Börsentief 📉: Werden nun E-Commerce-Anbieter aufgekauft?

19. Juli 2022, mit Joel KaczmarekAlexander GrafJochen Krisch

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Intro: Digital kompakt. Heute aus dem Bereich E-Commerce mit deinen Moderatoren Joel Kaczmarek, Alexander Graf und Jochen Krisch. Los geht's.

Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von Digitalkompakt und habe wieder die beiden E-Commerce-Kranken an meiner Seite, den lieben Jochen Krisch von K5 bzw. Exciting Commerce und den guten Alex Graf von Kassenzone bzw. Spryker. Und heute geht es darum, dass wir mal über Übernahmekandidaten sprechen, weil alles liegt ja gerade da nieder. Die Tech-Branche ist in der Krise, die Werte purzeln und Jochen hat ja auf der K5-Konferenz auch gerade so schön gesagt, jetzt ist eigentlich die Zeit der Übernahmen und Konsolidierung. Also wenn wir heute mal darüber sprechen, was für Akteure sind eigentlich gerade am Markt, wo man über so etwas nachdenken könnte, welche Übernahmekriege könnten anstehen und vielleicht machen wir auch mal so einen kleinen allgemeinen Schwenk, wann macht es eigentlich Sinn, darüber nachzudenken, jemand anderen zu übernehmen, weil ganz so einfach ist es ja dann doch immer auch nicht. So, that being said, ihr beiden, moin moin, schön, dass ihr da seid erstmal.

Jochen Krisch: Hallo Joel, hallo Alex.

Alexander Graf: Moin, hallo.

Joel Kaczmarek: Habt ihr eigentlich schon mal jemanden übernommen in eurem Leben? Habt ihr schon mal eine eigene Firma, sozusagen eine geschluckt oder wurde schon mal geschluckt oder irgendwas in der Art?

Jochen Krisch: K5 hat sich mit Joblupe so ein bisschen verbündet jetzt. Also das ist jetzt so eine ganz andere Liga, freundlicher zusammengehen, keine so Übernahme im klassischen Sinn.

Alexander Graf: eTraps hat gerade ein Unternehmen gekauft, Orbit. Klassisches Agentur-M&A-Business. Passiert schon hin und wieder mal. Wir gucken uns natürlich aus einer Sprite-Kapazität auch ganz viele Targets an. Die werden uns ja auch an uns herangetragen. Das war in den letzten Jahren immer so, dass das super overpriced war. Entweder war das Produkt einfach nicht gut oder die Gründer wollten irgendwie raus, trotzdem wollte der Verkäufer irgendwie einen Preis haben auf Basis einer Zukunftsumsatz, der noch nicht realisiert ist, mal 20 bis 30. Ich würde erwarten, dass sich das jetzt normalisiert, man tatsächlich ein bisschen schlauere Sachen dazukaufen kann. Das ist für so moderne Techplayer wie uns ein bisschen schwieriger, weil man eben nicht mehr PIM-Komponente kauft oder Order Management. Das ist halt diese alte Welt, best of sweet, aber Kompetenzen dazukaufen macht schon Sinn, wenn die preislich in einem guten Rahmen sind.

Joel Kaczmarek: Lass uns doch mal so eine kleine Anleitung am Anfang vielleicht formulieren. Was würdet ihr empfehlen, in welcher Situation sollte man sein und wie sollte das Übernahmeobjekt aussehen, dass eine Übernahme sinnvoll sein könnte? Weil es ist ja immer gar nicht so, dass du das Geld über den Tisch schiebst und zack sind die beiden Teams zusammengeführt und der Umsatz hat sich verdoppelt, sondern es ist ja in der Regel auch mit sehr viel Reibung verbunden, so etwas zu tun. Was sind denn so eure Merkmale, die ihr anlegt, wo ihr sagt, es könnte strategisch sinnvoll sein, in dieser Rolle jemanden zu übernehmen oder sich übernehmen zu lassen?

Jochen Krisch: Ich würde sagen, genau das ist der Punkt. Das muss strategisch sinnvoll sein. Also man sollte sich nicht verführen lassen. Also es gibt so ein paar opportunistische Momente, das hatte ich ja auch auf der K5 angedeutet. Wenn was super günstig ist und aber jetzt gar nicht so wirklich in die Strategie reinpasst, aber trotzdem eigentlich zu gut ist, um wahr zu sein, dann ja. Aber ich würde eher sagen Wenn man strategisch in einer souveränen Position ist und weiß, was man will, im Prinzip auch so ein bisschen, wie es Alex gerade geschrieben hat. Spryker weiß eben, was es kann, was es will und dann kann man ein sehr gutes Raster haben, was eigentlich überhaupt in Frage kommt. Wovon ich weniger halte, ist, sich verführen zu lassen und teilweise eben auch Unternehmen zu nehmen, die halt dann nicht wirklich den Qualitätskriterien entsprechen. Das geht dann meistens in irgendeiner Form schief.

Alexander Graf: Ich glaube, man muss einmal trennen zwischen, kauft man sich ein Unternehmen ein, die in irgendeiner Form jetzt Cash brauchen, die aber EBIT generieren, das ist so ein bisschen die klassische Private Equity. Ich denke, das kann man auch in so einem Unternehmen machen. Oder kauft man Wachstum-slash-Marktzugang. Und das scheint ja jetzt extrem opportun zu sein, weil angenommen, du bist jetzt ein Unternehmen, was ganz stark wachsen will und vielleicht können wir da schon ins erste Beispiel gleich gehen. Du bist jetzt ein Möbelhändler und weißt aus den letzten Jahren, dass wenn du jetzt 100, 200, 300 Millionen Euro Online-Umsatz aufbauen willst, muss man da auch so 100, 200 Millionen wahrscheinlich investieren. In Technologie, Team, Infrastruktur, Warehousing siehst du, dass die Werbepreise noch nicht runtergekommen sind, also es ist immer noch genauso teuer wie vorher bei Facebook und Google einen Klick zu kaufen auf das Keyword Exofa. und jetzt kommt ein Unternehmen um die Ecke, was vielleicht 500 Millionen Euro Umsatz hat, 2 Millionen Kunden, das kannst du für 100 Millionen kaufen, dann kannst du das natürlich zusammenschieben, ne? Gehst du deinem alten Investment-Theme nach und versuchst es selber aufzubauen oder kannst du jetzt günstiger schon mal ein, zwei Jahre überspringen? So diese beiden Sachen muss man erstmal unterscheiden. Da geht es jetzt nicht um Avid, sondern da geht es um Marktzugang. Und insbesondere, und das wäre so meine These, der Zugriff auf bestehende große Kundendatensätze und auch vielleicht auch Zufriedene scheint momentan so günstig zu sein, dass man eher Unternehmen kaufen sollte, als jetzt nochmal hunderte Millionen in Facebook und Google zu stecken.

