René Obermann (Top-Manager): 5 Dinge, die ich gerne mit 20 gewusst hätte

3. Oktober 2024, mit Joel Kaczmarek

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Joel Kaczmarek: High five, Leute! Ich habe eine großartige neue Person wieder am Start, die mir ihre fünf Dinge verrät, die sie gerne schon mit 20 gewusst hätte. Ich bin Joel Kaczmarek und zwar ist das ein alter Bekannter, wie ich festgestellt habe. Er und ich haben nämlich schon zu Gründerszene-Zeiten ein Interview gemacht und er erinnerte sich daran, dass ich zu ihm gesagt habe, oh Mann, du bist ja so nahbar und das hat ihn ganz verdutzt, warum sollte ich das denn nicht sein, so nach dem Motto. Und zwar, der Mann, über den ich hier spreche, ist René Obermann. Der war damals Vorstandsvorsitzender von der Telekom und gefühlt gibt es kein großes Unternehmen, wo er nicht irgendwie im Aufsichtsrat sitzt, wo er irgendwie die Strippen zieht. Also um euch nur mal ein paar Namen zu nennen, Airbus, Spotify, 1&1, sowie auch bei Warburg Capital als Investor im Private Equity Bereich. Also René hat super viel gesehen, weiß, wie große Firmen sich bewegen und da bin ich natürlich neugierig, von ihm ein bisschen was zu lernen. Ja, that being said, lieber René, schön, dass du wieder da bist, darf ich ja dann sagen. Moin, moin.

René Obermann: Moin Moin, schöne Grüße.

Joel Kaczmarek: Ich frage mich ja bei dir oder bei Menschen in deiner Rolle immer, wie wird man auch sowas, was du geworden bist? Weißt du, was ich meine? Also braucht man da so ein bestimmtes Profil? Ich habe mich die ganze Zeit so gefragt. Also muss man sich zum Beispiel gerne streiten? Muss man kämpfen mögen? Weil ich glaube, da oben, je weiter an der Spitze, werden ja die Messer immer schärfer.

René Obermann: Du musst, glaube ich, vor allem gegen deine eigenen Widerstände kämpfen, also dich wirklich antreiben, viel lernen, viel arbeiten. Jedenfalls war das in der Zeit so, als ich angefangen habe, meine Karriere zu machen. Ich würde aber auch sagen, dass es heute immer noch so ist, dass du sehr beständig sein musst und dass du einen Inhalt, ein Thema haben musst, wofür du wirklich stehst und wo du dich gut auskennst. Also so mit Halbwissen überall so ein bisschen schweben, das bringt nichts. Zu den Punkten, die du gerade genannt hast, nur noch einen Satz. Also ich kümmere mich heute im Schwerpunkt um Airbus als Aufsichtsratsvorsitzender und bin bei IONOS noch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender und bin bei Warburg Pincus für Teile des Investment Advisory Geschäfts zuständig in Europa.

Joel Kaczmarek: Wie sieht eigentlich so ein typischer Tag bei dir aus, wenn man so viele Rollen parallel hat?

René Obermann: Der ist nie typisch. Der Kalender sagt immer ja ganz klar, gib dir die Struktur und da stehen deine Termine drin und deine Aufgaben. Aber in der Regel ist jedenfalls in meinem Leben, ist nie so abgelaufen wie geplant. Und das gilt auch für meine Tage. Sie fangen meistens früh an, weil ich Frühaufsteher bin und enden dafür relativ früh. Also ich gucke, dass ich so um 8, 9 Uhr, wenn es klappt, irgendwie aufhöre zu arbeiten, manchmal um 10 Uhr. Und dann hast du natürlich Abendterminen und Verpflichtungen, aber im Kern versuche ich so morgens zwischen 6, 7 Uhr und abends 8 Uhr produktiv zu sein.

Joel Kaczmarek: Besteht so ein Tag bei dir da eigentlich nur aus Meetings und Telefonaten?

René Obermann: Nee, auch aus Lesen, Vorbereiten, Nachbereiten. Ich habe mir angewöhnt, nach meinen Terminen immer auch ein paar Minuten zur Reflexion zu halten und nicht diese Back-to-Back-Tage zu machen, wo du wirklich von einem ins nächste rennst. Dann hast du keine Zeit mehr zu überlegen, was du eigentlich gerade gelernt, gehört, gesehen hast. Deshalb versuche ich, die immer etwas nachzubereiten und mich vorzubereiten auf den nächsten Schritt.

Joel Kaczmarek: Aber hast du es auch, dass du dann mal irgendwie so eine Airbus-Werkshalle besuchst und dir erklären lässt, wie die neuen Flügel irgendwie den Luftstrom verändern? Machst du sowas auch so richtig, Henson?

René Obermann: Regelmäßig sind wir als Aufsichtsräte und ich insbesondere natürlich, weil mein Involvement noch stärker ist als das eines normalen Aufsichtsratsmitglieds vor Ort in den verschiedenen Standorten. Aber alle zu besuchen ist mir bis jetzt nicht gelungen, sind ja auch deutlich über 100 in mehr als 100 Ländern.

Joel Kaczmarek: Ich habe mich auch bei Aufsichtsräten immer gefragt, also ich will jetzt nicht despektierlich klingen, aber arbeiten die wirklich? Also machen die wirklich was? oder ist es so, dass die sich immer nur Briefings durchlesen und dann ihr Wissen geben, was sie eh haben?

René Obermann: Die Zeiten sind vorbei. Erstens, weil die Verantwortlichkeit von Aufsichtsräten sichtbar gestiegen ist. Du hast ja vor allem, wenn Dinge schief gehen, in der Regel wird ja hinterfragt, wer hat was versäumt oder nicht gewusst oder hätte wissen müssen und so weiter. Das heißt, es Du bist gut beraten, dich möglichst tief reinzuknien. Und zweitens hängt es ja auch sehr stark an der Struktur. Die deutschen Boards sind ja Two-Tiered Boards, also Aufsichtsrat und Vorstand getrennt. Und dann gibt es das andere Modell, die SE. Die gibt es auch in Deutschland wiederum mit getrennten Aufsichtsrat- und Vorstandsstrukturen. Und es gibt diese SE-Form aber auch mit einem integrierten Board. Und das haben wir bei Airbus. Das heißt, wir sind ein Team mit zwölf Leuten. Davon ist der CEO ein Mitglied. Und auf den CEOs dann sozusagen die operative Übersetzung unserer strategischen Arbeit delegiert.

Joel Kaczmarek: Und sag mal, sind das immer alles nur so eine Alpha-Tiere auf den Ebenen? oder gibt es da auch Leute, die, sag ich mal, gefühlsbetont sind, ein bisschen nachdenklich? Weißt du, was ich meine? Man hat ja immer so dieses Bild.

René Obermann: mit meiner höheren Sozialkompetenz heute viel bessere Chancen haben, Karriere zu machen und vor allem sich zu halten, weil du brauchst ja heute die Zustimmung aller Beteiligten. Du wirst ja jeden Tag neu gewählt sozusagen, auch von deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und in dieser schwierigen Umbauphase, in der Zeit, in der ich dort tätig war, also als Vorstandschef von 2006 bis Ende 2013, gab es ja sehr viel Umbau, also Technologietransformation auf IP. Wir mussten die Kosten runterbringen. Das heißt, wir mussten die Firma wettbewerbsfähiger machen, um wieder aufzuholen gegen die übermächtigen Wettbewerber im Inland, aber auch im Ausland teilweise. Also wir haben sehr viel verändert, mussten Innovationen schaffen, die Firma innovativer machen, die Marke verändern und aufladen. Und das war so eine Umbruchzeit. Und in dieser Zeit war eben auch ein Vorstandschef, Super öffentlich, ja, und das ist heute immer noch so. Der Thema ist auch sehr öffentlich. Aber ich glaube, damals war es noch mehr ein mediales Thema als heute. Also der Telekom-Umbau wurde ja sehr beobachtet, kritisiert, sonst was. Also ich hatte regelmäßig mediale Auftritte. Und in dieser Zeit bist du natürlich dann gefühlt gehörst zu der Öffentlichkeit. Aber mich hat es deshalb nicht gestört, weil ich eigentlich mit Menschen gerne zu tun habe. Deshalb, wenn ich irgendwo gesessen habe, Leute sind zu mir gekommen, hatten irgendein Problem mit der Telekom. Da gab es jetzt nicht so ganz wenige davon. Das fand ich immer ganz spannend, in den meisten Fällen, wenn du dann das fünfte Mal bei der Pizza sitzt und fünfmal hintereinander angesprochen wirst, wird es irgendwann anstrengend. Aber ich fand es eigentlich immer interessant und ich habe versucht, meinen Tag zu beginnen damals morgens mit einer Stunde Kundenarbeit. Also sprich, ich habe das mir durchgelesen, was so an Beschwerden bei mir direkt im Büro landete und habe das dann mit dem Team diskutiert oder weitergeleitet und habe daraus gelernt, den Kunden geantwortet und die waren immer ganz interessiert. Irritiert, haben sie nie geglaubt. Aber dadurch veränderst du die Kultur in der Firma ja auch. Für mich selber war es auch gewinnbringend, hat mir Freude gemacht.

Joel Kaczmarek: Ein, zwei Beispiele habe ich noch im Kopf, bevor ich mit Ihnen in fünf Dinge tauche, die mich interessieren. Was bist du für ein Typ vom Naturell? Bist du so einer, der so Risiko sucht, der gerne kämpft, der gerne wagt oder bist du eher reflektiert, vorsichtig bedacht? Wie tickst du?

