Drei innovative Food Startups
29. September 2019, mit Joel Kaczmarek, Alexander Graf, Jochen Krisch
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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen E-Commerce-Crossover-Podcast von digital kompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute gibt es eine super spannende Folge. Wir reden nämlich mal über Best Practices. Das heißt, heute stellt Jochen Krisch, unser einer E-Commerce-Experte, seine drei Favoriten-Startups vor, die er zurzeit hat und was man von ihnen lernen kann. Du nimmst aus dieser Folge also mit, was Ocado Spannendes getan hat, um im Lebensmittelbereich ein funktionierendes Geschäftsmodell aufzubauen und wie es dabei zum Infrastruktur-Provider wurde. Du erfährst von Flaschenpost und wie Vertikalisierung ein spannender Ansatz im E-Commerce-Umfeld sein kann. Und last but not least reden wir über yummy.com, das auch ein lokaler Lebensmitteldienst ist und spannende Dinge aufzeigt im Bereich Geschäftsmittelentwicklung. Insgesamt wirst du also ganz viel lernen über Strategie, über unterschiedliche Vorgehensweisen und wie man im Food-Bereich eigentlich ein Geschäft aufziehen kann. So, und wir starten mitten rein. Los geht's, Attacke. Erstmal ein herzliches guten Tag an unsere beiden E-Commerce-Experten, den guten Alexander Graf von Kassenzone bzw. Spryker und Jochen Krisch von der K5-Konferenz bzw. Exciting Commerce.
Jochen Krisch: Hallo ihr beiden. Hallo Joel.
Alexander Graf: Moin moin, hallo.
Joel Kaczmarek: So, lieber Jochen, es geht ja heute um deine drei Favoriten. Man merkt schon gewissen Pattern im Bereich Food. Vielleicht sagst du erstmal ein bis zwei Sätze zu deiner Auswahl generell, wie es dazu kam und dann steigen wir mal tiefer ein in Ocado.
Jochen Krisch: Alle im Food, alle im Infrastrukturbereich. Das sind so die Themen, die ich gerade spannend finde und alle in unterschiedlichen Stadien. Also Ocado gibt es ja schon sehr lange als Lebensmittelversender in England. Für mich läuft das so ein bisschen, die sich jetzt alle so die Strategie 2020 und was im nächsten Jahrzehnt passiert. Da gibt es eine ganze Reihe der größeren, der schon etablierteren und Ocado ist ein spannender Ansatz. Flaschenpost als Newcomer, die im Getränkebereich quasi das nächste Lieferando werden wollen, würde ich jetzt mal so flapsig formulieren. Aber mit eigener Infrastruktur, alles selbst gemacht und jetzt nach Piloten eigentlich sehr stark voranpreschen. Und Yami.com wird den wenigsten etwas sagen. Das ist ein Lebensmitteldienst aus den USA, ein lokaler Lebensmitteldienst in Australien. Los Angeles, den es ewig gibt und der ohne Geld gestartet ist, auch ohne Ahnung, sagen sie auch, in dem Bereich und gut dasteht, fast 20 Jahre später und sehr kreativ ist, was neue Erlösströme angeht, Referenzierungsmodelle. Auch deshalb finde ich den spannend.
Joel Kaczmarek: Tja, ohne Geld und ohne Ahnung statt. Wir hatten ja leider einige Startups in Deutschland. Ich hoffe, es bleibt bei den meisten nicht dabei. Das wäre dann eher fatal. Aber wie angedroht, Ocado als erster Player, den du benannt hast. Wer das noch nicht kennt, das ist ja im Prinzip ein Online-Lebensmittelhandel aus Großbritannien. Liefert dort in einem relativ klar abgesteckten Rahmen und war in der Vergangenheit dafür bekannt, so habe ich es zumindest aus der Ferne wahrgenommen, als Deutsche können wir da nicht direkt bestellen, für sein breites Sortiment. Das ist ja immer was, was im Food-Bereich stark diskutiert wird. Die Sortimentsbreite, wie missionskritisch ist die für den Erfolg des Unternehmens? Und Ocado wird ja vor diesem Hintergrund auch immer stark gegenüber Picknick-Benchmarkten zum Vergleich rangezogen. Also Ocado in dem Fall ein Beispiel, wo zum Beispiel Udo Kießlich, wenn ich mich richtig entsinne, gesagt hat, da gibt es teilweise mehrere Sorten frischen Fisch. Es gibt irgendwie fünf unterschiedliche Gattungen von Bananen, die man da kaufen kann. Also bisher sehr stark bekannt dafür, dass es breit im Sortiment ist. Aber da tun sich auch noch einige andere Dinge. Darum, gib uns doch mal deinen Blick auf Ocado. Warum findest du es spannend? Und vielleicht kannst du es auch mal ein Stück weit einrechnen. etwas in der Historie, dass Hörer, die das noch nicht so kennen, ein Gefühl dafür bekommen?
Jochen Krisch: Zum einen, weil es inzwischen, glaube ich, als Erfolgsgeschichte akzeptiert ist, in einem sehr umkämpften Markt in England gegen Tesco anzutreten, als reiner Online-Anbieter, Lieferdienst im Wesentlichen, auf eine Umsatzgröße von mehreren Milliarden zu kommen und sich dann eben überlegen zu können, was mache ich dann? Also stimmt, wie du sagst, also sie sind sehr umfangreich in der Auswahl. Sie sehen sich auch so ein bisschen als Benchmark. in der Branche, weil sie sagen, niemand bekommt das günstiger hin in der relativ automatisierten Logistik, in der Struktur, die sie gebaut haben, die sehr zentral war, die jetzt ein bisschen dezentraler wird, damit sie nicht nur London abdecken können, sondern auch andere Regionen in England und die quasi gezeigt haben, wie man in einem margenschwachen Bereich ein funktionierendes Geschäftsmodell aufbauen kann und sind jetzt so ein bisschen am Sprung. Sie haben jetzt eben Ihre Und da kann man nicht nur sagen Technologie, sondern eigentlich ihre Infrastruktur so weit standardisiert, dass sie die anderen anbieten und entsprechende Kooperationen, Beteiligungen, was auch immer machen. Also fast in allen Märkten, nicht nur in England, sondern in den USA, in Australien, in Skandinavien, in Frankreich haben sie jetzt Partner gefunden, die quasi die Ocado-Infrastruktur nutzen, um eigene Bereiche anzubieten. Und der dritte Aspekt, der spannend ist, sie haben jetzt ihr eigentlich Hauptgeschäft, das was du beschrieben hast, ihr Lebensmittelgeschäft in einen Joint Venture gepackt mit Marks & Spencers, die MS Food in England betreiben, was für beide, finde ich, spannend ist, weil Ocado damit im frischen Bereich sehr spannende Produkte, neue Sortimente bekommt. Gleichzeitig aber Max & Spencer sagt, wir geben euch unsere Kunden oder unsere Kunden in dieses Joint Venture rein und müssen uns quasi nicht einen eigenen Dienst auf die Beine stellen. Also das sind so die Perspektiven jetzt für die kommenden Jahre.
Joel Kaczmarek: Um dem geneigten Hörer auch mal ein Gefühl zu geben, was Ocado eigentlich sozusagen so an Performance gerade auf die Straße bringt. Also im Jahr 2000 gegründet, in unterschiedlichen Finanzierungsrunden knapp 150 Millionen Pfund aufgenommen. Und wenn man sich die Börsenbewertung mal anguckt, also in der Sekunde, wo wir gerade sprechen, liegt die bei 10,22 Milliarden der Market Cap und war im Durchschnitt über die letzten fünf Jahre bei 6 Milliarden. Also schon sehr potent dafür, dass man eigentlich auch nur in Anführungsstrichen einen relativ kleinen Bereich irgendwie von England beliefert und jetzt quasi so diese Ausrichtung in Richtung Infrastrukturprovider. Alex, was hast denn du so wahrgenommen in Richtung Ocado? Was ist für dich sozusagen deren Stärke bisher?
