich. Also haben wir durchaus hier ein Land, was sehr geprägt ist von diesem sehr, ich sage mal, traditionellen Zahlungsverkehr. Die Leute, die zahlen ja mit Bargeld immer noch im stationären Handel und im Internet zahlen sie wirklich gerne mit Rechnung. Denke ich mal, warum machen sie das? Ich glaube, das hat was damit zu tun, dass sie einmal die Kontrolle darüber haben möchten, die Zahlung dann auszulösen, wenn sie das möchten. Das ist die eine Seite, die Kontrolle. Und das andere ist aber auch bei vielen, glaube ich, durchaus ein Thema, Daten herzugeben und auch so ein bisschen so, oh je, dann guckt PayPal, dann sehen die, was ich da kaufe und die Kreditkarten, ich will das nicht. Plus ist es auch, die Deutschen sind dann ja auch sehr effizient, ein Liquiditätsthema, dass man sagt, also ich zahle doch nicht für was im Voraus, was ich noch nicht habe, sondern ich möchte lieber erst die Ware erhalten und erst dann bezahlen, genug Zeit zu haben, weil mit Rechnungskauf hat man durchaus ja ein bisschen mehr Liquidität. Also hat man so drei Faktoren. Und das ist natürlich auch so ein kulturell gelebtes Thema, wie die Leute gerne bezahlt haben. Ich finde es schon interessant zu sehen. Deshalb ist Deutschland durchaus im Moment in so einer Insel in Europa, wo wir anders bezahlen. Deshalb sind auch die Zahlungsarten

Joel Kaczmarek: Sind wir eigentlich noch so zersplittert in Europa? Ich bilde mir ein, es war sogar zur Gründung von dir, dass ich für Gründerszene mal recherchiert habe, wie wir eigentlich so bezahlen in Europa. Und da hast du relativ schnell mitgekriegt, in einigen Ländern heißt es Debitcard, dann Creditcard, dann EC-Karte. In manchen Ländern wissen die gar nicht, was EC-Karte ist. Kennen gar nicht EC-Karte.

Miriam Wohlfahrt: Du hast natürlich in Europa, okay, die Holländer, die zahlen super gerne mit Ideal, das ist ein Online-Banking, eigentlich ähnlich wie PayDirect, aber in Holland hat es funktioniert. Es hat sich super durchgesetzt und ist eigentlich die beliebteste Zahlart im Internet der Holländer. Plus, die ist für beide Seiten eigentlich, ich sage jetzt mal, der Kunde kennt sie, der Händler findet sie super, weil er hat eine Zahlungsgarantie und sie ist sehr günstig für ihn. Gibt es aber in Deutschland nicht. Per direkt brauchen wir jetzt gar nicht so weiter drüber sprechen, aber es wird nicht richtig angenommen. Also es ist einfach so, die Kunden wollen es nicht, die Händler wollen es nicht, es ist dann schwierig. Deshalb hast du schon so ein bisschen einen Unterschied, aber der Kartenmarkt, durchaus UK, da ist es ein klassischer Kreditkartenmarkt. Im französischen Markt, da heißen die zwar Carpleux, das sind aber nicht wirklich Kreditkarten, sondern Carpleux. Das sind sogenannte Debitkarten. Das ist schon in Europa sehr, sehr unterschiedlich. Dann hast du Osteuropa, die wieder ganz anders bezahlen. Also gerade so in Polen ist die Nachnahme noch sehr stark. Das ist also auch, und dann gibt es die Fräschel, die wie, ich glaube, 24, ich hoffe, ich habe es jetzt richtig ausgesprochen, auch dort eine sehr starke Zahl hat. Also auch kein Kreditkartenland, aber auch nicht unbedingt für Rechnungskauf geeignet. Ist ein bisschen schwierig.

Andre Bajorat: Local Heroes hast du.

Miriam Wohlfahrt: Genau, also du hast, es ist schon anders. Europa ist da schon anders, ja.

Joel Kaczmarek: Also hat man nicht so die Situation, dass wir irgendwie in zeitnaher Zukunft auf so eine Oligarchie hinsteuern, wie man es meinetwegen mit Visa, American Express immer hat, dass die so gefühlt den Markt unter sich aufteilen mit noch ein, zwei anderen, sondern es ist eher eigentlich setzend geklustert, nehme ich damit.