René Obermann: Ich habe, glaube ich, mehrere Seiten in Sachen Geschäftsführung, Unternehmensentwicklung. Mein Grundprinzip habe ich gelernt von meinem sehr klugen Aufsichtsratsvorsitzenden, dem Klaus Zumwinkel. Der hat immer gesagt, die Firma darf nie ins Schwitzen kommen. Also ein Unternehmen muss immer so aufgestellt sein, dass es auch kritische Phasen überlebt und dass es auch, wenn Dinge schief laufen, dass man dann trotzdem noch Reserven hat. Und deshalb bin ich da, will nicht sagen risikoavers, wäre zu viel, aber ich versuche das immer ausgewogen zu halten, ohne Risiko und ohne, also Unternehmertum heißt ja eben, unkalkulierbare Sachen möglichst zu vermeiden, aber du kannst eben nicht alles im Voraus antizipieren. Du kannst so gut wie möglich analysieren und vorausplanen, aber du weißt eben nicht um jede Weggabelung, wo du abbiegen sollst, was dann richtig und falsch ist. Deshalb musst du auch in gewissen Maßrisiken eingehen. Aber das Risiko immer sauber abzuwägen und zu kalkulieren, so gut es geht und für den Notfall auch Reserven bereitzuhalten, ist mein Prinzip in der Unternehmensführung. Und privat bin ich doch nicht risikoavers. Also ich habe zwei Hobbys, die vielleicht einigermaßen gefahrgeneigt sind. Ich kletter gerne auf Berge. Und das kann auch schon mal schiefgehen, wenn man den falschen Bergführer hat oder wenn man selber vor allem Fehler macht, was meistens vorkommt als Schüler. Und ich fahre gern Motorrad.

Joel Kaczmarek: Ist das so ein bisschen so ein Klassiker, der Topmanager, der so Adrenalin-Hobbys hat?

René Obermann: Nee, gar nicht. Ich fahre Motorrad, seit ich 16 bin. Und da war ich noch nicht Topmanager und kletter gerne auf Berge. Und das habe ich mir mühsam erarbeitet, weil ich sehr spät angefangen habe damit. Erst mit circa Mitte 30. Und das Klettern ist nicht so einfach, wenn man zu spät anfängt. Ich bin ja auch schlecht darin, aber es macht mir trotzdem total Spaß.

Joel Kaczmarek: Ich habe Höhenangst, da bin ich irgendwie leider auch.

René Obermann: Hatte ich auch. Kann man überwinden über die Zeit. Inzwischen habe ich tatsächlich keine Höhenangst mehr.

Joel Kaczmarek: Okay, werde ich dich mal nachher noch zulöchern. Und wofür stehst du so? Also wenn irgendwie der Abgang mal ansteht, wenn der Bus dich über den Haufen fährt oder du gehst so, Petrus Himmels Tür, worauf willst du zurückblicken?

René Obermann: Ein Teil von Innovationsentwicklung der Unternehmenswelt gewesen zu sein, also sprich Unternehmen weiterzuentwickeln und zwar in mehreren Hinsichten. Erstens, wenn du so willst, im Inneren, also sprich Unternehmenskulturentwicklung hin zu mehr Neugier, Innovationsfähigkeit, das Psychogramm von Unternehmen. angeschaut zu haben, also sprich auch die Psychologie innerhalb eines Unternehmens zu beleuchten und anzuschauen, wie funktionieren die Teams, was bringt die Menschen in positiver Hinsicht in Wallung, also was motiviert Leute, was gibt ihnen Sinn und Zweck. Also die Unternehmensführung im Inneren genauso wie die objektive Innovationsentwicklung vorangetrieben zu haben, das würde ich gerne mir ein bisschen auf die Fahne schreiben später. Und persönlich würde ich mich freuen, wenn Menschen sagen, das war ein verlässlicher Typ.

Joel Kaczmarek: Wonach hast du ausgewählt, welche Firmen du innovieren möchtest? Also ich hatte es ja eingangs so ein bisschen erzählt, Spotify, 1&1 bzw. Jonas, Telekom, jetzt Airbus. Also ich meine, es könnten ja auch irgendwie Greenpeace sein.

René Obermann: Ja, das stimmt. Aber es gibt das verbindende Element und das war für mich immer Kommunikation und Technologie. Also ich komme ja sozusagen als Gründer aus der Mobilfunkseite im Schwerpunkt. haben immer daran geglaubt, dass man Menschen total unabhängig macht von Standort und auch letztlich sogar von, das war die Idee, das ist noch nicht passiert bis jetzt, aber dass man sie auch unabhängig macht davon, was sie für einen Status haben, einen sozialen Status haben. Weil wenn du mit Mobilfunk die Leute erreichst, dann hast du das Wissen der Welt am Daumen oder du bringst das Wissen der Welt sozusagen in jede Westentasche oder in jede Hosentasche. Damit kriegst du langfristig ja auch eine Konvergenz der Wohlstands- und Lebensverhältnisse hin. Das ist sehr langfristig, gebe ich zu. Und dazu zählen auch noch viele andere Rahmenbedingungen, aber es ist schon ein entscheidender Faktor. Du demokratisierst Wissen und am Ende ist Wissen und Erkenntnis die Voraussetzung dafür, dass es dir besser geht als Individuum und als Gesellschaft. Und das fand ich, bei Mobilfunk war das so wichtig, weil du konntest jetzt in vielen Ländern nicht irgendwie eine Festnetzinfrastruktur hinbauen innerhalb weniger Jahre, aber du konntest innerhalb von wenigen Jahren Mobilfunk aufbauen. Und wenn du siehst, dass Wie innovativ zum Beispiel das gesamte Thema Payment oder Wallets in Afrika gewesen ist mit Mobile, mal abgesehen von der Basisfunktionalität, dann sind das schon ganz spannende Entwicklungen. Und wenn ich jetzt heute auf Airbus schaue, dann hast du da ja auch eine Konvergenz zwischen digitaler Technologie oder digitalen Technologien, Aviation-spezifischen Dingen oder Aerospace-spezifischen Dingen.

Joel Kaczmarek: Ja, ich hätte dir jetzt auch durchgehen lassen, wenn du mir gesagt hast, da hat man den größten Leverage auch auf die Umwelt, wenn man so ein Unternehmen, also wenn du da ein Prozent Ersparnis an irgendwas hast, das ist ja riesig at scale.

René Obermann: Genau und das haben wir natürlich jetzt auch, also in den letzten 30 Jahren ist ja fast die Hälfte sozusagen an Effizienz gewonnen worden und Passagierkilometerverbrauch oder Ausstoß an CO2. Ist deutlich runtergekommen, hast du jetzt heute irgendwo zwischen 60, 70 Gramm pro Passagierkilometer bei einer bestimmten Auslastung eines Flugzeugs. Und das ist natürlich auch ein Ergebnis unter anderem der Weiterentwicklung mithilfe digitaler Technologien. Gar keine Frage.

Joel Kaczmarek: Und das Letzte, was mich noch interessiert, ein bisschen Gossip darf ich auch mal bringen. Wie passt es zusammen, dass du mit Maybrit Illner verheiratet bist? Also ich finde es irgendwie charmant, aber das ist ja so ein bisschen auch so ein Hinguckermoment. Wie kommt das? Wie habt ihr euch so gefunden?

René Obermann: Ich war mal Gast in ihrer Sendung, da hat sie mich doch sehr kritisch gefragt bezüglich des Umbaus der Telekom und der damals der sozialen Spannung, die im Unternehmen waren, die so mittelmäßig gut gemanagt hatten, finde ich, im Nachhinein. Wir haben es zwar hingekriegt am Ende und wir sind am Ende damit klargekommen und keiner der Beschäftigten musste das Unternehmen im Wege der Kündigung verlassen. Aber wir haben trotzdem eine Reihe von Spannungen gehabt, die ich mit heutiger Erkenntnis und heutiger Erfahrung vielleicht hätte etwas besser managen können. Aber Maybrit war damals journalistisch kritisch und ich war in ihrer Sendung und der Lafontaine war mein sozusagen Counterpart. Und nach der Sendung haben wir das noch diskutiert und dann haben wir über lange Zeit professionell kommuniziert erst noch. Und irgendwann haben wir uns dann privat eben auch befreundet und dann drei Jahre später geheiratet.

Joel Kaczmarek: Okay, gut, tauchen wir mal ein. Fünf Dinge, die du gerne mit 20 gewusst hättest. Was ist das Erste bei dir?

René Obermann: Wenn ich nochmal 20 wäre, das ist jetzt schon über 40 Jahre her, dann würde ich sagen Bildung und Bildung und vor allem auch Erkenntnis. Diese zwei Dimensionen nenne ich nebeneinander, weil sie beide wichtig sind. Bildung ist ein Glücksfaktor, privat und beruflich. Das ganze Leben ist interessanter und bietet mehr, wenn du viel gelernt hast, aber vor allem gelernt hast zu denken, zu hinterfragen. Und auch gelernt, das zu lernen. Wenn ich heute nochmal anfangen würde, dann würde ich mich nicht ganz so früh selbstständig machen. Das hatte damals Gründe, aber es gibt immer Gründe und immer Entschuldigungen. Aber ich hätte eigentlich mir die zwei, drei Jahre noch genommen fürs Studieren, weil ich eigentlich BWL und VWL super spannend finde und Technologie auch super spannend finde. Also ich hätte mir mehr Zeit genommen fürs Studieren und im Laufe der letzten 20, 30 Jahre noch mehr Zeit genommen fürs Lesen, weil ich eigentlich wirklich gerne lese und aus dem Lesen heraus auch immer viel gelernt habe. Und es ist eben autodidaktisch zu lernen viel mühsamer, als wenn man die Chance nutzt, zur Schule zu gehen, beziehungsweise zur Schule bin ich ja gegangen, aber zu Ende studiert habe ich nicht.

Joel Kaczmarek: Ich habe das über dich gelesen und es hat mich sofort erschlossen, weil wahrscheinlich deine praktische Arbeit dich viel mehr gelehrt hat, als deine universitäre, hätte ich gedacht.

René Obermann: Ja, aber du kommst in der praktischen, erstens habe ich eine gute Ausbildung bei BMW gehabt, also eine kaufmännische Ausbildung, die war wirklich betrieblich und theoretisch auf beiden Seiten gut und deshalb ist mir das Studieren am Anfang so leicht gefallen, dass ich parallel etwas aufbauen konnte, anfangen konnte selbstständig und das hat sich dann so schnell entwickelt, dass ich irgendwann aufgehört habe zu studieren. Im Nachhinein würde ich sagen, habe ich zwei, drei Sachen nicht richtig gesehen, zum Beispiel, dass Technologie so große Bedeutung bekommt und vor allem Software alles dominieren wird. Sonst hätte ich mich stärker in Richtung Computer Science und Software noch orientiert. Das habe ich zu spät gemacht und das habe ich nachher autodidaktisch gemacht. Und das ist nicht das Gleiche, als wenn man das richtig unter Anleitung lernt.

