Recruiting Update: Wie du überhaupt noch Chancen im War for Talents hast
22. Februar 2022, mit Joel Kaczmarek, Boris Lokschin
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Intro: Digital kompakt. Heute aus dem Bereich IT-Projektmanagement mit deinen Moderatoren Joel Kaczmarek und Boris Lokschin. Los geht's!
Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von Digital Kompakt und heute ist an der Seite von mir wieder der liebe Boris Lokschin von Spryker. Und ihr wisst ja, mit dem guten Boris rede ich immer darüber, wie bleibt man eigentlich innovativ und wie führt man in der Gegenwart ein softwareorientiertes Unternehmen. Cool, ich gucke mir mal so ein bisschen, gerade wenn wir auch alte Unternehmen haben, bisschen traditionellere. Wie kriegen wir die in die Gegenwart transportiert? Und wir haben ja schon eine Folge gemacht über das Thema Recruiting und haben uns überlegt, weil sich das so schnell ändert, dass wir heute mal eine Recruiting-Update geben. Das heißt, wir werden damit beginnen, dass wir mal ein Stück weit drüber sprechen, was für Ressourcen sind eigentlich gerade knapp? und dann kommen so die üblichen Klassiker mit richtig tollen neuen Beispielen aus der Praxis und tollen Einsichten, nämlich wir werden über Remote Work reden, wir werden darüber reden, dass immer mehr Menschen jetzt so self-employed sind, also sich auch selbstständig machen. dass diese ganzen niedrig bezahlten Jobs immer mehr runterfallen. und was aber eigentlich das ganze Thema Value, Diversity, Culture, was da sich eigentlich alles so tut. Das wären so unsere großen Themenblöcke heute und ich glaube, Boris hat da viel zu erzählen. Lieber Boris, moin, schön, dass du da bist.
Boris Lokschin: Guten Morgen, Joel.
Joel Kaczmarek: Also, ich habe von dir schon gelernt. Selbst du, ihr seid ja sehr innovativ unterwegs. Also, wir haben ja auch schon mal zu Flow eine Folge gemacht, eurem Kultursystem, nach dem ihr einstellt. Ihr habt schon mal eure ganzen Recruiting-Methoden erzählt, ihr sourcet weltweit, aber selbst du sagst, Einige Dinge haben selbst dich noch überrascht. Also wie ist denn so dein Status Quo in Sachen Recruiting gerade?
Boris Lokschin: Ja, ich glaube, die letzten zwei Jahre waren definitiv nochmal sehr lehrreich, weil manche Dinge sich natürlich durch Corona und durch noch mehr Remote Work nochmal weiterentwickelt haben, potenziert haben und manche auch ein bisschen extremer geworden sind. Und wir hatten ja vor zwei Jahren schon mal darüber gesprochen, dass dieser Shortage of Resources ein zentraler Punkt ist. Und ich glaube, mittlerweile ist das für die allermeisten Unternehmen, nicht nur Digitalunternehmen, aber vor allem für die traditionellen Unternehmen, die jetzt durch Digitaltransformationen gehen, glaube ich, der hauptlimitierende Faktor. Also das kann man, glaube ich, mit der Schärfe auch sagen. Es ist eben nicht mehr Kapital, es ist nicht mehr Ideen, es ist wirklich die Verfügbarkeit und die Möglichkeit, überhaupt Dinge umzusetzen. Also ich glaube, es gibt keinen Kunden, mit dem wir nicht in Kontakt sind oder keinen Partner, mit dem wir nicht in Kontakt sind, der mir sagt, hey, weißt du was, ich habe hier Leute auf der Bench und komm nicht hinterher, hast du mal eine Idee. Ich glaube, alle haben das gleiche Problem, einfach nicht genug Leute, um ihre Projekte auf die Straße zu kriegen, nicht genug Speed und nicht genug Innovationskapazität.
Joel Kaczmarek: Also wenn ich dich richtig verstehe, sagst du, das Kernproblem ist, dass man eigentlich nicht das notwendige Personal findet, um all die Ideen umzusetzen, für die man theoretisch das Geld und den Willen hat, sondern es mangelt oftmals wirklich an den Menschen.
Boris Lokschin: Genau, genau so ist es. Und ich glaube, manche Unternehmen tun sich leichter. Wir haben ja über verschiedene Dinge schon mal gesprochen, ja, über Remote Hiring und was sozusagen der moderne Arbeitsnomade an Anforderungen hat. Da gibt es, glaube ich, auch coole Beispiele, wie Unternehmen damit irgendwie klarkommen. Und ich glaube, das hat für diejenigen, die das adaptiert haben und implementiert haben, nochmal den Recruiting Funnel deutlich weitergemacht. Ich glaube, ich hatte mal erzählt in unserem Fall, Wir sind jetzt fast 20x mehr im Recruiting-Funnel, die wir haben. Wir müssen jetzt dieses Jahr auch noch mal fast 500 Leute einstellen auf der ganzen Welt. Das würde anders gar nicht gehen, aber trotzdem ist das der limitierende Faktor. Also selbst wenn du es sozusagen richtig machst, wirst du immer in diesen Constraint reinlaufen. Und ich denke, das wird gerade sozusagen post-Corona schon für die allermeisten der primären Wachstums verlangsamer werden.
Joel Kaczmarek: Ja, aber das wäre das nächste Thema, auf das ich dich auch ansprechen wollte, also Remote Work oder Work from Anywhere. Also eigentlich möchte man ja meinen, jetzt habe ich eine viel größere Workforce zur Verfügung und könnte die auch sehr flexibel einsetzen. Immer vorausgesetzt natürlich, dass ich als Unternehmen das kulturelle Mindset dafür habe. Was sind denn da deine Updates? Also wieso tut sich denn da in der Richtung sonst nichts Spannendes auf?