Andre Bajorat: Ich glaube halt, das, was ich vorhin schon mal gesagt habe, dass durch die SEPA und durch die Harmonisierung des Zahlungsverkehrsraumes in ganz Europa werden wir das schon erleben, dass du halt dann doch Zahlvarianten hast, Zahlbezahlmöglichkeiten hast, die harmonischer sind. Und trotzdem hast du natürlich dann auch unsere Behaviors als Nutzer. Und die drehst du ja nicht mal eben so. Und das merkst du halt auch teilweise an der ganzen Fintech-Diskussion, dass viele, viele von den Modellen super spannend sind und super interessant sind und eigentlich auch ein totaler Use Case sind. Aber wir selber als Nutzer sind manchmal einfach viel zu lame. Dass du wirklich das Girokonto wechselst, da denkst du so, warte mal, ja, könnte ich machen, warum eigentlich? Das ist der Einsam-Punkt. Und das Gleiche gilt halt auch für das Thema Payment. Wenn du dich daran gewöhnt hast und du hast gerade Amazon mit 50% E-Commerce-Anteil bezeichnet, weißt du, wie du bei Amazon bezahlst? Was da hinterlegt ist?

Joel Kaczmarek: Konto, ne?

Andre Bajorat: Ja, ich weiß es noch nicht mal. Ich weiß nicht, ob es die Kreditkarte ist, ob es die Lastschrift ist, weil ich einfach das wahrscheinlich irgendwann mal hinterlegt habe und dann denke ich gar nicht darüber nach, was da eigentlich hinterlegt ist, weil ich einfach nur swipe oder irgendwie Fingerprint oder irgendwas eingebe und dann mal wieder bezahlt habe. Und das ist, glaube ich, etwas, wo einfach unsere Behavior total entscheidend sind.

Joel Kaczmarek: Mobile Wallet ist ja auch irgendwie so ein Thema, was ganz viele Knackenwolle nicht gemacht haben. Die ganzen POS-Geschichten und, und, und. Also NFC, was sich da alles irgendwie lange einen abgekrebelt hat. Aber wie ist denn das? Viele sagen ja, oder so Kristallkugel, in 10 bis 15 Jahren gibt es gar keine Banken mehr. Beziehungsweise, wieso brauchen wir eigentlich Banken? Ich erinnere mich, ich habe mit dem Jörg Platzer, hieß der, glaube ich, über Bitcoin mal geredet. Ganz am Anfang von Digitaco, relativ früh. Der hat gesagt, why the fuck do I need PayPal? Ja, ich mache das über Bitcoin. Ich zahle sogar meine Miete über Bitcoin. Das nimmt ja zu, diese ganzen Kryptowährungen und die Fintechs auch. Also glaubst du, dass in 10, 15 Jahren die Landschaft noch so aussieht, wie sie heute aussieht?

Andre Bajorat: Das sind zwei verschiedene Fragen. Also glaube ich, dass die Landschaft aussieht wie heute? Nein, glaube ich nicht.

Joel Kaczmarek: Das ist eigentlich eine Selbstbeantwortung.

Andre Bajorat: Also glaube ich, dass Bitcoin und Kryptowährungen das Normale im Bezahlen und das Normale für das Thema Zahlungsverkehr sind, glaube ich auf keinen Fall. Also weil ich einfach auf das Thema Trust glaube, dass du halt etwas benötigst, was dir Vertrauen auch in eine Währung gibt. Und das verlierst du halt bei so einer dezentralen Währung, wo halt keine Instanz mehr dahintersteht. Und ich glaube, das wird, glaube ich, echt schwierig. Glaube ich aber, dass die Bankenlandschaft genauso aussieht wie heute? Nein, glaube ich auf keinen Fall. Glaube ich auch nicht. Weil du einfach heute noch sehr stark filial getriebene Bankengruppen hast, die sich auf jeden Fall verändern werden. Und das wirst du sehen. Also wir werden halt in den nächsten Jahren deutlich weniger Sparkassen, deutlich weniger Volksbanken haben. Und ich glaube, dass halt diejenigen, die heute schon zentral organisiert sind, deutlich stärker aus dieser ganzen Bankenveränderung, aus der Digitalisierung des Bankings herausgehen werden. Und ich glaube, das, was ich vorhin schon mal angedeutet habe, dass das Thema nicht mehr an der nationalen Grenze endet. Also warum in aller Welt so eine BBVA? Warum so einfach eine innovative Bank wie eine erste Bank aus Österreich? nicht diesen Service, den digitalen Service, den sie dem Kunden anbieten, auch in ganz Europa anbieten, weil eine E-Bahn ist halt europaweit. Ob da eine DE vorsteht, eine AT vorsteht, irgendwie in Spanien, ESP oder ES, ES da vorsteht, ist völlig wurscht. Das ist ja letztendlich etwas, was einfach momentan wieder mit unseren Behaviors zu tun hat, dass wir es nicht gewohnt sind, ein Bankkonto in Spanien zu haben, was wir hier genauso benutzen können, weil wir vielleicht irgendwie noch aus der Historie heraus wissen, dass die Oma immer noch am Schließfach war und die Kontoauszüge geholt hat.