Alexander Graf: Also zum einen hat Natürlich, dass sie es deutlich besser als die anderen Anbieter vor Ort in England geschafft haben, überhaupt das Thema Lebensmittelhandel auf die Agenda zu bringen. Sicherlich in einer Zielgruppe oder Warengruppe, die deutlich über dem deutschen Discounter-Markt liegt. Trotzdem war es jahrelang das Beispiel, auf das alle geschaut haben, wenn es um die Frage ging, Welches Geschäftsmodell kann den Lebensmittel-Online-Handel dominieren? Oder wie kommt der Lebensmittel-Online-Handel online? Und diese Position wurde natürlich in dem Hype rund um Picknick in den letzten beiden Jahren auch im Rahmen dieses Podcasts hier sicherlich so ein bisschen aufgelöst. Und da wurde gezeigt, dass es noch andere Modelle gibt. Aber für mich ist immer noch quasi eines der Modelle, wenn man zumindest in den gentrifizierten Gegenden in England wohnt, ein hohes Einkommen verfügt und über einen exquisiten Geschmack, um dann aus 50 verschiedenen Austern wählen zu können. Das gibt es so in Deutschland nicht. Das gibt es vielleicht regional, weil dann vielleicht mal regional der Metromarkt oder bei uns in Kiel ist das Famina City das zur Verfügung stellt. Aber dass man das quasi über so eine Zentrallogistik profitabel abwickelt und entsprechende Services dahinter hängt, die für genau diese Zielgruppe auch gemacht sind, das ist immer noch einzigartig in Europa, vielleicht sogar weltweit. Wobei ich nicht glaube, dass wir da weltweit überhaupt den Durchblick haben, um zu sehen, was da gerade alles passiert.
Jochen Krisch: Was ich halt spannend fand, weil du es gerade auch erwähnt hast, sozusagen mit im Vergleich zu heute wenig Kapital, die so weit gekommen sind. Also die haben ja wirklich sehr effizient gearbeitet. Heute gibt es ja für die ganzen Lieferdienste im Food-Bereich hunderte von Millionen an Kapital, um das aufzubauen. Und das finde ich eigentlich auch das Spannende. Im Grunde ist es ein langweiliges Modell, weil es sehr konventionell gebaut ist und man eigentlich jetzt erst sieht, wo geht es denn hin in dem Food-Bereich. Und dann kommen eben, in den USA ist es jetzt DoorDash, Was ich spannend finde, die hunderte von Millionen bekommen, um wirklich eine andere Infrastruktur aufzubauen im Lebensmittellieferbereich. Man sieht auch, dass die ganzen Food-Lieferdienste entstanden sind in dem Segment. Und womit sich zum Beispiel, ich finde es interessant, wenn man Präsentationen von Ocado hört, womit sie sich vergleichen oder gegen wen sie antreten. Und dann ist eben ein Instacart zum Beispiel, ein Lieferdienst in den USA, der eben rein nur die Lieferleistung für den Supermarktanbieter zur Verfügung stellt, ist so ihr Benchmark. Und der kostet natürlich on top für den Kunden. immer mehr, beziehungsweise für den Anbieter dann auch etwas. Wobei da wieder interessant ist, aber die Option hat Ocado auch, wie refinanziere ich mein Geld, indem ich eben die Hersteller dann entsprechende Beiträge bezahlen lasse etc. Also da gibt es ja dann ab einer gewissen Größenordnung alle möglichen Modelle, die man fahren kann, sodass das nicht alles durch die Liefergebühr oder durch die Marge gedeckt werden muss.
Joel Kaczmarek: Und was glaubt ihr, wo geht die Richtung hin? Weil ich meine, Picnic hat ja auch hierzulande sich mit Edeka zusammengetan. Also glaubt ihr, dass so ein Stück weit der Markt jetzt auch aufwacht und dass dieses Modell jetzt akzeptierter ist, dass mehrere Player das ausprobieren werden und sich zusammenschließen? Oder was glaubt ihr, wo geht die Richtung hin?
Alexander Graf: Vielleicht kann man zum einen erstmal sagen, durch Ocado und Picnic hat der Markt gelernt, dass es durchaus eine Nachfrage gibt von Kundenseite. Die wurde vom Markt ja auch immer angezweifelt. Da wurde gesagt, es gibt ja eine extrem hohe Verfügbarkeit dieser Produkte in jeglicher Qualität. Die Nachfrage von Kunden, die das dann zu Hause auf der Türschülle haben wollen oder im Kühlschrank wie bei Picknick, die ist gar nicht da. Und jetzt haben wir erstmal gelernt, durch Ocado, durch Picknick und zwei, drei andere Dienste und wir kommen ja auch noch so ein bisschen zu dem Thema Getränkedienste. Die Nachfrage ist durchaus da. und was wir schon sehen im Markt und das hat sich durch Ocado und durch Picknick und andere auch geändert, ist, dass die großen Anbieter durchaus verschiedenste Initiativen unternehmen, um das jetzt auch anzupassen. abbilden zu können. Und da sind natürlich dann Anbieter, die ohne Legacy unterwegs sind, also die ganz, ganz frei von der Genossenschaft agieren können, mit vielleicht viel auch neuem Geld vom Kapitalmarkt agieren können, sind da so ein bisschen freier und können diese Dienste sehr, sehr radikal aufbauen. Aber es ist eben nicht mehr so und das war vor drei, vier Jahren sicherlich noch der Fall. Und dann müssten wir vielleicht mal Udo nochmal hier in den Podcast einladen. Auf den entsprechenden Konferenzen wurde schon angezweifelt. dass die Nachfrage für solche Dienste überhaupt da ist und dass es auch eine Bereitschaft gibt, für mehr Service, also Lieferzeitfenster zu bestimmten Stunden, Geld zu bezahlen. Das haben jetzt die bestehenden Dienste bewiesen und das führt natürlich jetzt auch zu enormen Anstrengungen bei den etablierten Anbietern.
Jochen Krisch: Ich glaube auch, dass es immer ein Henne-Ei-Problem ist. Ist die Nachfrage da oder nicht da? Die andere Frage wäre, ist der Service schon so gut, dass überhaupt Nachfrage da sein kann und dass man so zufrieden ist, dass man das auch regelmäßig nutzt? Ich glaube aber, da würde ich jetzt sogar im deutschen Markt sagen, da tut sich jetzt einiges und die steigern sich und werden kundenorientierter, können zum Teil auch Nachfrageschwankungen ausgleichen. Also das große Problem ist ja immer, da jammern ja alle im Weihnachtsgeschäft oder dann, wenn wirklich die Feiertage anstehen, dann hast du eigentlich keine Chance bei den Lieferdiensten. Aber genau da wäre es ja bequem, das zu haben. Also das gilt, alles noch in Griff zu bekommen. Das ist im Grunde alles noch nicht das Gelbe vom Ei, jetzt aus Kundensicht betrachtet, aber zum Beispiel ein Aspekt, den ich sehr interessant finde. Im Food-Bereich sieht man das, ich glaube, der kommt aber auch im Möbelbereich, dass man sieht, wie viel es von einer Gesamtinfrastruktur abhängt, ob ein Thema erfolgreich wird oder nicht. Es ist halt relativ einfach, Elektronik mit Paketen zu verschicken, auch Mode mit Paketen zu verschicken. Food kannst du das nicht machen und ich glaube auch der Möbelhandel erkrankt gerade so ein bisschen daran, dass es eben die Speditionen, die für Onliner gemacht sind, so nicht gibt und dass da auch zum Teil die Leute ihre eigene Infrastruktur aufbauen müssen. Und dafür ist für mich auch ein Ocado im Lebensmittelbereich ein Beispiel. Und es gibt ja eigentlich kaum Lebensmittelanbieter, die nicht auf Eigendienste setzen in dem Bereich. Das ist auch die große Herausforderung natürlich, das zu machen und das macht es entsprechend teuer. Aber da sieht man jetzt eben die unterschiedlichen Modelle und ich sehe Picnic auch ein bisschen als Infrastrukturprovider und man muss sehen, vielleicht eröffnen sich die auch irgendwann nochmal und dann hat man einen quasi Food DHL in dem Segment.
Alexander Graf: Das vielleicht auch mal so als Blick hinter die Kulissen. Also das ist auch quasi das größte Problem, von dem uns immer berichtet wird, wenn man die großen Anbieter oder neue Anbieter fragt, wo hängt es gerade in der Skalierung, im Wachstum? Viele dieser Modelle, wenn sie auf einem eigenen vertikalen Lieferdienst basieren und das müssen sie ja zunehmen, weil Hermes und Duell nicht mehr in der Lage sind, diese Modelle abbilden zu können in ihrer Infrastruktur, haben natürlich erhebliche Problematik. Probleme im heutigen Arbeitsmarkt überhaupt Leute dafür zu finden. Also versuche erstmal in München oder in Berlin oder in Hamburg mal 100, 200 Leute aufzubauen, die entweder in deinem Lager arbeiten, im Zentrallager und Waren bestücken oder die in einem Schichtbetrieb kleine Elektroautos durch die Gegend fahren. Das gilt also nicht mehr nur, und ich glaube, wir hatten mit Udo Kistig mal darüber gesprochen, für den Betrieb von Zentrallagern in der Nähe der polnischen Grenze, wo es auch niemanden mehr gibt, der dafür den Mindestlohn arbeiten kann oder möchte. Und das gilt umso mehr natürlich in den Großstädten, wenn du auf einmal dann in der Situation bist, bei der du 15, 16, 17 Euro pro Stunde zahlen musst für einen Fahrer, für einen Logistikhelfer, dann funktionieren viele Geschäftsmodelle nicht mehr. Also das ist tatsächlich gerade ein Megathema. und wenn man dann als großer etablierter Anbieter versucht mit Macht in den Markt zu kommen und darauf angewiesen ist, dass man in großer Breite viele Leute einstellt, dann ist das Problem natürlich viel größer als für die neueren Anbieter, die vielleicht Ort für Ort angehen und versuchen lokale Lösungen und auch nachhaltige Lösungen zu finden. Es mangelt nicht am Geld, es mangelt nicht an den strategischen Kompetenzen, sondern vielerorts mangelt es einfach an Leuten.
