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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Deep Dive Podcast von Digitalkompakt. Heute ganz, ganz spannend. Es geht mal um Firmenkunden und ich freue mich riesig doll. Ich bin nämlich in, nee, ich bin nicht in Schalottenburg, habe ich gelernt. Ich bin in Schöneberg. Ich bin im Dreiländereck. Berlin auf dem Eck, Schöneberg, Tiergarten und Schalottenburg. Und das finde ich immer begrüßenswert. Wenn ihr auch nochmal hier sitzt, stellt euch das mal ganz kurz vor.
Gero Decker: Ja, hallo, Gero Decker, Gründer und CEO von Signavio, B2B SaaS Software Company hier aus Berlin. Wir bedienen Mittelständler Großunternehmen mit BPM. Software, Geschäftsprozessmanagement, heißt Geschäftsprozesse verstehen, optimieren, umsetzen.
Joel Kaczmarek: Ja, wenn man bei dir eintaucht, muss man echt erstmal Abkürzungen so ein bisschen kennen. Also SaaS ist eigentlich vielen glaube ich klar, Software as a Service, B2B heißt, richtet sich an Geschäftskunden. und ja, BPM muss ich selber nachgucken. Ich sage Business Process Management. Man tut euch nicht unrecht, wenn man sagt, ihr seid jetzt so ein bisschen Hidden Champion, weil wenn ich ja hier reinkomme, euch gehört irgendwie gefühlt ein ganzes Haus. Ihr seid total groß geworden, habt dieses Jahr mit einer großen Finanzierung auf euch aufmerksam gemacht. Da wollen wir jetzt natürlich nachvollziehen, wie du das gemacht hast. Sag doch mal erst ganz kurz, was genau muss man sich unter Business Process Management vorstellen? Also was ist eigentlich euer eigenes Produkt?
Gero Decker: Also BPM, wir selbst haben es natürlich nicht erfunden, das gibt es schon seit einigen Jahrzehnten. Da geht es darum, Arbeitsabläufe in komplexen Organisationen zu verstehen und zu optimieren. Angefangen hat das damals mit Massenproduktion, dass ich zum ersten Mal einen Vorgang in 200 Teilschritte aufteile und dann es nicht nur darum geht, den Teilschritt zu optimieren, sondern das große Ganze. Dann so in den 70er, 80er Jahren, als dann IT hochkam in Unternehmen, hat man im Prinzip ähnliche Prinzipien wie für die Produktion eingesetzt, um in informationsverarbeitenden Geschäften, Banken, Versicherungen, öffentlicher Sektor oder halt in der Verwaltung auch von produzierenden Unternehmen, genau die gleichen Prinzipien einzusetzen und halt dank IT komplett neu aufzusetzen. Bis vor, ich sag mal, 10, 15 Jahren war das eher ein Thema für Großkonzerne. Also jeder DAX-Konzern ist auf das Thema Geschäftsprozessmanagement Ende der 90er, Anfang der 2000er aufgesprungen. Und das, was jetzt für uns schön ist, ist, dass es wirklich in breiter Front im Mittelstand angekommen ist, als Art und Weise das operative Geschäft meines Unternehmens zu verstehen und zu verbessern.
Joel Kaczmarek: Also für all die Startups, die da draußen zuhören, es geht um Prozesse. Das sind diese Dinge, mit denen man Ordnung schafft in seinem Unternehmen. Das ist ja in frühen Phasen irgendwie noch nicht mal irgendwie so ein Thema, aber ich glaube, man hört bei dir ganz schön raus, wenn man irgendwie 50 Mitarbeiter plus hat, wenn man 100 Mitarbeiter plus hat, 400, 600, 1000, 5000, dann nimmt das Skaleneffekte an, die halt super relevant sind. Was ist denn der Hinterbau da drunter? Weil es sah für mich so ein bisschen aus wie Flussdiagramme zeichnen, was du, glaube ich, auch mit der Microsoft Suite irgendwie machen kannst. Und das aber kollaborativ. Stimmt das oder tue ich dem Unrecht?
Gero Decker: Das ist ganz spannend. Als wir gestartet sind, damals 2009 mit der Firma, haben uns auch alle gesagt, damals sind wir mit dem Process Editor, mit dem Prozesse malen, sage ich mal, despektierlich angefangen. Und da haben uns auch alle Leute gesagt, dafür gibt man doch kein Geld aus.
Gero Decker: Dafür gibt es ein Visio, ein PowerPoint oder die großen IBM und so weiter, die verschenken die Tools, die sie in dem Bereich haben. Das ist ein Bereich, da kann man kein Geld verdienen. Das Spannende aber ist, dass genau in diesem Bereich überhaupt erstmal über Prozesse reden, Alternativen evaluieren, wo will ich Dinge standardisieren, wo will ich Dinge flexibilisieren, dass dort unglaublich viel Wert drin steckt. Ich war mal ganz kurzzeitig auch als Unternehmensberater unterwegs und da rechnet man seinen Kunden ja dann auch immer vor, wie viel 100 Millionen man denen gerade an diesem Tag wieder verkauft. eingespart hat oder zusätzlich ermöglicht hat. Und im Kern ist es, Abläufe klarzukriegen, mit der eigenen Komplexität zurande zu kommen. Klar, wenn ich ein Unternehmen bin, ich sage mal 20, 30 Mitarbeitern, dann muss ich nur wissen, was ist das Ziel, worauf ich hinarbeite. Unsere typischen Kunden haben so 500 Mitarbeiter plus und je größer eine Firma wird, desto mehr können wir dort eigentlich machen und sozusagen die selbstgemachten Probleme einer Organisation lösen.
Joel Kaczmarek: Läuft ihr nicht Gefahr, dass jemand einmal über euch so einen Prozess definiert und euch danach nie wieder benutzt? Oder müsst ihr jedes Mal euer Tool eigentlich einsetzen, um diese Prozesse zu leben?
Gero Decker: Ja, das ist genau die Fragestellung. Ist es ein Projekt-Tool mit einer definierten Laufzeit oder ist es etwas, was ich kontinuierlich nutze? Das wird dann ganz spannend, wenn man hinterher auch auf sowas wie Churn guckt, weil wäre es ein Projekt-Tool, müsste dann ja da drin stehen, dass ich jeden zweiten Kunde nach einem Jahr verliere. Kann ich schon mal vorwegnehmen, dem ist nicht so. Aber es ist tatsächlich häufig so, dass ich über ein Projekt einsteige. Zum Beispiel, ich habe ein SAP-Rollout-Projekt, wo ich in 23 Ländern ein einheitliches ERP-System ausrollen möchte. Dann starte ich erstmal im Rahmen dieses Projektes, mir überhaupt über globale Prozesse, global einheitliche Prozesse, mache ich mir zum ersten Mal Gedanken. Aber das Spannende ist, dass halt Veränderung so wahnsinnig häufig stattfindet, dass die Leute immer wieder nachjustieren müssen, immer wieder die Prozesse anpassen müssen. Also deswegen das Stichwort bei uns heißt kontinuierliche Prozessverbesserung. Das heißt, ich gucke mir jeden Prozess eigentlich alle drei bis sechs Monate wieder von Neuem an, weil neue technologische Möglichkeiten gekommen sind, weil ich wieder eine Firma übernommen habe, weil wieder irgendwas passiert ist, was sozusagen das erneute Anpacken des Prozesses erfordert.
Joel Kaczmarek: Das ist ja eigentlich ganz nett. Einmal süchtig machen und dann bleiben sie sozusagen. Man fragt sich ja dann immer so ein bisschen, ich glaube, die Frage wird dir bestimmt relativ oft gestellt, jede Firma ist ja individuell, wie kannst du eigentlich ein Tool bauen, was jedem Prozess in diesen tausenden von Firmen, die du potenziell bedienen kannst, gerecht wird?