Joel Kaczmarek: Aber so bildet man sich ja auch nicht fort. Du bildest dich ja nicht danach, was der Markt sozusagen, wo der hin explodiert, sondern nach dem, was deine Fähigkeiten und deine Interessen sind.

René Obermann: Das ist ein Aspekt, aber du musst schon auch den Verstand einschalten und überlegen, was ist relevant. Ich hatte damals, also 80er Jahre wohlgemerkt, ja später 80er Jahre, da waren sehr viele Leute nicht berufstätig oder hatten keine Arbeit oder mussten irgendwie Taxi fahren, weil sie Sachen studiert hatten, die sie nicht einsetzen konnten. Diese Lage hat sich Gott sei Dank verändert. Damals war das so und deshalb musst du schon gucken, was kannst du, was liegt dir und wo musst du dich vielleicht ein bisschen mehr anstrengen.

Joel Kaczmarek: Das ist interessant, mein Vater hat mich auch immer so getriezt, der wollte immer, hier mach Informatik, das wird das große Ding und so. und ich habe immer so gedacht, also ich arbeite das gerade so ein bisschen auf, man ertappt sich ja manchmal dabei, dass viele der Dinge, die du so als Kind reingegeben hast, eigentlich die Geschichten deiner Eltern sind, aber nicht unbedingt deine. und dann ist es so ein bisschen auszusortieren und ich finde es hat aber immer beides. Also auf der einen Seite war ich total dankbar für diesen Druck, weil dann habe ich genau das gemacht, was du gesagt hast. Ich bin viel zur Schule gegangen, ich habe mich angestrengt, ich habe dieses Gelernen, wie man lernt, hast du es gerade genannt, das ging mir gut. Und dann habe ich immer gemeint, Informatik ist gar nicht meins. Und das ist manchmal so schwer. Was wird dir reingegeben, was zu dir passt und was passt vielleicht nicht zu dir, ist aber trotzdem wichtig. Weißt du, was ich meine?

René Obermann: Ich weiß ganz genau, was du meinst. Und deshalb, es geht natürlich nicht gegen deine Begabung. Aber ich glaube, dass Menschen viel mehr eigentlich können, als sie sich manchmal selber zutrauen. Das allerbeste Beispiel ist Mathematik. Am Anfang machst du ein paar Erfahrungen, negative Erfahrungen als Kind und dann glaubst du, du bist nicht gut in Mathe. Dann kommt jemand und erklärt dir die mathematischen Probleme von der anderen Seite, mit einem anderen Bezug und all of a sudden sozusagen kommt dir die Erkenntnis. Ich habe das gerade, weil ich gerade parallel angefangen habe, für den Flugschein zu lernen und da ist es genauso, dass mathematische Themen wieder auf den Tisch kommen. Jetzt einfache Sachen, ja. Aber dass ich plötzlich wieder anfange, wie schön, toll, es gibt Anwendungen dafür.

Joel Kaczmarek: Und ich meine, würdest du denn sagen, also es gibt ja oft so diesen, mir ging es so, ich habe mich sehr nutzlos gefühlt, als ich aus der Uni kam, ins Berufsleben gestartet bin und habe erst so zehn Jahre down the road wahrscheinlich erfahren, wenn du dann so zurückguckst und auch auf das Umfeld von dir, dass du merkst, okay, der war nicht an der Uni, dem fehlt das Strukturierte. Also ich habe so gemerkt, das, was du auch gerade gesagt hast, lernen zu lernen, so doof es manchmal klingt, beigebracht bekommen zu haben, wie man eine Hausarbeit richtig strukturiert, mit Fußnoten, mit Inhaltsverzeichnis, Formatierung, völlig Banales, völlig Banales. Aber es ist so essentiell, weil du halt lernst, wie man Wissen aufbereitet, auf das es andere verstehen können.

René Obermann: Ja, und das quasi in deinem Gehirn indexierst, dass du es wieder findest, ja.

Joel Kaczmarek: Das habe ich manchmal, als ich gemerkt habe, okay, die Uni bringt mir nicht, also das Was kann ich mir nicht so viel anfangen, was ich in der Uni lerne, aber das Wie hilft mir mehr. Ja. Na gut, aber ist ja beruhigend, also ihr Kinder da draußen, geht weiter fleißig zur Schule. Der Mann weiß, wovon er redet offensichtlich. Dann Nummer zwei.

René Obermann: Zu verstehen, was einen selber antreibt. Die ganzen Choices, die du hast, du biegst ja immer irgendwo links oder rechts ab und dahinter steht ja die Prägung aus der Kindheit und Jugend. Das besser zu und früher zu verstehen, wäre in meinem speziellen Fall hilfreich gewesen, weil ich immer früh durch die Gründung der Firma, die dann ja auch schnell expandierte, in Führungs- und Verantwortung kam und dann auch mit oftmals mit älteren, erfahreneren Managern, so mittleres Management, zu tun hatte. und mit meinen 27, 28 fühlte ich mich denen irgendwie immer unterlegen. Erstens, weil die manchmal tolle akademische Titel hatten und zweitens, weil sie schon ein paar Jahre Erfahrung hatten. Aus dem vielleicht nicht ausgeprägten Selbstwertgefühl heraus, entstehen nicht so gute Führungsverhaltensmuster. Und deshalb, ich lasse es mal so abstrakt, und deshalb wäre es bei mir hilfreich gewesen, das früher zu kapieren, was eigentlich die Prägungen waren und was die in einem auslösen. Das habe ich dann durch Management-Coaching und durch, therapeutisch war es nicht, aber es war schon analytisch, gemacht mit einer erfahrenen amerikanischen Coach. Und das hat mir viel gebracht. Und darauf habe ich aufgebaut und weitergearbeitet. Und das hat meine Art entwickelt, zu arbeiten, zu führen, mit Menschen umzugehen, nicht unwesentlich verändert.

Joel Kaczmarek: Du hast gerade gesagt, ich belasse es mal abstrakt. Ist es was, was dir im Nachhinein unangenehm ist oder worüber du dich ärgerst bei dir?

René Obermann: Nee, es wird nur jetzt den Rahmen sprengen. Wir haben angefangen tatsächlich mit sowas wie Bewegungsanalyse. Wie spürst du, wenn jemand in den Raum kommt, wie die oder derjenige tickt und was das für Charaktere sind, wie du damit umgehst und bis hin dann in die eigenen Bilder der Psyche. Also was sind deine Defizite, was sind deine Stärken, wo bist du selbstbewusst, wo hast du ein Defizitgefühl und so. Also auf Deutschkomplexe und vielleicht etwas vereinfacht und unwissenschaftlich ausgedrückt. Aber ich finde das schon gut, wenn man als Führungskraft weiß, wie man selber geprägt ist und wo man in der Vergangenheit vielleicht Überbetonungen oder unterbelichtet wurde oder zu wenig bekommen hat von. Das finde ich schon gut, weil du kannst dann dich selber anders beobachten. Du kannst dich selber in Bezug setzen zu anderen in einer souveräneren Art und Weise.

Joel Kaczmarek: Was war denn bei dir, du hast ja gesagt, dein Punkt ist, verstehe, was dich selbst antreibt. Wie war denn deine Reise dahin, dass du das selbst für dich verstanden hast? Also die Coaching hat dir ja so ein bisschen, sage ich mal, bei der Introspektion geholfen, aber dann hast du ja bestimmt auch aufgearbeitet. mal so deine Vergangenheit. und was war es denn bei dir, wenn du mal deine, ist ja in der Regel die Jugend, wahrscheinlich die Schule, die Eltern, die Pädagogen, der Mentor, irgendwas in der Art, was dich da geleitet hat?

René Obermann: Wird wirklich jetzt weit gehen. Ich bin bei meinen Großeltern aufgewachsen und da war vieles sehr gut, aber es war nicht zwingend eine Hinleitung zu einem selbstbewussten, unternehmerisch geprägten Charakter, sondern es war eher aus der Sorge, aus der existenziellen Sorge, die beide hatten. in der Nachkriegszeit und auch überhaupt durch den sozialen Hintergrund eine Prägung in Richtung, guck, dass du irgendwo unterkommst. Also das Karriereidealziel war, dass man mal eine Bankfiliale leiten sollte. Trotzdem, ich würde sagen, ich habe ganz viel mitbekommen von meinen Großeltern, was mir im Leben geholfen hat, auch wenn es manchmal mühsamer war. Stichwort Verlässlichkeit und Verbindlichkeit. Wenn du immer nur sich an das gebunden fühlst, was du sagst, das ist im Berufsleben eine gute Eigenschaft, finde ich, die ich bei anderen sehr schätze, die ich versuche selber zu leben, aber die macht es dir nicht immer zwingend einfacher.

Joel Kaczmarek: Aber da sind wir ja ein bisschen genau bei dem, was ich gerade gesagt habe, dass wahrscheinlich deine Großeltern auch mit ihrer eventuellen Kriegsprägung, die man noch hat, dir dann so, sage ich mal, ihre Ängste mit reingegeben haben. War das für dich so, dass du das manchmal auch nach links und rechts sortieren musstest? Was ist deins, was ist eigentlich die eigene?

René Obermann: Punkte, die ich hätte vor mit 20 schon gerne wissen wollen, beziehungsweise hätte ich gerne schon früher verstanden, ist, dass man eigentlich versuchen sollte, weitgehend angstfrei zu leben. Ja, weil wenn man immer vor irgendwas Sorge hat oder dann bist du eigentlich nicht wirklich. Also ich finde, Respekt zu haben und auch umsichtig zu sein und auch zu wissen, dass Dinge schiefgehen können und dass die auch Konsequenzen haben, deine Entscheidungen. Das ist ganz wichtig. Aber zu große Angst vor Fehlern zu haben, dass mal was schiefgeht oder Verlustängste zu haben, ist nicht so gut. Und das, wie gesagt, ist ein Punkt, den hätte ich schon gerne früher verstanden und auch mich danach ein wenig mehr dann entwickelt.

Joel Kaczmarek: Naja, das ist so ein bisschen, ich sage mal, Entscheidungen unter Freiheit sehen halt anders aus als Entscheidungen unter Nichtfreiheit.