Boris Lokschin: Ja, also es tut sich was Spannendes auf, aber ich glaube, das sind so ein paar spannende Dinge, die man jetzt einfach beobachten kann. Und wie gesagt, das wird für die Unternehmen, die jetzt schon remote und weltweit suchen, also in unserem Fall ist es so, dass gut wie alle Stellen immer weltweit suchen und ausschreiben und jetzt keine Voraussetzung haben, dass jemand an irgendeinen Standort geht, sondern mittlerweile Leute haben in fast 40 Ländern. Es gibt Länder mit viel Konzentration und es gibt Länder, wo teilweise auch nur eine Person oder zwei Personen sitzen. Das heißt, wir suchen immer für die konkrete Rolle nach dem besten Profil. Was da super spannend ist, finde ich, ist so ein bisschen diese Diskussion rund um Salaries oder einfach generell sozusagen Gehaltsbandbreiten. traditionelle, slash fortschrittlich traditionelle Ansatz. Es gibt ja spannende Datenbanken, derer man sich bedienen kann, um zum Beispiel Gehaltsniveaus zu checken pro Land. Wenn du irgendwie einen Bewerber hast in Rumänien, dann hast du vielleicht gar keine Ahnung, sind hier jetzt für diese Tätigkeit, weiß ich nicht, 70.000 Euro, 80.000 Euro, ist das sehr viel Geld? Also würde die Person damit sozusagen relativ zum Markt, also zu dem Heimatmarkt überproportional viel verdienen oder wenig. Ist das angemessen, was die Person fordert oder nicht? Und ich glaube, was da mega stark einsetzt, ist eben, dass dieser Check, dieser sozusagen Level- und Gehaltscheck im Kontext der Region des Landes eben zunehmend wegfällt. Und dass der eigentlich irrelevant wird, weil derjenige, der dort in Rumänien sitzt oder in Berlin oder in San Francisco oder in Honduras, die Person stellt eben seine Skills und sein Know-how weltweit zur Verfügung. Und das spielt eben zunehmend keine Rolle für diese Person. Und die Person möchte eben auch nicht mehr am durchschnittlichen Einkommen des Heimatmarkts gemessen werden, weil sie ist eben nur einen Klick entfernt von dem Jobangebot für ein Unternehmen in San Francisco, in Berlin oder in St. Petersburg. Und ich glaube, diese Verschiebung und diese andere Betrachtung darauf, was ist mir eigentlich diese Tätigkeit wert versus was ist eigentlich ein faires Gehalt für das jeweilige Land? Und damit auch so ein Stück weit dieses Durch-die-Welt-Tangeln und diese Suche nach Near-Shore- und Offshore-Locations oder dem Versuch sozusagen kostenoptimierend seine Workforce zu gestalten, was ja so die letzten 20, 25 Jahre gerade in der IT stark geprägt hat, auch im Entwicklungsbereich. Das verschwindet halt. Und ich glaube, diejenigen, die das schnell erkennen, Für die wird das eine riesen Opportunity sein, eben mit einem ganz anderen Mindset ranzugehen und zu sagen, okay, was ist mir dieser BI-Experte, dieser Entwickler, dieser Sales Rep, dieser Content-Marketeer, dieser Performance-Marketeer oder was auch immer die Rolle ist, was ist mir diese Person wert, was ist sozusagen der ROI dieser Tätigkeit auf mein konkretes Business? Ja, und das mag eben eine Zahl X oder Y sein. Versus, was ist mit dieser Person relativ sozusagen zu dem Marktwert, in dem die Person heute quasi beheimatet ist? Und vor zwei Jahren haben wir zum Beispiel auch deutlich stärker danach geschaut und haben natürlich sozusagen verschiedene Datenpunkte trianguliert. Ja, was ist die Tätigkeit? Was ist die Geizbandbreite? Was ist die Geizbandbreite? relativ zu Kollegen. Es wird natürlich schwerer, wenn du die gleiche Tätigkeit hast in fünf, sechs Ländern. Da hast du jemanden sitzen in Polen, in Deutschland, in Schweden und dann in Südafrika. Die sind alle Performance-Marketeers. Wie tarierst du das aus? Ist es okay, dass der eine 100.000 Euro verdienen für diese Tätigkeit und eine andere 70. Ist das fair oder nicht fair? Und diese Art von Betrachtung, die verschwindet eben zunehmend. Es spielt gar keine Rolle oder mal ganz doof gesagt, das hat dich als Unternehmen eigentlich gar nicht mehr zu interessieren, ob die Person hier zufällig gerade bei der Oma auf dem Land wohnt und keine hohen Kosten hat oder, weiß ich nicht, auf Sandbad irgendwie am Strand für 500 Euro pro Tag Champagner schlürft. Das ist eben komplett der Person überlassen. Also von wo aus sie quasi diese Tätigkeit erbringt. Das ist, glaube ich, ein sehr, sehr wichtiges Learning. und eben die Bedeutung von Datenbanken, also mal ganz einfach davon abgehen, dass die Datenbanken auch alle nicht aktuell sind und nicht in der Geschwindigkeit up-to-date gehalten werden können, verschwindet zunehmend. Und ich glaube, das ist eine riesen Challenge für eben wieder traditionelle Unternehmen, die einen sehr, sehr traditionellen Prozess haben, sehr stark darauf bedacht sind, diese Levels sauber zu finden und eben immer diesen Backcheck zu machen hin zu, wo sitzt die Person, was ist eigentlich ein angemessenes Gehalt.
Joel Kaczmarek: Okay, verstanden, weil ich meine, ehrlicherweise, ich habe auch schon darüber nachgedacht, also als du das so eingeleitet hast, habe ich mir gedacht, ja okay, normalerweise würde ich doch zahlen, was mir die Person wert ist und wenn es über dem Marktpreis ist, umso besser, dann habe ich sie stark intensiviert und an mich gebunden, weil dieser Arbitrage-Effekt ja eigentlich gar nicht mehr greift, wenn du weltweit zorchst. Aber mal so aus der Erfahrung ausgesprochen, wir reden ja hier wirklich so vom oberen Ende, weil wenn ich mich so in meinem Bekanntenkreis umgucke, alle Personen, die ich kenne, die sich so mit Jobs auseinandersetzen, die gucken eigentlich immer, wo arbeite ich in der Stadt, in der ich bin. Also es ist noch gar nicht das Mindset da, bei den Menschen zu sagen, ich könnte ja irgendwie auch einen französischen Job annehmen oder für eine schwedische Firma arbeiten. Ist das denn im breiten Arbeitsmarkt global schon wirklich so etabliert? oder reden wir einfach ein bisschen auch von dem Tech-Bereich, dass es da nochmal spezifischer so ist? Weil normalerweise hätte ich gedacht, viele Menschen sind noch auf dieser alten Denke.
