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Joel Kaczmarek: Hallo Leute, hier ist Joel und heute mal eine etwas ungewöhnliche Folge, weil normalerweise rede ich ja hier über digitales Business und wie man das zum Wachsen bringt. Und das was wir heute besprechen ist das Thema Kinder und Smartphones. Das fällt also thematisch so leicht raus, obwohl es natürlich irgendwie mit digital zu tun hat. Doch warum mache ich das? Weil ich der festen Überzeugung bin, dass dieser Podcast, wenn ihr Kinder habt, für euch total wichtig sein kann. Und selbst wenn ihr keine habt, vielleicht kennt ihr jemanden, der Kinder hat und glaubt mir, die Menschen werden dankbar sein, wenn sie das, was mein heutiger Gast, nämlich der liebe Daniel Wolff, über Kinder zu sagen hat, hören. Warum ist das so? Daniel hat ein tolles Buch geschrieben, das heißt Allein mit dem Handy. Das bestellt euch schon mal parallel, während ihr hier zuhört, beim Buchhändler eurer Wahl. Und darin arbeitet er sehr detailliert auf, was eigentlich mit Kindern so passiert, wenn die ins Internet gehen, weil das Problem ist, Kinder gehen oft alleine ins Internet. Also wir neigen irgendwie dazu, in unserer Generation heutzutage in der echten Welt die Kinder total zu beschützen und in der digitalen Welt sie einfach komplett drauf loszulassen. Und das möchte ich auch mit einer kleinen Warnung an euch verwenden, also einem Triggerhinweis, wenn man so möchte. Wir werden über sehr intensive Dinge sprechen, also da kommen solche Themen wie Cybermobbing vor oder auch Cybergrooming, wenn erwachsene Menschen Kindern nachstellen. Wenn ihr da Probleme habt, hört gut auf eure Gefühle, hört an euch rein, ob ihr euch das anhören möchtet. Ihr könnt ja jederzeit weiterspulen oder auch gar nicht erst reinschalten, dann kauft euch das Buch von Daniel, da könnt ihr selbst entscheiden, wie ihr das dosiert. Doch ich sage euch, es gibt super viele wichtige Themen rund um das Thema. Und damit ihr nicht nur im Business digital zur Elite gehört, sondern auch was Erziehung und eure Kids angeht, dafür diesen Podcast heute. So, und jetzt legen wir los. Der Daniel ist Digital-Trainer. Ich sage euch, der kann das auch total gut erzählen. Hallo lieber Daniel, schön, dass du da bist.
Daniel Wolff: Hallo.
Joel Kaczmarek: Erzähl mal, du hast zu mir im Vorgespräch gesagt, es sollte irgendwie sein, dass du das machst, was du jetzt machst. Und es hat so einen Pfad gegeben, der dich dahin geführt hat. Wie bist du denn dazu gekommen, dich diesem Thema zu widmen?