René Obermann: So ist das. Die Freiheit bedarf einer großen Verantwortlichkeit und einer echten Kultur. Und das hat schon Udo Di Fabio geschrieben in seinem Buch Kultur der Freiheit. Und das, finde ich, ist echt zutreffend.

Joel Kaczmarek: Jetzt war dein Punkt ja Verstehe, was dich selbst antreibt. Wie viel ist bei dir Kopf, wie viel ist bei dir Gefühl?

René Obermann: Kann ich dir nicht genau sagen. Ich glaube, früher war ich in den jungen Jahren sehr emotionsgetrieben. Inzwischen ist die Balance ein wenig besser geworden. Ich schaue mit ein wenig mehr Distanz so auf das Geschehen und springe nicht sofort sozusagen mit zu viel Emotion überall rein, sondern lasse auch manchmal eine Sache erstmal vorangehen und beobachte und schaue drauf analytischer als früher. Ich glaube, heute ist es in einem guten, ausgewogenen Verhältnis.

Joel Kaczmarek: Jetzt hast du eben gesagt, du bist bei deinen Großeltern groß geworden. Also du gibst den Ton vor, was du dich wohlfühlst zu erzählen, aber wie kommt es, dass du mit deinen Eltern nicht groß geworden bist?

René Obermann: Meine Eltern waren getrennt, meine Mutter war am Theater, also Schauspielerin und war glaube ich wirtschaftlich nicht in der Lage und hat einfach ein anderes Leben geführt. Meine Großeltern haben das sehr früh erkannt, da war ich noch in einem ganz jungen, gerade erst auf der Welt sozusagen und haben daraus dann eben den Vorschlag gemacht, dass sie sich doch kümmern könnten und das sollte temporär sein, ist aber dann so geblieben, bis meine Großmutter starb und mein Großvater und ich haben dann weitergelebt zusammen und das war eine schwierige Zeit, aber es war im Prinzip auch dann eine gute Zeit für uns.

Joel Kaczmarek: Was war mit deinem Vater?

René Obermann: Mein Vater war in meinem Leben nicht wirklich präsent. Er hatte aber auch kein einfaches Leben, muss man sagen. Der war körperbehindert und hat in der Zeit 50er, 60er, 70er Jahre damit doch sehr zu kämpfen gehabt. Das war eine andere Zeit als heute. Heute hättest du viel bessere Chancen, aber damals war das echt schwierig für ihn.

Joel Kaczmarek: Zum einen bestaune ich natürlich die Resilienz, die du hast, unter nicht leichten Bedingungen dann doch was sehr, sehr, sehr Erfolgreiches zu entwickeln und zum anderen auch, dass du so verzeihend darauf blickst. Also es gibt ja auch viele Menschen, die dann sagen, ja meine Mutter, mein Vater, bei dir scheint das aber sehr, nicht unemotional, sondern empathisch.

René Obermann: Nee, unemotional ist es tatsächlich nicht und ich glaube die Kernerkenntnis ist, dass wirklich alles für was gut ist. Und dass Begegnungen im Leben oft sehr entscheidend sein können, dass Erfahrungen alle ihren Platz haben, dass irgendwie alles nachher dann hilft, zu dem beizutragen, was dann aus deinem Leben wird. Im guten wie im schlechten Sinne übrigens. Ich habe überhaupt keinen Groll, im Gegenteil. Ich bin höchst dankbar. Ich fühle mich doch sehr privilegiert, dass ich so viele Chancen hatte und davon einige nutzen konnte. Und jetzt habe ich ein Berufsleben, was mir unglaublich Freude macht. Ich bin fasziniert über den gesamten Bereich Aerospace. Ich glaube auch, dass diese Entwicklung, die wir da machen in Richtung Sustainable Aviation, dass wir diese Pionierrolle haben, suchen und wollen, also haben, darf man ja gar nicht so sagen, ist anmaßend, dass wir die Ersten sein wollen, die wirklich emissionsfrei letztlich fliegen oder ganz, ganz emissionsarm fliegen mit Sustainable Fuels. Und dass wir auf der militärischen Seite eine Bedeutung haben, gerade in dieser Zeit für Europas Sicherheitsarchitektur. Das sind schon Sachen, die mich sehr bewegen und die mich faszinieren, wofür ich auch gerne mich einsetze. Und bei Warburg Pincus habe ich eine tolle zweite Aufgabe, nämlich mich, wie gesagt, um das Investment Advisory in Europa mitzukümmern, zusammen mit einem Kollegen in London. Da werde ich Chairman sein ab dem Herbst und das finde ich auch ein großes Privileg, bin da sehr dankbar für. Also ich bin wirklich happy.

Joel Kaczmarek: Vielleicht ein abschließender Punkt, weil du ja gesagt hast, dein zweiter Aspekt ist, verstehe, was dich selbst antreibt. Hast du aus deiner Vita heraus einen Antrieb bekommen? Weil du hast ja ein bisschen gesagt, Vater schwierige Geschichte, Mutter schwierige Geschichte, Großeltern auch eine eigene. Also du hast so ganz viele Verwerfungen eigentlich mitbekommen. Und bei manchen Menschen ist es ja dann noch so ein Antrieb, der sich daraus entwickelt, weil du auch irgendwie, ich versuche gerade, ich gucke gerade, ob ich die Puzzleteile zusammensetze, aber ob ich sie richtig zusammensetze, ist die Frage, weil du ja auch meintest, all diese Manager, da hat man sich dann auch mal ein bisschen unterlegen gefühlt, weil die große Titel hatten, akademisch schon viel Erfahrung hatten. War deine Vita was, was dich, sage ich mal, sehr, sehr weit angetrieben hat?

René Obermann: Unbedingt. Bei mir war der Wunsch, unternehmerisch was zu machen, der ist schon recht früh entstanden, weil ich Leute kennengelernt habe oder Unternehmer kennengelernt habe, die mir das auch so erklärt haben, dass das machbar ist, dass man sich nicht sozusagen unterordnen, einordnen muss und dass man auch eigene Ideen realisieren kann und dass das möglich ist. Und die haben das vorgelebt. Die wirtschaftliche Situation zu Hause war sehr bescheiden. Also wir hatten wirklich wenig Geld. Und es war ein Dauerthema. Wenn du als Kind groß wirst und das Thema immer darum geht, ob irgendwas zu irgendwas reicht und ob man eine zweite Limo trinken darf oder nicht, irgendwann entwickelst du daraus einen gewissen Ehrgeiz. Also bei mir war das so, aus dieser sozialen Einschränkung raus doch herauszukommen. Und ich muss auch ehrlicherweise sagen, als Kind war es mir teilweise auch ein bisschen peinlich, als ich auf dem Gymnasium war. Da waren ja viele Kinder von wohlhabenden Eltern und die haben sich teilweise dann auch, Kinder können ja recht gnadenlos sein, also ein bisschen drüber lustig gemacht, wie wir gewohnt haben. Wir haben im sozialen Wohnungsbau gewohnt, das war okay, aber das war jetzt nicht schön. All diese Dinge tragen dazu bei und daraus habe ich einen gewissen Willen entwickelt, also auch Geld zu verdienen und mich selbstständig zu machen später.

Joel Kaczmarek: Ich habe das auch gerade. Also ich bin mit Schulden groß geworden, von meiner Mutter, weil sie irgendwie betrogen wurde beim Hauskauf. Und ich kenne das, also genau diese Situation. Gleichzeitig habe ich für mich aber festgestellt, vielleicht ist das aber auch ein individuelles Ding, dass wenn dann aber immer, wenn dann Geld auf einmal so ein Thema ist, it's an issue for you, dass du dann, sage ich mal, nicht dein richtiges Potenzial ausschöpfst, weil dann hast du sozusagen, dann bist du so ein Stück weit narrow-minded. Dann guckst du immer nur auf den Cash-Faktor, aber nicht unbedingt, ist es die beste Entscheidung, die ich treffe, sondern das ist dann natürlich immer geldorientiert. Weißt du, was ich meine?

René Obermann: Ja, absolut.

Joel Kaczmarek: Ging dir das auch so?

René Obermann: Ja, ich glaube, denn am Anfang, die ersten Jahre, schau mal, ich mache es konkret an dem, was wir getan haben, meine Kollegen und ich damals. Ich habe eine kleine Firma gegründet, aus meiner Studentenbude raus. Und es war im Prinzip Handel mit Telekommunikationsendgeräten. So fing das an. War ja als Nebenverdienst gedacht. Und daraus hat sich nachher ein Service Provider Modell, also ein sogenanntes MBNO, Mobile Virtual Network Modell, entwickelt. Wir waren Dienstanbieter auf den Netzen D1 und D2, damals Telekom und Vodafone. Und dann später auch, je weiter das dann ging, auch in Richtung E-Netz und dann LTE. Und ich bin am Anfang und die ersten Jahre zu sehr darauf geachtet, dass es immer kurzfristig ertragreich war, was einerseits wichtig war, aber andererseits die Expansionschancen limitiert hat. Ja, wir hätten viel schneller, wir sind stark gewachsen, aber noch weiter wachsen können und dann später vielleicht irgendwann selber ein eigenes Netz bauen können. Das war damals einfacher, das ist heute echt eine schwierige Aufgabe, aber damals wäre die Chance vielleicht gegeben gewesen, dass wir in dieses Konsortium gegangen wären, als Dienstanbieter uns beteiligt hätten in einem Netzkonsortium und das war mir zu groß, zu viel, zu schnell. Also ich war jetzt kein Vabonspieler, um das mal so zu sagen, aber auch keiner, der zu aggressiv, zu schnell gewachsen ist.

Joel Kaczmarek: Ja, weil es stimmt, das ist so die andere Kehrseite. Ich bin sehr vorsichtorientiert dadurch, dass ich das erlebt habe, wie es ist mit Schulden. Und ich habe aber festgestellt, Risikobereitschaft und Erfolgswahrscheinlichkeit gehen irgendwie oft Hand in Hand. Hat sich das bei dir gedreht?