Boris Lokschin: Also ich glaube, es gilt natürlich, das ist der Bereich, in dem ich jetzt am meisten Einblick habe, speziell für den Tech-Bereich, wobei wir ja oft genug besprochen haben, alles ist Tech nach vorne raus. Also jeder Maschinenbauern, jedes B2B-Unternehmen muss ja nach vorne raus digitale Kompetenz aufbauen. Das heißt, der War for Talent ist ja um diese Rollen derselbe. Und ja, das hast du in der Stadt, das hast du ja sehr, sehr klar. Ich meine, selbst einer von Deutschland, der hat mir früher genau diese Diskussion, hey, die Person ist in München, das sind natürlich die lebendigsten Haltungskosten, oder in London, der viel teurer, ist doch ganz klar, dass die Person sozusagen mehr verdienen muss, als wenn das jemand ist, der irgendwo in Braunschweig wohnt. Das war total rational. Das hat irgendwie total Sinn gemacht und du hast das auch nie gechallenged. Du wärst nie auf den Gedanken gekommen, den in München genauso bezahlen zu wollen wie die Person in Braunschweig. Bzw. war das absolut klar, dass da eben diese 15, 20, 30 Prozent Unterschied absolut gerechtfertigt sind. Und genau diese Diskussion, die hast du natürlich dann jetzt im globalen Scale nochmal mehr. Du hast dann eben eine Person, das ist dann, weiß ich nicht, der Tester oder sonst irgendwas. Und das ist natürlich am krassesten, gerade im Vergleich zu zum Beispiel so typischen Near- oder Offshore-Märkten im Development-Bereich. Wenn du sagst, okay, ich habe irgendwie in Osteuropa oder in Asien oder in der Mena-Region oder auch jetzt mittlerweile Portugal, Spanien sind ja auch, da haben wir viele Unternehmen, Entwicklungshubs. Wenn du dann eben merkst, okay, es ist eben nicht mehr das Gehalt, was da determiniert, was die Kosten sind, sondern am Ende ist es Angebot und Nachfrage. Und die Person, die dort in Portugal sitzt, kann ihm seine Dienste weltweit zur Verfügung stellen. Und ob du jetzt in Berlin bist als Empfänger dieser Leistung oder in San Francisco oder in London oder in Moskau, das ist sozusagen dein Problem. Aber die Person möchte eben entsprechend bezahlt werden und möchte dort nicht degradiert werden. Das ist, glaube ich, schon super, super entscheidend.
Joel Kaczmarek: Und sag mal so aus dem Nähkästchen geplaudert, zwei Dinge, wenn du sagst, ihr habt teilweise in 40 Ländern Mitarbeiter oder MitarbeiterInnen, da werden ja jetzt einige irgendwie schlucken und sagen, wie kriegt der Boris denn das ganze Paperwork hin mit den Verträgen, dass er das sozusagen alles rechtssicher vor Ort hat? und wie sucht man eigentlich, auf welchen Plattformen gucke ich, wenn ich Leute aus Honduras oder Israel oder Ghana gewinnen will für mich?
Boris Lokschin: Also da gibt es jetzt verschiedene Konstrukte. Es gibt natürlich Locations, in denen wir eine hohe Konzentration an Leuten haben und auch Geschäfte machen, also auch Kunden-Partner-Beziehungen haben. So da macht das eben total Sinn, eigene Entities zu haben und die Leute dann eben auch über deine eigenen Entities anzustellen. Es gibt aber auch Möglichkeiten und Partner und spezialisierte Dienstleister mittlerweile, dann sogenannte POA oder EOA-Modelle, also Employer of Record-Modelle, die quasi einem in dem Land einen rechtlichen Rahmenmantel geben können, um eben Leute zu beschäftigen, ohne dass du eben durch die ganzen Formalitäten gehen musst, dass du eben eine eigene Entity gründest und deine eigenen Bankkonten dort aufmachst. Darauf ist die Industrie schon sehr, sehr gut ausgerichtet. Das gab es vor 15, 20 Jahren auch schon im kleinen Scale und eben mit sehr großem Fokus auf so reine Near- und Offshore-Locations. Ist aber mittlerweile quasi ganz normal geworden, also aus Partnern, die so globale Coverage geben können oder eben auch regionale, je nach Spezialität sozusagen dieses Partners, ja. Und was die dann eben tun, ist genau diese Rechtssicherheit, ja. Also die kennen natürlich das Arbeitsrecht, die können die Verträge entsprechend sauber schließen, ja. Die können dafür sorgen, dass du eben dort wettbewerbsfähig bist, ja. Die machen aber auch teilweise so Dinge wie zum Beispiel Benefits zu poolen, ne. Also wenn du eben jetzt alleine in Schweden den Erstmitarbeiter einstellst und dort das, weiß ich nicht, Pensions- und Benefits-System normalerweise irgendwie eine Riesenstange an Benefits vorsieht, ja, und du vielleicht als Unternehmen diesen Scale noch gar nicht hast, und das überproportional teuer wäre für dich, inkrementell für einen Mitarbeiter das anzubieten, dann können die das eben poolen über verschiedene Kunden und dann kriegst du eben auch als erster Mitarbeiter trotzdem genau die gleiche Top-Zahnversicherung und Rentenversicherung, als wenn du wie ein 5.000-Mann-Konzern wärst. Also da gibt es verschiedene Partner für. Recruitingmäßig ist es sehr, sehr unterschiedlich. Es hängt stark ab von der Rolle und es hängt stark ab von dem Land. LinkedIn ist nach wie vor, glaube ich, ein sehr, sehr guter, wenn auch teurer Kanal und mittlerweile auch ein sehr reizüberfluteter, weil gerade eben durch Corona bedingt gefühlt irgendwie jeder sich dort auffällt. Also sozusagen die Recruiting-Akquisitionskosten sind schon nicht gering. Aber es ist auch hier eine Trendwende zu beobachten, dass immer mehr Unternehmen selber sourcen und selber rekrutieren und immer weniger sozusagen an diese klassischen Headhunter, außer für Executive-Rollen, auf die sie einfach spezialisiert sind, einfach weggeben. Also für Executive-Rollen sind nach wie vor Headhunter, glaube ich, eine gute Idee. Und ansonsten ist einfach Direct Search. Und da kommt es halt darauf an, bist du im Tech unterwegs, gibt es verschiedene Communities, Open-Source-Projekte und andere Möglichkeiten, auf dich aufmerksam zu machen. Für die klassischen Business-Rollen, das klingt, glaube ich, ein guter Kampf.
Joel Kaczmarek: Wenn wir noch über Remote Work reden, hast du noch Updates in Sachen Kultur oder du hast ja Benefits eben auch schon mal angesprochen?