Daniel Wolff: Mein beruflicher Werdegang war so ein bisschen eine Mischung aus einerseits, ich wollte Lehrer werden früher mal und habe das auch studiert. Bin dann quer ausgestiegen in die Medienbranche, war 15 Jahre Journalist bei einer IT-Zeitschrift. Im Rahmen dieser Tätigkeit war ich auch mal drei Jahre im Silicon Valley als Korrespondent und habe da so viel über die Digitalindustrie kennengelernt, dass ich dann, als ich zurückkam und mir den großen Traum verwirklicht hatte, Lehrer zu werden, habe ich dann gemerkt, die Kinder reden mit mir automatisch. Immer über das, was sie am allermeisten interessiert. Und das ist fast immer irgendwie ihre digitale Lebenswelt. Und dann hat sich irgendwie so entwickelt, ich muss mich offensichtlich selbstständig machen. Ich kann nicht hier im Klassenzimmer bleiben, weil ich rede die ganze Zeit mit den Kindern über nicht das, was im Lehrplan steht, sondern Das, was eigentlich brennt und das, was interessant ist und das, was das Leben der Kinder bestimmt und bestimmen wird. Solche Themen wie KI, die kann ich als Lehrkraft in der Schule ja kaum anbringen. Solche Themen sind so derart brennend, eigentlich braucht es dafür ein eigenes Schulfach und das gibt es nicht. Also habe ich mir gedacht, ich mache mich selbstständig und gehe als Freier an Schulen und spreche dort mit Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Eltern. über die Thematik digitale Welten. Ich kann vielleicht auch dazu sagen, ich bin auch jemand, der schon seit von klein auf quasi von digitalen Medien begeistert ist. Und ich dachte auch, so als ich so ungefähr 40 war, ich weiß alles. Und dann stellt sich raus, als ich 40 war, ich habe keine Ahnung, wie ein elfjähriges Mädchen sich fühlt auf Instagram. Ich habe keine Ahnung, was Neunjährige sehen auf TikTok. Ich weiß nichts. Und dann erst als meine eigenen Kinder so groß waren, dass sie eben in diese ganze Internetwelt reingeboren sind, habe ich das Ganze neu entdeckt. Da haben sich dann auch teilweise Abgründe aufgetan, die ich nicht erahnen konnte. Die Kinder haben es zu mir gebracht, weil sie zum ersten Mal jemanden gesehen haben, hey, mit dem kann man ja irgendwie straffrei sprechen. Wow, und der scheint sich so ein bisschen auszukennen. Ist ja ein Ding. Und plötzlich geht wirklich der Korken aus der Flasche und die Kinder belagern mich. Und es ist ganz irre. In vielen Workshops habe ich Kinder um mich herum auch nachher noch. Und zwar so lange, bis die nächsten Schüler schon wieder am Platz sitzen. Und ich dann sagen muss, hey, sorry. Der nächste Workshop geht los. Wir müssen aufhören. Bitte, aber wenn ihr noch Fragen habt, stellt die einfach im Chat heute Abend, im Elternabend. Dürft ihr alle auch noch mitgucken. Ja, weil wir dürfen, glaube ich, als Erwachsene, wir müssen uns abschminken, dass wir Geheimnisse haben können vor Kindern. Das ist völlig vorbei. Also sobald ein Smartphone in der Klasse ist, gibt es keine Geheimnisse mehr.
Joel Kaczmarek: Du hast gerade gesagt, Kinder haben dir das nahegebracht. Was ist denn eigentlich so die Perspektive von Kindern auf dem Smartphone? Weil ich glaube, das ist ja der erste Schritt, mal zu verstehen, warum sind die heiß drauf, diese Dinger zu haben und was macht das mit denen?
Daniel Wolff: Der einfachste Grund der Welt, es geht um Spaß. Alle Hörer da draußen, erinnert euch bitte, als ihr jung wart, was war das Wichtigste im Leben? Ich bin acht, neun, zehn Jahre, ich bin in der Grundschule und dann höre ich von den anderen, hey, die haben Spaß hinterm Busch mit ihrem Smartphone. Die gucken Sachen, das ist krass, das ist spannend, das ist aufregend, das ist irgendwie Natürlich, es geht erstmal um Neugier, Spaß. Ja, und dann kommen lustigerweise die Eltern von selber schon auf einen zu und sagen, hey, ich gebe dir jetzt ein Smartphone, weil damit kannst du mich anrufen. Wow. Und das ist für die Kinder erstmal sehr seltsam, weil deshalb wollen die nicht ein Smartphone. Aber wenn die Eltern es einem eh schon quasi mehr oder weniger reindrücken, natürlich nehmen sie es. Und sie wollen es auch sehr gerne, weil es Apps gibt, die Spaß machen. die Kinder aber fragt, wer von euch hat ein Smartphone bekommen mit den Worten, hey, damit kannst du mich anrufen. Da melden sich immer mehr als die Hälfte der Kinder und lustigerweise lachen sie dabei.
