Christoph Werner (dm): 5 Dinge, die ich gerne mit 20 gewusst hätte

17. Dezember 2024, mit Joel Kaczmarek

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Joel Kaczmarek: High Five, Leute. Hier ist Joel Kaczmarek und ich habe wieder eine grandiose Person zu Gast, die mir ihre fünf Dinge teilt, die sie gerne schon mit 20 gewusst hätte. Und zwar ist es gefühlt ein alter Freund, nämlich Christoph Werner, der Geschäftsführer von dm Drogeriemarkt. Alter Freund, weil ich oft in seinen Läden zu Besuch bin, aber auch, weil ich schon öfters ihm im Business-Kontext gelauscht habe. Und ich habe erlebt, dass er genauso wie sein Vater einfach einen sehr differenzierten Blick auf die Welt hat und sage ich mal Perspektiven, die glaube ich nicht jeder hat, weil viel gereist, gute Schulen besucht, mit tollen Menschen zu tun gehabt, trotzdem nie die Bodenhaftung verloren. Also ich glaube, heute wird das ein spannendes Gespräch und deswegen lieber Christoph freue ich mich total, dass du da bist. Moin Moin.

Christoph Werner: Hallo Joel, schön wieder hier zu sein. Vielleicht noch anfügend, bin auch schon 51 Jahre alt, das heißt, habe schon ein bisschen Lebensstrecke hinter mir.

Joel Kaczmarek: Ja, das wäre die erste Frage, die ich dir gestellt habe, von wann du sozusagen auf die 20 zurückguckst. Also 31 Jahre passieren wir heute Revue.

Christoph Werner: Richtig, ja.

Joel Kaczmarek: Ist dir denn schwer gefallen, die Dinge dir zu überlegen, die fünf Dinge?

Christoph Werner: Nicht wirklich, muss ich sagen. Nicht wirklich. Ich habe es mal versucht, so unter dem Gesichtspunkt der Fragen, die mich damals beschäftigt haben, anzuschauen und daraus sozusagen die Essenz zu destillieren.

Joel Kaczmarek: Vielleicht ist man suchend mit 20. Da tappe ich mich auch so ein bisschen in der Retrospektive. War es so, dass du dir viele Fragen gestellt hast mit 20?

Christoph Werner: Auf jeden Fall. Eigentlich relativ früh angefangen, Fragen zu stellen.

Joel Kaczmarek: Wenn du mal so dein Freundeskreis von damals, die dir anguckst, so links, rechts, würdest du sagen, dass du ein anderes Leben hattest durch deine Voraussetzungen, wie du gestartet bist, dass dein Vater Unternehmer war, dass da halt auch irgendwie, sage ich mal, schon so ein Erbe auf dich zulief, was du vielleicht mal übernimmst?

Christoph Werner: Ach, ich glaube, jeder Lebensweg ist unique. Man kann es auch, wenn man es ein bisschen pessimistisch ausdrucken möchte, kann man sagen, unter jedem Dach ein Acht. Deswegen würde ich jetzt nicht sagen, dass meiner besonders war. Aber meiner war so einzigartig wie die Lebenswege all der anderen. Und wir hatten gerade ein Klassentreffen nach wirklich sehr, sehr vielen Jahren. Dann sieht man, welche Lebenswege die Klassenkameradinnen und Klassenkameraden gegangen sind, wie die auch mittlerweile aussehen. Na gut, die sind alle vom Leben gezeichnet natürlich. Ja, aber das meine ich positiv. Das meine ich wirklich positiv. Man sagt doch so schön, mit 20 hast du das Gesicht, das Gott dir gab. Mit 40 hast du das Gesicht, das das Leben dir gab. Und mit 60 hast du das Gesicht, das du verdienst. Habe ich geklaut. Habe ich auf einer Postkarte mal entdeckt. Es gibt doch manchmal diese Kioske, die so Postkarten mit so lustigen Sprüchen haben. Da waren es.

Joel Kaczmarek: Mir ist auch bis heute die Geschichte in Erinnerung geblieben, wie du von deinem Vater erzählt hast, der zum Abaschen über den Bordstein gefahren ist. Also das hat sich mir eingebrannt.

Christoph Werner: Das war nicht mein Vater. Mein Vater hat ja keine Zigaretten geraucht. Nein, das war die Charakterisierung des Fleckmatikers. Stimmt, stimmt, stimmt.

Joel Kaczmarek: Guck, du hast ein besseres Gedächtnis. Also ich bin jetzt zehn Jahre hinterher, aber du hast ein besser funktionierendes Gehirn. Aber letzte Nachfrage dazu. Kennst du das, wenn man dann so Klassentreffen hat? Also meine Frau hat das auch bald und hat gesagt, ich gehe nochmal zum Friseur und was ziehe ich denn an? Hat sich das für dich auch wie so ein Schaulaufen angefühlt?

Christoph Werner: Nein, nein, nein. Nein, gar nicht. Ich habe mich schon gefreut, die Menschen mal wieder zu sehen. Ich meine, über WhatsApp gibt es ja Gruppen heute. Insofern ist man so ein bisschen im Kontakt. Insofern ist vielleicht das Aha-Erlebnis nicht ganz so groß. Aber es war ein schönes Ereignis.

Joel Kaczmarek: Na gut, komm, dann starten wir mal rein. Was ist denn das Erste, was du dir im 20-jährigen Ich gesagt hättest?

Christoph Werner: Ich würde mal noch eine kleine Präambel davor machen. Weil als ich mich jetzt mit diesen fünf Erkenntnissen beschäftigt habe, habe ich mir nochmal überlegt, was ist denn eigentlich jetzt die Frage, die einen ja im Leben beschäftigt? Und da bin ich auf Folgendes gestoßen, was ich schon mal gehört hatte. Und zwar, da gibt es ein Gedicht von William Ernest Henley in Victus. Es ist eigentlich auf Englisch, aber ich lese es dir mal auf Deutsch vor. Aus dieser Nacht, die mich umhüllt, von Pol zu Pol, schwarz wie das Grab, Dank ich, welch immer Gottes Bild die unbezwungene Seel mir gab. Wenn grausam war des Lebens Fahrt, habt ihr nie zucken, schreien mich sehen. Des Schicksals Knüppel schlug mich hart, mein Blutkopf blieb aufrecht stehen. Ob Zorn erfüllt, ob Tränen voll, ob Jenseitsschrecken schon begann. Das Grauen meines Alters soll mich furchtlos finden jetzt und dann. Was kümmert's, dass der Himmel fern? Und das von Straf mein Buch erzähl. Ich bin der Meister meines Los. Ich bin der Käpt'n meiner Seele. Das ist bekannt eigentlich als ein Ausdruck, der von Nelson Mandela kommt. Und da geht es so, I am the master of my fate, I am the captain of my soul. Der hat es immer wieder gesagt und zwar als Erkenntnis aus seinem Leben heraus. Und ich glaube, warum das auch so viele Menschen berührt. Und ich habe jetzt mal die Mühe gemacht, mal nachzugucken, wo das herkommt. Weil es ja eigentlich die Frage ist, wie gelingt es mir denn, mein Leben zu gestalten? Also dass ich der Herr meines Schicksals bleibe und der Kapitän meiner Seele. Und ich glaube, wenn man anfängt, sich Fragen über das Leben zu stellen, ist meine Beobachtung, dass das die Hauptfrage ist. Mit all dem, mit dem ich konfrontiert bin im Leben, wie kann es mir gelingen, der Herr meines Schicksals zu bleiben und der Kapitän meiner Seele und am Ende sagen zu können, ja, es war mein Leben. Und das war nun mal eine Frage, die hat mich schon relativ früh beschäftigt, aufgrund der biografischen Erlebnisse, die ich hatte.

Joel Kaczmarek: Das ist interessant, weil für den Podcast, den wir hier aufnehmen, habe ich mit Jens, das ist eines der Bandmitglieder von Wir sind Helden, einen Song geschrieben, den ich auch singe. Und dann haben wir so Passagen halt aufgenommen, weil wir halt überlegt haben, wie kann man das, was wir hier besprechen, eigentlich in Text gießen. Die erste Strophe geht so in Richtung Performance, wo wir so ein bisschen auf die Schippe nehmen, dass Leute sich ja immer noch so optimieren. Und in der zweiten Strophe haben wir dann eine Passage gebaut, die halt heißt, bist du so geworden, wie du gemeint warst oder völlig anders wie ein Zaungast? Und da erinnert mich das so ein bisschen, wenn man manchmal Menschen beobachtet, die eigentlich Zaungaste in ihrem eigenen Leben sind, weil sie eines führen, wie es ihnen eher von anderen auferlegt wird. Also geht es in die Richtung, wie du das denkst?