Boris Lokschin: Genau, also was glaube ich super wichtig ist und auch so ein Stück weit jetzt eine neue bzw. potenzierte Herausforderung ist eben, eine Kultur aufzubauen bzw. aufrechtzuerhalten. Das ist ja auch hier, glaube ich, eine Veränderung der letzten zwei, drei Jahre, dass man eben so ein bisschen weggegangen ist von dem Modell, hey, ich habe immer noch ein zentrales Hub oder Hubs, ich habe irgendwie ein zentrales Headquarter in einer Location und dann habe ich nochmal zwei, drei Kernzentren, wo ein Großteil der Leute sich konzentriert und dann habe ich vielleicht irgendwie ein bisschen verstreut 10, 15 Prozent meiner Workforce die remote eingebunden werden müssen, ja, so als kleine Satelliten. Hinzu, dass die meisten Companies sich eben jetzt komplett als remote first oder remote only aufstellen. Ja, es ist bei uns auch so, dass wir eben komplett remote first sind. Ja, das heißt also, es gibt sozusagen nur noch ganz, ganz wenige zentrale Hubs und die Leute werden eben nicht zentral an einem Office gebunden. Und es gibt auch keine Voraussetzung, da hinzuziehen oder in der Nähe zu wohnen. Und das ändert sehr, sehr vieles. Weil du plötzlich eben nicht mehr diesen Fokusstandort hast, wo du quasi Kultur bauen kannst, ja, mit Office und irgendwie Partys und anderen Dingen, ja, und dann irgendwie nur 10% der Leute kulturell einbinden musst. Und dann plötzlich musst du eine Kultur schaffen und aufrechterhalten, die auf 40, 50 Länder verteilt ist, wo vielleicht in vielen Ländern nur ein, zwei Leute sitzen, die noch nie jemanden physisch gesehen haben. die noch nie physisch jemanden getroffen haben oder irgendwie abends bei einem Bier mit jemandem zusammengesessen haben, die an ihrem Schreibtisch oder von ihrem Sofa aus über ihren Mac irgendwie ihre Arbeit verrichten und für die jegliche Art von kultureller Bindung nur virtuell und nur digital war. Und da geht es halt los mit, wie ist die Kandidatenexperience im Hiring? Wie ist die Onboarding-Experience ganz wichtig in den ersten zwei Wochen? Wie positionierst du dich da? Wie präsentierst du dich da? Wie erlebt der Kandidat sozusagen die Kultur, das Onboarding, das Ramp? Was hast du an Informationskanälen? Wie verbindest du die Leute virtuell? Wie hältst du die Leute irgendwie bei der Stange? Welche Möglichkeiten hast du für das virtuelle Biertrinken? Wie sehen Partys aus? Wie sieht denn Swag aus? Wie sehen denn Allhands aus? Und das musst du halt alles neu denken. Das ist, glaube ich, das Spannende. Also für die allermeisten Unternehmen, die jetzt nicht Remote-First waren, das musst du alles komplett neu denken. Welche Meeting-Kultur hast du? Welche, mach mal irgendwie einen Kaffee-Break und quatsch mal in der virtuellen Kaffeeküche. All diese Dinge müssen halt alle komplett neu gedacht werden. Das Gute ist Alle müssen das neu denken. Das heißt, die Opportunity quasi, das gut zu machen und dort auch zu exzellen, ist für alle da. Also da hat noch keiner jetzt einen super relevanten Wettbewerbsvorteil. Der eine ist ein Jahr länger damit unterwegs oder zwei Jahre länger. Aber in der großen, breiten Masse, gerade sozusagen, wenn man sich jetzt nicht zwischen den hippen Startups vergleicht, sondern irgendwie zwischen den digital bisher noch nicht so affinen Unternehmen, da wird es den Peers mit großer Wahrscheinlichkeit genauso gehen. Das heißt, die Opportunity hier hervorzustechen, ist sehr groß. Nachteil ist, alle müssen es neu lernen. Das heißt, es gibt eben kein Buch bei Amazon dazu. Es gibt eben keine Best Practice und kein Blueprint, den du einfach aus dem Schrank nehmen kannst. Es gibt noch ganz wenig Leute, also sicherlich viele Leute mit dem Titel oder mit der Tagline bei LinkedIn, dass sie Remote-First-Experten sind. Aber de facto gibt es natürlich sehr, sehr wenige Erfahrungswerte. Das heißt, das ist hier ein idealer Bereich, um eben zu innovieren und eben Dinge auszuprobieren und eben auch einen Wettbewerbsvorteil für sich herauszuarbeiten.
Joel Kaczmarek: Gut, lass uns doch mal zum nächsten Thema kommen. Man sieht ja, immer mehr Menschen machen sich in dem Zuge ja auch selbstständig. Also wenn man auf LinkedIn mal guckt, man sieht ja einerseits ganz viele so, ich habe den Job gewechselt, Posts, aber auch ganz viele, hey, ich habe es endlich gewagt, den Schritt in die Selbstständigkeit. Hast du da Effekte durchbeobachtet?