Joel Kaczmarek: Ich würde ja sagen, da ist ja sogar eigentlich noch mehr drin. Also eigentlich auch das Talent, was man kauft. Also ehe du dir die ganzen Leute rekrutieren musst, da könnt ihr ja auch ein Liedchen von singen, wie aufwendig das ist. Das Know-how, was schon aufgebaut wurde, die Kundendaten, also vielleicht auch im besten Fall so Lieferantenbeziehungen und, und, und. Also eigentlich gibt es sozusagen viele Faktoren, die man sich da angucken kann. Und wahrscheinlich ist es bei Händlern nicht ganz so arg, Sachen zusammenzuschrauben, wie zum Beispiel bei SaaS oder Software-Buden, weil da hast du ja unterschiedlichen Source-Code und so weiter. Also kaufen ist ja vielleicht nochmal ein Ticken ähnlicher als Geschäftsmodelle, die anders gelagert sind. Aber ich habe jetzt eben aus deiner Anleitung rausgehört, das klang so ein bisschen wie Home24. Sollten sich da vielleicht mal der ein oder andere Player angucken, was weiß ich, XXL Lutz oder Ikea? oder an wen hast du als Käufer so gedacht?

Alexander Graf: Jochen hat ja wahrscheinlich die Zahlen noch besser im Überblick, hat ja vor kurzem auch drüber gebloggt, was da an Umsatz, Anzahl, Kunden und Bewertungen zurzeit aufgerufen wird. Aber das sind irgendwie Werte, die erinnern mich an das E-Commerce 2008 und nicht an das E-Commerce 2021. Aber ich meine was gelesen zu haben von unter 100 Millionen Enterprise Value von Home24.

Jochen Krisch: Nicht Enterprise, sondern Börsenkapitalisierung, Marktkapitalisierung. Ja, und das ist halt unabhängig fast von Unternehmen. Alle Bewertungen, Joel, du hast es gesagt, liegen da nieder und wirklich sind extrem niedrig, fast egal, wie man es anschaut. Also vielleicht nicht, wenn man es Richtung EBITDA anguckt, aber wenn man Umsatzpotenzial, Wachstumspotenzial etc., die Punkte, die du gerade angesprochen hast, anguckt. Aum 24 war ja schon mal unter 100 Millionen, hat sich dann jetzt durch den Corona-Schwung eigentlich wieder gefangen, war jetzt nie übermäßig bewertet. Eben 700 Millionen plus Umsatz inklusive südamerikanischen Teile, also so wie du es eigentlich auch gesagt hast, so vielleicht 500 jetzt im Dach-Europa-Raum. Das ist dann schon ein Unternehmen, was man sich angucken kann. Also ich würde auch noch anmerken, es gibt gute und schlechte Unternehmen, die schlecht bewertet sind. Und es gibt gute und schlechte Unternehmen, die schlecht dastehen, weil sie eben nicht Kapital eingesammelt haben, als es möglich war. Deswegen haben wir jetzt so, was vorher eine Übertreibung nach oben war, haben wir eine Übertreibung nach unten. Und manche sind halt wirklich im Zugzwang. Da würde ich jetzt Home24 noch nicht dazu zählen, weil die haben schon jetzt ganz schön noch Cash. Also über 100 Millionen, was für Home24-Verhältnisse viel ist. Also sie sind jetzt nicht so ein super Wackelkandidat, aber sind im Grunde schon ein attraktives Übernahmeobjekt. Ich meine, sie haben zuletzt selber eine Übernahme gemacht, sie haben Butlers übernommen. Andererseits muss man auch sehen, wenn man sagt XXXLutz, die haben Möbel.de übernommen von ProSiebenSat1, also was jetzt eher so ein günstiger Mitnahmezukauf war, würde ich jetzt mal sagen. Also man sieht auch, solche Player wären offen, die klassischen etablierten, und dann kann man sich tatsächlich schon diese Gedanken machen.

Alexander Graf: An dich als Börsenprofi dann mal die Frage, also 2 Millionen plus aktive Kunden hatten die 2021, also Leute, die dort was bestellt haben, so das Unternehmen ist an der Börse mit 100 Millionen bewertet, das heißt ja nur 50 Euro pro Kunde, wenn ich mir überlege, was muss ich mir für Neukunden ausgeben, in der Müllbranche ist das ein Spottpreis. Angenommen, ich bin jetzt ein aggressiver Aufkäufer oder ich bin ein progressiver Denker in der Möbelbranche, die findet man ja nicht so oft. Könnte denn ein XXXLutz das übernehmen? Also was wäre denn der Prozess? Könnte er sagen, ich zahle 30% mehr und biete das jetzt den Aktionären an?

Jochen Krisch: Grundsätzlich ja. Wir haben jetzt eine Referenz, man hat ja gesehen, wie es bei Zooplus gelaufen ist. Also A, es ist in Deutschland nicht ganz so einfach wie in den USA, deswegen passiert es auch weniger häufig. Und dann kann natürlich eine Bieterschlacht ausbrechen, wie es jetzt im Fall von Zooplus passiert ist, dass man sagt, nee, das möchte ich nicht unbedingt, dass das dahin geht. Ich würde in dem Fall schon fast sagen, also man muss mindestens mit dem Doppelten rechnen. Also ich würde jetzt nicht sagen, für 100 Millionen bekommt man das, selbst für 250 Millionen wäre das noch günstig. Und es ist schon ein Akt, also muss man schon wollen, weil ein Unternehmen wirklich von der Börse zu nehmen und der meiste Teil muss zustimmen, Und da muss man alle abfinden und auszahlen. Braucht mehr Ernsthaftigkeit, als wenn man jetzt aus privater Hand, sage ich jetzt mal, Unternehmen übernehmen würde.

Joel Kaczmarek: Wahrscheinlich macht es ja auch einen Unterschied, ob das Management der Firma das gerne möchte. Also West Wing rangiert bei knapp 150 Millionen Marktkapitalisierung. Also man könnte auch hingehen und könnte sich in West Wing und Nord24 zusammenlegen und hier die ganz große Kante fahren.