Gero Decker: Das ist eine sehr gute Frage. Also das, was der gemeinsame Nenner ist, ist, dass es so etwas wie einen Prozess, erst tue ich A und dann tut eine andere Person B, dass es dieses Pattern überall gibt, durch alle Verticals hindurch und auch über viele Größenordnungen hinweg. Das heißt, ein Tool, womit ich das abbilden kann, also unser Process Editor, der wird off the shelf genau auf die gleiche Art und Weise von allen Firmen, egal ob 50 Mitarbeiter oder 500.000 Mitarbeiter, auf gleiche Art und Weise eingesetzt. Bei den anderen Themen Workflow, also wo es tatsächlich darum geht, einen Prozess auch tatsächlich durch IT abzubilden, Tasks zu verteilen, Deadlines zu tracken, Eskalation auszulösen, Systeme zu integrieren. Dort sind natürlich keine zwei Workflows gleich. Dort bieten wir eine Plattform. Das ist dann auch streng genommen nicht mehr Software-as-a-Service, sondern an der Stelle Platform-as-a-Service. wo sozusagen die Plattform gleich ist und ich dann sehr schnell diese Workflows konfigurieren kann. Bei uns dauert das, um eine einfache Version herzustellen, ich sage mal eine halbe Stunde bis zwei, drei Stunden, so einen Prozess umgesetzt zu haben, sodass ich ihn dann auch wirklich an tausend oder zehntausend Leute ausrollen kann. Das dauert wirklich nicht lange. Aber das, was dann dort ausgerollt ist, stellt sich halt dann für den Benutzer dar, im Prinzip wie eine individuelle Applikation, weil es genau die Begriffe benutzt, weil es genau das tut, was die Organisation braucht, weil es genau das Rollenmodell abbildet, was in dem Unternehmen vorherrscht.
Joel Kaczmarek: Ich meine, das ist ja eine ganz schöne Brücke, um an dieses ganze Thema Nutzergewinnung reinzutauchen, weil ich habe ja selber mal ein Geschäftskundenunternehmen gebaut. Man merkt schon, es ist sehr, sehr anders als irgendwie Endkunden. Ich habe dich auch kürzlich in einem Interview gesehen, wo du gesagt hast, so B2C-Customer-Geschichten kennst du gar nicht, ist für dich so ein Buch mit sieben Siegeln. Also man merkt schon, das sind ein bisschen zwei Welten. Wie gehst du denn da vor? Wie gewinnst du denn Kunden? Was sagst du denen? Sind deine USPs? Und ist das, was du gerade beschrieben hast, da eigentlich so der Hebel? oder wie muss man sich das vorstellen?
Gero Decker: Also einmal ganz wichtig ist, dass wir uns auf dieses Thema Geschäftsprozessmanagement fokussieren. Wir machen nicht hier noch ein bisschen CRM und dann machen wir hier noch ein bisschen das und hier noch ein bisschen das, sondern wir sagen, wir haben genau diesen einen Fokus. Und das ist scheinbar eine Nische, die sich perfekt dafür geeignet hat, in Unternehmen wie unseres zu bauen. USPs, wir waren in unserem Markt die Ersten mit einer Cloud-Lösung weltweit. Wir haben diesen ganzen, ich sage mal, Web 2.0, Enterprise 2.0-Gedanken als Erste in dieses Themenfeld reingebracht. Also Prozesse nicht als etwas, wo ich zwei, drei Gurus habe, die wissen, wie der perfekte Prozess aussieht, sondern unser Mantra ist BPM for Everyone. Das heißt, jeder soll in die Prozessgestaltung eingebunden werden, jeder soll Ideen einbringen. Und jeder muss mitgenommen werden bei dem Thema. Da waren wir auch die, die allerersten, die das gemacht haben. Und dann, das ist ein allgemeiner Trend ja gewesen für Enterprise Software, ganz stark halt auf so Themen wie Usability zu setzen und nicht nur den Buyer glücklich zu machen, sondern auch tatsächlich den User. Also da wahrscheinlich ein großer Unterschied zum B2C-Geschäft, dass das bei uns zum Teil halt komplett unterschiedliche Zielgruppen sind. Die, die das Säckelchen sozusagen aufmachen und die, die das dann hinterher ausbaden müssen. Und User-Fokussierung war in unserem Segment nicht immer gegeben.
Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, das ist ein ganz schönes Beispiel. Du hast ja absolut recht. Käufer ist ein anderer als Nutzer. Und das macht ja was mit so einem Produkt. Du musst eigentlich zwei Sachen ausgerichtet bekommen. Wer ist denn zum Beispiel der Käufer, wenn es um BPM geht? Also ist es IT, ist es Einkauf oder wo ist das angesiedelt?
Gero Decker: Also die, die das Thema treiben, sind typischerweise Leute im Operations-Bereich. Also typischer Kunde für uns wäre COO und sein Bereich, der sich um das operative Tagesgeschäft kümmert. Es gibt in manchen Firmen inzwischen sowas wie ein Process Center of Excellence, die das sozusagen als Disziplin intern promoten. Aber es gibt auch Fälle, gerade in großen Konzernen, wo ein Bereich womöglich allein schon 5.000 oder 10.000 Leute stark ist. Also wo ein HR-Bereich bei einer deutschen Bahn ist in sich mehr als ein Mittelständler. Insofern kann es sein, dass du dann auch nur erstmal diesen Bereich abdeckst und sagst, komm, wir gucken uns jetzt HR-Prozesse bei der deutschen Bahn an und wie kriegen wir das eigentlich hier gewuppt mit.
Joel Kaczmarek: Jetzt lass uns mal noch so abschließend ein bisschen versuchen, bei dem ganzen Thema Geschäftskunden Besonderheiten rauszukehren und wie man damit umgeht. Was ich so ein bisschen beobachtet habe, ist, dass man häufig so Thema Cover Your Ass, nenne ich das immer, hat. Also wenn jemand was einkauft auf Firmenkundenseite, will der immer die beste Lösung, weil er das ja nach irgendwo hin verargumentieren muss mit seinen Budgets. Und ich habe zum Beispiel oft auch die Situation gehabt, dass wenn du hingegangen bist und konntest ihm sogar zeigen, dein Tool ist besser als das, was er aufgekauft hat oder vorher gekauft hat, dass das für den eigentlich ein Problem ist, weil man ihn dann sozusagen fragt, warum hast du in the first place das nicht gleich gekauft. Also jetzt mal so als ein Beispiel, was mir so aufgefallen ist bei der Einkaufsmentalität. Was würdest denn du sagen, sind so typische Unternehmenskundeneigenarten, wenn es an B2B-Software geht?
Gero Decker: Du hast es halt immer mit einem Einkaufsteam zu tun oder mit mehreren Leuten. Also du hast in den seltensten Fällen eine Einzelentscheidung, dass einer sagt, ich finde das total toll und ich will das jetzt haben.
Gero Decker: Sondern es muss in so einen Gesamtkontext reinpassen.
Gero Decker: Und dann je nachdem, wo ich im Unternehmen einsetze. Also wir haben sozusagen so drei Einflugschneisen. Eine ist die, wo tatsächlich die User oder potenziellen User zu den Champions werden und das sozusagen von unten nach oben tragen. Und dann gibt es die Fälle, das sind eigentlich für uns die spannendsten, wo ich so auf Director-VP-Level Leute habe, die sagen, ich habe ein Problem, was ich lösen muss bei mir im Unternehmen und da brauche ich für mich und mein Team, für mich und meine Abteilung, für mich und meinen Bereich, brauche ich dort etwas Passendes. Und dann gibt es natürlich sozusagen die Frage, wie verkaufe ich in C-Level rein, dort bin ich innovativ. Vielmehr, ich sag mal so, auf so einer Visionsebene unterwegs. Wie passt das zu unserer strategischen Ausrichtung? Dort wird aber typischerweise auch wiederum keine Entscheidung getroffen, sondern es wird im Prinzip einmal nach unten delegiert. Zu sagen, ich finde es cool, das passt für uns hier, keine Ahnung, digital 2020. Und da ist das hier einer der Bausteine und ich finde das gut. Aber es wird dann sozusagen eine eben nach unten gegeben. Und das, was ich am Anfang sagte, sozusagen User werden zu Champions. Die geben es eine Ebene nach oben. Also das sind auch so die Dinge, die man lernt. Welchen Weg muss ich eigentlich durch die Organisation machen? Wen muss ich an den Tisch gebracht haben, um eine Entscheidung zu bekommen? Cover your ass mache ich das eigentlich nur aus, habe ich immer nur ein Risikominimierungsblick auf die Themen. Ja und nein. Es gibt auch die, die sich ganz explizit intern damit profilieren wollen, mit solchen Themen. Die das für sich und ihre Karriere als Chance sehen, da was Großes auf die Beine zu stellen.
Joel Kaczmarek: Wie kriegst du es denn aber hin? Man hat ja jetzt bei dir schon rausgehört, die Prozesse bei sowas sind ja sehr, sehr lang. Das kann ja gerade, wenn man noch im Startup-Modus ist, irgendwie schwierig werden. Also was hast du gemacht, um diese langen, komplexen Entscheidungszyklen gemanagt zu bekommen?