Boris Lokschin: Ja, ich glaube, das ist wieder super spannend. Und da möchte ich vielleicht mal den Kreis ein bisschen weiter spannen. Jetzt auch jenseits der rein digitalen Unternehmen. Das sieht man natürlich auch jetzt auf Seite der Konzerne und der mittelständischen Unternehmen genauso. Insbesondere Corona hat natürlich stark dazu geführt, dass Leute zunehmend auch in die Selbstständigkeit gehen, weil viele einfach gemerkt haben, hey, diese freie Zeiteinteilung ist eine super Sache, das funktioniert auch, das verrichten meine Arbeit, was auch immer das ist, ob ich jetzt irgendwie Zeichner war, ob ich ein Architekt vorher gewesen bin, ein Bauunternehmen, ob ich ein Ingenieur war, ob ich Abrechnungen gemacht habe in irgendeinem Unternehmen, Berater, Entwickler, whatever. Ja, das hat ja super funktioniert, ja, und es hat klasse geklappt mit irgendwie Zeit mit meinen Kindern verbringen, mit dem Hund rausgehen, bisschen Workouts zwischendurch machen, trotzdem alles hinzubekommen, vielleicht sogar produktiver als vorher. Ja, die Zeit, die ich vorher zum Rasieren und Straßenbahnfahren zur Arbeit verwendet habe, die investiere ich jetzt in Lebenszeit. Also wir am Strick haben viel einfach gemerkt, trotz der Challenges, trotz der wirtschaftlichen Probleme, trotz natürlich auch des gesundheitlichen Leides, durch das viele gegangen sind, dass eben so ein Self-Employment schon eine coole Sache ist. Ob das jetzt irgendwie im Sinne von ich gründe mal was und schließe mich mit jemandem zusammen oder ich mache einfach das, was ich vorher gemacht habe, quasi als Angestellter mache ich jetzt eben als Selbstständiger. Das funktioniert ja super, ich verdiene nicht weniger, ich habe mehr Freizeit, mehr Flexibilität. Und diesen Kontrast, den hat man natürlich jetzt gerade in den letzten zwei Jahren sehr, sehr stark reinbekommen, weil du eben plötzlich genau das gesehen hast. Du saßt zu Hause, hast quasi telefoniert und deine Architekturskizzen irgendwie angefertigt. Und irgendwann kommst du natürlich viel mehr darauf zu sagen, hey, eigentlich mache ich doch genau das Gleiche, das kann ich aber auf eigene Rechnung machen. Und das führt natürlich dazu, dass der Zugang zu Talent noch schwieriger wird, weil gerade die Leute, die eben wirklich, wirklich, wirklich gut sind und die eben wirklich outcome-orientiert arbeiten, weil wenn du nicht outcome-orientiert arbeitest, dann hast du in der Selbstständigkeit nicht viel zu suchen. Dann wirst du relativ schnell wieder gegen die Wand fahren. Aber gerade die Leute, die sozusagen diesen Spagat hinkriegen zwischen Privat, zwischen Arbeit und trotzdem sozusagen Highflyer sind, die haben natürlich jetzt deutlich mehr Anreize und deutlich besseres Bild bekommen davon, wie es wäre, quasi für sich zu arbeiten und ihr eigener Herr zu sein oder sein eigener Herr zu sein über seine eigene Zeit, über sein eigenes Privat- und Berufsleben. Und das verschärft quasi diesen Shortage noch einmal. Nicht nur hast du jetzt dieses globale Remote-Thema, sondern du hast eben auch nochmal, ja, den Kampf um denjenigen, der sagt, hey, super, klasse, aber lieber Chef, ich mache doch genau das, was ich gemacht habe. Du kannst mich gerne als Freelancer oder als mich über meine eigene GmbH jetzt auf Rechnung zahlen, aber ich bin jetzt am Morgen raus und by the way arbeite ich jetzt, wenn ich das möchte, ja, und kannst mich gerne beauftragen mit dem gleichen Zeug, was ich irgendwie vorher für dich jetzt angestellt erledigt habe.
Joel Kaczmarek: Aber ist es nicht auch ein Vorteil? Also ich meine, du kannst ja dann theoretisch im Prinzip Freelancer anstellen, sparst dir die Nebenkosten. oder ist das eher mehr Schmerz als Nutzen?
Boris Lokschin: Naja gut, also man kann es jetzt so oder so sehen. Ich glaube, ich würde es gar nicht jetzt, also Vor- oder Nachteil ist jetzt zu werten. Also ich habe irgendwie für uns vor langer Zeit aufgehört, immer so Dinge zu werten, weil am Ende sind sie, wie sie sind. Und das ist ja auch intern in den Meetings, am Ende ist es wie bei Darwin auch. Es ist survival of the fittest. Und fittest heißt nicht der Stärkste oder der Schlauste, sondern der, der sich am schnellsten anpasst. Und derjenige, der es am schnellsten akzeptiert, dass das die New Reality ist, derjenige wird, glaube ich, oder diejenigen werden, glaube ich, einen Wettbewerbsvorteil haben. Und hier ist es genauso. Ich meine, am Ende, klar ist es keine Nebenkosten. Auf der anderen Seite arbeitet derjenige ja wahrscheinlich auch nicht für das vorher umgerechnete Nettogehalt durch 160 Stunden, sondern will auch eine Marge haben. Also ob das jetzt unbedingt für dich als Arbeitgeber dann günstig ist, gewonnen ist. dieser weiß ich nicht. ja in den meisten fällen eher nicht. ja so plus. natürlich hast du jetzt dann gar keine kontrolle. also muss darauf vertrauen dass ihr sagt du boris weiß ich mache das wenn ich das möchte. ja und du sagst mir was du brauchst den outcome. und ja bis ende des monats so habe ich das jetzt machen oder am vorletzten tag des monats so ist meine sache. das ist natürlich schon auch in der situation mit der müssen firma einfach lernen umzugehen. ja das glaube ich das entscheidet auch. das ist wieder ein schritt in Gerade für Konzerne, gerade für Mittelständler, das fühlt sich ja erst mal wie Kontrollverlust an. Ich habe weniger Weisungsbefugnis und dieses Thema Kontrollverlust zieht sich ja so super durch durch die letzten zwei, drei Jahre. Ich habe den Mitarbeiter nicht mehr vor mir auf der Arbeit. Ich sehe nicht mehr, ob er im Büro ist oder nicht. Ich kann nicht mehr an seinem Monitor vorbeilaufen und schauen, ob er auch Arbeiter oder Täter spielt. Ich weiß nicht mehr, ob er morgens oder abends seine Arbeit verrichtet. Ich weiß nicht, ob ich ihm zu wenig aufgetragen habe und er eigentlich nach der halben Zeit schon fertig war und rumdaddelt und ich nicht einfach mehr Holz in den Ofen irgendwie schippen muss, ja, oder ob das zu viel ist und er sich gerade durchbrennt und Mental-Health-Issues läuft. Das sind also Dinge, so, ne, jetzt kommt er und sagt, er will auf eigene Rechnung arbeiten. Jetzt sagt er mir, er arbeitet, by the way, auch mit sechs Stunden Zeitversatz, weil er jetzt in Thailand am Strand chillt. Das sind Dinge, mit denen musst du halt umgehen, ja, und mit denen musst du lernen, ja, also deswegen passt hier so das Innovate-or-Die wunderbar, glaube ich. Du musst einfach lernen, damit umzugehen, umso schneller du das lernst als Unternehmen, egal ob du eine große Versicherung bist oder Maschinenbauer oder ein digitales Start-up. Umso besser. Ja, weil das wird sich nicht verändern. Das wird nicht wieder zurückgedreht werden auf das, wo wir vor zwei, drei Jahren waren. Das ist schon ein sehr entscheidendes Learning.