Jochen Krisch: Das sind halt genau momentan diese Optionen. Und das liegt an der Börsenschwäche, liegt dann gar nicht an der Schwäche des Unternehmens, sondern das ist halt die Gefahr, wenn man ein öffentlich notiertes Unternehmen ist, dass man genau zu solchen Spekulationen einlädt. Und deswegen ist das jetzt aus Marktbeobachtersicht eine spannende Phase. Aus Unternehmenssicht ist es wirklich zum Teil eine kritische, dass ja Unternehmen, die sich schon einen gewissen Prozentsatz an Unternehmensanteilen sichern, dann eigentlich schon Rabatz machen können und einfach sagen können, so und so soll es jetzt sein und wir wollen einfach im Aufsichtsrat mitmischen. Und diese ganzen Themen, also das kommt jetzt alles wirklich bei den börsennotierten rein und wir hatten ja wirklich viele, die da jetzt an die Börse gegangen sind.

Joel Kaczmarek: Und sag mal Alex, ihr habt euch ja auch viel damit beschäftigt, wie Kunden, die jetzt eher aus so einer Offline-Welt kommen, die online, den Online-Pfad gehen. Würdest du sagen, jemand, der jetzt lange eher einen Offline-Pfad beschritten hat, würde sich leicht damit tun, jemanden einfach zu kaufen und zu integrieren? Fällt das leichter, als es selber zu bauen oder ist es im Gegenteil eher sogar anstrengend?

Alexander Graf: Unser Fokus ist mittlerweile sehr stark B2B orientiert. Hatte ich immer die Meinung vertreten, dass es nicht so sehr sinnvoll war, in den letzten Jahren an Online-Unternehmen zu beteiligen oder an Pureplan zu beteiligen, weil das in der Regel so, dass die eigene Digitalisierung und Transformation gestoppt hat. Da hätte man ja gesagt, okay, wir beteiligen uns jetzt hier in einer kleinen Agentur oder einem kleinen Online-Business. Die machen das jetzt für uns, das heißt, wir können weiter in unserem alten Brei schwimmen. Jetzt sind aber natürlich Größenordnungen verfügbar im Markt, wo man sagen kann, okay, du kannst dir eigentlich für einen Okay-Betrag fast nochmal 30% Umsatz dazukaufen, 40% dein, in Anführungsstrichen, altes Unternehmen da so reinmigrieren. Das ist eine komplett neue Option, die gab es im letzten Jahr. noch nicht. Du konntest im letzten Jahr nicht günstig Online-Umsatz dazukaufen. Und wenn man sich sieht, wie schwer es jetzt, bleiben wir mal beim Thema Möbelhandel, angenommen, du bist jetzt in der klassischen Region in Deutschland, irgendwo in Mitteldeutschland, hast dort irgendwie eine Zentrale, wie schwer man sich dort tut, Teams aufzubauen, dann ist das Thema Recruitment da ein riesiges Argument. Das Thema Technologiekompetenz ist ein riesiges Argument. Kundenzugangsthema ist ein riesiges. Wenn das Asset passt und wenn man sagt, das ist eigentlich mindestens 20, 30 Prozent des eigenen Umsatzes schon, bringt das schon mit. Das heißt, wir können uns in die Richtung dieses Assets bewegen und nicht andersrum. Eine super progressive Strategie, weil die meisten dieser großen Händler, nicht nur Möbelhändler, haben ein sehr, sehr konservatives Investment gebaren. Die haben die letzten 50 Jahre Dividenden gezahlt, haben immer was verdient. Und jetzt irgendwie das eigene EBIT mal 10 zu riskieren für ein Business, was aus der Sicht dieser Händler ja kein Geld verdient, deswegen ist es ja so billig, da muss man schon immer mehrere Schatten springen. Also in der Theorie sehe ich da einen Fit, in der Praxis sehe ich ihn nicht.

Jochen Krisch: Lass mich vielleicht noch ein Beispiel geben, wo das geklappt hat. Also genau so ein Fall. Also ist ein bisschen unbekannter und kleiner, wieder aus dem Möbelbereich. Weka hat vor ein paar Jahren, ist jetzt auch schon einige Zeit her, Garten und Freizeit übernommen. Inzwischen ist das das stärkste Geschäftsfeld oder mindestens so stark wie ihr stationärer. Was eben da gut gelungen ist, dass sie es ziemlich separat führen und dass sie auch noch in Garten und Freizeit investiert haben. Das Ganze läuft inzwischen unter dem Namen Raumschmiede, veröffentlicht auch immer schön Geschäftszahlen. Deswegen bekommt man das auch so ein bisschen mit. Und da war, glaube ich, mitentscheidend, dass der Garten- und Freizeitgründer noch mit dabei ist, dass der weiter einen gewissen Anteil hält und dass man dem das in die Hand gegeben hat, das weiter online voranzutreiben. Und das ist für mich so ein Beispiel für eine wirklich gelungene Konstellation, weil ich mache mir ehrlich gesagt immer Sorgen, wenn ich höre, dass ein stationärer klassischer Händler Online übernimmt. Das geht eine Zeit lang gut und dann versandet es irgendwie und man investiert nicht mehr und das floppt dann meistens. Und ich habe jetzt inzwischen aber genügend Beispiele, wo das gut geklappt hat und wo das Online-Geschäft weiter boomt. Und jetzt gerade in Corona einfach zum Teil die auch gerettet hat, weil das der Arm war, der wirklich gut geklappt hat. Also das ist für mich so ein Beispiel jetzt aus dem Möbelbereich, wo man sieht, wie man es eigentlich gut machen kann. Die haben dann auch dazugekauft. Also Raumschmiede ist ein bisschen mehr jetzt als Garten und Freizeit. Also eine schöne Story eigentlich.

Joel Kaczmarek: Wir können ja uns auch mal in weitere Branchen rüber handeln. Also wir haben jetzt viel über Möbel gesprochen. Ein anderes Segment, was mir noch so einfallen würde, wo man viel Vergleichbarkeit drin hat, viel Preistransparenz, was irgendwie auch relativ crowded und umkämpft ist, wäre Elektronik. Habt ihr so Akteure, wo ihr sagt, da könnte jetzt gerade was gehen, Börse notiert, könnte man sich angucken?