Joel Kaczmarek: Jochen, vielleicht sagen wir nochmal einen abschließenden Satz. Du hast ja gesagt, dass du den Faktor spannend findest, dass das so ein Infrastrukturprovider ist. Und das ist ja sozusagen eine Ausrichtung, in die viele andere Unternehmen perspektivisch auch streben könnten. Hast du so ein Gefühl, was eigentlich Faktoren sind, dass ein Modell sich für so etwas eignet? Also wir haben ja auch über so etwas wie Wayfair Home24 in der Vergangenheit schon mal gesprochen. JD könnte ein Thema da werden, Amazon macht das ja auch schon sehr aktiv. Also welche Modelle eignen sich denn eigentlich besonders und wann sollte man darüber nachdenken, auch in diese Backend-Aktivitäten zu gehen, dass so Unternehmen quasi eher auch zum Service-Provider für andere B2B-Parts ihrer Kette sozusagen werden.
Jochen Krisch: Ich glaube, im Grunde eignet sich fast alles, weil es letztendlich davon abhängt, ob ich einen guten Kundenzugang habe und das Modell raus habe und dann quasi den Rest erstmal nicht mehr so wichtig. Den kann ich dann eben auch anderen anbieten. Das haben wir auf technischer Ebene gesehen. Also die ganzen Modelle, Amazon immer als Paradebeispiel natürlich, dass man die Infrastruktur oder die Technologie anderen zur Verfügung stellt. Und das wäre für mich jetzt quasi das nächste Level, was Amazon mit Zalando Fulfillment Services etc. betrifft. auf die Beine stellt, dass man das jetzt auch in anderen Kategorien sieht oder dass wir jetzt einfach Anbieter haben, die groß genug sind und stark genug sind, um das zu machen. Das geht natürlich in der Phase nicht, wo du nur ein paar Millionen Umsatz machst und dann hast du genügend mit deinem Geschäft zu tun. Dann kannst du es nicht den anderen anbieten. Das ist die eine Richtung. Also deswegen glaube ich, da werden wir noch mehr sehen. Gerade aus China kommen jetzt die Alibabas und die JDs, also speziell JD mit Logistik, Technologie, Automatisierung. die sie auch auf den Konferenzen weltweit anderen anbieten. Und dann haben wir eben das andere Problem, dass die etablierten Anbieter da Nachholbedarf haben und jetzt so unter Druck stehen, dass sie eher bereit sind, sich auf solche in Anführungszeichen unbewehrten Lösungen einzulassen, als zu sagen, nee, das können wir selber oder dann nehmen wir uns unabhängige Anbieter, Also das ist ja gerade das, wovon Ocado sehr stark profitiert, dass plötzlich ein Amazon gekommen ist und Whole Foods gekauft hat und die Branche extrem unter Druck gebracht hat in den USA. Und seitdem sind eben die Kroger, die Albertsons und wie sie alle heißen, bereit, sich diese Technologie anzuschauen. Davor sind sie jahrelang hausieren gegangen und niemand wollte das haben. Und plötzlich sagen sie, damit schaffen wir es einfach nicht. eine Spur schneller zu werden. Und der nächste Schritt, den ich sehe, wenn ich noch kleinschwenkend machen darf, ist, dass jetzt dann eben auch reine Infrastruktur-Provider kommen. Für mich ist da Takeoff ein gutes Beispiel, die quasi so semi-automatisierte Supermärkte machen. Also, dass du quasi deinen Supermarkt umwandeln kannst zu einem Fulfillment-Center und dann beides bedienen kannst. Die Leute, die da sind, die bekommen es direkt direkt ausgehändigt, die anderen können es quasi ihre Bestellung automatisch vollfielen lassen und dann geliefert bekommen. Das wäre für mich so der nächste Schritt und zum Beispiel das wäre für mich auch so ein Übernahmekandidat für Ocado, dass sie da auch reingehen und dass wir dann eben eine wirklich effiziente Infrastruktur bekommen, jetzt in dem Fall für das Lebensmittelgeschäft, aber das kann ich mir auch für andere Kategorien und Themen gut vorstellen.
Joel Kaczmarek: Schön, dann kommen wir zu deinem zweiten Beispiel, eigentlich ja auf eine Art ein bisschen ähnlich, Flaschenpost. Also kleiner Dienstleister, was ich eigentlich ganz spannend finde, aus dem schönen Münster. Wenn man jetzt der Crunchbase glauben darf, bisher mit 70 Millionen Euro finanziert und, wie der Name vermuten lässt, im Getränkegeschäft aktiv. Was hat dich bewogen, Flaschenpost als deinen zweiten Favoriten heute auszuwählen?
Jochen Krisch: Flaschenpost ist etwas, was ich komplett unterschätzt habe, weil ich gedacht habe, was ist jetzt das so? Also erstmal GAN als Reaktion, jetzt plötzlich einen Getränkedienst online zu bringen, das fand ich jetzt nicht so spannend im ersten Moment. Als ich mich aber dann nach der großen Finanzierung, du hast es angedeutet, damit intensiver beschäftigt habe, dann fragt man sich ja, warum investieren denn die Leute da in so ein Geschäftsmodell? Und wenn man dann ein bisschen nachgeht, sieht man, dass die nicht die Getränkedienste, die Bestehenden vernetzen wollen, wie man das so klassischerweise macht und wie das andere Anbieter auch in dem Bereich machen, sondern dass sie eine komplett optimierte Infrastruktur aufbauen für den Getränkedienst und damit auch bereit sind. Also neben Getränke liefern sie dann auch noch Snacks etc. dazu. Da sieht man schon, in welche Richtung das gehen kann. Aber haben eben klein gestartet in Münster, das mal getestet. Dann sind sie auf skeptische Augen und Ohren gestoßen. Wenn Münster funktioniert, heißt das ja noch nicht, dass es überall funktioniert. Dann haben sie sich eine Stadt wie Köln rausgesucht, wo einfach auch die Verkehrsbetreuung andere sind, haben da einen Piloten gestartet, sind da ganz gut durchgekommen, dann haben sie jetzt die große Finanzierung bekommen und rollen das bundesweit aus. Und was mich eben fasziniert an dem Modell ist wirklich, sie machen sich nicht einfach. Also sie bauen wirklich eine komplett eigene Infrastruktur auf, was auch heißt, in jeder Stadt, in der sie neu starten, muss alles von Beginn an schon da sein. Also Sie können jetzt nicht sagen, wir starten mal langsam mit wenigen Kunden und gehen da rein. Nee, die müssen mit einer gewissen Flotte da sein, die müssen ihre Läger haben, die müssen auch entsprechendes Marketing machen, sodass sie relativ schnell in den Markt kommen. Das Zweite, was mich fasziniert, ist das Feedback kundenseitig. Wenn man mal in Köln ist oder in Städten, wo Flaschenpost ist oder auch, ich habe Reaktionen auf meine Beiträge auch gesehen in den Kommentaren, immer positives Feedback. Ja, nutzen wir. Ja, ist doch toll, mal schnell sich das Ding ins Büro liefern zu lassen etc. Und also alle sind relativ begeistert, was man auch sehr selten hat in dem ganzen Startup-Bereich.