Joel Kaczmarek: Ich habe gerade so 55-jährige Firmenpatriarchen vor Augen, die dann sowas lesen von ihren Recruiting-Teams und irgendwie so den angehenden Herzinfarkt kriegen. Und ich habe neulich einen ganz lustigen Post gesehen von jemandem, der geschrieben hat, er hat irgendwie einen Bekannten, wann immer der liest, dass seine Wettbewerber Back-to-Office schreiben in den Social-Updates, dann schreibt er alle Mitarbeiter von denen an, ob die den Job wechseln wollen und hätte irgendwie schon 14 Entwickler bei seinem größten Wettbewerber abgeworben. Irgendwie so.
Boris Lokschin: Ja, aber das ist ja genau das, was du sagst. Wir haben. vor zwei, drei Jahren, glaube ich, als wir die erste Folge dazu aufgenommen haben, haben wir beide geschmunzelt und viele Leute haben hinterher geschrieben, auch in den Kommentaren, als sie, glaube ich, über Popcorn-Maschinen oder über Netflix-Abos geredet haben. Und das war ja genau das Gleiche. Da haben die Leute auch irgendwie geschrieben und gesagt, das ist ja komplett verrückt und warum macht ihr das? und warum gibt es hier Zuckerwatte und so. Und mittlerweile schmunzeln die Leute eben über das und sagen, hey, auch das ist jetzt New Reality. Im Vergleich fühlt sich das, was vor zwei Jahren an, da ging an wie ein Witz, für 60 Euro irgendwie eine Zuckerwattemaschine gekauft zu haben.
Joel Kaczmarek: Das habe ich damals auch gedacht. Besser, günstiger kannst du Leute eigentlich gar nicht inzentivieren. Darüber war ich gar nicht diskutiert. Das stimmt schon, ja. Aber okay, wir lernen jetzt auf der einen Seite also durch Remote Work ganz andere Anforderungen an Gehalt, an Kultur, an Benefit-Strukturen. Ich muss ganz anders sourcen. Ich muss viel offener, vielfältiger denken. Dann habe ich noch die Verknappung, weil Leute sich irgendwie selbstständig machen. Und dann hast du mir im Vorgespräch erzählt, dass du auch immer mehr wegfallst von diesen, du hast die Low-Paying-Jobs genannt. Was ist denn da deine Beobachtung?
Boris Lokschin: Was ist denn in Corona-Zeiten in den meisten Ländern, in den meisten Betrieben, in den meisten Industrien als erstes gekürzt worden? Das waren ja Aushilfen, also die klassischen Schüler-Studenten-Jobs, Gastronomie, Hospitality, Werkstudenten-Möglichkeiten. Alles, was du als Schüler, Student niedrig bezahlte, sozusagen Kraft, Zeitarbeit usw. Das ist ja das, was erstmal jeder versucht hat, irgendwie Praktikanten. Das sind ja genau die Jobs, die zurückgefahren wurden. Und das ist natürlich schon krass auf der einen Seite, wenn du überlegst, dass eine ganze Generation quasi von Schülern, Studenten, jungen Menschen, Auszubildenden auf einmal eben diese Möglichkeiten verloren hat. Und ich habe zum Beispiel auch im Privatumfeld viele, die gerade ihr Studium angefangen haben, gerade ausgezogen sind von zu Hause und dann wie jeder wahrscheinlich auch während des Studiums irgendwo gekellnert haben oder irgendwo Nachhilfe gegeben haben als Sporttrainer Trainer, Mathe, Coach, whatever. Und plötzlich diese Verdienstmöglichkeit nicht mehr haben und dann teilweise zurückziehen mussten in die Heimatstadt, zurückziehen mussten zu ihren Eltern. Und das fällt natürlich alles komplett weg. Und das macht es natürlich jetzt auf dem Markt jetzt ja nochmal ein bisschen schwerer, weil auch diese Leute haben ja nach Möglichkeiten gesucht. Also da war ich so dieser dritte Punkt in den zweiten. Was ist irgendwie im Bereich Selbstständigkeit passiert? Was ist irgendwie im Bereich, na gut, dann kellnere ich halt nicht bei mir in der Bar. Dann biete ich halt meine Dienste als SEO-Experte oder als Produktinformationsbefüller von irgendeiner Datenbank bei einem E-Commerce-Unternehmen in UK halt remote aus meinem Kinderzimmer an. Das heißt, auch diese Leute haben sich sehr, sehr schnell eben angepasst, ja, von ich mache irgendwo lokal, low paid, ja, diesen typischen Aushilfs, Zeitarbeit, etc. Job, Praktikantenjob, zu, okay, wenn ich eben diese Mühe nicht mehr habe und trotzdem über die Runden kommen muss, dann öffne ich eben mein Angebot, ja, so und suche es eben global und suche es eben vielleicht in der Selbstständigkeit, so und diese Leute werden ja nicht zurückkommen, ne, sie werden ja nicht, sagen, na gut, okay, ich habe jetzt hier schön wunderbar vom Balkon aus als SEO-Experte irgendwie Keywords für irgendwen befüllt oder Recherchen erledigt oder als Tester von Software oder von Apps irgendwie für ein Unternehmen in Israel irgendwie geholfen. Das lasse ich jetzt mal wieder sein. Ich gehe jetzt mal wieder abends nach der Uni kellnern in meiner Bar oder ich gehe jetzt mal abends irgendwie die Böden wischen in der Fabrik oder in der Lagerhalle oder als Wächter auf die Messe. Das wird ja nicht passieren. Das gibt ja gar keinen Grund, weder monetär noch vom Convenience-Level. Das heißt, auch da haben wir quasi eine große Lücke an Kapazität und an Capability, die nicht mehr diesem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. ja und für viele die bisher sich auch wunderbar bedient haben auch so auszubildenden praktikanten werkstudenten und das ja auch genutzt haben für sich so als arbeitskraft vielleicht auch billige arbeitskraft oder als nachwuchs topf für recruiting. ja so du bist jetzt mal bei mir in agentur du bist jetzt bei mir im werk du bist jetzt mal bei mir hier in der kanzlei ja und macht erst mal ihr papier sortiererei das wird ja alles nicht mehr wiederkommen. das heißt also dieser recruiting kanal oder dieser nachwuchs rekrutierungs kanal Der fällt halt weg für diese Firmen und das macht es natürlich dann nochmal schwerer für sie, weil das waren genau die Themen, die sie Jahre, Jahrzehnte lang quasi genutzt haben und das merkst du eben im Gespräch mit diesen Firmen sehr, sehr gut, dass die einfach sehr, sehr, sehr, sehr plan und hilflos sind und sehr verdammt. Ich habe hier mit der Selbstständigkeit zu kämpfen. Ich habe damit zu kämpfen, dass Leute Work from anywhere wollen, dass sie bezahlt werden wollen, dass ich keine Kostenvorteile mehr habe durch Niedriglohnländer, dass die Benefits permanent steigen, dass die Leute teilweise, die Abteilungsleiter, jetzt in die Selbstständigkeit gehen wollen und mir ihre gleichen Dienste für teures Geld anbieten wollen. Und mein Nachwuchs- und Recruitingkanal ist auch weg. Und das ist jetzt auch nicht schwarz gemalt. Das ist sozusagen der absolute Alltag, der jetzt für viele Firmen da ist oder kommen wird und an den man sich eben maximal schnell anpassen muss. Und einfach als Kerntipp von mir, kämpft nicht dagegen an, diskutiert nicht darüber. Es wird so bleiben, es wird so sein. Also adaptiert das und findet Lösungen.