Jochen Krisch: Also man sieht ja gerade, was AO für Schwierigkeiten hat, die das Deutschlandgeschäft einstampfen mussten aus Cash-Gründen. Also das ist gerade das Problem. Es ist nicht so sehr, dass der Umsatz jetzt komplett weg bleibt, sondern dass der Kapitalzugang beschränkt ist. Und auch ein AO, die haben jetzt gerade nochmal Kapital einsammeln können an der Börse für eine Mini-Bewertung, also Digitalisierung. 200 Millionen, ein bisschen mehr als 200 Millionen Pfund und machen Umsätze weit über einer Milliarde, also 1,6 Milliarden. Jetzt muss das Deutschlandgeschäft, muss man irgendwie rausrechnen, aber sagen wir mal schon noch so Richtung 1,5 Milliarden. Witzigerweise für den Elektronikbereich finde ich eigentlich das spannendere Szenario gerade, ob es nicht möglich wird, einen European Player aufzubauen. Weil wir haben gesehen, in Skandinavien gab es Übernahmen jetzt. also wo sich welche zusammengeschlossen haben, weil sie immer gesagt haben, wir haben vom Umsatzvolumen so keine Chance, aber wir tun uns jetzt erstmal nichts, also gehen wir zusammen, das ist unter der Komplettgruppe passiert, die Player kennt man bei uns nicht so sehr, aber wir haben einen Coolblue in Holland, wir haben Digidec Galaxus in der Schweiz, wir haben auch in Deutschland Notebooks billiger, Cyberport, die auch irgendwie noch da sind, aber auch nicht so wirklich boomen, die kommen jetzt zum Beispiel, in Deutschland sieht man es am besten, die kommen alle nach Deutschland rein. Also EO hat es in Deutschland versucht. Ich finde nicht, weil sie nicht erfolgreich waren, mussten sie sich jetzt zurückziehen, sondern wie gesagt aus den Cash-Können. Coolblue versucht das, Digitec, Galaxus sind natürlich da einem extremen Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Das finde ich da eigentlich noch das zusätzlich spannende Szenario, dass man da überlegen kann, wer übernimmt die Führung und wie baut man da eine Gruppe. Und ich glaube, das macht man nicht so sehr, wenn man selber hoch bewertet ist und noch alle Möglichkeiten hat und Kapital einsammeln kann. Also das ist sicherlich in dem Marktsegment momentan eine der spannendsten.

Alexander Graf: Ist das eine Chance für Mediamarkt Saturn aus deiner Sicht? Weil die könnten jetzt sowas wie AO.com und zwei, drei andere noch dazukaufen und so einen europäischen Pureplayer gründen, einen echten europäischen Pureplayer.

Jochen Krisch: Ja, könnten sie, aber wir haben uns ja beide die Präsentation auf der Shop Talk Europe angeguckt und sie sind ja noch in ihrem Omnichannel-Fokus gefangen. Das heißt, sie würden dann nur

Alexander Graf: Da sind sie aber laut eigener Präsentation hervorragend aufgestellt.

Jochen Krisch: Absolut. Und das wird auch die Zukunft sein. Und das ist so ein bisschen die Sorge. Also Track Record von Media Saturn ist ja Red Kuhn übernommen, andere übernommen und irgendwie alles entweder eingestampft oder wieder verkauft. Also unter anderem Management, unter anderem Vorzeichen. Aber gerade Media Saturn ist aus meiner Sicht eigentlich nicht in der Lage, einen reinen Online-Händler zu integrieren. Natürlich, sie könnten jetzt, also es ist günstig zu haben und im Prinzip die Möglichkeiten wären da. und bei mir ist es aber eher so die Befürchtung, weil das sind wirklich gute Unternehmen, die wir jetzt da eigentlich haben, mit sehr unterschiedlichen Strategien, die man sich schnappen könnte. Natürlich gibt es auch viele andere. Klar, Mediasaturn könnte zu einem Aufkäufer werden.

Alexander Graf: Bleiben wir mal bei dem AO.com Beispiel. Wenn man sich jetzt eine Gruppe wie Miele anschaut, die ja noch sehr, sehr geringe Direct-to-Consumer-Aktivitäten hat, die machen so 4,5, 5 Milliarden Euro, sind, glaube ich, in diesen weißen Waregeräten auch Qualitätsführer in vielen Bereichen. Alternativ wäre dann Bosch Siemens. Aber so als Miele-Familie sich da ein Szenario zu überlegen, bei dem man dann meinetwegen 500 Millionen Euro für AO.com zahlt, die jetzt ja schon der Qualitätsführer sind für die Online-Bestellung, Belieferung, Ich weiß nicht, wie viele Kunden die haben, aber das müsste ja auch so ein, zwei Millionen sein, die eu.com hat. Das ist ja auch mega viel, die ich dann alle irgendwie konvertieren kann auf meine Marken. Wäre das ein Move?

Jochen Krisch: So ein bisschen traurig, dass das Deutschlandgeschäft stand ja zeitlang zum Kauf, dass das nicht übernommen wurde. Also ich finde, das ist ein viel zu wenig diskutiertes Szenario, die Marken und Hersteller, dass die einfach sich den Endkundenzugang damit auch erschließen. Weil das ist die große Herausforderung. Und die Argumentation ist immer noch, ja, wir stützen den Fachhandel, den stationären und haben da unsere schönen Präsentationsflächen und alles. Aber das ist endlich. und dann, ich meine, du bist ja der, der es immer am plastischsten rüberbringt. Amazon ist die Alternative und was bei Amazon gerade passiert, ist jetzt aus Markensicht auch nicht unbedingt prickelnd. Aber das ist halt um zwei Ecken gedacht. Du steigst ins Online-Geschäft ein und du steigst in Direct-to-Consumer, der Handelsform, ein. Aus meiner Sicht, aus strategischer, sollte man das sehr ernsthaft diskutieren. Und es ist nicht einfach, weil es wirklich eine komplett andere Welt ist. Ich finde, das ist die größte Herausforderung mit, für die Markenhersteller den Kundenzugang zu bekommen, zu behalten, auszubauen. Und man sieht es jetzt, wenn ich wieder springe von der Branche, aber nur mal die Unterlagen, die jetzt Nike veröffentlicht hat, kürzlich, wo man einfach sieht, wie die quasi das Handelssegment ausbremsen, indem sie da sehr picky sind, mit wem sie noch machen und was sie überhaupt machen. Und ganz klar sagen, Direct Consumer ist unser Ziel. Das ist jetzt ein bisschen andere Kategorie und andere Mechaniken, deswegen nicht direkt vergleichbar. Aber das sind so die aus meiner Sicht führenden Player, die sich da wirklich viele Gedanken gemacht haben. Und in den anderen Kategorien, ich weiß nicht, wenn ich in fünf Jahren oder in zehn Jahren mir die vorstelle, wie die es machen wollen eigentlich. Also entweder sie haben so eine super starke Marke, dann kommen die Leute direkt. Aber wo sind die Handelsflächen? Wo sind die Handelspartner, die eigentlich das übernehmen, was sie brauchen an Beratung, an Darstellung der ganzen Produkte? Finde ich einen guten Punkt.