René Obermann: Aber das ist jetzt schön formuliert. Die Wahrheit ist ja statistisch gesehen…. Große Risikobereitschaft geht in aller Regel beim Unternehmertum schief. Ich rede nur über die Statistik. Es gibt natürlich immer wieder die Leuchttürme, die herausragen und die innerhalb von fünf Jahren eine Milliardenfirma aufbauen. Aber es gibt auch ein Vielfaches davon, das nicht so gut geht. Deshalb ist eine gewisse Vernunft und Vorsicht beim Aufbau einer Firma gar nicht so schlecht. Jedenfalls in der Zeit, wo Venture Capital noch nicht floss wie der Honig irgendwie aus den Bienenwaben. Das war damals eine etwas schwierigere Zeit in den 90ern, Anfang der 90er. Fremdfinanzierung war kaum eine Option und Eigenmittel durch Venture war ebenfalls total unterbelichtet, jedenfalls in Deutschland. Deshalb, wir mussten es quasi ein Stück mehr organisch machen, quasi bootstrappen.

Joel Kaczmarek: Ja, das Komische ist, ich habe das beim Pokern oft. Ich denke oft bei Unternehmertum ans Pokern. Immer wenn ich aggressiv gepokert habe, so mit All-In und Reizen und Bluffen, bin ich eigentlich immer schlechter gefahren, als wenn ich sehr konservativ sozusagen geguckt habe, was sind meine Bloodchancen, was hast du und so weiter. Von daher ist da vielleicht was dran. So, dann hattest du eben gesagt, versuche weitgehend angstfrei zu leben. War das dein dritter Punkt, by the way?

René Obermann: Ich glaube, wir sind jetzt durcheinander gekommen, ist ja wurscht. Also Angst war mein vierter Punkt.

Joel Kaczmarek: Okay, warte mal, lass uns bei dem mal ganz kurz bleiben. Wovor hattest du denn Angst?

René Obermann: Angst zu scheitern, Angst, das wieder von vorne anfangen zu müssen. Weil du hättest nicht scheitern können, Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre und dann mit großen Schulden, wie hättest du dich da wieder rausarbeiten können? nochmal? Wir haben heute eine andere Welt und heute, wenn du den Titel AI in deinem Firmennamen trägst oder in der Unterzeile, dann hast du sehr schnell sehr viele Finanzierungsangebote. Das war damals ein wenig anders. Das wurde dann besser, als wir erfolgreich waren. Da haben sie uns die Bude eingewandt.

Joel Kaczmarek: Ja, ist komisch. Ich habe mich das bei dir auch gefragt, wie das immer ist, wenn jemand so drei, vier Aufsichtsratsmandate hat. ob das irgendwann so eine Self-fulfilling-Prophecy ist. So nach dem Motto, wenn du einmal Vorstandschef der Telekom warst, dass dir danach quasi eh die Headhunter die Bude einrennen können, dass es fast ein bisschen egal ist, was du machst. Weißt du, was ich meine? Ich will es nicht deine Leistung schmielern, um Gottes Willen.

René Obermann: Nee, das empfinde ich auch nicht so. Also das kann schon sein. Also wenn du einmal bekannt bist und eine große Verantwortung getragen hast und dabei keinen Mist gebaut hast, sondern einen ordentlichen Job gemacht hast, dann hast du natürlich nachher eine andere Absprunghöhe und kannst aber auch genauso tief fallen. Also von daher, ich würde aber sagen, es ist leichter und du wirst mehr gefragt. Das ist richtig.

Joel Kaczmarek: Mein Freund Sebastian Krumbegl hat immer gesagt, der Teufel scheißt auf den größten Haufen. Und ich verstehe immer mehr, was er damit meint.

René Obermann: Das passt nicht, finde ich.

Joel Kaczmarek: Findest du nicht? Nein.

René Obermann: Also ich meine, das ist, wenn du auf die Akkumulation von Kapital und Kapitalvermögensmehrung anspielst, dann trifft es zu. Wenn du auf den Faktor ansprichst, dass jemand, der eine Firma geführt hat, automatisch die nächste und die übernächste führt, das kann vielleicht einmal funktionieren, aber spätestens dann musst du Leistung zeigen. Also ohne Performance bist du heute ziemlich schnell weg.

Joel Kaczmarek: Sein Punkt war glaube ich, wenn jemand erfolgreich ist, dann ist es so, dass er automatisch die Leute anzieht, weil wenn du groß bist, dann wollen halt immer mehr Leute an dieser Größe teilhaben.

René Obermann: Ja klar, wenn Steve Jobs zu Besuch kam damals, als wir das iPhone vorgestellt haben, die Menschentraube war so schnell, so groß, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Ist ja logisch, der Erfolg und der Berühmtheitsfaktor, die machen natürlich sexy, wenn du so willst.

Joel Kaczmarek: Wie war der so? Hast du mit dem mal ein bisschen verkehrt?

René Obermann: Relativ viel. Aber nur in der Phase, in der Vorbereitungsphase. Kennengelernt 2004, glaube ich, am Flughafen in San Francisco in einem Meeting. Da haben wir über Wireless und die Möglichkeiten gesprochen. Das war ja drei Jahre prä-iPhone. Ja, genau. Und dann ging es irgendwann um die Frage Gewinnen wir oder gewinnt Vodafone in der Bemühung, Apple zu bekommen, damals exklusiv für einige europäische Länder. Und wir haben das dann hinbekommen, dass wir das iPhone in mehreren europäischen Ländern, auch in Deutschland, eine Zeit lang exklusiv hatten und einführen konnten. In Amerika leider nicht, das kam erst später. Das hat uns in Amerika Probleme gemacht, aber in Europa war es ein super Katalysator fürs Geschäft. Und in dieser Zeit hatte ich schon häufiger mit ihm zu tun, mit Eddy Cue, der das Projekt geleitet hat, aber vor allem auch mit Steve Jobs. Und er konnte, ich sage es mal vorsichtig, natürlich visionär sein und wahnsinnig charmant, aber er konnte auch sehr deutlich werden. Aber irgendwie schon ein wahnsinnig beeindruckender Mensch.

Joel Kaczmarek: Naja, man kennt ja die Geschichten, dass er mit Leuten im Fahrstuhl gefahren ist, unten an so noch ihren Job und oben nicht mehr.

René Obermann: Zum Glück war ich davon ja nicht abhängig.

Joel Kaczmarek: Das stimmt.

René Obermann: Nee, nee, es hat aber schon auch ganz gut funktioniert. Wir waren nachher auch erfolgreich damit.

Joel Kaczmarek: Ist das jemand, mit dem man eine Beziehung aufbaut, eine zwischenmenschliche? Also generell auf diesen Ebenen, auf denen du dich bewegst?

René Obermann: Also das würde ich mir nicht jetzt anmaßen. Ich glaube, wir waren fachlich, sachlich im Gespräch ein paar Mal. Also wir hatten jetzt auch nicht jede Woche Kontakt, sowas nicht.

Joel Kaczmarek: So, aber wir waren beim Thema Angst frei. Wie bist du das losgeworden? War das einfach, als sich der Erfolg eingestellt hat, so Erfolg kittet irgendwie Probleme zu. oder hast du auch Maßnahmen ergriffen, um dich deinen Ängsten zu stellen?

René Obermann: Erfolg kittet Probleme nicht zu, aber wenn du erfolgreich bist, dann kompensierst du irgendwann das, was du vielleicht früher nicht so mitbekommen hast. Doch, doch, das hilft schon, wenn du so willst, auch eine Therapie. Ich glaube, dass viele Manager sich dessen entweder nicht bewusst sind oder das verdrängen, weil wenn du in einer großen Firma tätig bist in Top-Management-Funktionen, musst du die Bühne auch lieben, wenn du nicht bereit bist, dich immer wieder auch vor kleinere, größere Gruppen von Menschen zu stellen und zu erklären oder sie mitzunehmen, große Projekte oder Vorhaben und da auch keine Freude an der Interaktion hast und auch, ganz ehrlich, auch Freude an der positiven Resonanz hast. Wenn man das nicht für sich selber realisiert, dann verschweigt man einen Teil der Wahrheit vor sich selbst.

Joel Kaczmarek: Bist du denn eher introvertiert, extrovertiert oder vielleicht ein bisschen beides ambivertiert?

René Obermann: Was denkst du denn?

Joel Kaczmarek: Ich hätte gesagt, du bist ein eher introvertierter Typ, der sich das extrovertiert. Na, ich glaube ambivertiert hätte ich gesagt. Du hast, glaube ich, eine introvertierte Komponente. Auf der anderen Seite bist du zu menscheninteressiert, als dass man sagen würde, du bist voll introvertiert.

René Obermann: Könnte zutreffen, ja.

Joel Kaczmarek: Ich überlege gerade noch so, ich sammle im Kopf immer schon für ein Buch die Punkte, die 50 Dinge, die ich gerne mit 20 gewusst hätte. Jetzt das Thema angstfrei. nochmal abschließend gesagt. Wenn du den Lexikon-Eintrag dazu bauen müsstest oder so die Erklärung dazu, warum es irgendwie wichtig und wertvoll ist, angstfrei zu leben, wie würde das lauten?

René Obermann: Weil du für dich selber glücklicher bist, weil du für deine Umgebung ein viel wertvollerer Mensch bist und weil du auch erfolgreicher bist damit. Also ich glaube, das innere Glück hängt sehr stark davon ab, dass du angstfrei bist. Für deine Umgebung bist du ein viel besserer, entspannterer und auch produktiverer Typ, mit dem man lieber umgeht, der auf Menschen positiv abstrahlt. Angstfrei heißt nicht respektlos. Angstfrei heißt nicht unbedacht. Aber du bist in deinem Job, wenn du eine gute Balance gefunden hast, viel, viel besser.

Joel Kaczmarek: Wo du gerade glücklich sagst, ist eigentlich erfolgreich sein und glücklich sein für dich gepaart oder sind das unterschiedliche Dinge?