Joel Kaczmarek: Dann lass uns doch mal abschließen, so ein bisschen als Blick auf unsere Reihe, die wir hier eigentlich machen wollen. Vielleicht nochmal einmal zusammenfassen, was macht Fintech so besonders? Also wir hatten ja jetzt einmal schon das Regulierungsthema, dann haben wir so ein bisschen den Blick auf die Bankenkooperation geworfen. Was würdet ihr sonst sagen, sind so die drei, vier Aspekte, die man irgendwie bei Fintech als Besonderheit hat?

Andre Bajorat: Also ich glaube, dass Fintech eine Besonderheit hat, dass es halt ein Infrastrukturthema in vielen, vielen Teilen ist und demnach, was Miriam gerade schon mal gesagt hat, Payment ist irgendwie nicht sexy oder sowas, hast du halt an vielen, vielen Stellen im Fintech-Umfeld. Dass es halt nichts ist, was dich irgendwie anspringt und was in irgendeiner Art und Weise richtig Endkunden sichtbare Relevanz hat, sondern du wirst halt viele, viele Modelle sehen, die halt irgendwo stattfinden und einen großen, großen Nutzen bieten, aber halt indirekt. Und das ist, glaube ich, etwas, was auch dazu führen wird, dass dieser FinTech Hype, den wir in den letzten drei, vier Jahren hatten, natürlich auch ein bisschen abschwächen wird, weil das nicht mehr so greifbar ist. Also wenn du dir die Konferenzen anguckst im letzten Jahr, Dann war es halt so, dass die Leute nur aus der Langeweile, die haben das schon mal gesehen oder irgendwie springt mich nichts mehr an, weil natürlich die ganzen B2C-Cases, die du auch schon gerade angedeutet hast, die ganzen Mobile Wallets und sowas nicht durch die Decke gegangen sind und die kommen nicht mehr. Aber die Lösungen, die halt momentan entstehen und das hört auch nicht auf, gehen halt eher so ein bisschen deeper, also tiefer in die Infrastruktur rein, tiefer in die Technik rein. Das wirst du weiterhin haben und das wird, glaube ich, Fintech weiterhin auszeichnen, dass es halt ein bisschen unsichtbarer ist und dass es halt total notwendig ist für das ganze Thema Commerce. Also du kommst halt ohne diese Technologien nicht aus, du kannst kein Business machen ohne diese Technologien.

Miriam Wohlfahrt: Genau, du kannst ohne diese Technologien nicht bezahlen. Ich glaube auch, aber Fintech ist eben auch Prozesse, deshalb ist es auch so ein komplexes Thema. Prozesse, Prozesse, Prozesse, wenig sexy, also

Joel Kaczmarek: Ist ja erstmal Startup-averse.

Miriam Wohlfahrt: Ja, genau. Aber es muss funktionieren. Es wird erwartet. Die Erwartungshaltung ist da, dass es 100% funktioniert. Weil wenn da irgendwas nicht funktioniert, also wenn Zahlungen schieflaufen, das ist anders, als wenn du beim Shop was bestellst und es ist vielleicht nicht so schön und es passt nicht richtig oder es ist schlecht verpackt oder so. Aber wenn es mit der Zahlung, wenn was nicht stimmt, dann hast du wirklich Ein Albtraum, der dann kommt. Wahrscheinlich ein riesen Shitstorm, der dann über dich hineinbricht. Also musst du einfach sicherstellen als Anbieter, dass du es auch hinkriegst, dass alles funktioniert. Weil das sind ja auch Realtime-Prozesse. Und ja, also sehr prozessgetrieben.

Andre Bajorat: Vielleicht toleranz ist nicht da.