Joel Kaczmarek: Lass uns doch auch mal ein bisschen das Fashion-Segment betrachten. Also es gab ja auch gerade kürzlich das Thema High Snobiety und Zalando. Da können wir ja auch mal einen kleinen Exkurs machen, weil da gab es ja gerade eine Übernahme, auch wenn es jetzt keine Börsennotierte war. Ich weiß, ich hatte den David Fischer vor Ewigkeiten an meinem Podcast, ich glaube 2017 oder sowas. Und das ist auch so eine richtig charmante Gründergeschichte, wie heißt Nobility entstanden ist, eigentlich aus so einem Fantum heraus und dann irgendwie wirklich bootstrapped nach oben gezogen. Was ist so euer Blick aufs Fashion-Segment?

Alexander Graf: Der interessanteste Case für mich immer noch ist ein Zusammenschluss der Fashion-Plattform. Das ist immer noch Zalando, About You, ASOS. Da ist ja überall die Bestsellergruppe drin, die hat sicherlich ein Interesse, dass diese Dinge besser funktionieren aus einer Beteiligungssicht. Allerdings auch ein Interesse, dass sie eigenständig bleiben, weil sie ja ganz, ganz viele Marken haben, die natürlich auf möglichst viele Händler verteilt werden sollen, damit die Marken weiterhin stark bleiben. Als wir dieses Szenario das erste Mal, ich glaube auch in dieser Runde schon mal so angesprochen haben, da waren die Börsenbewertungen teilweise noch dreimal so hoch. Mittlerweile kann man Asos, About You und Zalando für in Summe unter 10 Milliarden Euro kaufen. Und sicherlich ist es die ganze Komplexität von der Börse nehmen und alle müssen irgendwie zustimmen. Du hast ja schon starke Shareholder da drin. Marken müssen, wenn sie online irgendwie effizienten Kunden erreichen wollen, eigentlich dieses Advertising-Geschäft mittragen. Also sie müssten dann an so einem Konglomerat relativ viel Geld zahlen, um dann ihre Marken zu pushen. Ja, sie können quasi mehr Werbegelder vereinnahmen. Das ist ein deutlich stärkeres Setup, um dann ihre Eigenmarken in den Markt zu pushen. Ich glaube, ASOS hat immer noch über zwei Drittel aller Produkte sind Eigenmarken. die sie so viel, viel effizienter auf den Kontinent verteilen können, dass uns ASOS bisher noch nicht so gelungen. Möglicherweise könnte man in so einem Konglomerat auch noch so einen Scheinabklatsch verstecken. Das ist für mich eigentlich der Case, der offen liegt bei den Bewertungen gerade, bei den Shareholder, die dahinter sind. Das fühlt sich so ein bisschen an wie 2009. Da war der Markt irgendwie auch so wild. Da war noch so viel möglich. Da konnte Zalando innerhalb von zwei Jahren Otto.de überholen. Da frage ich mich, warum man das nicht machen sollte. Als Bestseller-Eigentümer wäre das ein total smarter Move, um den Wert der Beteiligung zu erhöhen.

Jochen Krisch: Ja, aber aus Unternehmenssicht. Also die haben alle unterschiedliche Gründe, warum sie das nicht machen. Aber ich würde vielleicht noch mal kurz auf Heißen und Bayerty zurückgehen, weil für mich ist das genau der Punkt. Ich bin auch eher bei Alex. Solche Szenarien sind eigentlich jetzt gefragt. Für mich ist Heißen und Bayerty so ein bisschen eine Logik aus dem letzten Jahr. Momentan sind einfach die Chancen andere und die Möglichkeiten andere und andererseits auch die Ablenkungen. Man sollte sich nicht zu sehr ablenken lassen. Für mich ist Heißen und Bayerty eigentlich aus Zalando-Sicht eher eine Ablenkung. Wohingegen, wenn ich mir jetzt Asos, About You etc. angucke, Das würde sich sehr gut ergänzen. Also das ist eine Management-Herausforderung und da hängt auch viel dran. Aber wir müssen ja auch so ein bisschen überlegen, wie sieht der Modemarkt in fünf Jahren oder in zehn Jahren aus. Und alle sind ja immer so inkrementell unterwegs, so von diesem Jahr zum nächsten Jahr wachsen wir so. Aber irgendwann prallen sie aufeinander und dann gibt es die großen Diskussionen. Es geht nicht darum, jetzt den führenden Online-Player in so einen online-Wettbewerb zu inszenieren. sondern die Zaras und die H&Ms sind die Wettbewerber, mit denen man letztendlich konkurriert. Die werden entweder abgelöst oder die finden selber Möglichkeiten, um sich da zu verstärken und etwas zu machen, also im Grunde neu zu erfinden. Ich finde, das sind so diese sehr geringe Bewertungen. Das bietet da die Möglichkeiten wirklich, wer sich ein Herz fasst. Viele sind natürlich in der anderen Serie, das fand ich auch sehr interessant auf der K5, die gesagt haben, jetzt alles bloß nicht in der Übernahme. Also wir haben genügend jetzt erstmal operativ zu stemmen und müssen das alles hinbekommen. Aber das ist genau falsch gedacht. Als es jetzt so hoch bewertet war, da bringt Übernahme nichts. Jetzt könntest du dir Gedanken machen, aber da musst du den Kopf schon ein bisschen frei haben. Das soll nicht so einfach, weil es jetzt gerade möglich ist, nur gemacht werden.

Alexander Graf: Meinst du, das ist was für so Multi-Unternehmer wie René Benko? Der hat natürlich sein Glück gemacht auf der Immobilienseite, hat aber ja auch nicht unsmart so verschiedene Assets zusammengekauft. Und jetzt geht es ja im Grunde darum, ein Finanzierungsmodell zu finden, um dann, keine Ahnung, irgendwas, was halt zu seinem Business passt, ein Fashion-Unternehmen oder andere Unternehmen, um dazu zu kaufen. Also ich verstehe, dass es Zurückhaltung gibt aus den Unternehmen selber. Aber wenn du jetzt von jemand wie Benko da drauf schaust, siehst du ja auf einmal einen Markt, der so auf dich zukommt, wo du sagst, okay, jetzt kann ich hier mal die Bälle ein bisschen neu sortieren, da irgendwie zwei, drei Milliarden zurückzusichern.