Christoph Werner: Denke ich, ja. Ich glaube, das ist immer das gleiche Motiv, halt unterschiedlich ausgedrückt. Und jetzt in diesem Gedicht hier, in dieser Art und finde ich sehr eindrücklich.

Joel Kaczmarek: Die interessante Grundnote daran ist, das ist natürlich so, das klingt ja fast ein bisschen nach Resilienz, um was es im Leben geht. Also dass das Leben dich quasi vorher auf Herausforderung stellt, dass du so ein bisschen spielbar bist, der Gezeiten und irgendwie guckst, wie du deinen Kurs findest. Also Kapitän, da kommt ja schnell auch entweder dieses Mannschaftsbild rein oder der Schiffslenker. So klingt das ein bisschen, als wenn das Leben wie so ein Ozean ist, der irgendwie wabert, der einen vielleicht auch mal mit einer Welle überspült und du willst halt irgendwie gucken, wie du da irgendwie Herr bleibst oder Frau.

Christoph Werner: Naja, es ist halt die Frage von Schicksal. Ich meine, was ist denn das Schicksal? Das ist ja die Frage, sind die Dinge, die geschehen, müssen die so sein? Sind die vorher bestimmt? Und dann wäre natürlich die Freiheit weg, wenn das wirklich so wäre. Das ist eben, wie ich dann auch mich zu den Dingen stelle. Und das sind ja dann genau die Freiheiten, die ich habe und die Entscheidungen, die ich treffe, haben natürlich Folgen. Und so kann ich dann doch Herr meines Schicksals bleiben, auch wenn ich nicht alles vorherbestimmen kann, was mir widerfährt. Aber wie ich damit umgehe, indem ich eben der Kapitän meiner Seele bleibe, kann ich dann eben doch letzten Endes nicht meinem Schicksal ausgeliefert sein, sondern am Ende, und dieses Gedicht, das ist ja so ein bisschen dunkel auch, ist natürlich jetzt kein Mensch mit 20, der das geschrieben hat. Ich weiß nicht, wie alt Henley war, als er das geschrieben hat, aber sicherlich nicht am Anbeginn seines Lebens, sondern wahrscheinlich schon mit Rückblick und auch durchs Leben eben gezeichnet.

Joel Kaczmarek: Und wenn du Kapitän deiner Seele betrachtest, klingt für mich so ein Stück weit raus, dass es auch so ein Wertethema ist, dass es da eigentlich um Werte geht, die man sich setzt. Oder verstehe ich das falsch?

Christoph Werner: Absolut. An Werten kann ich mich orientieren.

Joel Kaczmarek: Hast du da für dich welche definiert?

Christoph Werner: Kann ich die Zukunft wirklich gestalten? Das war eine Frage, die mich beschäftigt hat und ich muss sagen, jetzt die Erkenntnis, die ich hatte, ist, dass die Zukunft eben unterschiedliche Aspekte hat und zwar den Aspekt von Adventus und von Futurum. Das ist etwas, wo ich auch ein paar Mal drüber geschrieben habe, in Vorträgen es auch schon mehrfach erwähnt habe und wir auch bei dem Togarimarkt uns viel damit beschäftigen und das ist eben dieser Gesichtspunkt. dass wir in der deutschen Sprache eigentlich nur einen Zukunftsbegriff haben, den wir eben mit Zukunft beschreiben. Und in romanischen Sprachen kann man schon beobachten, beispielsweise im Französischen, dass es da zwei Begriffe gibt, Le Futur und L'Avenir. Selbst im Englischen gibt es The Future. und dann gibt es den anderen Begriff, den wir so oft nicht verwenden, in dem Sinne aber Adventure. Also wenn ich mich in ein Abenteuer begebe, dann mache ich mich ganz bewusst auf für das Unbekannte, was mir widerfahren wird. Und ich rechne sogar damit. Bei dm benennen wir das eben mit Adventus und mit Futurum. Und die beiden unterschiedlichen Aspekte, die eben Zukunft hat, die da drin zum Ausdruck kommen, ist, dass man bei Futurum im Prinzip die Zukunft sich anschaut, die man aus der Gegenwart plant. Beispielsweise die Tatsache, dass wir uns jetzt treffen, ist ja kein Zufall heute, sondern da haben wir einen Termin vereinbart und ich habe mich entsprechend organisiert, um hier pünktlich zu sein und du hast das Gleiche getan. Das ist ja auch eine Zukunft, die da stattgefunden hat, aber die ist eine geplante Zukunft, die wir abarbeiten. Und dann haben wir den anderen Aspekt und das ist eben der Adventus oder Adventure, wie es auch auf Englisch genannt wird. Und das ist eben die offene Zukunft, das ist die Zukunft, die geschieht, mit der wir nicht gerechnet haben. Also es sind noch die schwarzen Schwäne, die in die Gegenwart hereinbrechen, die dann meinen Plan durcheinanderwirbeln. Und das Entscheidende ist eben, dass ich unterschiedliche Bewältigungsstrategien anwenden muss. Also wenn ich sozusagen in der geplanten Zukunft bin, Dann hilft mir das, dass ich sehr zielgerichtete Dinge mache. Also gerade wenn es darum geht, Strategien zu überlegen, dann bin ich im Futurum-Modus. Und wenn dann plötzlich was geschieht und ich jetzt damit genauso umgehe, wie ich mit dem Futurum umgehen würde, das heißt, ich sage, das muss ich jetzt abarbeiten mit Disziplin. Und genau das muss ich machen, muss mich konzentrieren, nur nicht abdenken lassen. Strategien müssen umgesetzt werden. Genau. Wenn ich diese Strategie ansetze, wenn plötzlich das Unbekannte geschieht, dann werde ich zum Pedanten, dann lehne ich das ab, was auf mich zukommt und sehe nicht die Chancen, die darin sind. So und wenn ich halt nur mit Adventus-Modus unterwegs bin, also dass ich sozusagen immer schaue, was ist denn die Chance, die jetzt darin steckt, also mit situativer Geistesgegenwart was draus machen. Und wenn ich so ein großes Meeting leiten wollte, würden die Leute wahnsinnig werden. Dann wäre das Negative, dass ich mein Fähnchen permanent nach dem Wind richten würde. Und dann könnte ich überhaupt keine langfristigen Ziele mehr verfolgen. Deswegen, ich brauche eigentlich beides. Und das Entscheidende ist eben zu wissen, in welchem Modus bin ich gerade. Also jetzt hier in unserem Gespräch, wir haben uns vorgenommen, dass wir über fünf Dinge sprechen. Das ist jetzt wiederum Futurum. Also das sollten wir jetzt schon hinkriegen. Jetzt wie wir das im Einzelnen ansprechen werden, da muss ich jetzt offen genug sein, um auf deine Fragen einzugehen, weil sonst werde ich die einfach ignorieren und hier mein Ding durchziehen. Was wir in Deutschland beobachten können, wir sind als Gesellschaft, wollen wir sehr im Futurum-Modus unterwegs sein. Alles soll geregelt werden. Die Überschwemmung, die es gibt, wird gerade diskutiert, ob eine Elementarversicherung eine Pflichtversicherung werden soll in Deutschland. Das kommt aus dieser Haltung heraus. Ich möchte das jetzt gar nicht bewerten, ob das eine gute Idee ist oder eine schlechte Idee ist, aber wir wollen alles absichern, wir wollen alles wissen, wir wollen nicht mehr das Ungewisse zulassen. Und dann verregeln wir alles und am Ende wundern wir uns, dass wir nichts mehr hinkriegen. und wenn dann plötzlich halt das Unvorhergesehene kommt, sind wir überfordert und tun uns als Gesellschaft echt schwer. Deswegen ein bisschen mehr Adventus würde uns helfen, da die Zuversicht nicht zu verlieren und die Chancen auch zu sehen, die in den Situationen, die entstanden sind, durchaus auch liegen und aus denen wir was machen können. Also das hätte mir damals sehr geholfen, weil natürlich gerade glaube ich in jungen Jahren, wenn man noch versucht seinen Weg zu finden, dass man eben beides lernen muss. Auf der einen Seite sagen, ja ich mache das schon zielgerichtet, aber ich muss trotzdem offen bleiben. Deswegen scheitern auch viele Beziehungen am Anfang, wenn man noch jung ist, weil man versucht seinen Kopf durchzusetzen. Und es gibt ja so schön diese Erkenntnis, when data changes, decisions need to change. Ist mir zumindest damals noch sehr schwer gefallen, weil ich gedacht habe, so ist es doch, das muss jetzt auch so sein. Dann versucht man so ein bisschen die Dinge halt zu erzwingen. Man tut sich schwer mit Irrungen und Wirrungen umzugehen, weil wenn man den adventischen Aspekt mal verstanden hat. Dann lässt sich das einordnen. und das ist doch im Prinzip so, dass im Leben, wenn wir was verstanden haben, wenn wir es einordnen können, können wir damit umgehen. Und wenn wir es nicht einordnen können, dann fühlen wir uns davon bedroht und dann tun wir mit diesem Fight, Flight, Freeze reagieren. Und das sind ja alles nur Überlebensstrategien und keine Lebensstrategien.