Joel Kaczmarek: Das wollte ich gerade sagen. Irgendwer hat das mal zu mir gesagt. Das ist halt anders, als wenn du irgendwie bei kleinen Unternehmen, B2C ist man oft forgiving. Und wenn es aber gerade in die Professionalisierung geht, dann Was sind denn eure Motivationen, dass ihr eigentlich hier mit mir sitzt? Ich sage euch, ich darf heute mal im Club der Großen mitspielen. Ihr seid da eigentlich die Veteranen. Was wollt ihr mit diesem Podcast sozusagen für euch so ein bisschen herausarbeiten? Was findet ihr für Themen spannend?

Miriam Wohlfahrt: Also grundsätzlich das ganze Thema. Also das ist ja auch etwas, wenn man so lange da arbeitet, wird es ja schon fast zur Obsession und zum Hobby, dass man sich mit allen auseinandersetzt mit den Themen. Also bei mir ist ja auch, also ich kann nur von mir sprechen, es ist jetzt nicht nur Ratenkauf und Rechnungskauf, sondern es ist eigentlich das Ganze. Das Banking-Thema jetzt weniger, aber ich finde das Thema Payment unglaublich interessant. Also im Urlaub könnte ich da stundenlang drüber lesen, wo meine Familie dann echt sauer wird. Das muss man echt aufpassen, dass man so ein komisches Hobby hat. Wir haben ja auch dann zum Beispiel die Payment Exchange aufgebaut. Das ist eine Konferenz, die wir gestartet haben, auch jetzt mit Payment Banking, jetzt auch die Banking Exchange aufgebaut. wo wir eben sagen, wir wollen Leute zusammenbringen, die eben auch genau für diese Themen brennen und sich da auf höherem Level für interessieren und nicht nur so ein, ich sag mal, so ein Marketing-Blabla da irgendwo sich erzählen, sondern wirklich mal mit tiefem Wissen auf Augenhöhe diskutieren. Das ist eben auch was, was wir machen. Und es sind auch Konferenzen, mit denen wir jetzt kein Geld verdienen, sondern das machen wir als Hobbyprojekte, wo manche Leute auch sagen würden, warum macht man so etwas? Wahrscheinlich, weil es ein Hobby ist.

Andre Bajorat: Welches Ziel? Ich glaube, ich Das ist relativ einfach. Ich möchte gerne Kontext geben. Und du bist, glaube ich, ein wunderbarer Moderator dafür, weil du halt nicht, wie du es gerade beschrieben hast, in dieser Technologie drinsteckt, in dieser Historie drinsteckt. Du kannst einfach Fragen stellen, die wir uns teilweise gar nicht mehr stellen. Und wenn ich halt oft über das Thema Financial Technology spreche, dann habe ich das Gefühl, dass die Leute den Hype gerade interessant finden, aber gar nicht wirklich richtig verstehen, was die Historie dazu ist und was da eigentlich für einen Impact drinsteckt. Und Das ist etwas, was mich daran motiviert, dass man möglicherweise auch ein paar Mythen mit ein paar Mythen aufräumen kann und ein bisschen mehr Kontext Hörern geben kann, die das Thema Fintech schon mal gehört haben, aber möglicherweise noch nie so tief da reingeguckt haben. Sehr gut.

Joel Kaczmarek: Ich glaube, wir haben ja schon mal einen guten Einblick gegeben, was das eigentlich so grob ist. Man merkt, da kommen wir eigentlich ins Schwelgen mit euch, gerade wenn man in so ein Historium taucht. Ich staune, was wir eigentlich für Schnittpunkte haben, dass wir uns nicht schon viel früher mal ranweggelaufen sind. Absurd. Nee, das ist super spannend. Und ich merke schon, ich muss da wirklich manchmal übersetzen. Also hier KYC kannte ich auch noch nicht, da dachte ich an KFC. Aber habt ihr nochmal abschließend, vielleicht so als letztes, gute Tipps auch für jemanden, der jetzt in dieses Thema rein starten will. Was für Konferenzen sollte ich besuchen außer Payment Exchange und Banking Exchange? Was für Newsletter gibt es? Was für Magazine außer Payment und Banking bieten sich an? Was kann man da Gutes konsumieren?

Andre Bajorat: Also ich glaube, es gibt ein paar ganz gute Newsletter, die entstanden sind. Jetzt mittlerweile von dem Heinz-Roger Doms, den Fintech-Newsletter, glaube ich, heißt der oder Banking-Newsletter, den er gerade rausgebracht hat.