Jochen Krisch: Gerade Signor Sports United, die sind ja an die Börse. Da ist Fahrrad.de drin, da ist ein Tennispoint drin, da sind unterschiedliche Sporthändler drin. Und die sind wirklich an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gestoßen. Haben eigentlich nichts mehr gefunden, was sie sich leisten können in letzter Zeit. Die sind sehr stark gestartet und haben dann alles Mögliche aufgekauft. Teilweise, glaube ich, auch den einen oder anderen Fehlgriff gemacht, wo sie überteuert gekauft haben. Und dann diese Gruppe gebaut, jetzt über Speck an die Börse auch gebracht. Also deswegen ist Banco jetzt nicht mehr so hoch. 100%ig vielleicht am Ruder, aber trotzdem, das ist so ein Kandidat. Die haben auch weiterhin drin, dass sie eine ewig lange Pipeline haben und alles mögliche übernehmen werden. Aber für die sind die Preise natürlich jetzt wieder super attraktiv und sie können sich das ganze Sportsegment jetzt angucken. Also sie sind jetzt sehr fahrradlastig an die Börse gestolpert, würde ich fast sagen, weil sie Wickel vergleichsweise günstig bekommen haben. Das heißt, sie haben sie mit Fahrrad.de fusioniert. Und jetzt haben sie das Hauptgeschäft in dem Bereich. Davor haben sie sehr viel Tennis gemacht, was auch eher so eine Nebensportart ist. Aber so in die Kernbereiche sind sie eigentlich nicht reingekommen. Also wo auch ein bisschen die Bestellfrequenz höher ist oder was ein bisschen trendiger ist. Aber das ist ihre Ambition. Ist tatsächlich so ein Kandidat, wo ich mir vorstellen könnte, dass denen auch gerade die Türen eingerannt werden. Also was sie an Möglichkeiten haben und die auch so positioniert sind. Also sie haben sich genauso aufgestellt, dass sie quasi eine Gruppe bauen wollen, die ein bisschen auch dann Plattform wird. Guter Punkt.

Joel Kaczmarek: Gibt es denn eigentlich an irgendeinem Punkt in Deutschland relevante Bedrohungen, dass man kartellrechtlich gegen solche Sachen geblockt wird? Also ich habe gerade bei dem About You Zalando Beispiel noch gedacht. Ich glaube, gefühlt hängt die Latte ziemlich hoch, dass man da einen Blocker kriegt, oder?

Jochen Krisch: Ja, du hast immer Amazon, wo du dagegen dich positionieren kannst. Also ich würde es mir wünschen, dass das schon ein Thema wäre, aber ich glaube, so groß ist der Markt noch nicht, also so mächtig. Dass man da schon reinrennt. Naja, es gab ja zum Beispiel eine Prüfung und das war wirklich so ein Minisegment als Flaschenpost, Durstexpress übernommen. Da gab es schon mal eine Kartellprüfung, wo mich sehr gefreut hätte, wenn die nicht fusionieren hätten können, weil es immer gut ist, wenn gerade in dieser frühen Phase es mehrere Player gibt. Aber das hat das Kartellamt problemlos durchgewunken. Das wundert einen dann immer, wenn man sieht, wie der Onlinehandel geboomt hat und was für ein Volumen er jetzt macht. Ich meine, der BFH schätzt das jetzt auf 100 Milliarden. Das ist immer alles so sehr Pi mal Daumen.

Joel Kaczmarek: Beides gute Brücken. Die anderen drei Branchen, die mir noch so im Kopf kamen, waren Sport und Outdoor, Beauty und Food. Über Sport und Outdoor hast du ja schon ein bisschen Beispiele gebracht. Gab es noch so andere Beispiele, die dich angesprungen haben, wo man jetzt irgendwie nachdenken könnte?

Jochen Krisch: Eher nicht, aber da gibt es halt sehr viele jetzt groß gewordene Player, die im Prinzip Kandidaten wären. Das Segment ist einfach ein sehr spannendes, gerade wenn man es so breit anlegt. Outdoor, Fashion, Sport, also da gibt es auch noch keine so mächtigen Player. Also wie gesagt, Sprigna Sportionite ist das Einzige, was jetzt so ein bisschen rausragt. Was mein Lieblingsbeispiel auch immer noch ist, ist Bergfreunde, die sich ja an Backcountry schon sehr früh verkauft haben, aber eigentlich auch noch unabhängig agieren. Beauty wird uns ohnehin bevorstehen, also bei Weil Flaconi holpert es gerade sehr. Und auf der K5 hatten wir sowohl Douglas als auch Notino. Was ich auch mal ganz interessant fand, Notino zu erleben, wie sie sich präsentieren. Aber die machen auch 700 Millionen. Bis jetzt wollte immer niemand Flaconi, weil die Preisvorstellungen zu hoch waren. Super attraktiver Player nochmal und der ganze Markt. Muss sich anders formieren. Also der steht vor bestimmten anderen Herausforderungen. Aber andererseits finde ich auch, dass er strategisch sein Potenzial noch nicht hat. Also was mir zum Beispiel bei Notino gut gefallen hat, da auch dieses Quick-Commerce-Element mit rein zu beziehen. Also eine schnelle Lieferung von Beauty-Produkten. Das macht so in der Form noch keiner und das ist jetzt auch nicht super lukrativ, aber man muss sich ja überlegen so ein bisschen, wie stellt sich so eine Beautybranche künftig auf, wenn eben die großen Warenhäuserflächen nicht mehr da sind, wo man sich inspirieren kann. Jetzt nur einen reinen Shop zu haben, wo man halt die Produkte bekommt, aber eben nicht mehr informiert wird und es einem alles erklärt wird. wird schwierig. Da ist Flaconi zu haben und da haben wir jetzt ein paar große, fast schon Milliardenplayer, die im Prinzip das machen könnten. Hart Group in England, Douglas hat sich ja auch ganz gut entwickelt, auch in dem Online-Bereich und eben Notino.

Joel Kaczmarek: Was ist denn aber eigentlich bei Douglas der Standard? Die habe ich auch gerade gedacht. Ich meine, da war doch eigentlich auch zu lesen, dass die einen Börsengang vorbereiten, wenn ich mich nicht täusche. Und ich bin da nicht so tief drin, habe nur irgendwie mitbekommen, dass dieses Apothekengeschäft wohl relativ schwer integrierbar ist. Und jetzt ist natürlich das Klima gerade super beschissen für einen Börsengang. Wie würdet ihr denn anstelle von Douglas jetzt agieren?