René Obermann: Also ich kenne eine Reihe erfolgreicher Menschen, monetär erfolgreicher Menschen, sowohl aus der Literatur, also aus der Beschreibung, als auch den ein oder anderen persönlich, wo das nicht zwingend korreliert. Aber ich glaube, dass es schwierig ist, glücklich zu sein, wenn du nicht auf die eine oder andere Weise beruflich oder überhaupt irgendeine sinnvolle Tätigkeit machst, wo der Sinn deiner Arbeit und das, was du tust, dir auch zurückgespiegelt wird. Das ist nicht zwingend Karriere, das kann auch ein ganz anderer Erfolg sein, aber irgendwie ohne Sinn. Da ist es, glaube ich, schwierig, glücklich zu sein. Und deshalb ist Erfolg im weiteren Sinne, wenn ich ihn so definieren darf wie gerade, schon ein wichtiger Glücksfaktor, aber es ist nicht der einzige Glücksfaktor.

Joel Kaczmarek: Gut, so jetzt haben wir drei Punkte schon mal durch.

René Obermann: Ich habe noch zwei Punkte, die ich erwähnen möchte. Einmal, wie wichtig das ist, sich mit Menschen zu umgeben, die einem nicht nach dem Mund reden. Und das wird ganz schwierig, je höher du kommst. Also einer, der meines Erachtens der Beste ist in dem Bereich, ist der Tim Höttges. Der kann das wirklich gut definieren. Der hat von vornherein sich immer mit Top-Top-Leuten umgeben und hat den Widerspruch gesucht. Ich habe mich damit nicht ganz so leicht getan, aber ich habe es im Laufe des Lebens gelernt. Also ich kann heute gut mit Widerspruch, mit konstruktiver Kritik, mit anderen Meinungen viel besser umgehen als früher und empfinde das als enorm wertsteigernd, wenn ich weiß, dass das Miteinander grundsätzlich basiert auf Loyalitätenanerkennung. Also wenn ich jetzt weiß, da ist einer, der will mir ständig an Karren fahren, weil er gerne meinen Job will, dann reagiere ich wahrscheinlich auch anders. Aber Menschen, die einem widersprechen, die in der Lage sind, offen zu sein und ehrlich zu sein und das konstruktiv tun, finde ich enorm wichtig. Das ist fast der entscheidende Erfolgsfaktor, privat wie beruflich übrigens. Also erstens die Ja-Sager meiden und zweitens die Lauten meiden. Weil deren Erfolgskriterium oder das Durchsetzen nicht das Durchsetzen kluger Gedanken und guter Argumente ist in einem fairen Austausch, sondern der Missbrauch der Macht. Und das machen doch viele, finde ich, oder einige im Top-Management.

Joel Kaczmarek: Also ich verstehe den Punkt schon, aber ich möchte ihn gerne nochmal für das Publikum besser aufbereitet haben oder besser intensiver. Was ist, wenn du das nicht beherzigst, was man gesagt hat, versus was hast du davon, wenn du es beherzigst? Wie sehen diese beiden Sphären aus? Wie sieht mein Leben aus, wenn ich mich mit Ja-Sagern umgebe? versus wie könnte es aussehen, wenn ich das nicht tue?

René Obermann: Du bist am Ende reduziert auf deine Schulterklappen. Der Groß gilt der Uniform. Und Ja-Sager richten eine Firma am Ende, eine große vor allem, so aus, dass es nicht darauf ankommt, was richtig für die Firma ist und für die Entwicklung der Firma ist, sondern denen ist dann wichtig, dass sie das tun, was dir gefällt. Da gibt es auch Empirie zu. wo man belegt, dass Sonnenkönige auf lange Sicht schlechter abschneiden. Unternehmer, die sich umgeben mit Leuten, die ihnen, wie gesagt, freundlich und konstruktiv, aber auch widersprechen und sagen, also ich habe andere Argumente, habe eine andere Sichtweise, lass mal darüber reden, die haben am langen Ende mehr Erfolg. Auch dazu gibt es Imperie. Gerade bei Firmen, die langfristig von einer oder einem geführt werden, siehst du, wie die Persönlichkeit an der Spitze auf die Kultur im Unternehmen und letztendlich auch auf den Erfolg abfärbt. Und wenn ich dann immer lese, dass irgendwie einer jetzt ein Jahr im Job ist und jetzt aber noch immer keinen Erfolg gehabt hat, kann ich nur lachen. Es dauert ja viel länger, bis in großen Unternehmen sich das übersetzt. Mal abgesehen von so großen spektakulären Symbolikmaßnahmen, die dann Leute oft schon bringen müssen, damit sie irgendwie große Schlagzeilen kriegen. Wenn man seriös arbeitet in einem Unternehmen, du arbeitest lange in einer Firma, dann zeigt sich über vier, fünf, sechs, sieben, acht Jahre, zehn Jahre, was hast du aus diesem Unternehmen gemacht. Und da kommt es eben ganz darauf an, dass du es geschafft hast, dich mit guten, klugen Leuten zu umgeben, die in Loyalität, aber trotzdem aus dieser Loyalität raus auch immer ihren eigenen Gedanken gebracht haben, ihre eigenen Argumente gebracht haben und sich einfach weggeduckt haben.

Joel Kaczmarek: Ganz blöde Frage. Wie baut man sowas operativ? Weil ich kriege das ja mit in Unternehmen wie denen, in denen du aktiv warst. Die Vorstandsvorsitzenden, die sitzen ja teilweise gar nicht in der Kantine. Oder wenn sie da sitzen, traut sich ja keiner, sich da hinzusetzen.

René Obermann: Du hast ein altes Bild, glaube ich. Wenn Guillaume und ich, Guillaume Faurie von Airbus und ich zusammen Mittagessen gehen, dann gehen wir doch selbstverständlich überall hin, wo es was zu essen gibt. In die Kantine gerne und sitzen mit Leuten und reden mit Leuten. Der redet mit allen Leuten. Und das ist heute, finde ich, viel weiter verbreitet, als das gemeinhin angenommen wird. Das alte Bild von früher separates Vorstandskasino, im Zweifelsfall separater, reservierter Aufzug und so, das ist, glaube ich, ein altes Bild.

Joel Kaczmarek: Ja, ich habe gerade einen Bekannten im Kopf, der arbeitet für einen Handelsriesen und da habe ich genau das Gefühl, was du gerade beschrieben hast, da wird schon Kritik geäußert oder Dinge werden schon gesagt, aber diese Ehrfurcht vor der Rolle, das ist ja noch schlimmer, wenn du ein Familienunternehmen bist, wenn du dann der Sohn vom Patriarchen bist oder der Patriarch selber.

René Obermann: Das stimmt, da hast du echt, also du hast auf der einen Seite diese Vorprägung, dass Leute dich erstmal, wie gesagt, erkennen an deinen Schulterklappen. Aber das ist ja dann deine Aufgabe als Führungskraft dafür zu sorgen, dass die Leute sehen, dass du in Austausch sein willst. Du hast es nahbar genannt. Ich meine das auch im guten Sinne. Du kannst nicht jedem alles recht machen. Du kannst auch nicht auf jeden hören. Du musst auch nach, wenn du Argumente ausgetauscht hast, im Zweifelsfall kontrovers entscheiden. Und dann musst du es auch durchziehen. Aber davor musst du den Leuten beibringen, dass es dir wichtig ist, dass sie ihre Meinung sagen und gut argumentieren. Das geht nicht von heute auf morgen, aber wenn du mehrere Jahre in einem Unternehmen bist und sehr sichtbar bist für die Leute, dann spüren die schon, ob du nahbar bist und Argumenten aufgeschlossen. Und jetzt zu deiner ersten Frage, wie setzt man es operativ um? Neben dem eigenen Verhalten und der, wenn du so willst, Vorbildlichkeit in diesem Verhalten, musst du halt auch sehr genau auswählen, mit wem du zusammenarbeitest. In einem Buch, From Good to Great, steht The Right People on the Bus, The Wrong People off the Bus. Das ist zwar schon 20 Jahre alt, das Buch, aber das würde ich heute noch unterschreiben. In Führungspositionen, wo große Verantwortung getragen wird, Kann man nicht tolerieren, dass Leute dieser Verantwortung nicht gewachsen sind oder sie ethisch nicht gut ausfüllen oder sie von der Fachkompetenz her nicht gut ausfüllen. Das geht nicht.

Joel Kaczmarek: Ja, da habe ich auch an ein Zitat hingedacht, wo der immer gesagt hat, ein guter Geschäftsführer schaut bei Erfolg aus dem Fabrikfenster auf sein Team und bei Misserfolg in den Spiegel und nicht umgekehrt.

René Obermann: Der Erfolg gehört immer den Leuten und der Misserfolg gehört immer dir als Verantwortungsträger. Das muss das Prinzip sein.

Joel Kaczmarek: Ich habe mich dabei ertappt, wie du den Punkt gerade geschrieben hast, umgib dich nicht mit Ja-Sagern, dass ich instinktiv gedacht hätte, okay, dann musst du die halt raussetzen, dann musst du halt mal durchmischen die Mannschaft. Oder ist das eigentlich voll der falsche Gedanke, kriegt man Leute, die vielleicht in so einem Ja-Sager-Denken sind, auch einfach gedreht, indem man ihnen durch seinen Führungsstil zeigt, du, nehme ich interessiert deine echte Meinung, ich brauche jetzt nicht den Salud vor den Schulterklappen, sondern sag doch mal wirklich bitte, was du denkst.

René Obermann: Das glaube ich auch. Also es hängt immer davon ab. Da gibt es keine Pauschale. Aber wenn du in einer Organisation längere Zeit wirkst und du nach Jahren sozusagen der Zusammenarbeit keine Veränderungen in deinem Team hast, sondern Leute immer noch das gleiche, dann hast du es selber als Führungskraft nicht hinbekommen. Also ich glaube, man kann bei vielen Leuten schon dafür sorgen, dass sie ihre Scheu ablegen, ihre Angst ablegen. Aber es gibt eben auch Charaktere, die sich nur in so einer Hierarchie wohlfühlen und die es perfektioniert haben, dem Chef zu dienen und nicht der Organisation. Und dann wird es manchmal schwierig. Und dann muss man im Zweifelsfall auch bewusst Schritte tun und bewusst Veränderungen vornehmen. Deshalb habe ich ja gesagt, the right people on the bus, the wrong people off the bus. Top-Management, erste Aufgabe ist zu erkennen, dass du strategiekonform die richtigen Skills hast und die richtigen Leute hast. und die Leute, die vielleicht andere Sachen besser können, woanders hinsetzt, auf andere Funktionen oder auch raus, im Zweifelsfall gerade bei Führungspositionen.