Alexander Graf: Ich würde gerne mal eine Frage einwerfen an Jochen, weil das Thema Vertikalisierung ja auch bei Ocado einer der erfolgskritischen Punkte ist. Und wir kommen ja nicht aus einer Zeit, aber grundsätzlich sind viele Modelle groß geworden in der E-Commerce-Generation 1.0-Phase. in dem sie stark kollaboriert haben. Logistikdienstleister hier, ganz viel Dropshopping, sozusagen um das Angebot zu erweitern. Dann hier noch ein Paymentdienstleister, also im Grunde genommen ein großes Partner-Ökosystem. Jetzt hast du ja zwei Beispiele, wir kommen nachher nochmal zum dritten, bei dem explizit die Erfolgsfaktoren unter anderem darauf basieren, dass man alles unter Kontrolle hat. Lager, Ware, Auslieferungen, Kundendaten, Technologie. Bei Flaschenpost fehlt ja quasi nur noch, dass sie ihr eigenes Wasser abfüllen. Ansonsten ist es ja komplett vertikal, aber sie werden sicherlich das Warenrisiko haben. Also da wird es nur Just-in-Time-Lieferungen geben. Ist das zukunftsgerichtet? Also ist das quasi ein Erkennungsmerkmal dieser Generation 2.0 erfolgreichen Modelle? Also geht ja genauso für Zalando und About You. Die sind ja gerade deshalb erfolgreich im Kern, weil sie stark vertikalisieren. Geht auch für den Wayfair versus Home24, sehr vertikal, eigene Lager. Geht auch für den AO, Servicegeschäft versus Mediamarkt. Ist das für dich ein Muster?
Jochen Krisch: Nein, also ist es für mich die Kür. Ich glaube, dass wir jetzt sehen, wie optimale Lösungen aussehen können. Davor war man eher so der Meinung, man nutzt das, was da ist. Und da sieht man aber leider, dass die Dienstleister nicht mitgehen. Also die versuchen sehr lang mit Bordmitteln zu arbeiten und nicht optimale Lösungen auf die Beine zu stellen. Ich finde das sehr interessant, jetzt bei DAL zu beobachten, die vor zehn Jahren sich eine Strategie gegeben haben und sehr klar erkannt haben, was eigentlich die Zukunftsmärkte sind, auch im Food-Markt. Und eigentlich dann sehr intensiv auch überlegt haben, wie sie Food-Services, also in dem Fall Logistik-Services, auf die Beine stellen, aber da auch immer mit Bordmitteln gearbeitet haben. Also dann ging es halt eher darum, wie verpacke ich Food in Pakete oder in eine Art von standardisierten Behältern und schicke das zum Kunden. Aber jetzt nicht das Thema neu gedacht haben. Und das ist natürlich komplett wieder zurückgebaut worden. Also das hat so nicht geklappt und klar nutzen bestimmte Anbieter das aber eh so als Zusatzdienst, um eben Nachfrageschwankungen auszugleichen. Aber das ist nicht eine Infrastruktur, die ideal ist für den Markt.
Alexander Graf: Aber bleiben wir mal kurz bei dem Wort Kür. Also was wir doch jetzt gerade sehen, ist doch, dass eigentlich nur noch die Kür ausreicht, um überhaupt am Markt erfolgreich zu werden, akzeptiert zu werden. Also das Standardmodell, also sehr horizontale Geschäftsmodelle zu bauen, das reicht nicht. mehr aus, um sich in einem intensiven Wettbewerb durchsetzen zu können. Also es überleben ja immer nur die Top 5 Prozent oder haben eine Chance, überproportional am Markt zu wachsen. Das obere Drittel wächst so ein bisschen mit und das untere Drittel wird schon am Markt verdrängt. Und ich überlege mir gerade, was würde ich jetzt einem Gründer sagen oder vielleicht einem großen Unternehmen, was etwas Neues aufbaut, wenn es über ein neues digitales Geschäftsmodell nachdenkt. muss ich dann mittlerweile sagen, ja, die Idee mit dem MVP ist gut, aber wir müssen die eigentlich so schneiden, dass du in einer Stadt oder in einem Markt die Wertschöpfungskette komplett beherrschst, um dieses Service-Niveau kundengerecht zu liefern. Deswegen ist quasi aus der Kür ist ja Standard geworden.
Jochen Krisch: Da stimme ich dir jetzt hundertprozentig zu in der Ausrichtung von den Anbietern. Aber diese Modelle ermöglichen ja dann wieder on top neue Chancen. Also wir haben es bei den Marktplatzmodellen gesehen, dass es eben spezialisierte Marktplatzhändler gibt, die das machen. Genauso bieten solche jetzt, ich nenne es bewusst wieder Infrastrukturprovider, eben die Möglichkeit zu sagen, okay, das ist nicht mein Bestreben, da irgendwie eine Infrastruktur aufzubauen oder zur Technologie. Ich bin gut bei Produkten, ich bin gut in der Kundenansprache. Das ist das, was mich auszeichnet. Deswegen, ich kann ja schon auf Basis dieser Infrastruktur wieder neue Modelle entwickeln. entwickeln und die vorher einfach gar nicht möglich gewesen wären. Und ich glaube, das ist so die nächste Stufe, die man sieht. Das ist auch nicht alles einfach. Also ich glaube, wir haben hier auch schon eine Marktplatzausgabe gemacht, aber haben das immer wieder gemacht. Auch die Schwierigkeiten jetzt für einen Amazon-Marktplatzhändler oder einen eBay-Marktplatzhändler sind ja auch groß und da ist eine ganz andere Dynamik da. Aber das sind andere Qualitäten, die man da ausspielen kann. Also ich glaube, es braucht im nächsten Schritt diese Küranbieter, die das machen. Und dann sehen wir sozusagen die nächste Welle, die darauf aufsetzt. Aber ich würde jetzt nicht von jedem Startup, Gründer etc. erwarten, dass er sich wirklich darüber Gedanken macht. Also die, die wirklich ambitioniert unterwegs sind, die machen das. Und da ist für mich im Flaschenpost so ein Beispiel, weil ich mir denke, das ist ja Irrsinn. Also ihr könntet es euch ja auch leichter machen und könntet die bestehenden Getränkedienste nehmen, die vernetzen und quasi wirklich so ein Lieferando für den Getränkemarkt werden. Das wäre auch schon ein Service und bestimmte Anbieter machen es ja auch in die Richtung. Ich glaube Durst ist das Beispiel, das in den Weg geht. Aber also das eine führt zum anderen. Mich interessieren natürlich gerade die, weil die ermöglichen neue Marktchancen, neue Geschäftsmodelle, also diese starken Geschäftsmodelle. Aber wenn ich mir den Gesamtmarkt ansehe, bin ich da nicht so pessimistisch. Also es muss nicht jeder zum Infrastrukturprovider werden.
Joel Kaczmarek: Ich meine, was ja so an der Historie bei Flaschenpost auch ganz interessant ist, wenn ich mich richtig entsinne, haben die ja eine ganze Zeit lang ihr Geschäft sogar stillgelegt und sich erstmal sauberer aufgestellt. Ja, also wenn ich es richtig erinnere, kam ja auch der David Kadil, damals von Idaling, jetzt mit seinem Sunshine Smile unterwegs und hat quasi bei ihrer Finanzierungsrunde sozusagen ein bisschen Know-how aus Berlin mit reingegeben. Und damals habe ich auch schon so mitgekriegt, wie viel Skalierungspotenzial in diesem diesem eigentlich so, wie soll man sagen, langsamen Geschäft drin steckt. Und man denkt ja eigentlich, du musst so Stadt um Stadt für dich erkämpfen und musst quasi Lieferflotte aufbauen und die ganze Logistik, was wir gerade gesagt haben. Und es war aber überraschend, wie viel Geld da drin steckt und dass man es schafft, obwohl man so eine harte Pause macht, da dann trotzdem wieder ganz schnell auf Flughöhe zu kommen. Das fand ich überraschend. Und da war es ja das Zweite, was interessant ist, und da sind wir ja fast ein bisschen in der Picknick-Richtung, ist ja, was ihr beide, glaube ich, auch mal ganz gut findet, wenn man Geschäfte sozusagen neu denkt. Und Flaschenpost war für mich gefühlt der Erste, der der das ganze Thema Lieferdienst von Getränken anders gedacht hat. Also gar nicht großartig, wie du es jetzt gesagt hast, Marktplatz, ich zeige dir einfach auf, welche Dienste es gibt und ich vermittle dir das, sondern zu sagen, okay, 120 Minuten Lieferzeit, du bestellst in 120 Minuten, hast du das da. Pfandflaschen werden mitgenommen, Getränke auf dem Preislevel von Supermarkt. Also viel so in der Ansprache, was irgendwie den Kunden eigentlich anspricht oder was er attraktiv findet, wenn er online gucken will. Und wenn man sich mal so umschaut, Ein Durstexpress, was ja, wenn ich mich nicht täusche, zu Oetker Digital gehört, macht es ja mittlerweile ähnlich. Man staunt da nur über welche Märkte. Die machen das ja teilweise in Berlin oder in Leipzig. Also da ist das ein bisschen wie ein Weihnachtsgeschäft bei den Lebensmittelhändlern. Wenn in Berlin der Sommer ist, dann kannst du auf dein Durstexpress oder andere Getränkelieferungen potenziell lange warten. Aber den Faktor fand ich eigentlich ganz interessant, dass ein Flaschenpost hingegangen ist und hat die Bestellart eigentlich neu gedacht.