Joel Kaczmarek: Ja, ich überlege auch gerade, weil du hast ja vollkommen recht. Ich habe gerade so ein Bild vor Augen. Ich habe das bei meiner Frau im Freundeskreis manchmal mitgekriegt, dass du so, die hat Freundinnen, die haben so einen fixen Plan. Die sagen sich dann, ich will studieren, dann will ich heiraten, dann will ich Kinder kriegen, dann will ich ein Haus haben und wir sollen dreimal im Jahr reisen. Also das ist so in deiner Sprache sehr futuristischer Blick auf die Welt. Und wenn dann aber Unwägbarkeiten dazwischen kommen, also keine Ahnung, Studienplätze sind voll oder man findet keinen Partner, dann kommt man in so einen Stressmoment und hat gar nicht diese Anpassungsfähigkeit. Also das hat man ja wirklich auf vielen Ebenen, was du da beschreibst.

Christoph Werner: Ja, Anleitung zum Unglücklichsein. Wir neigen dazu, pedantisch zu werden.

Joel Kaczmarek: Ist das ein bisschen was deutsches? Du bist ja in der Welt rumgekommen. Man hat es auch in Frankreich gesehen zum Beispiel.

Christoph Werner: Naja, also ich meine, wir sind ja schon ein Land, wo sehr, sehr viel getüftelt und als Ingenieure entwickelt worden ist. Das ist ja auch eine Stärke der deutschen Wirtschaft. Das müssen wir schon sehr genau planen. Das hat auch seinen Platz. Also es geht nicht darum zu sagen, nur das eine. Es geht darum zu verstehen, auf was es jetzt gerade ankommt und da den Fokus zu setzen. Wenn halt der schwarze Schwan dann mal kommt oder das Überraschende oder der Schicksalsschlag, dass man dann einfach das auch annehmen kann und sagen, ja, okay, das war jetzt wirklich jetzt nicht auf meinem Zettel, das hatte ich nicht geplant, aber jetzt versuche ich auch vielleicht da einen Aspekt zu sehen, der mir Türen öffnet. Um vielleicht Neues zu erfahren, was ich gar nicht mir vorstellen könnte. Also die ganze Diskussion von Diversität beispielsweise. Die Rechtfertigung dafür ist ja, dass wir Horizonte erweitern wollen, dass wir Türen aufstoßen wollen. Alle die tun sich damit schwer, die das Überraschende nicht zulassen wollen.

Joel Kaczmarek: Eigentlich ist es ein interessantes Beispiel, weil da passieren dann solche Dinge wie, ich lasse mir nicht vorschreiben, wie ich zu reden habe. Und dann geht Bayern hin und verbietet an ihren Schulen das Gendern, also aka sie verbieten dir, wie du zu reden hast oder sagen dir, wie du zu reden hast. Und da stört sich aber gar keiner dran. Also dann hast du quasi eine futuristische Reaktion auf einen adventurischen Konflikt gerade und keiner merkt es aber. Also da bist du ja in so ganz komischen Spiralen dann auch drin.

Christoph Werner: Beim Gendern ist die Herausforderung immer dann, wenn die Vertreter der unterschiedlichen Gesichtspunkte nur ihren gelten lassen wollen. Diese Begrifflichkeit der alten weißen Männer finde ich nicht sehr hilfreich, muss ich sagen. Im Übrigen habe ich mal was gehört, was ich interessant fand und zwar bei der Frage, was waren so die größten Innovationen der Menschheit, wurde unter anderem auch die Brille genannt, weil die Brille Sehschwächen ausgleicht bekanntlich. die es ermöglicht hat, älteren Menschen am Leben weiterhin teilzunehmen, was davor gar nicht möglich war. Und damit ihr Wissen und ihre Erfahrung auch weitergeben zu können, ihren Beitrag zu leisten. Fand ich einen interessanten Gesichtspunkt. Also so viel zum Thema alte Weise Männer.

Joel Kaczmarek: Naja klar, ist ja auch ausgrenzend. Das ist immer das Ironische, wenn du was verurteilst und dann aber zur gleichen Strategie greifst, was du da eigentlich verurteilst. Ich meine, wenn du jetzt mal so zurückdenkst, du hast ja gesagt, das hätte dir geholfen, wenn du mit 20 schon diese Unterscheidung gekannt hättest. Wie ist es denn stattdessen gewesen? Also was wäre vielleicht anders gewesen, wenn du das sozusagen so betrachtet hättest und nicht wie du es damals betrachtet hast?

Christoph Werner: Ich glaube, ich wäre wahrscheinlich einfach souveräner gewesen. Weniger verbissen, in einzelnen Situationen mehr Gelassenheit gehabt. Vielleicht war das so ganz richtig, dass das so war.

Joel Kaczmarek: Und wie unterscheidest du heute? Weil ich meine, es gibt ja so Situationen, da ist es ja sozusagen sehr offensichtlich. Also wenn jetzt irgendwie eine Corona-Krise kommt und dann darfst du deine Drogeriemärkte nicht mehr aufmachen, das ist ziemlich obvious, dass das nicht futuristisch gedacht werden kann.

Christoph Werner: Ja, doch, kann schon. Natürlich muss ich sagen, wir konnten ja aufbleiben, aber wir hatten das Phänomen, dass wir einige DM-Märkte hatten, wo gar nichts mehr los war, gerade die in Grenzgebieten waren und die in Einkaufszentren waren oder in Innenstädten waren. Aber schau mal jetzt, der Futuro-Modus darin wäre jetzt gewesen, das Programm abzuspulen, was du machst, wenn plötzlich deine Umsätze zurückgehen. Kurzarbeit. Adventisch ist sozusagen Halt, neue Situation. Was beschäftigt uns eigentlich sonst noch? Und wir sind ja damals, da haben wir ja schon mal drüber gesprochen, dann zu der Idee gekommen, der Filialkommissionierung, dass wir unsere DM-Märkte, wo nichts mehr los war… Wo aber viel Ware war, wo viele Kolleginnen und Kollegen ja da waren und die Gänge breit waren und die Regale voll, dass wir da dann Online-Aufträge bearbeitet haben, gepickt und gepackt haben, die unser Online-Verteilzentrum eben nicht mehr bearbeiten konnten, weil die Bestellungen so durch die Decke gegangen sind. Also das ist ein adventischer Umgang mit einer Situation.

Joel Kaczmarek: Aber es ist interessant. Ich war nämlich gerade im Begriff dich zu fragen, wie unterscheidest du das denn in Alltagssituationen, wo jetzt nicht so offensichtlich ist, dass das gerade eine adventische Situation ist. Dann heißt das, es ist ein Parallelprogramm. Es ist gar nicht, dass du den einen Modus auswischst, den anderen anmachst und dann wieder zurückwechselst, sondern die sind quasi im Parallelbetrieb.

Christoph Werner: Und wenn du mal den Gesichtspunkt der Ambiguität nimmst, das ist ja genau das. Gerade Ambiguität tun wir uns ja oft schwer, weil wir es eben gerne genau wissen wollen. Aber auch das wieder, das ist Freiheit.

Joel Kaczmarek: Gibt es was, was dir dabei geholfen hat, den adventischen Teil zu akzeptieren? Dieses, was du gerade gesagt hast, nicht so verbissen sein, das zu akzeptieren, dass es auch Dinge gibt, die du nicht kontrollieren kannst. Gab es dann ein Werkzeug für dich?

Christoph Werner: Ja, das ist natürlich Lebenserfahrung. Und ich glaube, letzten Endes, ich habe das ja nicht erfunden. Ich war bei einem Seminar gewesen, wo ein Mensch, der uns selber, der immer auch begleitet, sein Name ist Stefan Brotbeck, das vorgetragen hat als eines der Themen, an dem er gerade arbeitet. Und als ich das gehört habe, hat das einfach bei mir eingeschlagen. Andere haben das auch gehört, die haben das zur Kenntnis genommen. Aber das ist ja oft so, also bei manchen Menschen schlägt es ein, bei anderen nicht, weil der Acker halt anders bereitet ist, der Boden ist anders bereitet. Bei mir war das für diese Ideen fruchtbarer Boden, weil das Fragen waren, die mich beschäftigt haben. Und jetzt auch gerade, wenn man auch im Marketing arbeitet, Strategie ist was unheimlich Wichtiges für Markenbildung. Auch das muss so im schillerischen Sinne spielerisch gemacht werden.