Miriam Wohlfahrt: Finanzszene.

Andre Bajorat: Finanzszene.de, oder? Ja. Und dann gibt es den Finletter von dem Klaas Beser aus Hamburg, der das ganze Thema macht. Welche News gibt es international? Gibt es eine ganze Menge an Seiten? Banking Technologies gibt es und ein paar andere, wo man halt ganz gut da reingucken kann. Welche Tipps gibt es sonst zu Konferenzen? Ich glaube, die ExecIO ist immer noch eine von den Konferenzen, jedenfalls in Deutschland, wo viele, viele Leute zusammenkommen und wo sowohl VCs als auch Gründer als auch Corporates da sind und man sich wunderbar austauschen kann. International geht wahrscheinlich nichts über die Money 2020.

Miriam Wohlfahrt: In Deutschland ist es echt schwierig, ehrlich gesagt, gute Konferenzen zum Thema Payment.

Joel Kaczmarek: Machen Banken eigentlich mal Payment-Konferenzen?

Andre Bajorat: Nee, Banken treten eigentlich in der Regel beim Handelsblatt oder bei irgendwelchen anderen Konferenzen auf, dass Banken selber Konferenzen machen. Es gibt jetzt ein Stück weit einen ersten Versuch, in Anführungszeichen, hier von der Burling Group in Berlin mal was zu machen, rund um das Thema neue Regulationen, PSD2, wo sie so ein paar Leute einladen. Ansonsten machen Banken Konferenzen.

Miriam Wohlfahrt: Euro Finance Week und sowas. Aber das ist alles so.

Andre Bajorat: Also was du bei Banken mittlerweile siehst, du hast vorhin gefragt, verändern sich Banken gerade. Was viele, viele Banken gerade halt ins Leben gerufen haben, sind Bankesons, Hackesons. Die Sparkass hatten gerade ihren Symbiotikon letzte Woche. Jetzt kommt die Commerzbank wieder mit ihrem nächsten Hackeson um die Ecke. Die BNP Paribas hat einen gemacht. Die Deutsche Bank hat einen gemacht. Die Postbank hat eine ganze Serie gemacht. Das kannst du ja als Mini-Konferenz so verstehen. Heute gibt es einen hier in Berlin von VeryMe, von dem neuen Identifikationsdienst von Core, Deutsche Bank, Allianz, Springer und sowas. Da merkst du schon, dass da so Events stattfinden. Sind das richtige Konferenzen? Nee.

Joel Kaczmarek: Sehr gut. Dann jetzt abschließend noch ein paar Aufträge für die Hörer. Also, wenn Sie einen spannenden Job suchen im Fintech-Bereich, müssen Sie entweder zu RedPay gehen oder zu Figo, je nachdem, ob Hamburg oder Berlin, oder ob Sie lieber Rechnung machen oder Dienstleister. Sie müssen deinen Blog lesen, Payment & Banking und den Podcast hören. Was müssen wir bei dir noch machen? Eure Konferenz besuchen?

Miriam Wohlfahrt: Ja, und auch ganz, ganz wichtig hier der Payment & Banking Blog, der ist nominiert und da müsst ihr alle für stimmen.

Joel Kaczmarek: Ah, wo denn?

Andre Bajorat: Die kommen direkt, hat einen Finanzblock. Sehr gut. Amira, wahrscheinlich kannst du noch sagen, mit euch bezahlen, aber man sieht euch so nicht.

Miriam Wohlfahrt: Genau, mit uns bezahlen. Die meisten Leute, die werden uns nie kennenlernen, das ist auch gut so. Mit uns bezahlt man im Hintergrund. Das heißt, der Kunde bezahlt bei uns per Rechnung oder per Lastschrift oder per Rate. Zum Beispiel bei German Wings, bei About You, demnächst auch bei einem größeren Mobility-Unternehmen, ja. Sehr gut.

Joel Kaczmarek: Also ihr kennt jetzt die Stimmen der netten Menschen im Hintergrund, die eigentlich euch euer Kaufen ermöglichen, aber ihr wisst gar nicht, dass ihr mit ihnen kauft.

Miriam Wohlfahrt: Genau.

Joel Kaczmarek: In diesem Sinne, ich danke euch ganz herzlich und freue mich dann schon auf unsere Reihe.

Andre Bajorat: Vielen Dank.

Miriam Wohlfahrt: Danke dir.