Jochen Krisch: Die haben das Zeitfenster verpasst. Deswegen hatte ich in den letzten zwei Jahren eigentlich immer darauf hingewiesen, Geld einzusammeln, wo immer es möglich ist. Weil so günstig kriegt man das nicht mehr. Aber Douglas, glaube ich, ist jetzt so weit über den Berg, dass sie eventuell auch einen privaten Käufer wiederfinden. Also das ist natürlich der Zyklus jetzt tendenziell am Ende. Ich glaube, es ist jetzt schon die dritte oder vierte Runde. Das sah schon sehr viel schlimmer aus. Aber sie mussten es halt drehen Richtung online, weil nur so hätten sie die Bewertung überhaupt bekommen, die sie wollen. Und jetzt haben sie es gedreht und die Bewertungen sind jetzt runtergefallen. Also es ist ein bisschen schon unglücklich gerade. Aber ich glaube, die können auch aus eigener Kraft. und wenn die irgendwie eine vernünftige Strategie, das weiß ich nicht, ob das mein erstes gewesen wäre, dass ich jetzt noch Apotheke, sagen Sie jetzt Beauty and Health oder Health and Beauty, angrenzen Sie Sortimente, verkaufen Sie ganz gut. Aber da hängt es ein bisschen davon ab, was ist so die Vision? Wo ist die Fantasie jetzt? Was soll so ein Douglas werden? Da haben Sie schon noch ein bisschen Luft nach oben. Oben aber, wenn man sieht, woher sie kommen, haben sie sich da eigentlich jetzt ganz gut rausgearbeitet. Flaconi haben sie sich immer gesträubt, das zu übernehmen, eben aus Preisgründen zum Teil.

Alexander Graf: Dafür haben sie ja Parfüm-Dreams übernommen, als so Online-Bude.

Jochen Krisch: Für das preisgünstigere Segment, was sie auch brauchen, was irgendwie auch Sinn macht, aber was natürlich jetzt in einer anderen Preislinie als auch Umsatzflieger war.

Joel Kaczmarek: Vielleicht als letztes Thema nochmal, ansonsten Food. Ich hatte die Tage einen FAZ-Artikel in der Hand, wo zu lesen war, Gorillas sei gerade auf der Suche nach einem Käufer und dann hieß es so, nein, das stimmt gar nicht und man sortiert ja immer. und Finanzierung. Täte sich da nicht auch einiges gerade auf? Was habt ihr so für Gedankenspiele im Food-Bereich?

Alexander Graf: Ich glaube, für einen Strategen ist sowas natürlich immer schwierig, weil auch wenn man das jetzt günstiger bekommt als die kolportierten drei, vier Milliarden, die das mal wert gewesen sein soll, ist das halt ein Business, in dem klar reininvestiert werden muss in den nächsten Jahren. Und wir reden da über Beträge, die im Bereich hunderte Millionen, vielleicht sogar hunderttausend. mehr liegen, sodass der Product-Market-Fit da ist, sehe ich auf jeden Fall, dass das vielleicht nicht für alle Kohorten geeignet ist, also die da nur Bier und Chips wollen, die sind vielleicht nicht so cool, aber die damit ihren Wocheneinkauf machen wollen, das hat ja der Adrian Frenzel ja auch auf der K5 erzählt, ist das schon mega cool, da gibt es schon auch einen theoretischen Fit zum stationären Handel, also es könnte da stationäre Interessenten geben, aber das ist einfach zu unattraktiv für die Businesses, die eigentlich jedes Jahr EBIT an die Familienholding abgeben müssen. Und die ganzen strategischen Käufer waren ja in den letzten Jahren ja schon in die Börse gegangen. Die haben ja teilweise sehr aggressiv dazugekauft und haben jetzt mal so richtig auf den Deckel bekommen. Das heißt, so aus der Börsenecke auch total schwierig zu sehen. Andere börsennotierte Unternehmen, die das dann übernehmen, auch schwierig, weil das halt so viel Cash kostet. Bleiben halt noch die großen Hersteller. Also ich würde jetzt ungern mit dem Kagan tauschen, was jetzt die Investorensuche angeht.

Jochen Krisch: Ich würde halt sagen, das ist noch ein VC-Business und das muss in dieser VC-Welt gelöst werden. Es sind zwei Jahre, also das sind wirklich noch super junge Unternehmen. Dadurch, dass man so viel über sie gesprochen hat, deswegen werden sie jetzt ja auch nicht substanzieller. Also das ist im Prinzip ein bisschen so ein Zalando-Case in den frühen Jahren, so 2010, 2011, wo man dachte, das wollte damals niemand haben und die etabliert darin nicht, weil es eben vermeintlich, weil man nur Geld versenkt. Deswegen, ich würde das nochmal als separates Segment tatsächlich sehen, weil im VC-Bereich einfach auch jetzt sich so manche verspekuliert haben. Einerseits natürlich gut, durch die hohen Bewertungen mussten einfach nicht so viele Anteile abgegeben werden und das ist ja im Wesentlichen das Thema dabei. Also ich bin da gar nicht so dagegen jetzt, das so aufzublähen und zu hypen, aber das ist natürlich jetzt alles tendenziell implodiert. Dann werden eher so Notlösungen gesucht. Was ich schön fand zum Beispiel, wo es richtig gut gelaufen ist, DoorDash ist so einer meiner Lieblinge in den USA, was die Lieferdienste angeht. Schön an die Börse gegangen, Geld eingesammelt, dann Volt übernommen, aus Finnland heraus, sich an Flink beteiligt. Restaurant-Food-Lieferdienste sind durchaus auch Kandidaten, um jetzt Quick-Commerce zu übernehmen, beziehungsweise andere wie Delivery Hero machen das ja selber, nicht in Deutschland, aber in anderen Ländern. Die passen auch ganz gut zusammen und Niklas Özberg hat gerade wieder getwittert, dass er jetzt hofft, dass all die Fremden da rausgehen. Also dass es ein Spezialthema ist und das sollen die Profis machen. also das ist jetzt meine Interpretation, und alle Händler, die so nebenher das machen. Und da gibt es ja Marktplätze weltweit, die irgendwie noch so einen Schnellfood-Lieferdienst gestartet haben und denken, sie kämen damit weiter. Das hat da so ein bisschen belächelt und gehofft, so wie sich vor ein paar Jahren Amazon zurückgezogen hat, dass auch die sich alle wieder zurückziehen. Und das ist schon auch meine Hypothese. Also ich glaube, dass die so ein bisschen unterschätzt werden in dem Food-Bereich, weil die bis jetzt halt gar nichts so wirklich selber produziert, geliefert oder etc. haben, sondern eher Mittler waren. Aber Die haben den Kundenzugang, die haben im Prinzip Ressourcen, also sprich Fahrer, die sie auslasten müssen, dann auch zu Zeiten, wo es nicht so klappt. Das sehe ich so als ein Szenario in dem Food-Segment. Aber wir sprechen eigentlich da über ein sehr nischiges. Spannender ist die Knusper-Rohlig-Olas- und Picknick-Welt für mich, die aber im Grunde nicht zur Disposition steht. Die steht ja witzigerweise vergleichsweise gut da. Da, glaube ich, gibt es gar keine Diskussionen und die machen jetzt so ihr Ding und während die anderen rotieren.