Joel Kaczmarek: Ich meine, es ist ja trotzdem ein bisschen ein verkopfter Blick auf die Welt. Es ist ja sehr abstrakt, es ist ja sehr hypothetisch. Ist es dir gelungen, so eine DNA zu kriegen, dass du das machst wie ein Reflex?

Christoph Werner: Wenn es einem gelingt, das zu integrieren, muss man da jetzt gar nicht mehr groß drüber nachdenken. Also auch Treppensteigen muss man erst lernen und dann flitzt man die Treppe runter und denkt dann was ganz anderes.

Joel Kaczmarek: Ich weiß, was du meinst. Ich meine, das ist ja charmant, wenn es was Verkopftes ist, dann ist es ein Konstrukt, das kann man angucken, das kann man verstehen und dann sickert es so ein.

Christoph Werner: Ja, Joel, aber ich glaube, man muss die Dinge schon auch mal sich klar machen, bevor man dann souverän damit umgehen kann. Also auch die größten Virtuosen spielen noch Tonleitern, ne? Und auch ein Paul McCartney, der ein toller Komponist ist. Es gibt ja diese Serie Let it be. Da gibt es so eine Szene. Das ist sehr lang übrigens. Ich war in meiner Jugend ein ganz großer Beatles-Fan. Deswegen habe ich das mit Interesse mit meiner Frau zusammen angeschaut. Und da gibt es so eine Szene, da sitzt er am Piano und sie warten auf die anderen Bandmitglieder, dass die kommen. Das ist ja alles so schwierig gewesen damals in der Situation. Und da ist der Paul McCartney am Klavier und erklärt den anderen, die da sind, so ein bisschen, wie er komponiert. Mit einer unheimlichen Leichtigkeit. Er hat es halt wirklich auch verstanden gehabt, auf was es ankommt. Und deswegen konnte er damit so souverän und spielerisch umgehen. Man muss sich schon reinhängen. Es gibt natürlich ein paar Genies, die können das einfach. Unsere Tochter beispielsweise macht gerade Abitur und da muss man natürlich schon viel lernen. Und das hat sie auch gemacht. Und da sagte sie kürzlich zu mir so, ja, und muss überhaupt nicht lernen, kann das alles. Da habe ich damals ihr gesagt, das war eine Erkenntnis, die ich hatte. Da habe ich gesagt, sei froh, dass dir das nicht so geht, dass du das lernen musst. Weil damit lernst du was ganz Wichtiges für dein Leben. Es wird nicht immer alles leicht sein. Und in der Schule geht es ja nicht so sehr um die Inhalte, sondern um die Methoden. In der Schule kann man lernen zu lernen, weil das richtige Lernen, also das harte Lernen, eben das Lernen in der Ungewissheit, was es in der Schule ja noch nicht gibt. Ist ja ganz klar, was da abgefragt wird in den Prüfungen. Aber das Lernen in der Ungewissheit ist ja das, was das Leben nach der Schule, nach dem Studium ausmacht.

Joel Kaczmarek: Ja, vor allem ich fand was schön, was du gerade gesagt hast mit Promekat, das passt eigentlich gut, wenn man mal so das Steuern durchs eigene Leben wie in Komposition sieht, das ist echt charmant, weil man komponiert sozusagen Komponenten zusammen. Ich meine, da steckt der Komponente sogar drin und das, was du gerade gesagt hast, sind ja auch Komponenten, wie man die wild sieht. Und das andere, was du gerade meintest Florian Heinemann hat es mal zu mir gesagt, er hat gesagt, weißt du, es gibt Talent und es gibt die talentfreie Zone. Also es ist immer so ein bisschen plump, wenn man über diese Fußballer redet, aber ich finde, wenn man immer so beobachtet, ein Messi zum Beispiel, der hat halt Talent, der hat unglaubliches Talent, wie der den Ball streicht und so weiter und der muss doch nie trainieren, was super undankbar für die Mannschaften ist, weil die ganzen jungen Spieler haben sich den angeguckt, der kam halt irgendwie fünf Minuten vor Beginn auf den Platz, hat sich nicht aufgemacht, angefangen hat, gezaubert. Und dann denken die, das können sie auch, können sie natürlich nicht. Und dann guckst du dir so einen Ronaldo an, der sicherlich auch Talent hat, aber der ja vor allem in der Talent-Freien Zone unterwegs war, nämlich Training. Der hat halt geübt, geübt, geübt, geübt, geübt, geübt. Und das ist ja wirklich ein interessanter Blick auf die Welt, wenn man sich ja realisiert, es gibt Talente, dann gibt es vielleicht auch noch Werte und was man gerne macht und so weiter. Wenn das so im Dreieck zusammenkommt, dann bist du erfolgreich. Aber dass es einfach auch eine talentfreie Zone gibt, wo du halt dann einfach dem nachgehst, was du gerade beschrieben hast, auch einfach übt. Also das Adventische muss man wahrscheinlich auch einfach üben, hätte ich jetzt getippt. Und das Futurische genauso.

Christoph Werner: Das ist wie ein Muskel, der wächst, indem man ihn beansprucht. Da sind wir eigentlich auch bei dem, was wir gerade gesagt haben. Die Frage, die mich damals auch schon beschäftigt hat, warum geschieht ausgerechnet mir das? Da ist dieses Konzept der Antifragilität eine der Erkenntnisse, die ich hatte von Nassim Taleb in seinem Buch Anti-Fragile oder Anti-Fragility, bin ich ganz sicher, hat er genau das ausgeführt und das ist auch eine echte Erkenntnis gewesen. Und das ist nämlich jetzt die Frage, wie schaue ich denn eigentlich auf den Stress, mit dem ich konfrontieren werde. Sehe ich das eben als etwas, wo ich sagen muss, das ist aber ungerecht oder dass ich sage, das ist doch eigentlich eine Chance, um lernfähig zu bleiben. Das ist ja genau die Idee von dieser Antifragilität. Ich tue es nochmal ganz kurz zusammenfassen, habt ihr auch schon oft drüber gesprochen, auch bei dir im Drogeriemarkt sprechen wir oft davon. Also diese Frage, die eben Nassim Taleb stellt, ist, was ist das Gegenteil von fragil? Und die Antwort, die da normalerweise gegeben wird, ist robust. Was Nassim Taleb dann eben ausführt, ist, dass robust nicht das Gegenteil von fragil ist. Und er macht das deutlich an einem Beispiel. Wie ich es auch schon oft genannt habe, ich möchte es ganz kurz zusammenfassen. So eine fragile Situation kann man so vergleichen, wie wenn wir Rotweingläser haben, die ja sehr zerbrechlich sind und wir wollen die mit der Post verschicken. Und tun die in einen Versandkarton und dann schreiben wir zerbrechlich oder fragile, fragil drauf. Geben es dem Kurierdienst oder der Post und dann ist es dem Stress des Versands ausgesetzt, fällt eben runter. So und dann wird es zugestellt und dann mache ich das Paket auf und dann sind die Weingläser kaputt. Und dann sagt er, was ist das Gegenteil davon? Wenn man jetzt sagen würde, robust, dann wäre das, wie wenn ich einen Gegenstand versende, beispielsweise einen Block Metall, geht genau den gleichen Prozess, wenn ich dann das Paket aufmache zu Hause, wenn das ankommt und den Metallblock mir anschaue, sieht der noch genauso aus, wie er verschickt wurde. Und dann sagt er, das ist doch nicht das Gegenteil vom ersten, nämlich im ersten Fall habe ich eine Eingangsqualität gehabt, Stress und eine niedrigere Ausgangsqualität. Im zweiten Beispiel habe ich eine Eingangsqualität gehabt, Stress und die gleiche Ausgangsqualität. Das ist doch nicht das Gegenteil. Das Gegenteil wäre doch eine höhere Ausgangsqualität. Also im Prinzip, ich versende etwas, schreibe drauf, bitte beschädigen und dann kommt es an und es ist von einer besseren Qualität. Und das ist antifragil. So, und jetzt kann man sagen, was ist das denn eigentlich? Also wenn wir jetzt in einer Organisation sind, wir haben unsere Prozesse, wir machen etwas und wir sind stressausgesetzt, dann tut sich eine Organisation oft schwer, die Güter und Dienstleistungen in gleicher Qualität zur Verfügung zu stellen. Wenn das eine antifragile Organisation ist, wird die besser durch den Stress, den sie ausgesetzt ist. Also wenn Corona kommt, wird die Organisation besser, nicht bei der Krankheit, sondern bei den Rahmenbedingungen, die Corona gegeben hat, da wird eine Organisation besser, weil sie plötzlich was lernt. Das heißt eine lernende Organisation eigentlich. Und ich meine, wie lernen wir denn laufen als kleine Menschen? Öfters hinfallen und es bilden sich dann die Muskeln, die ich halt brauche. Es bilden sich die Fähigkeiten, Gleichgewichtssinn und so weiter. Und dann kann ich laufen, dann kann ich das souverän. Das heißt, eigentlich geht es darum, eine lernende Organisation zu sein, auf eine Organisation mal bezogen und mal aufs Leben bezogen, kann ich sagen, naja, also der Stress, der mir im Leben kommt, wenn ich also erlebe, dass ich unter Stress gerate, ist letzten Endes auch eine Chance, was zu verändern, um mir Fähigkeiten zu erwerben. Also damit möchte ich nicht sagen, dass wenn es Stress gibt, den muss ich mich dann aussetzen und immer dünnhäutiger werden. Dann würde ich ja nichts lernen dabei. Sondern dass ich lerne, damit umzugehen, dass ich eben nicht in diesen Zustand komme, sind Fähigkeiten, die ich mir aneignen kann. Dann sage ich nicht mehr, warum passiert ausgerechnet mir das so in dem Motto, das ist aber jetzt mal ungerecht und unfair. Sondern dann kann ich in gewisser Weise eine Situation auch annehmen und mich dann fragen, Mensch, was kann ich denn eigentlich daran lernen? Und dann bin ich nicht mehr Opfer der Situation, sondern dann werde ich zum Herr meines Schicksals und zum Kapitän meiner Seele.