Joel Kaczmarek: Es ist ja mittlerweile so, dass Diversity auch als so ein wichtiges Element hervorgehoben wird. Hast du das auch so gehandhabt bisher und machst es immer noch, dass du sehr diverse Teams baust? Weil das macht ja auch brutale Reibung eigentlich.

René Obermann: Ja, das ist auch nicht immer einfach. Im Investmentbereich zum Beispiel ist es eine typisch männerdominierte Szene nach wie vor, aber sie weicht nur langsam auf. Bei der Telekom und daran kann man was einschätzen. ändern. Aber dazu musst du dann hingehen und die jungen Nachwuchskräfte quasi von der Pike aus ausbilden. Du musst dir sozusagen deine eigene Talentpipeline bauen, weil der Markt bietet nicht genug bis jetzt. Und das hat viele Ursachen. Bei der Telekom haben wir 2010 die Frauenquote eingeführt. Und wir hatten uns vorgenommen, der Thomas Hattelberger und ich, den Anteil von Frauen in Führungspositionen auf 30 Prozent zu kriegen innerhalb weniger Jahre. Bis 2015. Wir kamen von einer ganz niedrigen Zahl, ich glaube von knapp 10 oder 11 Prozent. Wir haben dann aber nicht nur diese Zielvorgabe gemacht, sondern auch einen ganzen Katalog an unterstützenden Prozessen und Maßnahmen dahinter gelegt. Und das hat auch ein gutes Ergebnis gebracht. Aber wir haben die 30 Prozent, jedenfalls bis zu meinem Weggang Ende 2013, haben wir nicht geschafft. Wir waren etwas über 20 Prozent immerhin. Aber der Weg ist eingeschlagen und weitergegangen worden. Damals war das wichtig, um die gläserne Decke zu durchbrechen. Es war einfach viel schwieriger für Frauen, Karriere zu machen in diesem technischen Bereich, aber auch in diesen Managementstrukturen. Deshalb haben wir diesen harten Schritt gewählt. Normalerweise finde ich Quotenregelungen nicht so gut, sondern einfach eine konsequente Personalpolitik und Führungspolitik.

Joel Kaczmarek: Du hast gesagt, zwei Sachen möchtest du noch sagen. Das eine war, das umgibt dich mit den richtigen Menschen. und dann ist noch eine Sache offen.

René Obermann: Ich habe zu spät gelernt, dass Business auch politisch ist und dass wir als Verantwortungsträger viel zu lange, viel zu passiv waren, beziehungsweise nur in unseren jeweiligen Verbänden die Interessen der Branche oder des Unternehmens vertreten haben.

Joel Kaczmarek: Wenn du politisch meinst, meinst du wirklich auf die Politbühne, nicht innerorganisatorisch politisch?

René Obermann: Innerorganisatorisch musst du ja aufpassen, du kannst ja die Leute nicht politisch lenken oder so. Das darfst du nicht und das geht auch gar nicht. Aber du kannst helfen, Demokratie und Freiheit zu verteidigen. Und dazu zählt vor allem, dass das System funktioniert. Ich habe jetzt dazu einen ganz tollen Artikel im Handelsblatt gelesen vor ein paar Tagen. Ein Ökonom vom MIT und der hat nochmal gesagt, das ist eigentlich sehr einfach, kann ich hier sehr empfehlen. Er hat gesagt, dass das System für alle funktionieren muss, sonst fliegt es uns um die Ohren. Und das, glaube ich, haben wir ein bisschen vergessen. Das ist das eine. Also wir sprechen zu sehr die Sprache der Eliten. Wir denken zu wenig durch die Augen der Leute, die vielleicht nicht so beglückt sind und nicht zu diesen Top-Eliten gehören, zu diesen Beglückten, die jetzt mit einem Exit irgendwie ein paar Millionen gemacht haben oder auch viele Millionen gemacht haben, die man hier in Berlin allseits sehen kann. Wir müssen viel mehr an die Leute denken, die nicht so privilegiert sind und müssen gucken, dass wir unsere Geschäftspolitik, unsere Kommunikation, unsere Maßnahmen auch unsere Arbeit im Austausch mit der Politik, dass wir das mehr im Kopf haben. Ich rede nicht einer blinden Umverteilung das Wort, um nicht missverstanden zu werden. Ich bin sozialer Marktwirtschaftler aus Überzeugung. Und ich glaube, Leistung muss honoriert werden. Aber wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht zu sehr abheben. Und wir haben zu wenig, wenn du so willst, in der Politik gewirkt, um kluge, langfristige Entscheidungen voranzutreiben, als Wirtschaft, finde ich. Stichwort Energie, Verteidigung. Warum haben wir nicht viel früher, obwohl die Erkenntnis war doch bei vielen schon da, dass wir eine neue Bedrohungslage haben in Europa? und trotzdem haben wir es zugelassen, dass die Bundeswehr so kaputt gespart wurde und so schlecht geführt wurde. I'm sorry. Nicht in der militärischen Führung, sondern aus politischer Seite. Wir haben nichts getan da. Wir haben nichts getan in Sachen Energiediversifizierung. Viel zu wenig. Wir haben das billige Gas gerne genommen und so weiter. Wir haben es zugelassen, dass wir uns in Europas zu sehr von den Amerikanern abhängig gemacht haben, sowohl in sicherheitspolitischer Frage als auch technologisch. Und vieles mehr. Und wir müssen, ich glaube, da unsere Haltung ändern und uns viel aktiver einbringen.

Joel Kaczmarek: Ich würde gerade sagen, eigentlich die ganzen Unternehmen, denen du in der Vergangenheit gewirkt hast, die müssen ja auch unglaublich viel auf die Politik eingewirkt haben, aber wahrscheinlich immer eher so in den Partikularinteressen und nicht auf den globalen.

René Obermann: Ich würde sagen, das ist generell, dass wir zu sehr partikularinteressenorientiert waren in der Wirtschaft und dass wir zu wenig darüber nachgedacht haben, was ist eigentlich unser Wirken, was bedeutet das eigentlich für das politische Klima und für das soziale Klima. Das Problem ist immer, wenn man sowas sagt, kann man leicht missinterpretiert werden. Ganzheitlich gesprochen meine ich, Unternehmertum ist richtig und gut und die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer gucken auf ihre Leute viel mehr, als man weiß. Aber wir reden zu wenig drüber. Wir haben zum Beispiel viel zu wenig uns engagiert für das Thema langfristiger Pakt zusammen mit der Politik für ein neues Bildungssystem. Warum zahlen wir keinen Bildungs-Soli? Warum haben wir nicht überlegt, wie viel Aus- und Fortbildungszeit wir in den Unternehmen bereitstellen? Warum können wir nicht mit der Politik darüber reden, wie wir die Leute in Sachen Digitaltechnologien weiterbilden? Wir reden nur über Sachen, die so, finde ich, so defensiv sind. Aber wir reden nicht über die Zukunftsgestaltung, die Zukunft der Arbeit. Eigentlich ein zentrales Thema zum Beispiel für die Sozialdemokratie. Und wir müssten da eigentlich viel mehr mitwirken, finde ich, als Unternehmer.

Joel Kaczmarek: Und hilf mir mal zu verstehen, wie kriegt man sowas hin? Weil ich habe den Eindruck Es ist für Unternehmen immer dann schwierig, sich für was einzusetzen, wenn es langfristig ist. Also viele gucken ja auf das kurzfristig klare Take-Off oder klares Take-Away, was ich habe, versus ich habe ein langfristiges Take-Away. Deswegen, ich habe den Eindruck, es wird oft so Kurzfristigkeit betont. Noch schnell hier Diesel weiter steigern, noch mehr abverkauft, das schön die Zahlen, dann können wir in ein Werk investieren und dadurch wird es immer alles so in die Zukunft.

René Obermann: Ich würde das für die Firmen, für die ich jetzt mit Verantwortung getragen habe, differenzierter sehen. Also die Telekom zum Beispiel hat schon sehr, sehr früh, wir bei der Telekom, schon sehr, sehr früh für das Thema eine Verbesserung der Investitionsbedingungen für moderne digitale Netze, Glasfasernetze zum Beispiel oder für 4G, 5G geworben. Wir haben keinen guten Job gemacht, weil wir der Politik nicht die ökonomischen Zusammenhänge sauber erklärt haben und sie öffentlich nicht sauber erklärt haben. Sie hat immer so wie Lobbyismus geklungen. Und ich würde sagen, natürlich war es auch im Interesse der Telekom, aber es wäre auch im Interesse des Marktes gewesen. Und das kann ich gerne in einem anderen Rahmen mal erklären, warum. Aber der Fokus war immer auf kurzfristige Verbraucherpreise. Und das hat halt hunderte von Milliarden Investments gehemmt. Das Geld wäre am Markt ja da gewesen, nicht nur von einem Anbieter. Bei Airbus würde ich es auch nicht so sehen. Ich glaube, dass wir eine sehr langfristige Agenda vorfolgen. Wir müssen ja 15, 20 Jahre nach vorne denken, weil die Entwicklungsprogramme so sind. Und wenn wir über Wasserstoff, Brennstoff der Zukunft nachdenken, und darüber jetzt Vorprogramme, Vorentwicklungen machen, dann machen wir es ja auch nicht, weil wir damit morgen Geld verdienen wollen, sondern das ist ja ein Thema, was in 15 Jahren oder in 20 Jahren vielleicht mal Geld abwirft.

Joel Kaczmarek: Und trotzdem, was ist so deine Antwort darauf, dass viele Unternehmen sich damit so schwer tun, mit dem Thema Investieren in Infrastruktur auf der politischen Ebene? Weil, also mir ging es immer so, man hat ja irgendwie immer gedacht, die ganzen Autobauer haben so die Elektro-Konzepte alle schon in der Schublade. Die sind schon alle vertestet, man holt sie nur noch nicht raus, um sein eigenes Modell nicht zu kannibalisieren. Dann merkst du, nee, die sind wirklich nackt um die Beine. Und man hat ja auch nach wie vor das Gefühl, das wird wahrscheinlich gute Gründe haben, vielleicht absatzorientiert, aber dass man sich mit dieser ganzen Denke irgendwie sehr, sehr schwer tut, dieses Ganze disruptieren.