Jochen Krisch: Die Ambition finde ich das Spannende an Flaschenpost, aber genau auch das, was du jetzt auch beschrieben hast, wie sprechen sie die Kunden an und wie machen sie es dem möglichst einfach. Also das Kundenversprechen ist im Grunde natürlich erstmal auch ihr Sinn, das hinzubekommen und das so zu strukturieren, dass es dann auch im Operativen so klappt. Das klingt ja im Theoretischen einfacher, als es in der Praxis dann ist. Also das finde ich und Sie vertreten auch die Auffassung auf der K5 kurz, dass Sie sagen, Getränke ist ein viel besserer Einstieg in das Lebensmittelthema als andere Themen, weil das ist wirklich ein Problem, was man löst. Niemand will Getränkekisten schleppen, niemand will sich da das Leben schwer machen und deswegen sagen Sie, Sie haben da viel leichteren Marktzugang in dem Bereich und tun sich dann auch leichter zum Beispiel in andere Kategorien zu gehen und andere Themen entsprechend auch anzugehen.
Joel Kaczmarek: Was glaubt ihr, wo geht der Markt hin? Also ich versuche mal so ein bisschen vorzustellen, wie sich das entwickelt. Man kriegt so mit, es gibt jetzt so diese Getränkeschlacht. Also Durst Express hat ja glaube ich auch in Berlin zum Beispiel unterschiedliche Player einfach aufgekauft, zusammengeführt. Man hat aber die gleiche Problematik wie bei Food auch. Du musst dann die Fahrer finden, du musst halt irgendwie die Logistik auf die Beine gestellt bekommen. Was glaubt ihr, wo das Spiel hingeht? Ist das so, dass jeder Anbieter Stadt für Stadt für sich erschließt und dann wird irgendwann konsolidiert oder es gibt einen Zusammenschluss? Was glaubt ihr, wo sich das entwickelt?
Jochen Krisch: Naja, ich glaube auf jeden Fall, dass wenige übrig bleiben. Also man sieht jetzt, in Hannover gab es auch Berichte dazu, wo sie gegeneinander antreten, wo das wirklich dann ein Kampf ist. Aber im Prinzip ein bisschen so, was im Lieferheld-Lieferando-Modus passiert ist, dass am Ende dann der Stärkste überbleibt und dem der Markt in dem Geschäft gehört, also beziehungsweise mit dem Modell gehört. Also ich glaube ja eher an Wettbewerb der Geschäftsmodelle, als an unterschiedliche Anbieter mit demselben Geschäftsmodell. Also irgendwann kann vielleicht auch ein Picknick gegen einen Flaschenpost antreten, also Kann ich mir gerade nicht so vorstellen eins zu eins, aber so sehe ich den Wettbewerb eher. Deswegen ja auch dieser Kraftakt jetzt. Also jetzt wird mit aller Gewalt das skaliert und ausgerollt bundesweit, sodass man einfach dann entsprechend auch da ist. Ein bisschen so ähnlich wie Flixbus das gemacht hat mit seinem Thema, dass man halt dann irgendwann entweder aufkauft, zukauft oder selber so stark ist, dass eben ein Postbus oder andere entsprechend aufgeben. Deswegen, ich finde es auch faszinierend, was du am Anfang gesagt hast, diese Skalierung oder dass man eben auch sieht, so ein lokaler Markt tickt halt anders, als wenn man es dann in eine große Stadt bringen muss und wenn man es dann bundesweit ausrollen muss. Also ich glaube, das ist auch das, was ein Flaschenpost gerade an Erfahrungen sammelt, dass halt jede Stadt dann doch wieder anders tickt. Die einen haben Verkehrsprobleme, die anderen sind eben weit gestreute Städte. Ich glaube schon, das ist ein großer Unterschied, ob du in Berlin oder in Köln das Thema angehst. Das ist dann schon nochmal eine andere Herausforderung. Aber also so wie ich das jetzt verfolge, ist das ein Team, dem ich das zutraue. Und deswegen finde ich es immer auch spannend, da relativ früh drüber zu sprechen.
Alexander Graf: Plattformen im Netz streben ja immer Monopole an. Also erst dann kann man richtig schön Geld verdienen. Und in diesem Fall ist natürlich spannend, weil nicht ganz klar ist, von wem ich in Zukunft überall meine Getränke auch beziehen kann. Das könnte ja auch der örtliche Rewe sein, der auch mitspielt in diesem Spiel. Aber bei stark finanzierten Modellen, wie zum Beispiel der Flaschenpost, wird es schon so sein, dass sie eine Situation anstreben müssen, bei der sie nicht mehr mit Marketinggeld um Neukunden werben bzw. die Bestandskunden bei sich halten, also dann in so eine Rabattschlacht reinkommen. Und das führt zwangsläufig irgendwann entweder zum Ausscheiden der Teilnehmer, die sich das nicht mehr leisten können, oder zu einer Konsolidierung. Also es geht gar nicht anders. So funktionieren bisher alle Plattformmodelle. Es kann auch regionales Monopol sein. Also in diesem Fall, wo man halt so eine starke Infrastruktur braucht vor Ort, kann es durchaus sein, dass es einen Anbieter gibt, der sich in München etabliert, der vielleicht nicht in Berlin und Leipzig aktiv ist. Aber grundsätzlich ist es schon so gegeben, insbesondere weil so viel Geld im Markt ist, dass man versucht, immer eine Monopolsituation anzustreben.
Joel Kaczmarek: Ja, und es ist wirklich beeindruckend, wie das in dem Bereich funktioniert. Weil ich erinnere mich, als wir hier in Berlin mal 33 Grad hatten, Flaschenpost gibt es noch nicht, Durst Express liefert nicht, weil irgendwie überlastet. Du findest gar keine Alternativen, ja. Dann sitzt du auch immer da und denkst so, scheiße, jetzt muss ich in den Markt fahren, was ist denn das? Also auch so ein Hoffmann Bringts zum Beispiel, was es ja hier in Berlin noch gibt, die liefern es nicht am Samstag. So, wenn du dann Samstag im Sommer irgendwie Richtung Abend bist, dann gehen echt die Lichter aus, was Online-Verfügbarkeit von Getränken angeht, ja. Das ist schon interessant und interessant. Wenn man sich mal selber beobachtet bei solchen Diensten, man hat, glaube ich, so eine Bestellquote von, weiß ich nicht, roundabout 15 Bestellungen vielleicht pro Jahr. In der Tat muss man nicht mehr bei Marketing eingefangen werden. Also die Wiederbestellquoten sind gut. Wenn dann noch ein bisschen was am Service gedreht wird, weil ich finde es zum Beispiel manchmal ärgerlich, wenn ich einen Samstag nicht liefern kann, weil ich voll bin, dass man keinen Sonntagsslot angeboten kriegt oder Montag oder Dienstag. Dass es immer in diesen zwei Stunden sein muss, dass man nicht sagen kann, okay, kann ich vielleicht alternativ auch Dienstag um vier, weil das würde ja eigentlich die Routenplanung erleichtern. Aber sowas wird ja garantiert kommen. Vor dem Hintergrund hast du da, glaube ich, ein spannendes Beispiel ausgesucht, lieber Jochen. Und wir switchen mal zu deinem letzten, also deinem amerikanischen Geheimtipp, der zwar groß im Umsatz ist, aber hierzulande vielleicht nicht jedem bekannt. Kannst du noch mal kurz beschreiben, was yummy.com genau ist, was es macht im Detail und warum du es interessant findest?