Joel Kaczmarek: Ich habe gerade gedacht, dann müsste es ja auch antirobustere Organisationen geben. Das wären dann Organisationen, die schwächer werden, wenn sozusagen Stress auf sie einfällt. Oder habe ich das richtig zu Ende gedacht?

Christoph Werner: Der Stress ist ja nur deswegen, weil es das Bestehende unter Druck setzt. Sonst wäre es ja kein Stress. Das zweite Beispiel passt da eben nicht rein, weil das Gegenteil vom ersten Beispiel ist. das dritte Beispiel. Und das ist ja auch, finde ich jetzt mal interessant, wenn man sich nochmal auf Organisationen beschäftigt, wenn wir sagen, Organisationen sollen resilient werden. Das ist nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig. Es ist nicht falsch, weil klar, zerbrechliche Organisationen, da liegt kein Segen drauf. Es ist halt auch nicht ganz richtig, weil wenn es nur darum geht, resilient zu sein, bedeutet es, wieder in den Ursprungszustand zurückzukommen. Aber eigentlich geht es doch darum, besser zu werden.

Joel Kaczmarek: Ich habe auch bei The Way festgestellt, ich hatte neulich eine Traumatherapeutin im Podcast, dass ich Resilienz immer falsch gedeutet habe. Die hat mich gefragt, was ist denn für dich Resilienz? Dann habe ich gesagt, ja Widerstandsfähigkeit, dass wenn Stressor auf mich zukommt, dass ich quasi in der Lage bin, meine Stabilität zu halten. Da meinte sie, da siehst du, das ist es aber eigentlich genau nicht, lustigerweise. Sondern, ich kriege es nicht mehr ganz zusammen, aber ihr Punkt war, Resilienz bedeutet eigentlich dass du diese Dinge kommen siehst, dich ihnen gar nicht aussetzt, dass du sozusagen gar nicht an den Punkt kommst, dass ein Stressor bei dir entsteht, sondern du hast die Fähigkeit, dich so anzupassen, dass dein System gar nicht in den Stress gerät. Und da muss man erstmal drauf kommen, weil ansonsten hättest du gedacht, okay, dann ist ja eigentlich, wenn du es nach meiner falschen Logik gedacht hättest, wäre Resilienz, du kannst einfach viel ab. So, dann hast du irgendwann Pegel. Aber das eigentliche Resilienz ist, du brauchst dir gar nicht viel abkönnen, weil du gar nicht in den Stress gekommen bist. Oder wenn doch, hast du natürlich trotzdem, sag ich mal, Wege, wie du damit umgehst.

Christoph Werner: Gut, ich würde sagen, wenn du dann dem ausweichen kannst und danach gestärkt daraus hervorgehst, dann ist es eigentlich schon wieder antifragil. Insofern ist es vielleicht ein bisschen eine Frage, wie man das Einzelne definiert. Aber so diesen Gesichtspunkt zu sagen, wenn eine Situation kommt, also das heißt ja nicht, dass man jedes Mal dann gleich Konfetti streut. Aber einfach von der Haltung her, dass ich darauf achte, nicht in eine Opferhaltung zu kommen. Und klar, das geht mir ja oft auch so, also ehrlich sein. Aber trotzdem, wenn man sich das mal klar gemacht hat, gelingt es schneller, dass man dann auch wieder die positiven Aspekte sieht und sich fragt, was kann ich denn daran lernen? Und jedes Mal können wir was daraus lernen aus der Situation.

Joel Kaczmarek: Da passt dein Gedicht aber auch wirklich perfekt. Also antifragil klingt ja genauso wie das, was du mit dem Kapitän deiner Seele gesagt hast. Wie sieht es mit Punkt Nummer drei aus?

Christoph Werner: Es gibt ja manchmal, dass wir so sagen, Mensch, das ist doch sonnenklar. Warum sehen es andere Menschen nicht so wie ich? Wie gehe ich damit um, wenn meine eigenen Vorstellungen sich nicht wiederfinden in den Meinungen anderer? Und da ist eine Erkenntnis, die ich hatte, eigene Urteile falsifizieren und die andere verifizieren. Wir neigen dazu, es immer andersrum zu machen. Wir versuchen immer, unsere eigenen Vorstellungen zu verifizieren und die Meinung der anderen zu falsifizieren. Und das eben mal zu erkennen, das anders zu machen, ist extrem hilfreich. Weil es ist nämlich eines der Geheimnisse, um die eigenen Horizonte zu erweitern. Und es ist auch eines der Geheimnisse, um sich mit anderen Menschen wirklich verstehen zu können. Weil ich bereit bin, mich mal auf den anderen Standpunkt einzulassen und weil ich mal bereit bin, meine eigenen Standpunkte in Frage zu stellen. Und wenn wir mal schauen, auch gerade in der Zusammenarbeit oder auch in Beziehungen oder in Freundschaften, wann wird es dann schwierig? Wenn man sich nicht mehr versteht, wenn man sich nicht mehr aufeinander einlassen kann, wenn man nicht mehr bereit ist, den Gesichtspunkt des anderen auch mal gelten zu lassen und sich mal damit einfach auseinanderzusetzen. Und das geht natürlich nur, wenn ich meinen eigenen mal in Frage stelle.

Joel Kaczmarek: Ich habe genau das Gleiche gerade gedacht, dass viele Menschen in Gesprächen auch gar nicht zuhören, sondern dass man eigentlich immer nur so auf den Moment wartet, wo man wieder eine Sendung einreichen kann. Jetzt möchte ich mal wieder was beistellen. Ja, da habe ich Folgendes und so.

Christoph Werner: Genau, es gibt halt zwei Arten zuzuhören. Zuhören, um zu antworten und zuhören, um zu verstehen. Also da sind wir in gewisser Weise wieder bei Futurum und Adventus natürlich. Also wenn ich sozusagen zuhöre, um zu antworten, dann habe ich schon im Kopf, was ich jetzt sagen möchte und gucke nur noch, dass ich den richtigen Anknüpfungspunkt finde. Wenn ich zuhöre, um zu verstehen, mache ich mich mal auf und lasse mich mal drauf ein, auf das, was ich ja noch nicht kenne. Und dann höre ich aber schon ganz anders zu.

Joel Kaczmarek: Das war richtig schwer. Also ich finde, das lernt man irgendwie nicht so richtig. Ich weiß nicht, wie es dir geht.

Christoph Werner: Aber man scheitert permanent an seinen eigenen Ansprüchen. Aber ich glaube, allein den Gesichtspunkt schon mal zu haben, kann schon dazu führen, dass man die Dinge anders macht. Zum Beispiel eine der praktischen Anwendungen aus diesem Prinzip ist, dass wenn jemand mit einem Vorschlag kommt, neigen wir eigentlich immer dazu, erstmal zu erklären, warum das keine gute Idee ist. Und Beispiele zu finden, warum das jetzt nicht funktioniert. Wir können aber auch so rangehen, dass wir erstmal uns drauf einlassen und mal uns überlegen, was spricht denn alles dafür? und danach fragen wir uns, was spricht dagegen, muss man dann auch machen, aber dass wir mal damit anfangen uns mal darüber zu unterhalten, was spricht eigentlich dafür? und das Interessante, was ich beobachten kann ist, dass wenn man diese Vorgehensweise wählt, dass wir dann in dem Dialog, der entsteht, die Idee schon weiterentwickeln. Und wenn wir diesen Weg nicht gehen, und ich erstmal darüber spreche, was eigentlich dagegen, dass der andere in eine Verteidigungshaltung kommt, in die wir uns eigentlich eingraben. Und wir eben dann nicht. dieses Phänomen von 1 plus 1 ist größer als 2. Meine Idee und deine Idee, wenn wir die jetzt gegeneinander verteidigen, dann wird es nie mehr als zwei Ideen sein. Wenn wir in der erstgenannten Art damit umgehen, dass ich, wenn du eine Idee äußerst, ich natürlich auch schon eine Idee habe, ich mich erstmal auf deine einlasse, dann entsteht eine neue Idee, die du nicht hattest und die ich auch nicht hatte. Und dann haben wir am Ende mehr als zwei Ideen.