Joel Kaczmarek: Ja, aber das wäre sonst auch so. meine Frage an euch gewesen, jetzt auch mal jenseits von Gorillas, was ihr da als die wesentlichsten Wellen seht, die jetzt mal einsetzen können, welche Bereiche sich da noch auftun könnten. Wie ist das bei dir so, Alex?

Alexander Graf: Naja, wir stehen ja wahrscheinlich wieder vor so einer kleineren Omnikron-Welle Ende des Jahres. Das heißt, die Effekte, die wir vor zwei Jahren gesehen haben, dass sich viele Länder darüber Gedanken machen, wie bekommen sie ihre Ware an die Kunden. Wenn die Läden ja nicht verschlossen sind, aber wenn da wieder Leute mit Maske rein müssen, das treibt natürlich dann die Nachfrage nach Lieferdiensten. Das steht genauso wieder an. Ich glaube, wir haben jetzt ein kurzes stationäres Strohfeuer gesehen, wo Leute dann tatsächlich ein bisschen Nachholkäufe getätigt haben. Aber wir sind weiterhin voll in den Trends, die wir auch schon vor einem Jahr hier besprochen haben. Deswegen mache ich mir jetzt da fundamental gar keine Sorgen. älteren Teilnehmer, die Aldis, Lidl, Rewe, EDKs und Co. erwirtschaften ja ein sehr, sehr gutes EBTA und können jetzt halt voll investieren. Würden sicherlich auch der eine oder andere noch sich stärker an Picknick und Knusper beteiligen. Ja, wie Jochen schon sagt, die brauchen das gar nicht. Also die sind gar nicht so aufgestellt, dass sie so viel Cash verbrennen, Monat für Monat. Die werden wahrscheinlich langsamer expandieren. Picknick wird es sich jetzt nicht leisten können, nochmal ein zweites, drittes Warehouse-Projekt parallel aufzubauen. Das wird dann sequenziell passieren. Also wenig Aussicht für mich in Kiel, diesen Service zu bekommen, aber die Fundamentaldaten sind alle super. Und die, die halt privat sind oder weiterhin privat bleiben, sind halt besser aufgestellt, weil sie eigentlich zu immer noch guten Konditionen an Geld kommen.

Jochen Krisch: Wir sind jetzt wirklich im tiefsten Tal drinnen. Also ich glaube, auch das wird wieder nur ein Fenster sein. Man steigert sich ja da immer rein und sobald es unten ist, dann hat man das Gefühl, es wird jetzt ewig unten bleiben. Also eben genau nicht. Wir sind jetzt zweites Halbjahr 2022. Da sind die ganzen Corona-Effekte eigentlich von dem zweijährigen Zyklus, Lockdown-Zyklus klingen jetzt ab. Also wir haben eigentlich jetzt schon wieder die Möglichkeiten, dass schöne Wachstumszahlen kommen. Gerade heute hat About You seine Zahlen veröffentlicht. Da sieht man sehr schön, ab Mai geht es wieder hoch. Da sind wieder andere Werte und dann dreht sich auch die Wahrnehmung wieder. Deswegen glaube ich, das wird jetzt maximal ein, zwei Quartale sein, wo wir diese Chance haben, Unternehmen, die sich in der kritischen Phase finden, günstig zu bekommen. Inflation, gestiegenen Energiepreise etc., die da betroffen sind und kein Kapital haben, da wird es noch ein bisschen länger sein. Bei den Bewertungen würde ich jetzt nicht davon ausgehen, dass wir jetzt dauerhaft so extrem niedrige Bewertungen sehen. Also deswegen ist das schon alles sehr qualitätsgetrieben möglich.

Joel Kaczmarek: Vielleicht noch eine allerletzte Frage, nochmal so auf die Meta-Ebene gewechselt. Hat man eigentlich die Möglichkeit, was man immer so aus den Filmen kennt als feindliche Übernahme, so etwas in Deutschland auch durchzuziehen, gegen den Willen eigentlich eines Käufers? Oder reden wir bei all dem, wovon wir heute sprechen, eigentlich immer davon, dass das immer so eine Teamentscheidung sein muss, Käufer und Gekaufter haben Lust, das gemeinsam zu tun?

Jochen Krisch: Ja, auch da mein Lieblingsbeispiel wieder Rocket in seinen letzten Börsentagen, sage ich jetzt mal. Also was Sie da noch an Ärger bekommen haben, das war jetzt keine feindliche Übernahme, aber es können schon nicht so wohlgesonnene Investoren dann plötzlich reingehen und sagen, nee, so billig könnt ihr die Anteilseigner nicht abspeisen. Also in Deutschland nicht, in den USA oder so schon. Oder auch in England. Hut Group ist für mich immer noch eines der superspannendsten Unternehmen, sehr stark in dem Bereich Biodiversität. Und die hatten jetzt wirklich zu kämpfen. Also sie hatten ein paar so Kandidaten, die sie am liebsten super günstig übernehmen wollten. Da ist alles denkbar. Und ja, also so manche sind halt so schwach aufgestellt gerade, sodass ich mir das schon vorstellen kann.

Joel Kaczmarek: Na gut, ihr beiden. Also, war doch ein interessanter Red. Wir sind mal gespannt, was sich jetzt noch so bis Jahresende in dem Bereich tun wird. Und Zeit, dass du mal wieder öfters K5en machst, Jochen. Das ist ja hier immer ein guter Impulsgeber.

Jochen Krisch: Sehr, sehr gerne. Mindestens einmal im Jahr. Wir haben jetzt noch einen Shop Usability Award, also mindestens zwei Veranstaltungen dann im Jahr.

Joel Kaczmarek: Na gut, ihr Lieben. Dann freue ich mich schon aufs nächste Mal mit euch. Danke euch ganz herzlich und bleibt schön gesund. Danke dir. Ciao, ciao.

Outro: Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. Und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.

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Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um E-Commerce: Joel trifft sich regelmäßig mit den beiden E-Commerce-Experten Alexander Graf (Kassenzone, Spryker) und Jochen Krisch (Exciting Commerce, K5) um ihr Wissen zu bündeln. Gemeinsam nehmen die drei dich mit auf eine Reise zu spannenden Tiefenanalysen, Strategiediskussionen und Praxiseinblicken des Onlinehandels. Ein wahres Feuerwerk zwischen drei Experten, die scharfe Thesen formulieren und lebhaft miteinander diskutieren.