Jochen Krisch: Mein exotisches Beispiel, aber halt spannend, weil yummy ist ein lokaler Food-Lieferdienst in Los Angeles, was ich in nur in Klammern sage, weil ich glaube, es gibt durchaus auch andere Märkte, es muss ein bisschen höherpreisig möglich sein, aber der eben aus eigener Kraft entstanden ist, der, ich habe es am Anfang gesagt, ohne Ahnung und ohne Geld quasi das aufgebaut hat und das Thema Lebensmittel komplett neu gedacht hat. Und was die machen, und das ist wirklich ein sehr begrenzter, ist eigentlich nur ein Viertel von Los Angeles oder mehrere Viertel, die expandieren da so Schritt für Schritt, dass sie da ihre Dienste anbieten, super schneller, halb Stunden, maximal Stunden Lieferservice, man Daran schon erkennen, dass sie nicht auf große Lieferfahrzeuge setzen, sondern auf kleine, eher Kombifahrzeuge. Sehr präsent da. Ihre Fulfillment Center in Anführungszeichen sind sehr überschaubar. Also die haben da eher lokale, kleine Filialen eröffnet, von denen sie das ausmachen und haben das eben aber durchaus auf ein spannendes Niveau skaliert. Also mehrere hundert Millionen für so einen lokalen Markt ist auch ein Umsatzniveau. Und das ist, finde ich, auch der Reiz des ganzen Food-Geschäfts, dass man auch in kleineren Strukturen denken kann und dann doch in Umsatzdimensionen kommt, wo sich es dann wieder rechnet. haben einerseits ihre Yami.com-Marke, wo sie diesen Lieferservice anbieten und haben daneben noch Cosmo.com, eine Marke, wo sie übergreifender agieren, wo sie auf Preis setzen. Und je nachdem, welche Zielgruppen sie ansprechen wollen, haben sie mal den einen Hebel, mal den anderen Hebel. Und das Interessante finde ich auch, dass sie sehr klar sagen, wir wollen nicht der Supermarkt oder der Lebensmitteldienst für jeden sein, sondern wir wollen für die da sein, die schnell ihre Lebensmittel brauchen. Und auf das haben sie das auch optimiert und die Struktur gebaut und es floriert. Also es gibt ganz wenige Berichte immer darüber, weil wenn sie kein Geld brauchen, müssen sie auch nicht an die Öffentlichkeit gehen. Aber A sind sie sehr präsent, B finde ich auch, dass das Geschäftsmodell trägt sich. Und interessant wurde es für mich dann, als sie jetzt so in letzter Zeit neue Refinanzierungsmodellen, nenne ich es jetzt mal, gestartet haben. Also sich überlegt haben, wie können die Kosten geteilt werden oder von anderen übernommen werden. Und dann haben sie eben zwei Richtungen eingeschlagen, die ich spannend finde. Das eine ist, der Vermieter kann das in seinem Paket quasi anbieten. Du bekommst die Wohnung mit Lebensmittelservice und dann wird eben die Zustellkosten entsprechend übernommen. Oder PERC nennen sie das. Du kannst es quasi vom Arbeitgeber finanzieren lassen. Du kannst es vom Verein, von Freunden, je nachdem wen du findest, refinanzieren lassen, also als Geschenk bekommen. und hast dann quasi eine bequeme Methode, um deine Lebensmittel regelmäßig zu bekommen. Und das finde ich eben spannend. Und das findet man eher bei so kleinen Anbietern, dass die kreativ sind, weil das ist ja wirklich eine Problematik. Wer trägt die Kosten und dann Lösungen entwickeln, finde ich, von denen man durchaus was lernen kann und sich was abschauen kann. Weil das sind Modelle, wenn wir jetzt Richtung serviceorientierte Modelle denken, was da näher dran ist, als wenn ich sage, ich habe nur ein Produkt und muss das zum Kunden bringen. Sondern im Grunde ist für mich so ein Beispiel Flaschenpost im Grunde auch ein Service-Modell. Du bietest einen Lebensmittelservice an und der muss entsprechend refinanziert werden.
Joel Kaczmarek: Wenn ich es jetzt aber richtig verstehe, ist ja at Yamil.com sozusagen auch eigene Läden. Also du kannst in den Supermarkt vor Ort gehen oder dich von ihnen beliefern lassen, richtig?
Jochen Krisch: Ja, genau. Und die sind super enttäuschend. Man denkt sich immer, die müssen groß sein oder da muss ein bisschen Auswahl da sein, sondern die haben ein sehr beschränktes Sortiment auf sehr beschränktem Raum. Das ist im ersten Moment sehr enttäuschend, dass man denkt, damit kann man tatsächlich so einen Lieferdienst machen, aber die beschränken sich auf bestimmte Produkte, die man braucht im Rahmen so eines Services und das bieten sie an und das ist es halt auch. Genau, also die haben aber nicht viele, vier, fünf werden das sein. Also für jedes Viertel, in dem sie aktiv sind, haben sie so einen kleinen Laden, den sie auch so betreiben und haben dann noch zusätzlich ein zentraleres Lager, was eher so klassische Supermarktgröße haben dürfte.
Joel Kaczmarek: Und glaubt ihr, dass sich unsere deutschen Supermärkte davon was abgucken könnten? Weil ich meine, die ganzen Revis, Edikas, Nettos dieser Welt haben auch alle fleißig Filialen und könnten eigentlich was ähnliches machen. Bisher ist ja immer so dieser Widerspruch. Also funktioniert das wirklich, quasi Lieferungen von Supermärkten basierend auf lokalen Vor-Ort-Märkten aufzubauen? Kann das ein Modell sein? Zeigt das hier das, dass das funktionieren kann? Oder ist das wirklich dieser Twist, den du gerade gesagt hast, dass die eher so Von der anderen Seite her denken, was ist das Minimum, was ich bestellt haben möchte und auf deren Basis mir einen Marktaufbau vor Ort.
Jochen Krisch: Ja, ja, so ein bisschen aber auch, dass sie ihre Kunden halt kennen. Hamburger Nobelviertel oder Münchner Nobelviertel oder Berlin-Nobelfiertel oder so, das wären jetzt prädestinierte Yummy-Gebiete, wenn man jetzt ein ähnliches Modell aufbauen würde. Aber worum es mir mehr geht und da ist eigentlich auch Picknick ein gutes Beispiel inzwischen, dass man auch lokal diesen Lebensmittelmarkt bedienen kann und aufbauen kann. Man könnte sich einen Berliner Modell überlegen, einen Münchner Modell überlegen, einen Kölner Modell in dem Sinne. und könnte von da aus dann den Markt erschließen. Also das sind auch die beiden Facetten, die ich interessant finde, eine spezielle Zielgruppe anzusprechen und den lokalen Markt zu bedienen.
Joel Kaczmarek: Wie siehst denn du das, Alex? Du bist ja auf dem Land, darf man ja sagen. Also du berichtest uns ja immer fleißig von Kiel. Ich habe so aus anderen, eher kleineren Regionen gehört, dass die genau solche ähnlichen Ansätze auch haben, dass sie teilweise in ihren Supermärkten irgendwie online oder teilweise sogar per Telefon sich quasi schon ihre Shoppingbags irgendwie zusammenstellen lassen können und dann nur abholen oder dass sie die auch liefern, wenn es zum Beispiel ältere Menschen sind. Kann Jami so ein Modell sein, was in den nicht ganz so urbanen Gegenden vielleicht auch zum Beispiel gut funktionieren könnte, als Ersatz für so großes Zentrallager, riesiger Aufbau?
Alexander Graf: Total, ja. Also wenn man mal guckt, was hier auch so lokale Händler, sei es jetzt irgendwie der Schlachter zwei Dörfer weiter oder auch der Edeka, der hier vor Ort sitzt, was die anbieten. Da kann ich heute anrufen und mir das schon zusammenstellen lassen. Das passiert eher auf einer Vertrauensbasis, weil sie mich kennen oder weil ich weiß, dass ich da hinkomme. Die sind halt nicht in der Lage, das in ein digitales Interface zu überführen. Ja, daraus irgendwie einen Service zu machen, der mich dann per E-Mail reminded und vielleicht da irgendwelche bestimmten Prozesse hinterlegt, das können sie nicht. Aber die Kunden sind das gewöhnt von früher, weil das ist ja das, was wir heute sehen als Service, dieses Milkman-Principle, was ja auch Picknick sagt. Das gab es ja früher schon. Ja, den konnte man anrufen, den hat man einfach, als er vorbeigefahren ist, den Milchkasten abgegeben, hat er gesagt, nächste Woche bitte nicht, aber übernächste Woche wieder. Ja, da gab es quasi schon diese Art von Datenerhebung, aber eben nicht digital. Und da gibt es eine riesige Nachfrage für und das würde so super funktionieren, also fantastisch. Wahrscheinlich sogar besser als auf dem Land, als in der Stadt, weil man eben nicht das Drop-off-Problem hat. Man kann es einfach vor die Haustür stellen, wenn es jetzt nicht unbedingt ein Tiefkühlprodukt hat und weil die Fraudquote einfach viel geringer ist. Also die Leute, die hier im Haus wohnen, die sind doch die, die da wohnen. Da gibt es nicht 20 Klingelschilder. Deswegen funktioniert es, glaube ich, auf dem Land oft noch viel besser. Und da werden wir, glaube ich, auch noch eine ganze Menge Dienste sehen in Zukunft.