Gero Decker: daran zu glauben, dass man es eines Tages hinbekommt. Nein, also inzwischen ist es so, dass unsere Vertriebszyklen sehr stark geschrumpft sind. Wir sind jetzt so bei vier bis fünf Monaten, was für B2B ganz okay ist, zwischen sozusagen initialem Kontakt, den man hat, bis zu einer ersten Bestellung. Das ist bei vielen anderen B2B-Firmen wesentlich höher, 12, 18 Monate. Also da sind wir schon ganz glücklich. Aber das war natürlich am Anfang nicht so. Am Anfang, die ersten zwei Jahre, hatten wir eher Zyklen von, naja, einem Jahr oder anderthalb. Das heißt, die Leute, die wir am Tag der Gründung kennengelernt haben, haben häufig dann erst nach zwei Jahren gekauft. Und das ist natürlich so eine spannende Situation, wo du super viel positives Feedback aus dem Markt bekommst und die Leute sagen, ja, das ist total super, was ihr macht, das brauche ich, aber die kaufen nicht. Das sind natürlich so die Momente, wo man sich dann selbst ganz stark hinterfragt und dann überlegt, ist das jetzt ein strukturelles Problem, weil das bei B2B einfach so ist? Oder hast du Vertrieb nicht verstanden? Oder ist dein Produkt einfach nicht gut genug? Das weißt du nicht. Also du hast nicht so nach dem Motto AB-Testing. Ich feuere da mal was raus und dann messe ich irgendwie Klickraten und dann treffe ich eine Entscheidung. AB-Testing heißt bei uns manchmal irgendwie ein Experiment, was über 24 Monate läuft.
Joel Kaczmarek: Ja, aber ich fühle da total mit. Ich kenne das. Es geht einem genauso, dass man dann denkt, ist das Tool falsch gebaut für den Markt? Haben wir den Sales-Pitch verkackt? Aber da gibt es wahrscheinlich nicht das Patentrezept, was du dem geben kannst.
Gero Decker: Naja, die Sache, die ich sehr erstaunlich fand, als ich dann nach Amerika rübergegangen bin, 2012 war, dass in Amerika unglaublich viel Verständnis oder unglaublich viel Erfahrung war für B2B-Software-Unternehmen. Davon gibt es einfach viel, viel mehr in den USA. B2B-Software kommt eigentlich komplett aus den USA. Da haben wir irgendwie zwei, drei Firmen, die aus Deutschland dort mitspielen, aber alles andere ist amerikanisch. Die haben schon eher ein Gefühl dafür, wie sieht so ein Blueprint für so eine Company aus? Welche Phasen durchlaufe ich? Und das war für uns einfach schwierig, weil es in Deutschland wenig Referenzpunkte gab. Wo muss ich eigentlich durchlaufen? Wenig Leute, die einem als Mentor oder als Advisor irgendwie Tipps geben konnten. 2009, okay, da gab es Erfahrungen mit E-Commerce oder anderen Themen, wo man so ein Templating oder Blueprinting-Erfahrungsschatz womöglich reingreifen konnte. Aber für Enterprise-Software, selbst heute noch, ist das eher schwierig in Deutschland zu finden.
Joel Kaczmarek: Hast du abschließend noch bei dem ganzen Thema Geschäftskunden irgendwie einen Tipp für junge Unternehmer, die sich auch in diesem Feld widmen wollen? Was sind so Mindestanforderungen? Also gibt es so Sachen, die du definitiv haben musst? Das können ja so ganz banale Sachen sein, wie Rechnungskauf anbieten oder solche Geschichten. Gibt es da so Compliance-Dinge, die man auf der Uhr haben sollte?
Gero Decker: Das Wichtige, wenn ich B2B-Software mache, ist, zwei Dinge zu verstehen. Einmal Produkt und einmal Sales. Viele andere Themen sind total untergeordnet. Rechnungskauf, ich meine, wir haben die ersten drei Jahre jede einzelne Rechnung mit Word per Hand getippt zum Beispiel und haben dann angefangen, hinterher zu telefonieren und so. Also da bei vielen Themen verzeihen einem viele Leute. Welche Payment-Arten? Völlig egal, ja, völlig egal. Hauptsache, die unterschreiben erstmal und wenn du dann irgendwann später an dein Geld kommst, fine. Aber die sozusagen Vertrieb, Vertrieb ist eins der Themen, was man sich halt aneignen muss oder angucken muss oder wo man drauf achten muss, weil das häufig etwas ist, wo, wie gesagt, in Deutschland relativ wenig Erfahrung ist und die Tech-Gründer meistens nicht sozusagen das Mindset haben, in einem Vertriebsvorgehen zu denken.
Joel Kaczmarek: Ich habe gesehen, da wird relativ viel mit so Whitepapern gearbeitet im B2B-Bereich, oder?
Gero Decker: Ja, wir haben einen unüblichen Weg eigentlich gegangen. Wir sind auch heute noch, machen wir das Meistern Lead-Generierung über Inbound. Das ist für Enterprise Software gerade in Amerika ziemlich unüblich, dass die Leute auf einen zukommen. Was wir als Marketingkanäle sehr stark gespielt haben, waren wie gesagt so Content, selektive Content-Geschichten, die gut funktioniert haben, wo wir eigentlich einfach Glück hatten. Wir haben zum Beispiel so ein Poster kostenlos verschickt. Also du konntest es hier entweder als PDF direkt downloaden, Oder du konntest dir so einen Poster, so einen Hochglanz-Poster halt kostenlos zuschicken lassen. Darüber haben wir 400, 500 Leads am Anfang pro Monat generiert. Highly targeted. Die Leute, die sich für dieses Prozessthema interessieren. Und die rufst du an und sagst, hey, ist das Poster angekommen? Hängt es bei dir an der Wand? Ja, super, geil, hilft mir. Es hat sogar ein bisschen die Tagesschau geschafft.
Joel Kaczmarek: Was war da drauf genau?
Gero Decker: Da war einfach nur drauf, wie man Flowcharts malt. Ganz plump und banal. Also da hatten wir so ein paar Glückstreffer, sage ich mal, auf dieser Content-Schiene. Ansonsten haben wir das meiste gemacht über klassisch Events, also Sponsorings oder dann später eigene Events, die wir organisiert haben. All solche Themen muss man natürlich immer alle halbe Jahre oder jedes Jahr sich mal angucken. Deswegen ändern wir dort auch momentan sehr viele Themen, weil wir zum Beispiel Outbound-Kanäle halt ja bisher fast gar nicht gemacht haben.
Joel Kaczmarek: So, da müssen wir jetzt mal ein bisschen zu deinem Unternehmen kommen, weil ich habe es ja schon gesagt, so Hidden Champion gefühlt. Also die letzten Zahlen, die ich gelesen habe, die sind bestimmt schon wieder überaltet. 100 Mitarbeiter, 750 Firmenkunden.
Gero Decker: Kommt das hin? Wir sind jetzt ein bisschen mehr. Also wir sind jetzt an Mitarbeitern, ich glaube, 115 oder 120. Wir haben in den letzten beiden Wochen allein 10, 12 Leute in Boston eingestellt. Also da erweitern wir gerade ganz gut und bei Kunden sind wir über 900 Mitarbeiter.
Joel Kaczmarek: Siehst du, also schon relevante Größe. Wie habt ihr das geschafft, sowas aufzubauen, ohne dass es eigentlich so, ich sag mal, in der Startup-Szene hat man jetzt nicht viel von euch gelesen. Wenn man so ein bisschen wach unterwegs war, hat man es mitgekriegt, aber eigentlich seid ihr total unterm Radar geflogen.
Gero Decker: Du kannst halt immer nur so viele Dinge am Tag tun und du versuchst dich natürlich zu fokussieren. Wir haben sehr früh erste Versuche gemacht, ob Finanzierung für uns der Weg ist, das Unternehmen anzubieten. schneller voranzubringen, haben uns da abschrecken lassen, sage ich mal, 2009, 2010. Deswegen haben wir gesagt, eigentlich wollen wir überhaupt nie mit Investoren zu tun haben. Das erschien uns als Zeitverschwendung.
Joel Kaczmarek: Warum?