Joel Kaczmarek: Und selbst wenn die Idee quasi hinterher falsifiziert wird, hat die Diskussion darüber wahrscheinlich viele Einsichten hervorgebracht.

Christoph Werner: Absolut.

Joel Kaczmarek: Machst du das bei dir so? Also du wirst ja tagtäglich mit hunderten Entscheidungen quasi konfrontiert, die du treffen sollst. Hast du da einen Prozess, dass du nach so einem Vorgehen arbeitest?

Christoph Werner: Urteil zurückhalten, das eigentlich. Erstmal verstehen. Wenn ich wohlwollend zuhöre, dann gehe ich mal davon aus, dass der andere eigentlich was Gutes will und nicht was machen möchte, was zunächst mal für mich bedrohlich ist oder vielleicht eigensüchtig von ihm oder von ihr. Das macht dann schon einen Unterschied.

Joel Kaczmarek: Was mich daran interessiert ist, wie ist denn dein Entscheidungsvorgehen? Weil darauf zeichnet es ja dann am Ende ab. Also manche Entscheidung trifft man vielleicht alleine, manche trifft man gemeinsam, manche trifft man vielleicht schnell, manche nicht, manche sind reversibel, manche nicht. Hast du da eine Haltung zu?

Christoph Werner: Naja, also ich glaube, wichtig ist schon mal, dass man darauf achtet, dass man möglichst wenig unter Zeitdruck Entscheidungen treffen muss. Das geht natürlich auch nicht immer, aber gerade wichtige Entscheidungen, dass die nicht unter Zeitdruck getroffen werden müssen. Und da hilft zum Beispiel, wenn man sich frühzeitig damit beschäftigt und eben vorausdenkt und nicht erst, wenn auf einen einprasselt und man jetzt eine Entscheidung treffen muss. Und man muss ja auch entscheiden zwischen jetzt Entscheidungen, die langfristig sind und die kurzfristig sind. Es gibt ja diese One-Way-Door-Decisions und Two-Way-Door-Decisions, ne? Und das schon mal klar zu unterscheiden, also die One-Way-Door-Decisions, also sozusagen eine Entscheidung ohne Wiederkehr, die so mächtig eingreift, dass die nicht so revidierbar ist, die muss ich gründlich mir überlegen, gründlich beraten. Und Two-Way-Door-Decisions, da kann ich sagen, gut, probieren wir mal aus und wenn es nicht klappt, dann ist es auch nicht schlimm, ist nicht bestandsbedrohend. Ja und da ist es halt unheimlich wichtig, sich wirklich zu beraten. Weil man hat ja dann auch die Zeit, das zu machen und wirklich viele Gesichtspunkte einzubringen und in so einem Beratungsprozess eben genau in diese Situation zu kommen, dass die eigene Wahrnehmung über das, was eigentlich los ist, was eigentlich der Sachverhalt ist, dass die einfach besser wird und meine Beobachtung ist. Dass wenn ich das mache, also wenn ich sozusagen wirklich in die gute Wahrnehmung, also in eine möglichst wahrheitsgemäße Wahrnehmung komme über das, was tatsächlich da ist. Das ist so mein Ausschnitt. Ich habe immer nur einen Ausschnitt auf die Wirklichkeit. Aber dass der möglichst groß wird durch die vielen Gesichtspunkte, die mir da einbezogen werden. Meine Beobachtung ist, dass dann die guten Ideen und die Lösungen auch kommen. Also die werden, muss ich mal sagen, magnetisch angezogen fast. Und es ist ja auch eine Beobachtung, die man machen kann, dass viele der Antworten bereits in den Sachverhalten liegen. Man muss sie nur rausdestillieren. Und das gelingt natürlich gemeinschaftlich besser. Deswegen ist Diversität auch so wichtig.

Joel Kaczmarek: Ja, aber es ist eine schöne Hinführung zu Diversität. Also Perspektivenvielfalt und dann natürlich, wenn man dann einen Prozess hat, nachdem man die auch hört.

Christoph Werner: Und je klarer die Grundsätze halt dann auch wiederum sind und je klarer die Zielsetzungen sind, warum wir denn eine Entscheidung treffen müssen, umso mehr zahlt die Diversität dann auch darauf ein. Wenn es natürlich keine gemeinsamen Ziele gibt, keine gemeinsamen Werte, keine gemeinsamen Grundsätze, dann setzt die Kalkophonie ein. Ich glaube, diejenigen, die sich so gegen Diversität wehren, haben genau davor Angst.

Joel Kaczmarek: Vor allem ich mag den Punkt wirklich, weil wie viele Streits führt man eigentlich im Leben, wo man genau das macht, was du sagst, dass man versucht seinen Standpunkt zu verifizieren und den anderen zu falsifizieren. Als ich mir so Gedanken gemacht habe über meine fünf Dinge, die ich gern mit 20 gewusst hätte, ist einer der Führenden, dass man Streits nicht gewinnen kann, weil es da gar nichts zu gewinnen gibt. Also sie sind ungewinnbar. In der Regel geht es eigentlich mehr darum, also ganz oft ist ja gesehen werden zum Beispiel. Und da dann einfach den anderen mal zu sehen und sich dann auch mal selbst anzuschauen und zu sagen, wie können wir denn das zusammenbringen, was wir da gerade an Konflikt haben.

Christoph Werner: Reinhard K. Sprenger hat ja das Buch Die Magie des Konflikts geschrieben. Und eine interessante Erkenntnis, die ich daraus hatte, ist, dass er gesagt hat, die Tatsache, dass es zum Konflikt kommt, ein anderes Wort für Streit, ist, dass wir ein gemeinsames Anliegen haben. Sonst würden wir nicht mal in den Konflikt gehen. Also es ist eine sehr positive Art darauf zu schauen, natürlich muss man jetzt wieder differenziert, also wenn man jetzt mal kriegerische Konflikte nimmt, da kann man das natürlich jetzt sehr problematisch, das jetzt so darzustellen, aber es geht doch trotzdem um ein Anliegen und seien es nur Territorien, aber jetzt mal so im kleineren Maßstab. Wenn es zu einem Streit kommt, haben wir ein gemeinsames Anliegen und unterschiedliche Gesichtspunkte drauf zu schauen. Und jetzt mal in den Dingen, die wir so als einzelne Menschen doch tatsächlich gestalten können. Wenn ich diesen Gesichtspunkt mal habe, dass wir zum Konflikt kommen, dann kann ich mal versuchen, der Frage nachzugehen, okay, was sind denn unsere gemeinsamen Anliegen eigentlich? Weil die gibt es ja. Und das als Ausgangspunkt wieder nehmen. Und das ist ja auch, wie ich mal sage, das Verhandlungsgeschick letzten Endes. Dass ich verstehe, wo sind denn die Interessen des Anderen? auf das, was wir verhandeln. Und dann kann ich manchmal sehen, dass Dinge, die dem anderen wichtig sind, ich ihm gerne auch konzidieren kann, weil die mir nicht so wichtig sind. Und schon kommen wir wieder gemeinsam voran.

Joel Kaczmarek: Und ich würde sagen, man streitet sich auch in der Regel eher mit Leuten, die einem wichtig sind. Also da denkt man gar nicht so drüber nach. Aber wenn die Leute egal sind, dann streitest du dich eigentlich nicht.

Christoph Werner: Dann gehe ich einfach weiter.

Joel Kaczmarek: Das gefällt mir. Das werde ich beherzigen. Das nehme ich noch heute mit.

Christoph Werner: Leichter gesagt als getan.

Joel Kaczmarek: Das ist ja das Schlimme bei Einfachheit, dass die so schwer ist. Nummer vier.