Jochen Krisch: Ist halt so ein bisschen Hände-Ei-Problem, denke ich, weil im Grunde die Tools und die Lösungen nicht da sind. Also von so einem kleinen Anbieter kann man das nicht erwarten. Deswegen ist Telefon mit Notizblock wahrscheinlich die ideale Methode in dem Bereich. Aber angenommen, es gäbe das, dann würde sich das, glaube ich, auch weiterentwickeln und schneller entwickeln, weil diese Service-Einstellung da einfach noch mehr da ist. Aber da bin ich optimistisch, also bedingt optimistisch, sage ich mal, dass wir da schnell in die Richtung kommen, weil ich glaube Es ist ja immer bloß immer eine Digitalskepsis da, dass man sagt, da kommen jetzt die bösen Onliner oder die bösen Anbieter in den Bereich. Aber im Grunde das Grundverständnis, um das es ja geht, und das lernen ja zum Teil Onliner auch jetzt erst, dass es eben nicht nur Technologie ist, sondern dass es eben auch eine Kundenansprache ist und ein entsprechendes Serviceverständnis. Das haben die bestehenden Anbieter ja zum Teil verstärkt, also gerade die kleineren Anbieter. Deswegen ist es nur die Frage, ob das schnell genug kommt, sodass die noch da sind und dann auch davon profitieren können.
Alexander Graf: Ich habe mal ein Beispiel hier für die lokale Lebensmittelinfrastruktur auf dem Dorf. Das Dorf, auf dem ich wohne, ist übrigens nicht Kiel. Kiel ist ja hier die Großstadt. Das ist ja quasi das Münster Schleswig-Holsteins, kann man quasi sagen. Ich wohne ja wirklich auf einem Dorf und unser Hofschlachter, der auch unsere Rinder schlachtet, der baut sich jetzt einen Fleischautomaten. Im Grunde genommen einen großen Lieferautomaten. Das ist ein riesiges Ding. Da kannst du dann auch nach den Schließzeiten und am Wochenende kannst du dann dort entweder deine vorbestellte Lieferung abholen. Ja, man sagt sozusagen, da schafft es quasi während der Arbeitszeiten nicht. Oder quasi wie in einem Getränkeautomat halt sagen, hier, ich möchte einen Kilo Rumsteak haben. Das kommt dann aus einem Automat rausgefallen. Das ist halt eine Lösung, da denkt quasi in der Stadt niemand drüber nach, weil man braucht dafür auch relativ viel Fläche und die Öffnungszeiten sind zu groß. Aber auf einem Dorf ist halt jeder Anruf, den der Schlachter bekommt nach 16 Uhr, wo er Feierabend machen will, das nervt ihn halt. Dann überlegt er sich, was er macht und dann baut er sich jetzt so einen Fleischautomat. Der soll in den nächsten Wochen in Betrieb gehen. Ich kann ja mal ein paar Fotos machen für Twitter, wenn er da live ist. Aber das ist eigentlich ein sehr schönes Modell, finde ich.
Jochen Krisch: Das möchte ich auf jeden Fall sehen.
Alexander Graf: Da kann ich vielleicht ein bisschen was dazu sagen, weil ich schon mit vielen dieser regionalen Anbieter in Kontakt war und auch mit vielen Startups, die da versuchen, ob das jetzt die örtlichen Gemüsekörbe sind von den Bauern oder von anderen Anbietern, das zusammenzutragen. Es ist total schwer, zu diesem Niveau zu kommen, bei dem man daraus ein eigenständiges Business macht. Wenn man das Bootstrap startet, muss man extrem viel Reiseaufwand, extrem viel Gespräche führen, ganz viele Leute überzeugen, die es insbesondere in diesen Zeiten oft gar nicht nötig haben, konjunkturell so einen Dienst zu machen. Und daran scheitern die meisten Dienste. Also es gibt, glaube ich, ganz, ganz viele Ansätze, ganz viele Ideen, wo genau dieser Bedarf auch erkannt worden ist, auch von Startups, wo es vielleicht zwei, drei Kooperationspartner gibt. Das können örtliche Supermärkte sein, das kann ein Schlachter sein, das kann ein Bauer sein. Aber bis man das auf ein Niveau gehievt hat, bei dem man davon vielleicht leben kann, vielleicht zwei, drei Mitarbeiter bezahlen kann, das dauert halt sehr lange Und in der Zeit ergeben sich schon viele andere Optionen, sodass dann diese Modelle dann wieder schleifen gelassen werden. Also das ist tatsächlich so ein bisschen so ein Henne-Ei-Thema. Und wenn du jetzt ein Investor wärst, Joel, und zu dir kommt jetzt jemand und sagt, hey, ich habe eine super Idee, ich kenne hier 20 Bauern in Münster und fünf Supermärkte, da wollen wir jetzt hier das Ei-Abo machen. Ja, sozusagen für nachhaltige Eier. Und jeden Tag ist der deutsche Haushalt im Schnitt vier Eier. Mega Geschäftsmodell. Und du sagst ja auch, okay, zeig doch mal, dass das funktioniert. Und bis es dann mal funktioniert, dadurch, dass man diese vertikale Infrastruktur braucht, jemand muss da die Leute immer anrufen, dann ist mal jemand krank, dann gibt es mal Urlaub, dann ist ein Huhn tot. Ja, es gibt halt verschiedene Faktoren in diesem Modell. Das ist einfach eine relativ hohe Barriere.
Joel Kaczmarek: Aber dann ist so ein bisschen mein Learning jetzt aus Yami.com, dass es eigentlich interessant sein könnte, eher ein Lieferando für kleine regionale Supermärkte aufzumachen, dass man denen quasi so eine Art Infrastruktur auf technischer Ebene bereitstellt, dass sie Kundenbestellungen entgegennehmen können und entweder verschicken durch einen Dienst, das wäre dann so eher das Foodora-Pendant im Supermarktbereich. Oder dass man es halt abholen kann, oder? Also warum passiert das denn so wenig, dass es da Technologisierung gibt in Richtung von so einem Yummy, dass man sagt, regionaler Supermarkt kann dir seine Sachen schon zusammenstellen, echtes Zeitersparnis und so weiter, hat Planungssicherheit. Warum gibt es da bisher so wenig?
Jochen Krisch: Also ich glaube, wo das zumindest ein bisschen ansatzweise funktioniert und in die Richtung geht, ist im ganzen Weinhandel. Wein vom Winzer oder von der Quelle und die Modelle, die da entstehen, das ist jetzt nicht unbedingt lokal und regional, aber im Prinzip hat es dieselben Herausforderungen, dass man eben versucht, mit den lokalen Anbietern auf ein gewisses Niveau zu kommen und das dann als Marktplatz anzubieten. Ich muss gerade dann denken, wo es Alex beschrieben hat, so diese ganze Marktplatzwelle, regionale Marktplätze, die es gab. Im Prinzip der Denkfehler da drin ist, wir machen quasi regional das nächste Amazon und dann wird alles gut, aber nur auf Marktplatzebene mit klassischen Händlern. Ein Service-Marktplatz wäre in irgendeiner Form mit genau diesen Anbietern, was Alex jetzt sagt, die Metzger, die Bäcker, die irgendwelche Dienstleistungen noch oder Besonderheiten anbieten können. Glaube ich, dann wäre das viel, viel versprechender. Aber ich bin voll bei Alex. Das ist einfach, bis sich das rechnet und bis man das entsprechend so hinbekommt, das ist eine große, große Herausforderung.
Joel Kaczmarek: Gut, sagen wir vielleicht eins, zwei Sätze zu den Service-Faktoren, die Jochen auch angesprochen hat. Also der Gedanke zu sagen, mein Vermieter oder mein Arbeitgeber zahlt quasi für meine Einkäufe oder meine Supermarkt-Flatrate. Interessanter Gedanke. Beobachtet ihr sowas öfters und kann sowas funktionieren, wenn man mal so um die Ecke denkt? Oder ist sowas vielleicht manchmal auch einfach zu exotisch, dass es deswegen nicht passiert? Also fragt man sich ja manchmal, warum man diese klassischen Pfade nicht viel öfter verlässt als gerade digital orientierter Player.