Gero Decker: Naja, weil Leute, die dein Geschäft nicht richtig verstehen oder nicht drin sind und ihren Buddys auf dem Golfplatz eigentlich nur Apps zeigen wollen, da hatten wir das Gefühl, also das war damals so unser Bild von Business Angels. Leute, die von Software eigentlich keine Ahnung haben, aber Geld haben und ihren Kumpeln was Cooles zeigen wollen. Hat sich jetzt ein bisschen gewandelt in den letzten paar Jahren. Und dann bei Investoren so die Horrorgeschichten. Du startest dann mit viel Herzblut dein Unternehmen und dann wirst du als Geschäftsführer halt nach drei Monaten abgesetzt. Oder du wirst gezwungen, Dinge viel schneller auszubauen, als wo du selbst das Gefühl hast, dass das sinnvoll ist. Das war so unsere Wahrnehmung damals. und so ein Getriebener zu sein, weißt du, dass du nicht deine eigene Geschwindigkeit einfach definieren kannst. Warum sind wir unterm Radar geblieben? Naja, zum einen, weil wir nie auf Investorensuche waren und zum anderen, weil Startups nicht, also wir haben auch Kunden im Startup-Bereich, klar, aber es ist nicht unsere Hauptzielgruppe, Kundengruppe. Insofern braucht Und als Recruiting-Kanal über die Startup-Medien bekannt zu sein, hat sich für uns auch nicht als das Ding erwiesen, sondern wir sind über andere Kanäle mal in gute Leute gekommen. Insofern gab es jetzt nicht die Notwendigkeit, da immer auf der Bühne zu stehen.
Joel Kaczmarek: Aber jetzt sag doch trotzdem mal, weil du am Anfang gesagt hast, ihr habt anderthalb Jahre teilweise gebraucht, bis die Leute, mit denen ihr zur Gründung geredet habt, eure Kunden wurden. Ich habe mitgekriegt, so AOK Brandenburg soll irgendwie früher kundig gewesen sein, Airbnb, das sind so Namen, die da irgendwie aufkommen. Wie ist durch diese ganze Gründungsgeschichte Signavio gestartet, wie seid ihr an solche Leute gekommen? Ihr seid ja Spin-Off des HPIs und auf einmal habt ihr solche Adressen bei euch in der Kundendatenbank.
Gero Decker: Genau, also wir haben, das Ganze ging so los, ich war Promotionsstudent, Doktorand am HPI und da hat man immer viel Zeit, sich mit tollen Ideen zu beschäftigen. Und ich hatte einfach ein pfiffiges Studententeam, die damals ihr Bachelorabschlussprojekt gemacht haben, wo man immer so Prototypen baut. Und wir haben halt einen Prototypen gebaut für einen Flow-Charting-Tool im Web. Das war damals 2006, also zweieinhalb Jahre vor Gründung. Und zwei der Teammitglieder, Nico und Willi, die waren da, die haben die ganze Nacht auch durchprogrammiert und fanden das total super. Dann irgendwann kam das halt zu einem Punkt, wo wir das Gefühl hatten, wir machen jetzt hier nicht mehr nur reine, also es war ein Open-Source-Projekt, reine Open-Source, wir verbessern die Weltgeschichte und sozusagen. es war keine Forschungsfrage damit verknüpft, was wir gemacht haben, sondern hatten so das Gefühl, naja, irgendwann, das fängt so langsam an zu kippen hin zur Produktentwicklung. Und da ist die Uni einfach der falsche Rahmen dafür und wir waren dann auch alle fertig. Ich mich Ich mit meiner Promotion, die anderen halt mit ihrem Masterstudium, was sie dann noch gemacht hatten. Und da haben wir dann so langsam gesagt, okay, lass uns mal überlegen, wie wir dann eine Firma daraus gründen können. Wir haben gesagt, wir gründen, wenn zwei Dinge passieren. Also eins von zweien, entweder wir finden einen spannenden Referenzkunden, Pilotkunden, mit dem wir anhand dessen wir das sozusagen entwickeln können oder zumindest zur Marktreife treiben können. Weil wir mussten halt viele Dinge wegschmeißen, neu machen, die wir in dem Open-Source-Projekt gemacht haben. Und das Zweite, wir kriegen irgendwie eine Art von öffentlicher Förderung, Exist-Programm damals. Es kamen dann beides, AOK, wie kam das? Wir kannten die einfach aus dem HPI über Projekte, die wir mit denen gemacht haben, wo wir im Prinzip so Art Consulting-Engagements, sage ich mal, gemacht haben und die uns als Personen einfach cool fanden. Da war eine Kollege von der AOK, der sagte, Herr Decker, wenn Sie zu uns kommen, den Raum betreten, da scheint immer die Sonne. Sie bringen immer irgendwas technisch Spannendes mit und zeigen mir das. Das waren dann so Sachen wie, Ich habe dann ein iPad mitgebracht und habe gezeigt, wie man da mit zwei Fingern in Google Maps irgendwie die Landkarte klein und groß ziehen kann. Aber wenn du halt da nicht direkt drin steckst und immer vorne mit dabei bist, ist es halt spannend, da so einen Sparringspartner für technische Dinge zu haben. Und so wurden wir wahrgenommen. und die Wahrnehmung war, wenn die Jungs sich was vornehmen, die sind schlau, die arbeiten hart, dann glauben wir denen, dass da was bei Gutes rauskommt. Und die hatten ein Wettbewerbsprodukt, was die hätten nachlizenzieren müssen. Und wir haben uns im Prinzip darauf geeinigt, dass wir einen gewissen Prozentsatz dessen bekommen, was die sonst ausgeben müssten für ihre Lizenzen. Und sozusagen Bezahlung erfolgt erst, wenn das da ist. Aber dann kam der Deal sozusagen relativ schnell zustande. Hat dann ein paar Monate gedauert, bis wir es liefern konnten. Aber das zusammen mit Exist hat uns im Prinzip die ersten zwölf Monate oder noch ein Stück weit darüber hinaus finanziert. Also aus Exist und dem ersten Kundenszenario hatten wir über 200.000 Euro dann zur Verfügung. Also das, was sonst andere Leute über eine Business Angel Runde machen würden.
Joel Kaczmarek: Ja, klasse. Ich meine, man merkt ja auch, dass es manchmal irgendwie auf Zwischenmenschliches ankommt, höre ich da so ein bisschen raus. Am Ende des Tages sind es immer noch Menschen, die da was kaufen. Absolut. Und man muss da so ein bisschen überlegen. Wie habt ihr denn weitergemacht? Ich meine, ich habe auch so versucht zu überlegen, wie baut man sowas aus? Weil du hast ja schon gesagt, USA seid jetzt mittlerweile sogar aktiv. Was waren so Meilensteine, die man so
Gero Decker: Ja, der erste Meilenstein war überhaupt, ich sag mal, einen wiederholbaren Sale hinzubekommen. Also nach der AOK kamen viele, viele Monate fast nichts. Immer so kleinere Pflänzchen zwischendurch. Aber es hat ungefähr nochmal ein Jahr gedauert, nachdem die AOK das gekauft hatte, bis wir in, ich sag mal, wiederholbare Geschichten reingekommen sind. dann auch das Gleiche nachgefragt wird, dass man mit einer gewissen Regelmäßigkeit die Software auch tatsächlich verkauft bekommt. Das war so der erste Meilenstein. Der zweite Meilenstein war, den Vertrieb zu übergeben von den Gründern an Vertriebskollegen. Das ist auch nicht so trivial, weil als Gründer bist du Produktmanager, Vertriebler, Customer Success Manager, alles in einem und stellst es auch glaubwürdig dar. Wenn du jemanden hast, der in Anführungszeichen nur Vertrieb macht, ist das womöglich halt was anderes und der Kunde nimmt das auch anders wahr. Und dann der nächste Schritt war, ein Team überhaupt mal aufzubauen, wo alle relevanten Positionen besetzt sind. Überhaupt mal einen Support aufzubauen, Marketing als Team aufzubauen, solche Themen. Das waren schon große Schritte. Die ersten Frauen einzustellen, da kommen dann auch gewisse Da müssen dann kulturelle Aspekte rein, da müssen ein paar Bildchen abgenommen werden im Büro und so. Das darf man nicht unterschätzen. Oder so Schritte wie, es passen nicht mehr alle Leute in ein Büro, sondern du hast dann zwei Räume und es ist ein echter Koordinierungsaufwand, zusammen zum Essen zu gehen und so. Also häufig sind solche Dinge, die auch Meilensteine in der Firma bedeuten. USA war für uns dann ganz spannend. Das war im Prinzip in dem Moment, wo wir unser Ambition Level, sozusagen das, was wir erreichen wollen, dramatisch nach oben geschraubt haben. Vorher war es so, wir wollen einfach nur ein gutes Produkt shippen und eine Firma bauen, die halt profitabel arbeiten kann. Aber wir haben sehr schnell gesehen, dass dass sowas halt auch skalieren kann und dass du womöglich mehr erreichen kannst als nur 50 oder 100 Kunden. Und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern. Wir hatten genug Geld, um uns das leisten zu können. Also wir haben schon signifikante sechsstellige Gewinne gefahren. Aber es war insofern zu früh, als dass wir eigentlich noch nicht eine Maschine zu Hause gebaut hatten, dass alles sozusagen auf wiederholbare Weise funktioniert. Und auch am Produkt haben wir gesehen, dass wir für Amerika viele Dinge einfach noch nachjustieren müssen, wo der deutsche Markt noch verzeihender war. Und wir haben dann Amerika so als Remote Office, Remote Satellite geführt. Schlecht war, Kalifornien als Standort war, neun Stunden Zeitverschiebung, du kannst nicht mal eben schnell hinfahren, du kannst Leute fast unmöglich dort rekrutieren und halten. Und deswegen haben wir im Prinzip jetzt Amerika, ich sag mal, so ein Reboot gemacht. Haben dann super, super Typen eingestellt vor ein paar Monaten, der halt dort Amerika zum ersten Mal jetzt richtig aufsetzt. Und der das bei anderen Firmen auch schon gemacht hat. Seine zwei Firmen davor waren Concur, die an SAP für ein paar Milliarden verkauft wurden, und Webex. Dort hat er das Großkundengeschäft aufgebaut. Insofern hat er ja schon mal Dinge, sowas halt schon mal gesehen. Und da haben wir jetzt auch Nägel mit Köpfen gemacht. Wir haben jetzt sozusagen innerhalb von drei, vier Monaten, stellen wir dort dann auf einen Schlag knapp 20 Leute ein. Und dafür wären wir nicht bereit gewesen, dafür wäre das Messaging nicht wiederholbar gewesen, dafür wäre das Targeting, hätten wir gar nicht genug gewusst, die Infrastruktur gar nicht gehabt, Pre-Sales, Customer Service, alles sozusagen auch da zu haben, Marketing, Horsepower, um Vertriebsmannschaften zu unterfüttern und so weiter.