Joel Kaczmarek: Ich wollte dich gerade fragen, was ist denn deine Beobachtung? Wie gehen denn die meisten Firmen damit um? Wie sind denn die Reaktionsweisen?
Boris Lokschin: Ja, genauso wie mit der Popcorn-Maschine vor zweieinhalb Jahren. Da trennt sich die Spreu vom Weizen. Das ist irgendwie alles Quatsch und geht weg. Bis hin zu, ach, das ist alles nur so digitales Hippie-Gerede. Bis hin zu, Mist, verdammt, ich merke das wirklich. Ich merke das in meiner Recruiting-Pipeline. Ich merke das in meiner auszubildenden Bewerber-Pipeline. Ich merke das sozusagen auf der Kostenseite. Ich habe da wirklich ein Pain und Druck und ich muss das eben lösen. So, ja, und dann gibt es eben diejenigen, die versuchen quasi das Problem zu umgehen, zu umschiffen und hoffen, dass das irgendwie weggeht. Ja, und Corona wird das ja wieder, ist ja dann bald wieder vorbei und dann ist wieder schön die Welt wieder da, wo sie vorher war. Und diejenigen, die das einfach schnell acknowledge und sagen, hey, Moment mal, das sind ja Makrotrends, das sind ja gesellschaftliche und Makrotrends, warum sollte sich das denn verändern? Wer sollte denn auf einmal irgendwie anders arbeiten wollen. und warum? Die sagen sich, Mist, lieber jetzt auf die Lösung konzentrieren und eben die Voraussetzungen schaffen, weil für die wird es eben ein Wettbewerbsvorteil sein.
Joel Kaczmarek: Gut, abschließender Punkt. Lass uns noch ein bisschen über dieses, ich weiß nicht, dieses Konglomerat an Themen reden. Werte, Diversität, Familie ausbalancieren mit der Arbeit, Kultur. Hattest du da nochmal in den letzten zwei Jahren, sage ich mal, Änderungen wahrgenommen? Also es bewegt sich ja gefühlt so, so schnell, was da alles passiert. Hat sich das nochmal zugespitzt? oder wie hast du das wahrgenommen?
Boris Lokschin: Ja, das ist, glaube ich, nochmal so die Kirsche auf der Sahnekorte. Oder der Dolchstoß nochmal für alle, die nicht schon genug unter den anderen Veränderungen leiden. Ich glaube, das Thema Kultur und Diversity und Values ist nochmal Lichtjahre potenziert worden. Also auch für uns sozusagen jeden Tag ein neues Learning. Und ich glaube vielleicht, um das mal so zusammenzufassen, Weil die Dinge so sind, wie sie sind, weil die Leute eben viel mehr Zeit verbringen zu Hause, weil sie eben gelernt und jetzt gesehen haben, dass sie ihre Zeit und Lebenszeit selber strukturieren können und wollen, egal ob jetzt durch Selbstständigkeit, durch neue Arbeitsmodelle, durch nicht im Büro sein, verschwimmt die Grenze zwischen Privat- und Berufsleben natürlich zunehmend. Also deutlich mehr als jemals zuvor. Und gerade so die junge Generation, hat ganz andere Anforderungen zum Thema Arbeit oder an den Arbeitgeber, an die Firma, an die Company, als eben noch vor 15, 20 oder sozusagen 40 Jahren, irgendwie Generation vielleicht unserer Eltern. Und damit meine ich, also fundamental andere, ja, und auch hier wieder, man kann darüber streiten, ob das jetzt gut ist oder nicht, aber es ist einfach Fakt, ja, Die Firma ist so ein bisschen oder der Arbeitgeber oder auch die Wahl des Arbeitgebers ist eine ganz andere, weil man eigentlich von der Company erwartet, dass sie alles gleichzeitig ist, dass sie dein Freund ist, dass sie deine Firma ist, dass sie deinen persönlichen Wertekompass entspricht, deinen persönlichen Values entspricht, dass sie allein ist mit deinen gesellschaftlichen, politischen Interessen, dein Ding, um die du dich sorgst, ob das jetzt Nachhaltigkeit, Diversity, Umwelt, Kinder, whatever, green ist. Und Leute sind zunehmend intoleranter, nicht auf der fachlichen Seite, also nicht was sie machen oder wie sie bezahlt werden, sondern diese Dinge sind deutlich weiter in den Vordergrund gerückt. Leute sind bereit zu kündigen, wenn sie das Gefühl haben, die Umgebung ist nicht diverse enough, du hast vielleicht nicht genug Frauen, die du im Unternehmen hast oder förderst. Oder du möchtest gerne für eine Chefin arbeiten. Du hast das Gefühl, dass man nicht richtig mit Familien umgeht. Das Thema Nachhaltigkeit, Umwelt oder soziale Gerechtigkeit nicht genug behandelt wird. Also du hast ganz andere Dialoge mit diesen Leuten, ganz andere Anforderungen und auch ganz, ganz andere Challenges zu meistern, als so vor vielleicht noch drei Jahren, wo es sehr stark darum ging, wo die Leute sehr auf sich bezogen waren. Was tust du für mich? Stichpunkt, hast du eine Netflix-Mitgliedschaft? Hast du ein Gym-Abo für mich? Hast du das? Hast du jenes? Könnte ich Scooter fahren? Hast du irgendwie ein cooles Büro? Hast du auch einen Fidschi-Wassernapf für meinen Hund? hin zu ja quasi die nächste Meta-Ebene. Und dieses Verständnis, dieses Verschwimmen von so ein bisschen so Familie, Beruf, Kultur, das ist eine ganz, ganz neue Herausforderung, auf die halt die allermeisten Unternehmen gar nicht vorbereitet sind. Also wirklich gar nicht vorbereitet sind. Also angefangen von traditioneller Arbeitgeber und Arbeitnehmer, so diese Denke, hin zu, was hat sie oder er denn hier für ein Problem? Soll sich in seiner Privatzeit um solche Dinge kümmern? Und warum fragt die Person nach freien Tagen, weil man irgendwie auf eine Umweltdemo gehen möchte oder