Christoph Werner: Tja, die Frage rechtfertigt der Zweck die Mittel. Also ich war jemand, der war in jungen Jahren sehr zum Teil eben auch dogmatisch in der Art, wie ich die Dinge gemacht habe. Ein Jugendfreund von mir hat mal zu mir gesagt, Mensch Christoph, du bist immer so grundsätzlich. Also er hat es nicht als Lob gemeint, ich habe es als Lob aufgefasst damals, aber jetzt mit Rückblick kann ich schon verstehen auch. Das ist anstrengend mit solchen Menschen. Da habe ich kürzlich den Satz gehört auf Englisch. There is a difference between being right and being effective. Recht zu haben ist nicht dasselbe wie erfolgreich zu sein. Man kann Recht haben und trotzdem nicht effektiv sein. Und dann war es vergebens. Also so mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, ist so die deutsche Redewendung dafür. Das ist weder für die Wand gut noch für den Kopf gut. Wenn man eine Überzeugung von etwas hat, muss ich trotzdem noch einen Weg finden, für die Sache einzutreten. Und damit wirklich was zu bewirken, weil im normalen Leben, würde ich sagen, bringt es nichts, ein Märtyrer zu werden, für eine Sache sich ins Schwert zu stürzen und danach nichts mehr erreichen zu können. Das kann man natürlich sagen, gut, Bibel, Kreuzigung und so weiter, aber das ist ein anderer Orbit, würde ich sagen jetzt. Im normalen Leben ist es ja schon wichtig, dass wir mit der kostbaren Lebenszeit, die wir haben, uns überlegen, wie können wir denn auch, die Dinge beitragen, die uns wichtig sind. Und dafür muss ich immer wahrnehmungsfähig bleiben für das, was auch anschlussfähig ist. Gerade in einem Unternehmen ist es unheimlich wichtig, auch wenn man Erkenntnisse hat. Das darf nicht dogmatisch werden, es muss lebendig bleiben, es muss zugänglich sein und dann wird es auch effektiv.

Joel Kaczmarek: Ja, weil ich meine, was ja da drin steckt, ist ja auch ein Preisgedanke, dass dann manchmal vielleicht die richtige Entscheidung oder das Rechthaben einen sehr, sehr hohen Preis hat, den es vielleicht gar nicht wert ist. Während wenn man vielleicht da von diesem Dogmatismus mal ein Stück abweicht, man vielleicht den einen oder anderen Kratzer am Ego mitnimmt, aber unterm Strich zu einem besseren Ergebnis kommt und die Leute mitnimmt.

Christoph Werner: Anschlussfähigkeit ist das Wort, welches ich oft verwende. Die Dinge müssen anschlussfähig sein. Wenn man etwas für wahr erkannt hat, also wenn man das Glück hat, dass man diese Erkenntnis hatte, dann hat man ja einen gewissen Vorsprung zunächst mal, weil die anderen haben das noch nicht erkannt. Und jetzt geht es eben darum, dass wenn ich das selbst für wirklich wichtig erkannt habe, also wenn man für eine Arbeitsgemeinschaft, für ein Unternehmen verantwortlich ist und sagt, da kommt es jetzt wirklich darauf an, dann bringt es jetzt nicht einfach nur die Lautstärke hochzudrehen, indem ich das sage, sondern ich muss dann auch schauen, wie ich das so praktisch darstellen kann, dass Menschen es auch erkennen können. Also dass es dann kein Meinungsaustausch mehr ist im Sinne von, ich tausche deine Meinung gegen meine aus, sondern dass es zu einer Erkenntnis wird. Und das ist dann wieder in gewisser Weise eine soziale Kunst. Und jetzt auch gerade Leute, die so sehr aus dem universitären oder aus dem denkerischen Umfeld kommen, und ich bin jetzt auch eher jemand, der sozusagen aus der Erkenntnis heraus die Dinge macht und weniger so aus dem Gefühl, Und das ist etwas, da muss man dran arbeiten. oder muss ich dran arbeiten, immer wieder zu schauen, wie kann ich es auch so darstellen, dass wir Menschen, die jetzt einen anderen Zugang haben, der auch sehr wichtig ist, es sich anhören wollen, auch vielleicht Perspektive aufgezeigt bekommen, die dann dazu führt, dass sie sagen, ja, das macht Sinn, dafür wollen wir uns einsetzen. Ein ganz konkretes Beispiel. Letztes Jahr haben wir ja bei dem Togarimarkt 50-jähriges Jubiläum gehabt und wir haben uns intensiv mit der Frage davor beschäftigt, wie wollen wir das denn feiern? Was mich wirklich bewegt als Frage immer ist bei einem Unternehmen, welches diese Größe hat, welches auch so effizient arbeiten muss, weil das haben wir in einem anderen Podcast mal gemeinsam besprochen. Einzelhandel ist ja ganz einfach. Günstige Einkaufspreise und niedrige Prozesskosten. Schon kannst du günstig anbieten und die Kunden kommen zu dir. So einfach gesagt, gar nicht so einfach gemacht. Also niedrige Prozesskosten bedeutet natürlich sehr, sehr verlässliche, sehr, sehr routinierte Vorgehensweisen, die dich veränderungsresistent machen. Also du verlierst deine Innovationskraft. Wir müssen halt auf der einen Seite immer schauen, dass wir effizient sind. Die Prozesse müssen sehr, sehr gut laufen, aber wir müssen gleichzeitig sehr, sehr innovativ sein. Und das bedeutet ja, eingeschlagene Wege in Frage stellen, Trampelpfade mal verlassen. Und deswegen dann die Frage 50 Jahre DM. Wie kann das weitergehen? Auf was kommt es wirklich an? Und wir haben das dann eben, das war dann die Erkenntnis daraus, zu sagen, wir machen das unter dem Motto Lust auf Zukunft.

Joel Kaczmarek: Ich denke gerade noch an deine DJ-Metapher auch, dass man manchmal den einen Song in den anderen übermischen muss.

Christoph Werner: Ja, das ist die Frage von Transformation.

Joel Kaczmarek: Das ist es doch auch, oder? Dann ist doch ein Zukunftsblick eigentlich auch ein Transformationsprozess.

Christoph Werner: Ja gut, das Schöne beim DJ ist, du weißt ja schon, welches Lied kommt. Die Herausforderung ist, dass du das nächste Lied noch gar nicht kennst. Du weißt aber, dass das alt verklingen wird.

Joel Kaczmarek: Sag mal, du hast eben gesagt, du triffst Entscheidungen eher aus der Erkenntnis als aus dem Gefühl. Warum?

Christoph Werner: Ach du, ich glaube, das hat was mit Persönlichkeit zu tun. Das ist ja das Schöne. Wir sind ja unterschiedlich und ergänzen uns dann. Deswegen sind wir auch in Gemeinschaft stärker als alleine.

Joel Kaczmarek: Fühlst du dich sicherer, wenn du Dinge über den Kopf löst?

Christoph Werner: Ich würde mal sagen, das geht mir leichter von der Hand. Auch da geht es darum zu sagen, wie kann ich das gut einsetzen und wie kann ich schauen, dass ich dem anderen genügend Raum gebe. Also der anderen Vorgehensweise. Durchaus das auch bei mir kultivieren, aber vor allem, wenn andere eben so darauf zugehen, nicht von denen zu verlangen, dass sie das auch sehr aus der Erkenntnis machen müssen, dann wird es natürlich schwierig. Aber wenn wir, glaube ich, mal ein bisschen mit Demut draufschauen und sagen, na letzten Endes ist es halt in der Gemeinschaft, dass wir uns ergänzen und der Wirklichkeit ein bisschen näher kommen, nimmt man sich selbst nicht so wichtig. Sieht aber auch, was man beitragen kann natürlich in dem Kontext, der einfach da ist durch die unterschiedlichen Charaktere und Herangehensweisen.

Joel Kaczmarek: Am Ende des Tages sagt man ja auch mal so schön, Stärken, Stärken und nicht Schwächen versuchen in Stärken zu wandeln. Und dann ist ja vielleicht manchmal auch ein probates Mittel zu sagen, dann hole ich mir für denjenigen, der das vielleicht besser kann als ich, eine Person an die Seite. Oder aus dieser Vielfalt heraus entsteht dann quasi anstelle der Kakophonie eher eine Symphonie.

Christoph Werner: Wenn es gelingt, auch die Schwächen zu stärken zu machen und die Stärken, die man schon hat, dabei nicht zu vernachlässigen, kommt bei der Perfektion natürlich ziemlich nah. Aber das ist nun mal nicht so leicht und deswegen glaube ich, ist es wichtig, dass wenn man sich mit seinen Schwächen beschäftigt, dass man das nicht zulasten seiner Stärken macht.

Joel Kaczmarek: Aber ich wollte gerade sagen, die Realität bringt einem anderes bei.

Christoph Werner: Ja gut, das ist halt die Theorie und die Praxis ist dann antifragil.

Joel Kaczmarek: Na gut, einer fehlt noch.