Joel Kaczmarek: Unit Economics finde ich immer ganz interessant zu betrachten und ist ja bei SaaS so ein bisschen speziell. Ich habe zum Beispiel witzigerweise gelesen, dass bei euch preislang ein Thema war, dass ihr zu billig wart.
Gero Decker: Stimmt das? Genau, genau. Wir waren, am Anfang war unsere Denkweise, unsere Software für 30 Euro pro Seed pro Monat zu verkaufen. Warum? Weil ein Kumpel von mir eine Firma gegründet hatte und da hat es 25 Euro pro User pro Monat gekostet und wir dachten, unsere Software ist besser. Das war so der Startpunkt. Aber es hat halt nicht gepasst in die Preiserwartung der Kunden und der Partner. Und spät haben wir dann auch gemerkt, es ist immer eine Frage, welches Vertriebsmodell wählst du, wenn du sozusagen online sales, also du verkaufst Lizenzen über einen Shop, dann kannst du halt Preise zwischen, ich sage mal 500 und 5000 Dollar oder Euro Annual Contract Value kannst du mit so einem Modell fahren. Aber unsere Software eignet sich weniger für ein Shop-Modell, sondern das ist ein Stück weit erklärungsbedürftiger. Das heißt, ganz zwangsläufig muss das Produkt mindestens 5000 Euro pro Jahr pro Kunde kosten. Sonst kannst du das gar nicht profitabel anbieten, das Modell. Und dann kann man sich halt ausrechnen, wie viele Lizenzen, wie viele User-Lizenzen musst du vertickern, um auf so einen Preis zu kommen. Und das war mit 30 Euro pro User pro Monat einfach schwer möglich, dort sozusagen innerhalb von kurzer Zeit auch auf so ein Level zu kommen.
Joel Kaczmarek: Lass uns doch mal generell so ein bisschen über die Metriken, also die Unique Economics reden, die man im SaaS-Bereich so hat. Also was ich so mitkriege, sind ja so die drei zentralen, sozusagen die wichtigen Kennzahlen, die man sich angucken können sollte, immer Annual Recurring Revenue. Also es ist ja so ein bisschen anders, als wenn ich jetzt einen E-Commerce-Shop habe, da gehst du auf Außen- und Innenumsatz und so eine Sachen. Also jährlich wiederkehrender Umsatz, Churn Rate, also wie viele Leute springen aus meinem Produkt irgendwie ab? und als drittes, wie wir eigentlich bei jedem Internet-Business, Customer Lifetime Value. So, sicherlich noch ein Faktor, das ganze Thema Kundenakquisitionskosten, aber wenn wir jetzt mal das als Performance-Thema erstmal so weit ausblenden, also wir gehen mal davon aus, du hast den Kunden schon, A, wie steht ihr da bei den drei Metriken so und B, kannst du vielleicht jeweils mal irgendwie auch ein paar spannende Praxistipps geben, was man machen kann, um sowas positiv zu beeinflussen, speziell Churn ist ja immer so ein Thema bei.
Gero Decker: Nee, also wie du schon sagst, das sind auch für uns die drei wichtigsten Metriken, wobei Customer Lifetime Value dröseln wir noch auf. Das ergibt sich ja auf der einen Seite aus Churn und die spannende andere Zahl ist, die spannende andere Komponente ist Annual Contract Value mit Kunden. Und dort vor allen Dingen dann die Frage, was ist sozusagen Initial Purchase Order? Also wenn du ein neues Logo sozusagen hinzufügst zum Kundenkreis, mit was für einer Purchase Order Size, mit was für einem ACV gehst du sozusagen initial rein. Und wie lange dauert es? Drei, sechs, neun, zwölf Monate, um sozusagen den ersten Das erste Upselling oder das erste Cross-Selling hinzubekommen? und was ist eigentlich sozusagen Potenzial an ACV pro Account? Also worauf arbeitest du eigentlich hin und wann hast du sozusagen ausgemaxt, sage ich mal, auf einem Account? Churn ist natürlich ganz wichtig. In der Vergangenheit hatten wir immer einen sehr, sehr niedrigen Churn. Kleinere Kunden churnen mehr als große. Also insofern ist Logo-Churn bei uns in der Vergangenheit immer ein bisschen höher gewesen als ACV. als Dollar-Churn oder Euro-Churn, aber beides war bei uns immer im deutlich einstelligen Bereich, also ziemlich klein. Also mehr als 90 Prozent der Kunden, mehr als 90 Prozent der Euros bleiben sozusagen, bestehen von einem Jahr zum nächsten. Was kann ich tun, um Churn zu reduzieren? Naja, im ersten Fall einfach ein gutes Produkt haben, was einen nachhaltigen Wert schafft, nicht nur ein Projekttool ist, sondern eins, was halt nachhaltig eingesetzt wird in der Linie. Und dann ist natürlich die Disziplin, die in aller Munde ist wahrscheinlich und die wir auch massiv ausbauen bei uns, Customer Success Management. Ganz spannend, wir hatten hier vor zwei Wochen bei uns das erste Berliner Meetup zum Thema Customer Success Management. Auch Gainsight Leute und die Customer Success Managerin von Red Hat zum Beispiel war auch hier bei dem Meetup, wo es darum geht, sobald ein Kunde gewonnen wurde, den nicht nur vertrieblich zu betreuen, auf der einen Seite und auf der anderen Seite reaktiv durch Support zu betreuen, sondern dass du im Prinzip noch einen dritten Ansprechpartner hast oder dritte Gruppe hast, die proaktiv fachlich einen Account entwickeln und ihm helfen. Die haben dann so eine Customer Journey, also von sozusagen Initial Purchase Order, was sind eigentlich die Meilensteine, die ich erreichen muss als Kunde, was ist der Wert, den ich rausgezogen haben muss und wie kann ich dem Kunden helfen, sozusagen von einer Stufe zur nächsten kommen. Also bei uns sind so drei Ausbaustufen. Erst sozusagen einige wenige Nutzer oder auf Projektbasis wird das Produkt eingesetzt. Zweite Ausbaustufe ist, ich habe ein zentrales Team. Kommt natürlich auf Unternehmensgröße drauf an, ist das auf Bereichsebene oder wirklich Gesamtunternehmen, die uns einsetzt als das Standardprodukt unternehmensweit. Und dann die dritte Stufe ist, das nennen wir dann bei uns BPM, Business Process Management as a Culture, als Kultur etablieren. Das heißt, es sind nicht nur sozusagen einige wenige Erleuchtete im Unternehmen, sondern es wird sozusagen als Kultur, als allgemeine Denkweise im ganzen Unternehmen etabliert. Und dann wird es für uns spannend, Wie gesagt, von Stufe 1 zu Stufe 2 haben wir ungefähr eine Verdopplung bis womöglich Verzehnfachung von einem ACV. Und von der Stufe zu BPM as a Culture ist womöglich nochmal Faktor 3 bis 5, dass der ACV steigt. Also das heißt, du hast innerhalb eines Accounts unglaublich große Upselling-Potenzial, wenn du dich auf diesen Stufen bewegst. Und da hilft Customer Success Management, diesen Weg zu beschreiten.