so? sozialen Tag machen möchte pro Monat? Warum soll ich das bezahlen als Arbeitgeber? Was hat das denn mit mir zu tun? Ja, so Joel ist doch hier da, um Code zu schreiben oder um Podcasts aufzunehmen oder Urlaub nehmen. Interessiert mich nicht. Und das funktioniert natürlich überhaupt gar nicht. Und gerade natürlich das Thema Diversity und mit Diversity explizit nicht nur Gender Diversity, sondern Diversity ist ja breiter als nur Gender Diversity, zu denken, ist halt ein super wichtiger Punkt. Und wer das eben nicht versteht und das nicht verinnerlicht und da auch nicht die Voraussetzung schafft, kulturell über Arbeitszeitmodelle, über sozusagen Investitionen, über auch einfach die richtigen Dinge zu machen als Unternehmer, an die man eben glaubt und die richtigen Values und sie vor allem auch zu kommunizieren. Weil du möchtest ja eigentlich nicht, dass die Leute das später herausfinden. Du möchtest ja eigentlich schon im Recruiting-Prozess feststellen, ob es ein Alignment gibt. zwischen den Values, die du hast als Company und denen, die diese Person hat oder nicht. Und wenn nicht, dann ist das halt so. Und wenn ja, dann bist du umso attraktiver, weil du genau an die gleichen Dinge dich hältst und dich um die gleichen Dinge sorgst. Und das ist, glaube ich, ein super entscheidendes Learning auch einfach der letzten zwei, drei Jahre, was auch wieder mit allen Punkten vorher zu tun hat, weil jetzt hatten die Leute sehr viel Zeit, sich um andere Dinge auch zu kümmern. Und auch das möchten sie nicht wieder aufgeben und nicht wieder hergeben. Das ist so die nächste Bewusstseinsstufe, die jetzt irgendwie erreicht worden ist.
Joel Kaczmarek: Jetzt muss man natürlich aber dazu sagen, wir reden ja hier immer sehr viel über so White-Collar-Work. Also Wissensarbeiter und Sachen, die man von überall machen kann. Ich denke halt gerade so darüber nach, das muss ja doppelt anstrengend sein, wenn du halt auch Rollen bei dir im Unternehmen hast. Wenn du zum Beispiel einen Logistik-Part hast, einen großen oder so, da kannst du ja nicht sagen, ich packe die Pakete von zu Hause aus. Oder andere vor Ort Jobs und das dann noch zu orchestrieren, dass du dann vielleicht so unterschiedliche Ebenen drin hast. Also manche Leute, die vor Ort sein müssen und da ihre Tätigkeit nachgehen und für die andere Fakten gelten als für Leute, die dann vielleicht aus Thailand vom Strand aus dir irgendwas Neues coden. Das gibt ja dann auch nochmal so eine Ebene hinzu. Also unterm Strich nach der heutigen Folge muss ich sagen, tun mir viele Leute leid, die sich mit solchen Komplexitäten auseinandersetzen müssen.
Boris Lokschin: Na gut, was heißt Leid? Wie ich gesagt habe, es ist schon auch ein Stück weit eine andere Bewusstseinsstufe. Und das ist ja auch gut, dass wir gesellschaftlich auch diese Möglichkeit haben, uns um solche Dinge zu kümmern. Und mittlerweile an einem Punkt sind, an dem man eben Arbeitsmodelle anbieten kann, bei denen die Person eben arbeiten kann, von wo sie möchte, ihre Zeit gestalten kann, sozusagen Mental Health. Wichtig ist ja, man mit Diversity und Klima und auch als Unternehmen sich damit assoziiert und das nicht nur macht, weil das cool ist oder im Handelsblatt ein Artikel wert ist, sondern weil man wirklich daran glaubt, weil man auch sozusagen put your money where your mouth is, weil man wirklich auch Teile seines Umsatzes oder seines Profits oder seiner Arbeitszeit zur Verfügung stellt und auch einen gesellschaftlichen Auftrag erfüllt. Das ist ja eher ein Fortschrittssignal. Das ist ja eher sozusagen eine Weiterentwicklung. Ich finde die erstmal gut. Ja, klar ist das natürlich so, dass das eine neue Challenge ist. Und wie gesagt, die muss gemeistert werden. Für die gibt es jetzt keine Blueprints. Das wird spannend sein, wie Unternehmen in den nächsten zwei, drei, vier Jahren sozusagen das für sich konfiguriert bekommen und was so die Erfahrungswerte sind. Aber klar, Päckchen aus Thailand packen ist vielleicht schwieriger. Aber sich vielleicht in Thailand zu überlegen, wie der neue Päcking-Algorithmus irgendwie zu funktionieren hat, kann man halt schon machen. Das ist halt am Ende auch eine Frage, wo was eben anfällt auch an Tätigkeiten in Zukunft.
Joel Kaczmarek: Naja, du hast ja recht. Vielleicht sollten wir uns mal positiver sehen, sich nicht über den Aufwand und den Schmerzergern, den Veränderung mit sich bringt, sondern das Positive sehen, dass jede Veränderung immer große Chancen birgt. Und das vielleicht mal heute als Schlusswort. Von daher lieben Dank, lieber Boris, dass du uns wieder mit hinter die Kulissen genommen hast. und bis zum nächsten Mal. Bleib gesund.
Outro: Gleichfalls. Dankeschön. Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. Und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Digitalisierung: Sag hallo zu unserem Co-Moderator, dem Spryker-Gründer Boris Lokschin. Boris spricht mit Joel regelmäßig über IT-Projektmanagement und strategische Steuerung im IT-Bereich. Ob Startup oder Mittelständler in der Digitalisierung – in diesen Episoden erhältst du praxisnahe Lernanregungen und pushst deine eingestaubte IT-Beziehung zu einer wahren Tech-Romanze.