Jochen Krisch: Ja, für mich ist das der einzige Weg. Also deswegen bringe ich das ja als Beispiel. Wir haben auch eine komplette Exchanges-Ausgabe zu Yami.com gemacht, weil wir es so spannend fanden. Das ist ja immer die Krux, dass alle nur sagen, ja, entweder der Kunde zahlt es oder der Händler zahlt es. Vielleicht zahlt es noch der Hersteller, wenn man irgendwelche Modelle findet, dass man da kreativer wird. Und ich glaube, das ist für mich alles, was jetzt unter Service-Economy in irgendeiner Form fällt. Da fallen Apple-Modelle rein, da fallen die ganzen Share-Services rein. Die Leute werden ja jetzt in diese Richtung erzogen. Mietmodelle und was es alles gibt in dem Bereich, die werden aber immer sehr rasterartig betrachtet. Dann ist eben das Modell und in dem Modell ist das möglich. Aber ich glaube, im Prinzip jedes Handelsmodell hat die Möglichkeit, in irgendeiner Form Servicekomponenten drüber aufzusetzen und entsprechend andere Geschäftsmodelle zu entwickeln. Und ich glaube, da der Kundenzugang und die Kundennähe so wichtig ist, ist das auch der Denkansatz, dass man überlegt, okay, was ist die Hürde für den Kunden? Also erstmal, was ist das Serviceversprechen? Warum funktioniert es gut? Und was ist die Hürde? Und wie entschärfe ich diese Hürde? Und Ich könnte mich da sehr begeistern, wenn ich dann so ein Yami.com sehe und das ist wirklich komplett quer gedacht und im ersten Moment sehr absurde Lösungen, die auch dabei sind. Aber das sind Test Cases und so ist ein Yami.com zum Beispiel groß geworden und man hangelt sich dann eben so Schritt für Schritt voran. Und ich würde mir wünschen, dass das auch andere machen. Witzigerweise in Amazon macht es ja auch in dem Modell, die testen ja auch alles mögliche und dann ist eben ihr Dash. Modellen einen Flop, weil sie es so nicht hinbekommen. Aber auch da sehr viel kreativer und ich glaube eben auch, das kann man auf kleinerem Niveau viel intensiver betreiben und muss sich dann nicht so von den gelernten Modellen leiten lassen, die halt zu bekannten Ergebnissen führen.
Joel Kaczmarek: Alex, du bist doch immer der Innovationsverfechter. Siehst du das ähnlich?
Alexander Graf: Die Frage ist ja, wie misst du Erfolg oder wann ist es erfolgreich? Es gibt, glaube ich, eine ganze Menge Modelle, die wir nicht kennen, die wahrscheinlich auch regional gut funktionieren, die zwei, drei, vier Mitarbeiter haben, aber die es nie über unsere Wahrnehmungsstelle hinaus schaffen. Ich glaube, in unserem kleinen Ökosystem, in unserer Blase werden nur Modelle honoriert, die es auch schaffen, dann auf einem, muss jetzt ja nicht Picknick- und Ocado-Niveau sein, aber Flaschenpost, das reden wir jetzt quasi so als kleines Start-up oder als kleines Business, da stecken Dutzende Millionen drin. Das sind quasi Größenordnungen, die so in der ersten E-Commerce-Zwelle, die hätten quasi über Jahre Bestand gehabt als quasi größte Investition ever. Deswegen ist das, glaube ich, so ein bisschen eine Frage, was wir als Innovation akzeptieren und was wir da betrachten. Ich denke schon, dass es insbesondere in diesem Bereich Lebensmittel, also auf Yamio und Ocado spezifizieren, glaube ich, noch unfassbar viele Nischen gibt und unfassbar viele Services, die jetzt erst entstehen, weil die technologischen Grundlagen dafür da sind. Das muss jetzt nicht das automatische Schlüsselsystem sind, was Amazon jetzt da zugrunde legt. Deswegen freue ich mich auch, wenn so ein Picknick und ein Flaschenpost einmal dieses Plattformniveau erreicht haben und anfangen können, ihre Services dritten zur Verfügung zu stellen. Dann sehen wir, glaube ich, erst die nächste Welle der Gemüsekorb-Innovation, dieser regionalen Konzepte. Und dann bekommen wir, glaube ich, als Endkunde nochmal ganz, ganz andere Dinge zur Verfügung gestellt, die uns jetzt die REWE- und EDEKA-Infrastruktur nicht zur Verfügung stellen können. Was glaube ich so ein bisschen enttäuschend ist für uns oder was immer so ein bisschen dieses krummelige Bauchgefühl auslöst, ist, dass das nicht schneller geht. Aber versuche einfach mal in Münster 50 Mitarbeiter zu finden, die zu halten, die zu entertainen und dann noch mit dem Geschäftsmittel Geld zu verdienen. Das dauert einfach, wenn man es jetzt nicht super krass mit Fremdkapital aufpumpt.
Joel Kaczmarek: Gut, soviel also zu unserer Role-Model-Folge von heute mit Ocado, Flaschenpost und yummy.com. Wir fassen nochmal ganz kurz zusammen. Bei Ocado haben wir es spannend gefunden, sich mal den ganzen Infrastrukturpart anzugucken. Natürlich per se den Vertrieb von Online-Lebensmitteln, aber was man daraus sozusagen auf der Infrastrukturseite noch für Services weiterentwickeln kann. Flaschenpost haben wir vor dem ganzen Hintergrund Vertikalisierung und Aufbau einer eigenen Logistik betrachtet und yummy.com einfach mit einem innovativen Geschäftsmodell für lokalen Lebensmittelhandel gepaart mit wirklichen innovativen Konzeptweiterentwicklungen wie beispielsweise diese Sonderversion Dein Arbeitgeber zahlt dein Food. So, nächstes Mal ist der gute Kollege Graf dran. Gibt es schon eine Sneak Preview, was bei dir für Unternehmen auftauchen könnten?
Alexander Graf: Absolut, absolut, absolut. Ich habe den Luxus, dass ich einmal die Woche Unternehmer im Kassenzone-Podcast interviewen darf. Und da habe ich mir natürlich meine drei Lieblinge ausgesucht. Einen, der mich besonders beeindruckt hat, war Ben Lüning von whisky.de. Da würde ich gerne nochmal ein bisschen die Learnings teilen, warum man mit so einem Geschäftsmodell einen Kilometer nochmal südlich von München, also wirklich auf dem Dorf, Dorf, Dorf, eine ganze Branche umkrempeln kann. Das ist extrem cool. Dann eine Folge, die ich im letzten Jahr aufgenommen habe mit Christian Grau von Sportitje, auch auf dem Dorf hier nochmal 50 Kilometer nördlich von mir. In Schleswig kann man sich gar nicht vorstellen, dass es dort erfolgreiche Handelsunternehmer gibt, der mit seinem Geschäftsmodell extrem coole Sachen gemacht hat. Und jetzt meine neue Lieblingsfolge für 2019, die ist noch nicht live, die kommt jetzt ein paar Wochen live, ist Karls Erdbeerhof aus Röbershagen, der absolut krasse Sachen macht, die man sich nicht vorstellen kann. Vielleicht mal ein kurzes Sneak Preview. Was meint ihr, wie viele Leute für Karls Erdbeerhof in Röbershagen arbeiten, also inklusive der Saisonarbeitskräfte? Wie viele Lohnsteuerkarten werden da am Monatsende abgerechnet?
Joel Kaczmarek: 90 bis 100 so.
Alexander Graf: 90 bis 100, okay. Was sagt Jochen?
Jochen Krisch: Ich hätte es mit einem Dutzend oder so hätte ich es für ein Erdbeer hoch.
Alexander Graf: Ja, es sind 5000. Insofern könnt ihr da schon ganz gespannt sein auf die nächste Folge der Lieblinge. Vielleicht schmucke ich da noch einen weiteren rein. Also ich glaube, das sind Geschäftsmittel, die teilweise auch… regional funktionieren, die ganz, ganz viele Sachen machen, wo vielleicht gar nicht so viel Kapital notwendig war, die alle selbst finanziert sind und von denen man, glaube ich, extrem viel Inspiration mitnehmen kann. Da freue ich mich, wenn ich die beim nächsten Mal ein bisschen vorstellen kann und wieder darüber diskutieren können, was der regionale Erdbeerhof bei euch um die Ecke davon mitnehmen kann.
Joel Kaczmarek: Sehr gut. Das ist doch eine gute Snick-Preview und ein Cliffhanger gleichermaßen. Dann danke ich euch ganz herzlich und freue mich schon auf Alex' drei Favoriten. Vielen Dank.
Alexander Graf: Tschüss.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um E-Commerce: Joel trifft sich regelmäßig mit den beiden E-Commerce-Experten Alexander Graf (Kassenzone, Spryker) und Jochen Krisch (Exciting Commerce, K5) um ihr Wissen zu bündeln. Gemeinsam nehmen die drei dich mit auf eine Reise zu spannenden Tiefenanalysen, Strategiediskussionen und Praxiseinblicken des Onlinehandels. Ein wahres Feuerwerk zwischen drei Experten, die scharfe Thesen formulieren und lebhaft miteinander diskutieren.