Joel Kaczmarek: Kannst du endlich mal so ein bisschen, wo du ACV schon sagst, die Metriken auseinanderhalten? Ich fand das latent verwirrend bei SaaS. Manche reden ja von Buchung, manche reden von Vertragswerten, die du sozusagen schon hast und andere wiederum von Umsatz. Das ist ja manchmal so ein, vielleicht kannst du mal für den Laien, der jetzt eher so aus dem E-Commerce oder Standardunternehmertum kommt, ein bisschen aufdröseln, was da was ist.
Gero Decker: Stellen wir uns vor, wir haben eine Firma vor uns, sagen wir, keine Ahnung, die Deutsche Bahn. Die Deutsche Bahn kauft Software, die kauft eine Subscription für, sagen wir mal, 50.000 Euro pro Jahr. Die bestellt die am 12.10. Dann ist sozusagen das, wir nennen das dann ACV, diese 50k. Und wenn es so zu einer Neukunde ist oder ein sozusagen hinzukommt, steigt halt der ARR halt genau um diese 50k in dem Moment. Beziehungsweise dann ist noch die spannende Frage, gibt es einen Zeitlag zwischen Bestellung und Data Subscription? Bei uns ist typischerweise Bestellung gleichbedeutend. Also wenn er am 12.10. bestellt, wird am 12.10. werden alle Lizenzen freigeschaltet und am 12.10. geht sozusagen die Rechnung los und am gleichen Tag wird noch. Oder sozusagen die abgerechnete Zeit geht dann los und am gleichen Tag wird auch die erste Rechnung geschrieben. Genau, also insofern fügt sich das dann obendrauf. ACV ist halt, ACV pro Account ist dann sozusagen das akkumuliert, was du an Subscription gerade mit einem Kunden laufen hast.
Joel Kaczmarek: Okay, also um es mal richtig zu verstehen, weil wenn du zum Beispiel sagst, der bucht im Oktober für 50.000 Euro derjenige, es läuft zwölf Monate und du chargst den auch nur zwei Monate, dann wäre ja in deinem ARR für das Jahr 2016 jetzt meinetwegen, wären da nur zwei
Gero Decker: sozusagen von den zwölf
Joel Kaczmarek: Themen drin
Gero Decker: oder alles? Nee, ARR geht sofort.
Gero Decker: ARR steigt um genau die 50k sofort. Wenn es jetzt aber um Umsatz geht oder im SaaS-Bereich ist dann das Stichwort immer Recognized Revenue, weil du rechnest das im Prinzip tagesgenau ab. Das heißt, du hast dann noch zweieinhalb Monate Umsatz. Also zweieinhalb Monate von den zwölf Monaten hast du als Umsatz für 2016 dann im Buch stehen und neuneinhalb Monate sind im Prinzip schon vorgemerkt gebucht für 2017 schon. Und das taucht dann halt als Cash bei dir auf, weil typischerweise alles upfront bezahlt wird. Also zwölf Monate werden upfront bezahlt oder manchmal sogar, wenn du einen Drei-Jahres-Vertrag hast, manchmal sogar alle drei Jahre komplett upfront Cash. Aber du hast dann halt eine kurzlaufende Liability in deinen Büchern stehen, weil du halt das Cash schon collected hast. Aber die Leistung musst du erst noch in der Zukunft erbringen und dann bis zum einschließlich 11.10.2017 den Service bereithalten.
Joel Kaczmarek: Ja, ich finde das halt ganz spannend,weil ich immer so das Gefühl habe,da kannst du relativ gut auchAugenwischerei machen gegenüber Investoren,die meisten sind halt Vollprofis,die durchblicken das relativ schnell,aber wenn du mit Contract Values ankommstund andere sind immer Umsätze gewöhnt,hatte ich immer so das Gefühl,weil viele machen ja wirklich so was,3-Jahresverträge, 5-Jahresverträge,ja, ganz spannendes Feld.
Gero Decker: Also wichtig noch, Contract Value ist häufig das, was wichtig ist auch für Provisionierung oder sozusagen Compensation Schemes. Da ist dann noch die spannende Frage, wie lang laufen die? Also hast du quartalsweise Bindung, hast du Jahres- oder Mehrjahresverträge? Weil was sozusagen bei anderen, also bei SAP zum Beispiel TCV, Total Contract Value, ist halt, du hast zum Beispiel einen Dreijahresvertrag und dann werden alle drei Jahre, also dreimal 50k in dem Fall, 150k wäre halt TCV, was dann für Provisionierung und so weiter relevant wäre. Aber da scheiden sich die Geister, wie man das genau macht.
Joel Kaczmarek: Kannst du eigentlich mal sagen, was ihr so Lifetime-Value mit einem Kunden im Durchschnitt verdient? Ich meine, es wird wahrscheinlich hochvolatil sein, je nachdem, wie groß so ein Kunde ist und welche Suiten der nimmt, aber hast du da irgendwie so Charges?
Gero Decker: Das sind sechsstellige Beträge bei uns, Time Value für den Kunden. Und es wandelt von Branche zu Branche auch und Unternehmensgröße zu Unternehmensgröße. Aber sagen wir mal, am unteren Ende 100k, am oberen Ende in manchen Branchen halt hohe sechsstellige Beträge.
Joel Kaczmarek: Wahnsinn. Von was für Zeiträumen sprechen wir da, wenn die bei dir so viel Geld lassen?
Gero Decker: Ungefähr 10 bis 15 Jahre.
Joel Kaczmarek: Das ist schon ein Brett, nicht schlecht. Vielleicht kannst du auch mal einen Satz zu dem ganzen Thema Kundenakquise, also CAC, Customer Acquisition Cost sagen. Wenn die so lange bei dir bleiben und so viel Geld lassen, ist es dann ähnlich teuer, sie einzukaufen? Also wie verhält sich dann so eine Kundenakquise-Ausgabe zu dem Lifetime, wenn du den mit so einem Kunden machst?
Gero Decker: Also bei SaaS sagt man ja typischerweise, dass sich das innerhalb des ersten Jahres amortisiert haben soll. Und dann geht es halt darum, deine Churn-Zahlen zu drehen, dass es halt funktioniert. Das ist bei uns auch so. Wir sind eher am besseren Ende, wenn es darum geht, was ist sozusagen der Amortisierungszeitpunkt. Dann wird es natürlich spannend, weil du dann genau rechnest du jetzt Amortisierung auf Initial Purchase Order oder rechnest du dann Amortisierung auf sozusagen typische Upsell-Pfade, weil ein Upsell ist natürlich vom Vertriebsaufwand wesentlich kleiner als sozusagen ein New Logo. Bei uns ist es so, dass wir in deutlich kürzer als einem Jahr die Customer Acquisition Cost sozusagen covern können.
Joel Kaczmarek: Wer mich aufgeschlaut hat in dem Bereich irgendwie so SaaS-Economics, war der David Skok von Metrix Partners, der irgendwie auch spannende Sachen schreibt. Und das war genau eins der Themen, was der hatte, also dass du die CAC in unter zwölf Monaten wieder drin haben musst. Und der sagt immer so ein bisschen als Orientierung, Customer Lifetime Value sollte größer dreimal CAC sein. Also du solltest an einem Kunden mehr als dreimal so viel verdienen, wie du für ihn ausgegeben hast. Also da schließe ich jetzt mal draus.
Gero Decker: Ja, das ist bei uns super. Also von Unit Economics her waren wir immer schon gut aufgestellt. Das Lustige ist, dass wir die ersten sechs Jahre diese ganzen Zahlen selber gar nicht ausgerechnet haben, sondern erst als wir auf die Finanzierungsrunde hingelaufen sind, zum ersten Mal uns das angeguckt haben.
Joel Kaczmarek: Ernsthaft jetzt?
Gero Decker: Ja.
Gero Decker: Und als wir das dann sozusagen präsentiert haben, sind dann alle vom Glauben abgefallen, dass man solche Zahlen tatsächlich schreiben kann. Aber gut, manchmal wird man selbst positiv überrascht.
Joel Kaczmarek: Ich meine, wie hast du das denn gemacht? Also ich habe ein Interview mit dir verfolgt, da hast du gesagt, ja, seit jedes Jahr so 65 bis 80 Prozent pro Jahr gewachsen bei sehr hoher Profitabilität. Das heißt, wenn ihr irgendwie eine EBIT-Marge von 15 bis 20 Prozent hattet, wart ihr eher schlecht unterwegs. Wie macht man sowas? Liegt das irgendwie an eurem besonderen Feld oder habt ihr irgendwie so eine Secret-Source?