Christoph Werner: Die Frage, wie gewinne ich nach Fehlern wieder Zuversicht? Also gerade wenn was so richtig schief gelaufen ist, ist ja dann so die Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, die man dann, was ja in der Depression dann auch als Krankheitsbild sogar dann sein kann. Aber sozusagen, wie komme ich da wieder dazu, Zuversicht zu haben, wieder nach vorne zu schauen, letzten Endes das zu integrieren. Fehler sind Sprossen auf der Leiter der Erkenntnis. Also das ist eine Erkenntnis sozusagen, die ich hatte jetzt in den letzten 31 Jahren. Das hätte mir damals, glaube ich, gut getan, wenn mir das damals schon so klar gewesen wäre. Ich meine, all diese Sätze kann man ja hören, aber es geht ja darum, dass man die integriert irgendwie, dass man die verstanden hat. dass die eine praktische Relevanz bekommen und nicht nur ein theoretisches Wissen sind. Und dieser Gesichtspunkt Fehler sind Sprossen auf der Leiter der Erkenntnis. Ist eben die Herangehensweise, dass ich sage, auch das, was dabei entstanden ist, womit ich mich eigentlich nicht verbinden möchte, was mir leid tut, was ich bereue, was ich gerne rückgängig machen möchte. dass ich das im Prinzip integriere und sage, ja, auch das bin ich gewesen, aber ich habe dabei was gelernt und heute würde ich das anders machen. Aber damit ich das heute anders beurteilen kann, habe ich in meinem Leben vielleicht diese Erfahrung machen müssen. Wenn ich die schon damals beherzigt hätte, hätte ich manche andere Erkenntnis vielleicht nicht gehabt. Aber natürlich, manche Dinge wären auch nicht schief gelaufen. Natürlich, auch ein Lebensweg, den man geht, führt anderen Menschen Verletzungen zu. Und ich glaube, da kann man grundsätzlich nicht stolz drauf sein. Aber zu sagen, ja gut, das habe ich zwar damals gemacht, ich kann mir heute noch überlegen, insofern noch gewisse Dinge möglich sind, das auch nochmal vielleicht zu klären mit der entsprechenden Person. Aber zu sagen, ja, auch das gehört zu mir und daran habe ich was gelernt und deswegen war es nicht vergebens, auch wenn ich es heute anders machen würde.

Joel Kaczmarek: Das ist ein schönes Bild, weil ich habe gerade so gedacht, es ist ja relativ simpel, das ist ja fast auch so ein bisschen en vogue gekommen zu sagen, I failed my way to success. Edison kennt 200 Wege, wie man keine Glühbirne baut und deswegen hat er es am Ende gefunden, den einen der funktioniert. Aber es wird ja da spannend, wo das passiert, was du gerade gesagt hast, weil wenn ich jetzt ein falsches Warenwirtschaftssystem ausgesucht habe, einen Fehler gemacht habe, das kostet vielleicht Geld und dann kannst du sagen, okay doof. Aber wenn du irgendwie vielleicht in einem Streit deiner Frau eine Aufgabe gegeben hast und dann denkst du so, wow, es gibt ja so moralische Dinge, finde ich, so moralische Fehler, wo man sich, also ich würde mich schwer tun, mir das zu verzeihen, da eine Perspektive zu gewinnen, die dich da rausführt, das ist schon sehr dankbar, ja.

Christoph Werner: Das ist wichtig, um wieder Zuversicht zu gewinnen und nach vorne zu schauen und damit die Vergangenheit einen nicht quält.

Joel Kaczmarek: Ich würde gerade sagen, da geht es ja um Verzeihen, also sich selbst verzeihen. Den Teil finde ich dann bei den schlimmen Fehlern eigentlich am schwersten. Gelingt dir das mit der Einsicht? Ist das sozusagen für dich der wichtigste Beispiel?

Christoph Werner: Ich würde mal sagen, mal besser, mal schlechter. Aber allein mal diesen Gesichtspunkt zu haben, hilft dann natürlich schon in der Situation, dass man jetzt einfach merkt, Mensch, das setzt mir gerade zu, dass man dann eben sich dem nicht einfach nur hingibt, sondern sagt, ja, okay, gibt es noch den anderen Gesichtspunkt, den kann ich jetzt auch mal einnehmen und dann geht es auch wieder weiter. Unbenommen davon ist, sich auch entschuldigen zu können.

Joel Kaczmarek: Ja, aber ich würde gerade sagen, den Schaden macht es ja nicht, wie der Wert ist. Man kann ja nur sagen, es hatte zumindest ein sinnvolles Ergebnis auch oder einen positiven Aspekt dessen, was da passiert ist.

Christoph Werner: Wenn du halt so 20 bist noch oder vielleicht auch 25, 30, da sind noch viele Menschen, mit denen du Lebenszeit verbracht hast, sind ja noch da. Das heißt, es ist alles noch gestaltbar. Wenn du dann mal über 50 bist, sind dann schon viele deiner Lebensbegleiter, die leben gar nicht mehr. Dann kannst du viele Dinge auch gar nicht mehr bearbeiten in dem Sinne, dass du darüber sprichst und dass du ein unmittelbares Feedback kriegst von den Menschen, wie die das erlebt haben. Ich habe das ja ganz anders erlebt. Vielleicht sehen die das ja gar nicht so dramatisch, was du gemacht hast. Oder vielleicht könnten die auch sagen, ja, okay, das war damals nicht gut, aber ich bin sehr dankbar dafür, dass du das mal angesprochen hast und das hilft mir auch. Solche Gespräche kannst du dann nicht mehr führen. Und dann ist natürlich die Frage, wie gehst du damit um?

Joel Kaczmarek: Ja, ich wollte gerade sagen, die Tragik-Komponente geht dann nach oben, also der emotionale innere Druck. Also ich finde, das fühlt sich für mich tragisch an. Ich weiß gar nicht, ob es das richtige Vokabular dafür ist, aber wenn man eine Erkenntnis hat, was falsch gemacht zu haben, ein Bedürfnis ist zu reparieren oder zu kommunizieren und kannst es aber nicht mehr. Wie geht es denn dir damit, wenn du so Weggefährten verlierst oder in vielleicht sogar so eine Situation eintritt, dass du gerne noch was geklärt hast und hast es nicht mehr können?

Christoph Werner: Musst du akzeptieren, ne? Und mir wirklich die Frage stellen, was bedeutet das denn für mich? Das ist ja wieder ein Stress. Bist du wieder bei der Antifragilität? Jetzt natürlich die Frage, okay, was ist denn die Erkenntnis, die du jetzt daraus ziehst? Ich glaube, ich kann mal nur im eigenen Lebenskontext dann versuchen, der Frage nachzugehen. Aber ich glaube, das Wesentliche ist ja auch, dass man eben wirklich mit Fragen durchs Leben geht. Fragen öffnen uns, Antworten schließen uns ab.

Joel Kaczmarek: Ich habe gerade das Vokabular gedacht, mit Öffnung durchs Leben gehen, mit Offenheit. Ich finde das sehr charmant, weil also A, bedanke ich mich ganz herzlich bei dir, dass du dem so viel Ernsthaftigkeit eingeräumt hast, dieser Frage heute, dass du dich da so akribisch reingedacht hast. Und B, finde ich total charmant, dass deine fünf Punkte ja alle quasi ein System formen, was alles so auf eine Story einzahlt.

Christoph Werner: Vielen Dank. Es war auch auf jeden Fall mal interessant, unter dem Gesichtspunkt den Zeitraum zu überblicken seit 20 Jahren.

Joel Kaczmarek: Glaubst du, dass du mit 71 anders gucken wirst auf die 20 als mit 51?

Christoph Werner: Ich hoffe. Ich hoffe es, ja.

Joel Kaczmarek: Dann danke ich dir ganz, ganz herzlich und freue mich aufs nächste Mal mit dir.

Christoph Werner: Sehr schön. Vielen Dank, Joel. Vielen Dank für deine Zeit.

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Diese Folge stammt aus unserem Podcast „5 Dinge mit 20“: Bei [5 Dinge mit 20](https://lnk.to/5Things20) trifft Joël Kaczmarek bekannte, erfolgreiche und interessante Menschen und befragt sie, was ihre 5 Dinge sind, die sie gerne schon mit 20 gewusst hätten. Auf diese Weise leiten diese inspirierenden Personen ihre wesentlichen Learnings und Lebenseinsichten ab und bescheren dir echte Wissensabkürzungen. 💛 Hat dir die Episode gefallen? Dann abonniere „5 Dinge mit 20“ auf Plattformen wie Apple Podcasts oder Spotify. Beachte, dass wir nur ausgewählte Folgen auch auf Digital Kompakt veröffentlichen. Abonniere dort, um Zugang zu mehr und früheren Episoden zu erhalten!