René Obermann: Schau mal, die ganze Telekommunikationsbranche hat Entwicklung zu All-IP, also zur Umstellung auf Internet-Technologie, auch lange abgewehrt. Und die Argumente der Ingenieure waren immer Netzintegrität und ist das falsche Modell und wir müssen die Kontrolle haben über die verschiedenen Elemente vom Kernnetz bis zum Zugangsnetz. Wir müssen die Dienste auch in dieser Vertikalität selber betreiben. Wir können das Modell nicht delayern und so weiter. Das ist jetzt ein bisschen technisch. Aber das war ja auch immer die Argumentation in der Telekommunikation, bis es dann irgendwann unvermeidlich wurde. Und dann haben die Unternehmen umgestellt. Ich glaube, das ein bisschen zu knacken und große Unternehmen, große Bären sozusagen zum Tanzen zu bringen, ist eine freudvolle Aufgabe, ist eine wichtige Aufgabe, ist eine schwierige Aufgabe und ist das, was in meinem Leben jedenfalls nach wie vor eine große Rolle spielt und wofür ich gerne stehen würde.

Joel Kaczmarek: Ich finde das Stichwort war Unumstößlichkeit gerade. Wenn es gar nicht mehr geht, dann wird sich gefühlt immer bewegt.

René Obermann: Aber weißt du, darüber kann man natürlich immer lachen. Man muss nur wissen, dass die Realität ist, wenn hunderttausend Leute über Jahrzehnte in einer bestimmten Technologie entwickelt und geforscht haben und tolle Sachen gemacht haben. Dann kommt was von der Seite, was total disruptiv ist, was sozusagen den Teich austrocknet, in dem man selber gerade schwimmt. Und dann sollst du mit großer Begeisterung das drehen. Das Innovators-Dilemma ist immer, wenn du auf einem bestimmten Geschäftsmodell mit einem bestimmten Produkt, einer Technologie sitzt und da kommt was Disruptives, was nur noch ein Zehntel kostet zum Beispiel. All-IP hat die Preise ja quasi auf Null getrieben für Textnachrichten zum Beispiel, weil über Nacht war irgendwie eine Milliarde Umsatz weg. und du hast kein Substitut dafür, weil das Geschäftsmodell ein anderes ist, dann ist das sehr schwierig. Und deshalb kann man darüber immer von außen gucken und lachen. Oder man kennt es, versteht es als Manager und versucht, eine Organisation einen Gutteil dahingehend zu drehen, dass sie früher annimmt und nicht wartet bis zum letzten Moment, sondern früher auf den Zug aufspringt oder auch den Zug mitgestaltet. Das ist gar nicht so einfach.

Joel Kaczmarek: Wenn ich dir so zuhöre, habe ich den Eindruck, man kann richtig seine Lernkurve merken, wie die nach oben auch immer steiler wird. Ist es so, dass zwei Jahre, die du jetzt machst, dir nochmal viel krassere Wissenssprünge geben als zwei Jahre am Anfang deiner Karriere?

René Obermann: Anders. Also am Anfang war ich mehr im Detail. Da hätten wir so ein Gespräch wahrscheinlich nicht geführt, weil ich mir nicht diese Helikopterperspektive eingenommen hätte. Und jetzt, und das empfinde ich als großen Luxus dieser Phase meines Berufslebens, kann ich ein bisschen mehr aus der Helikopterperspektive draufschauen und versuchen, die Zusammenhänge zu erkennen zwischen den Themen, zwischen Technologie zum Beispiel und sozialen Phänomenen und so weiter. Und deshalb kann ich da heute anders draufschauen. Ich würde sagen, man lernt anders und man lernt andere Sachen. Aber wenn du am Anfang nicht das Detail lernst, kannst du nachher auch keinen Helikopter fliegen.

Joel Kaczmarek: Wie schaffst du es dann nicht manchmal auch depressiv zu? werden, wenn du weißt, diese Airbus-Strategie jetzt, die wird 15 Jahre dauern auszurollen. Ich bin in 15 Jahren vielleicht gar nicht mehr hier oder in ganz anderer Rolle oder oder, dass du da trotzdem so Motivation daraus schießt.

René Obermann: Aber schau mal, wir sind doch immer nur für eine bestimmte Zeit Steward auf einem Schiff, egal was es ist. Also es gibt doch überhaupt nichts, was bis zum Ende aller Dinge begleiten kannst. Du musst dich mit der Rolle, dieser temporären Rolle nicht nur abfinden, sondern damit anfreunden. Und ich bin sicher, dass zum Beispiel in der Telekom haben wir vieles angefangen und vieles bewegt und manches geschafft und manches nicht. Und der Tim hat ganz viel als mein Nachfolger geschafft und Großartiges bewegt. Und vielleicht hat er auch nicht alles erreicht, was er erreichen wollte. Und sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin werden wiederum. Also das ist der Gang der Dinge und damit muss man einfach total seinen Frieden machen.

Joel Kaczmarek: Hat man eigentlich in so einer Rolle so eine Art, kann man so den Matrix-Code lesen? Guckst du so auf diese gesamte Organisation in der Ganzheitlichkeit und hast immer so ein Instinkt, was richtig ist und was nicht? Oder ist das so ein riesiges Stückwerk aus, du musst in jedem Bereich mit 20 Leuten geredet haben, um so ansatzweise zu erahnen, was die richtige Strategie ist?

René Obermann: Das würde dich jetzt aus einer Aufsichtsratsrolle überfordern. Also das ist nicht leistbar. Wenn du 100 Stunden die Woche arbeitest, das schaffst du nicht. Dazu ist so eine Organisation, jetzt zum Beispiel Airbus, zu komplex und zu groß. Du musst auf Menschen vertrauen und auf deren Detailkompetenz. Da musst du das Gefühl entwickeln, wem kannst du vertrauen? Wo weißt du, dass sich diese Person mit aller Kraft einsetzt, die notwendige Kompetenz hat und auch ehrlich ist in der Rückmeldung? Also wenn du versuchst, überall einzudringen, bist du verloren.

Joel Kaczmarek: Und wie machst du die großen Wetten? Also wenn dich dann zehn Augenpaare groß angucken und sagen, nee, linksrum oder rechtsrum?

René Obermann: Also ich würde immer sagen, Strategy is Destiny. Robert Bruegelmann, Stanford. Strategie heißt gute Analyse, gute Herleitung und in der Prognostik möglichst viele Indikatoren finden, die deine Prognosen unterstützen. Und dann die Organisation darauf ausrichten und deine Ressourcen priorisieren und deine Kapitalallokation priorisieren. Also es ist jetzt etwas theoretisch, ich will keinen Strategiekurs machen, könnte ich auch nicht, können Professoren besser, aber jedenfalls sehe ich es so. Gute Analyse, saubere Begründungen, gute Projektionen, die hergeleitet sind von Frühindikatoren und dann alles darauf ausrichten. Und übrigens deine eigene Intuition nicht vergessen. Wenn dein Bauch dir sagt, tolle Argumente, aber ich habe ein Störgefühl, dann musst du darauf auch hören. Nicht alleine, aber auch. Darf man nicht ausblenden. Ich habe den Fehler öfter gemacht. Und wenn ich ein Störgefühl hatte und trotzdem die Argumente, sozusagen die Sachargumente priorisiert habe, Ist ab und zu aber wirklich nicht so gut gegangen nachher.

Joel Kaczmarek: Funktioniert das denn heute auch noch so? Vielleicht ist das ein bisschen meine Generation. Ich kriege manchmal Paranoia, weil ich das Gefühl habe, man macht einen Plan auf eine Welt, die sich schon um 380 Grad wieder, oder 180 Grad, fast so ein Baerbock-Zitat, 180 Grad gedreht hat. Weißt du, was ich meine? Es ändert sich einfach alles so schnell. KI kommt auf, zack, disruptiert. Neue Software-Ebenen, zack.

René Obermann: Aber es ist so ein wunderbares Beispiel. Nimm etabliertes Geschäftsmodell XY. Du siehst, der Einfluss von KI wird immer größer. Dann kannst du doch versuchen, daraus abzuleiten, wie lange wird es dauern, bis so ein Modell trainiert ist, redest mit Experten, was kann das Modell nachher tun, auf diese spezielle Anwendung bezogen und welche Strategie hat die Firma. Also das ist zum Beispiel beim Investmentbereich Private Equity sehr wichtig, dass wir immer genau mit denen reden und verstehen, was für eine Strategie die haben in puncto KI-Deployment. Und wenn das eine gute Strategie ist. Und wenn du glaubst, die kriegen das hin und die haben technologisch Substanz, dann kannst du sagen, ist KI ein produktivitätssteigernder Faktor und kann eine wettbewerbliche Differenzierung bringen. Es hängt ja immer von der Qualität der Daten ab und wie schnell adaptierst du die, wie schnell kommst du auf die Lernkurve und so weiter. Und umgekehrt, wenn eine Firma keine gute KI-Strategie hat, würde ich sagen, ist immer mal eine rote Lampe.

Joel Kaczmarek: Mag ich. Man merkt bei dir, man hat viele Antworten, wenn man sozusagen sowas lange macht.

René Obermann: Ja, ist auch viel Bluff dabei.

Joel Kaczmarek: Ja, René, vielen Dank. War ein schöner bunter Ritt.

René Obermann: Hat Spaß gemacht, Joel.

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Selbstoptimierung

Diese Folge stammt aus unserem Podcast „5 Dinge mit 20“: Bei [5 Dinge mit 20](https://lnk.to/5Things20) trifft Joël Kaczmarek bekannte, erfolgreiche und interessante Menschen und befragt sie, was ihre 5 Dinge sind, die sie gerne schon mit 20 gewusst hätten. Auf diese Weise leiten diese inspirierenden Personen ihre wesentlichen Learnings und Lebenseinsichten ab und bescheren dir echte Wissensabkürzungen. 💛 Hat dir die Episode gefallen? Dann abonniere „5 Dinge mit 20“ auf Plattformen wie Apple Podcasts oder Spotify. Beachte, dass wir nur ausgewählte Folgen auch auf Digital Kompakt veröffentlichen. Abonniere dort, um Zugang zu mehr und früheren Episoden zu erhalten!