Gero Decker: Naja, da sind ja immer zwei Komponenten. Eine ist Umsatz und die andere ist Kosten. Und die, wo du am meisten Kontrolle drüber hast, ist halt die Kostenperspektive. Wir sind dadurch, dass wir kein Geld aufgenommen haben für die ersten sechseinhalb Jahre, haben wir halt jeden Cent dreimal umgedreht. Wir haben überall für möglichst wenig Geld Werbung gemacht oder uns präsentiert und haben auch eher Juniors eingestellt durch die Bank weg und dann sozusagen die Leute selber geformt, statt zu sagen, ich kaufe mir jetzt sozusagen eine Riege von 10, 20 Seniors ein, die das alles schon dreimal gemacht haben. Insofern waren wir auf der Kostenseite immer sehr, sehr sparsam unterwegs und wir hatten eine einfache Rechnung. Wir haben gesagt, unsere Recurring-Kosten pro Monat müssen weniger sein als die Recurring-Kosten, Umsätze, die wir pro Monat recognisen. Wir haben immer einen kleinen Anteil gehabt an non-recurring Umsätzen, also Serviceaufträge, also Schulungen zum Beispiel. Oder wir haben am Anfang auch ein Hybridmodell gefahren, wo wir sozusagen One-Off-Licenses auch mitverkauft haben. Und die haben im Prinzip dann die Marge ausgemacht.
Joel Kaczmarek: Kannst du noch was sagen zum Thema Referrals? Also ich weiß ja, dass bei SaaS das auch immer ein ganz beliebter Weg ist oder zumindest eine charmante Chance, um die Umsatzpotenziale hochzutreiben, sprich Weiterempfehlungen durch Bestandskunden zu erhalten.
Gero Decker: Also so ein Effekt wie, ich erweitere deine Dropbox um einen Viertel Gigabyte, wenn du mir nur drei Freunde ranschleppst oder deine nächste Überfahrt ist kostenlos, wenn du drei Freunde empfiehlst, das funktioniert bei uns nicht oder nur in ganz, ganz, ganz eingeschränktem Maße. Kunden zu Botschaftern, Kunden zu Fans zu machen, dass die für uns rausgehen und die Story erzählen, klar, ganz massiv. Das war so einer der Momente, wo man auch denkt, boah, hier habe ich echt schon was ordentliches geschaffen. Das war so ein Kongress zum Thema Prozessmanagement in Bonn vor ein paar Jahren und ich hatte mich gar nicht groß damit beschäftigt und guckte dann ins Programm rein und dachte so, wow, 90 Prozent der Speaker sind deine Kunden. und saß dann sozusagen in einer Zuhörerschaft und wir hatten so einen bescheidenen Stand dort auch. Und das war im Prinzip 90 Prozent der Zeit. Druckbetankung, warum Signavio die Zukunft ist. Aus allen Branchen, aus allen Unternehmensgrößen, aus verschiedenen Use Cases heraus. Das ist natürlich super stark. Also fürs Marketing, Case Studies zu nutzen, Referenzen aufzubauen, Botschafter zu bauen, die für dich mit ihrem Szenario, mit ihrem Brandname sozusagen rausgehen. Klar, das ist super wertvoll. Und da ist natürlich, wenn du eine Referenz wie SAP hast oder wie KPMG oder Edeka oder so, das ist natürlich super, weil jeder kennt das, jeder vertraut dem, jeder weiß, dass die jetzt keine riesen Experimente machen, sondern solides Zeugs einkaufen, was sich lohnt und damit erreichst du halt vor allen Dingen den Massenmarkt.
Joel Kaczmarek: Ihr habt irgendwie einen großen Investor an Bord genommen. Das ist ja eigentlich auch wirklich eine relativ einzigartige Geschichte, die ihr da geschrieben habt. Sehr, sehr lange im Prinzip gebootstrappt, sprich ohne externes Kapital eigenfinanziert und dann mit einem Schlag irgendwie ein Summit Partners und von denen 31 Millionen Euro aufs Konto bekommen. Wie habt ihr das gemacht und was hat euch eigentlich zu diesem Schritt bewogen? Also hättet ihr auch sagen können, wir machen das weiterhin so und wachsen in den USA jetzt oder international genauso, wie wir es in Deutschland auch gemacht haben.
Gero Decker: Wir hatten Inbound-Anfragen, also Fonds, Investoren, die auf uns zugekommen sind. Das ging so nach relativ schnell los, nach zwei, drei, vier Jahren, dass Leute irgendwie auf uns aufmerksam geworden sind. Und so dann 2014 waren wir scheinbar dann auf irgendwelchen Listen drauf, dass alle auf uns eingestürmt sind. Also jede Woche hat irgendein neuer Investor bei mir angerufen. Ein paar haben wir sofort aussortiert, haben gesagt, das ist für uns unspannend, aber wir hatten so eine mehr oder weniger aktive Konversation mit ungefähr 30 bis 40 Investoren, die dann einmal im Quartal abgedatet werden.
Joel Kaczmarek: Das ist immer ein Brett.
Gero Decker: Ja, ja.
Gero Decker: Hast du zu tun.
Gero Decker: Ja, ja. Wenn du allein die Calls auf 15 Minuten runterhältst, kannst du immer 40 multiplizieren. Jedes Quartal hast du schon was zu tun. Und das kam mir irgendwann so doof vor und dachte, also zum einen testen wir einfach mal aus, wie attraktiv sind wir tatsächlich für die Kapitalmärkte. Und zum anderen auch die Möglichkeit, Mitgründern sozusagen auch Liquidität bieten zu können. Ja, zum anderen. Und, aber das war der wichtigste Punkt, wir hatten das Gefühl, dass wir bis zu 100 Mitarbeitern das intuitiv machen können und darüber einfach professionelle Hilfe brauchen. Und Leute, die das schon mal gemacht haben und so ein bisschen Industry gestalten. Good Practice oder Best Practice sozusagen uns mitgeben können. Und damals der Julian Riedelbauer, der hatte mir auch die Geschichte erzählt von, ich glaube, Indogames war das, ein Games-Hersteller, die Investor an Bord genommen haben, um sich wieder mehr zu trauen. Denen ging es gut, die waren hochgradig profitabel und so weiter, aber hatten das Gefühl, so ein bisschen Geschwindigkeit zu verlieren, weil sie sozusagen alle ihre Assets gebunden haben in der Firma und sozusagen ein bisschen langsamer geworden sind. Und dann durch die Zuhilfenahme des Investorsgar nicht so sehr, um dortwahnsinnig viel Kapital ins Unternehmen rein zu pumpen,das ist dann höchstens ein Nebeneffekt. Aber vor allen Dingen halt auch sich wiederzu trauen ins Risiko zu gehen. Weil ich dann einfach Jungs dabei habe,
Gero Decker: die wissen, ich meine
Gero Decker: Summit Partners ist nicht gut darin, eine Firma zu gründen und auf 50 Mitarbeiter zu kommen. Das ist nicht deren Expertise. Aber deren Expertise ist halt eine Firma wie wir, von 100 Mitarbeitern auf 1000 Mitarbeiter zu bringen. Das machen die halt jeden Tag.
Joel Kaczmarek: Warum die ausgerechnet? Ich habe ja gehört, es gab welche, die euch sogar mehr Geld geboten hätten.
Gero Decker: Genau, also Summit hat nicht das kommerziell beste Angebot abgegeben, aber wir kannten die seit ungefähr drei Jahren halt. Wir hatten mit denen, wie gesagt, immer diese Gespräche. Die haben uns gut gefallen als Fonds, auch als Menschen, mit denen wir dort zu tun haben. Wir haben einen US-Investor gesucht, einfach für Credibility in den USA und auch Erfahrungen in den USA weiter aufzubauen, weil das potenziell oder perspektivisch für uns der wichtigste Markt ist. Aber auch von der Philosophie her. Wir haben andere Fonds, die auch, ja, wo die einen riesen Namen haben in der Szene und wo jeder Juchu schreit, wenn dort ein Investment passiert, die wir aber aktiv aus dem Prozess auch aussortiert haben, weil wir gesagt haben, wir passen einfach von der Philosophie nicht zueinander. Es macht halt einen riesen Unterschied, ob ein Fonds so gebaut ist, dass zwei von zehn funktionieren sollen. Das heißt nämlich, dass sozusagen zwei kriegen die maximale Liebe und die acht haben ein Ja, sich zu beweisen. Und wenn die es in einem Jahr nicht geschafft haben, sich zu beweisen, dann werden sie halt so schnell wie möglich abgeschrieben und abgewickelt so ungefähr und möglichst schnell vergessen.
Joel Kaczmarek: Und wie liest du sowas ab?
Gero Decker: Das sagen die dir. Das siehst du auch an den Renditeerwartungen.
Gero Decker: Der Fonds sagt dir, was der von dir für eine Performance erwartet. Du präsentierst denen ja Zahlen. Du präsentierst einen Business Case, einen Business Plan. Und dann sagen die dir, finde ich spannend oder finde ich unspannend. Wir haben genau die gleichen Zahlen ganz vielen gezeigt. Und da gab es halt welche, die haben gesagt, wenn ihr wirklich hier die Welt aufrollen wollt, dann will ich da nochmal ein paar Nullen mehr dran haben. Nächstes Jahr. Und dann haben wir gesagt, ja gut. Das ist schön, aber das heißt halt, du baust einen Motor in ein Auto, wo dann die Karosserie womöglich auseinanderfällt. So nach dem Motto, du musst halt Stück für Stück an allen Fronten das hinstecken, das hinstecken, das hinstecken. Deswegen glauben wir nicht, dass wir jetzt eine Verhundertfachung in einem Jahr hinkriegen wollen. Und Summit Partners hat halt sehr, sehr gut zu uns gepasst. Die haben sehr, sehr viel Background im SaaS-Geschäft, ganz, ganz viel Background im Enterprise-Software-Geschäft. Das ist so deren Hauptsteckenpferd. Wie gesagt, Fokus auf die USA. Unglaublichen Track Record halt genau in dem Wachstumsschub, den wir halt durchmachen. Ein Drittel aller Firmen, in die die jemals investiert haben, sind bis zum IPO gekommen. Die verstehen einfach ihr Business sehr, sehr gut. Das sind sehr, sehr gute Leute.
Joel Kaczmarek: Auch aufgefallen ist, ihr habt ja sogar mit Leo Apotheker irgendwie ein echtes Schwergewicht in eurem Board drin, also in eurem Advisory Board. Muss man ja sagen, vorher CEO von Hewlett Packard und von SAP. Wie hast du solche Leute gewonnen?
Gero Decker: Leo Apotheker kam über Summit. Die kennen sich über persönliche Verbindung und er ist halt durch und durch Enterprise Softwaremann. Das interessiert ihn und das kann er. Und er ist jetzt ja ein paar Jahre sozusagen aus dem operativen Geschäft raus und hat sich jetzt zum Ziel gesetzt, mit einer Handvoll von Firmen zu arbeiten, also ordentlich wahnsinnig vielen. Aber wo er halt glaubt, dass sie das Potenzial haben, richtig auf globalem Level große, bedeutende Enterprise Software Companies zu werden. Und unser Thema, damit kennt er sich inhaltlich gut aus. Und er ist von Hause aus Vertriebler auch. Das heißt, er weiß, wie man entsprechende Maschinerie und Prozesse aufsetzt und so weiter und so fort. Und das passt zu uns sehr gut. Wir kommen, alle vier Gründer sind Informatiker. Das heißt, auf der Produktseite sozusagen Deep Tech. Das ist sozusagen das, wo wir herkommen. Und das jetzt sozusagen auf die Straße zu bringen, ist halt die Hauptaufgabe für die nächsten Monate und Jahre.
Joel Kaczmarek: Ich finde immer so Performance und Wettbewerb relativ spannend zu betrachten. Das heißt, ihr habt jetzt irgendwie Geld auf dem Konto. Ich kann mir schon ein bisschen ausmalen, US-Expansion hat man ja schon jetzt sehr deutlich rausgehört. Aber was ist so die grobe Vision? Also USA und Asien ist ja auch so das, was ich immer höre, was im SaaS-Bereich und im Software-Bereich so relevant ist.
Gero Decker: Sind das so eure Steckmarken jetzt? Also das, was wir jetzt dieses Jahr massiv angetreten haben, ist USA. Wir haben im Sommer in Boston sozusagen im Prinzip das US-Headquarter verlegt. Vorher waren wir in Kalifornien mit dem Team. Die sind dort auch weiterhin, aber jetzt alle neuen Kollegen haben wir an der Ostküste in Boston eingestellt. Das ist sozusagen der Fokus jetzt. Es ist sehr, sehr teuer, sowas zu machen und damit in den Markt zu gehen. Wenn das funktioniert, werden wir das entsprechend noch mit ähnlicher Geschwindigkeit halt ausbauen. Und dann brauchst du sozusagen noch mehr Geld. Also USA ist halt teuer. Ganz klar. Asien, ja, wir haben auch ein zartes Pflänzchen in Asien. Wir haben momentan vier Kollegen, drei in Singapur, einen in Australien. Dort haben wir spannende Kunden. Aber unser Heimatmarkt, Deutschland, Österreich, Schweiz, auch dort kratzen wir erst an der Oberfläche. Und Frankreich und UK sind halt auch super. Da haben wir große, spannende Deals auch gewonnen in den beiden Ländern. Und auch dort werden wir massiv ausbauen. Wahrscheinlich dann Q1, Q2 nächsten Jahres.
Joel Kaczmarek: Was sagst du denn? Wie groß schätzt du denn deinen Markt eigentlich ein?
Gero Decker: Du kannst es von der einen Seite betrachten, Tools und Plattformen zu verkaufen und auf der anderen Seite im Gegensatz dazu Solutions. Ein Beispiel, eine Plattform wäre ein Tool, womit du Prozesse aller Art analysieren und abbilden und automatisieren kannst. Eine Solution wäre zum Beispiel, du hast eine Lösung für Asset Management beim Windparkvertrieb. Solutions ist immer sehr schwer zu sizen, weil immer die Frage ist, welche Solutions genau und wie viele davon wirfst du sozusagen Stück für Stück auf den Markt. Bei den Tools und Plattformen ist das einfacher zu sizen. Das, womit wir gestartet sind, Process Editor, liegt irgendwo zwischen halber Milliarde und Milliarde weltweit. Der Markt Process Automation liegt irgendwo zwischen, je nachdem, wen man fragt, zwischen zwei und fünf Milliarden. Also es sind mittelgroße Enterprise Software Buckets, in denen wir dort unterwegs sind.
Joel Kaczmarek: Sag doch nochmal einen Satz ganz zum Schluss, so zu dem ganzen Thema Wettbewerb. Du hast ja auch, wie gesagt, in den UK habt ihr gewonnen. Das heißt, ihr seid in Pitches jetzt nicht ganz alleine. Wen nimmst du da wahr als denjenigen, mit dem du dich um die Marktanteile streiten musstest?
Gero Decker: Es gibt zwei große Hersteller, mit denen wir im Wettbewerb stehen auf globaler Ebene. Das ist einmal die Software AG aus Deutschland und IBM. Das sind so die beiden großen Anbieter. Dann wird es schon fast sehr fragmentiert, dass es halt Anbieter gibt, die in Märkten lokal aktiv sind. Also zum Beispiel ein Mega in Frankreich. Die sind in anderen Ländern kaum sichtbar, aber in Frankreich, weil es halt eine französische Firma ist. Und in Deutschland gibt es ein paar, die so in dieser Range, ich sage mal, 2 Millionen bis 20 Millionen Euro Umsatz sind. Aber wir haben eine sehr, sehr große Close-Rate. Unser Ziel ist immer, auf die Shortlist zu kommen, also die letzten drei Anbieter, die sozusagen considered werden für ein Thema. Und dann haben wir eine Close-Rate von 80, 90 Prozent, da auch dann zum Zug zu kommen.
Joel Kaczmarek: Ich danke dir ganz herzlich, dass du so viel Wissen geteilt hast und dir so viel Zeit genommen hast. Es ist ja wirklich ein durchaus ungewöhnlicher und aber auch beeindruckender Fall, den ihr da gebaut habt. Und dafür drücke ich natürlich ganz fest die Daumen, dass es weiterhin bei 80% Abschlussquote unserer guten Unique Economics bleibt. Ansonsten an alle da draußen, die sich das heute angehört haben, ich hoffe, euch hilft das auch sehr und ihr habt auch ein bisschen Spaß dabei. Wenn ihr uns eine Freude machen wollt, geht zu iTunes und schenkt uns eine 5-Sterne-Bewertung, denn unser Vermarkter tritt uns immer fleißig auf die Füße. So etwas müssen wir machen, weil nur 5-Sterne-Bewertungen helfen. Damit können wir mehr Leute erreichen, hoffentlich mehr Leuten helfen, spannendere Inhalte machen. Also das würde uns sehr freuen. Fünf Sterne bei iTunes. Vielen Dank an euch. Also vielen, vielen Dank.
Gero Decker: Hat mich gefreut.