Joel Kaczmarek: Ich fand ganz schön, das ist ja sozusagen vielleicht schon ein bisschen Vorwegnahme, du erzählst relativ am Ende deines Buches aus einem Umstand, dass wir in der Gegenwart so die Gen Z irgendwie so erziehen, dass wir sie im echten Leben überbehüten Und im digitalen Leben unterbehütend nämlich gar nicht. Also dass sie dort völlig vogelfrei sind.
Daniel Wolff: Die Gen Z, muss man dazu sagen, ist ja schon wieder raus fast. Gen Alpha ist jetzt gerade in den Schulen. Und da ist es ehrlich gesagt leider, leider meine tägliche Erfahrung, dass wir die noch mehr allein lassen. Und die sind noch, wenn man so will, verletzlicher, weil sie einfach noch jünger sind. Das heißt, diesen Fehler, den wir mit Gen Z gemacht haben, ich auch übrigens ganz offiziell. Ich habe drei Kinder, zwei sind Gen Z, einer ist Gen Alpha. Und bei meinen Großen gebe ich ganz offen zu, ich glaube im Nachhinein, ich habe tatsächlich sehr, sehr viel falsch gemacht in Richtung Medienerziehung. Ich habe es einfach nicht gewusst. Meine große Tochter hat inzwischen Psychologie zu Ende studiert und hat mir neulich mal gesagt, Papa, ganz ehrlich, hätten wir dir auch nur einen kleinen Ausschnitt von dem gezeigt, was wir auf dem Smartphone gehabt hätten, du hättest uns sofort unser Smartphone weggenommen. Natürlich hat sie recht, ja klar. Viele Eltern sind auf diesem Niveau, auch heute, ich sehe das immer wieder, die sagen, ja, nö, es gibt da kein Problem, weil mein Kind wäre ja zu mir gekommen und hätte es mir gesagt. Und weil es nicht gekommen ist, hast du kein Problem, alles wunderbar, Herr Wolf, Sie übertreiben.
Joel Kaczmarek: Was würdest du denn sagen, ab wann geht denn das Smartphone-Game los? Und ich glaube, sollen wir dir schon auch abbringen, wann du empfehlen würdest, dass es losgehen sollte? Weil ich glaube, das ist für dich eine sehr undankbare Frage. Deswegen bin ich damit so ein bisschen zurückhaltend.
Daniel Wolff: Wir fangen mal an, wann geht das Game los? Und tatsächlich, da gibt es eine ganz irre Zahl, die Mini-Kim-Studie. Das ist eine Studie für Kleinkinder. Die kommt immer alle paar Jahre raus. Und die letzte hat Folgendes festgestellt. Zehn Prozent aller Kleinkinder in Deutschland, zwei bis fünf Jahre, haben ein eigenes Tablet oder Smartphone. Wir haben inzwischen, wir haben vor zwei Wochen bei uns im Digital-Trainer-Team zwei Frühpädagoginnen eingestellt, also quasi ins Team genommen. Und die eine kümmert sich wirklich um Eltern von Kindern im Alter von 0 bis 3 Jahren und die andere für Eltern von Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren. Das heißt, das Game geht heute extrem viel früher los, als wir denken. Und es ist auch fast in jeder Klasse, in der ich bin, in der Grundschule, sagen ein oder zwei, sie haben ihr Smartphone schon seit dem Kindergarten. Also sie wissen es gar nicht mehr, weil sie haben es schon so lange, dass sie nicht mehr wissen, wie lange sie es überhaupt schon haben. Und es kommt natürlich auch darauf an, wo man so ist. Zum Beispiel in Förderzentren, wo die Kinder sind, die nicht ganz so leistungsstark sind manchmal. Die werden sehr oft auch schon als Kleinkinder vor den Geräten geparkt. Weil so quasi mit denen kann man nicht so viel anfangen, manchmal sind die Eltern gar nicht so richtig da und Betreuung ist teuer. Also die haben teilweise tägliche Nutzungszeiten von 10, 12, 14 Stunden. Und an den Gymnasien kommen diese Kinder ja gar nicht an. Ich war mal an einer Einrichtung für gehandicapte Kinder und da kam ein Fünfklasser zu mir und sagt, meine Eltern haben jetzt eine Sperre eingestellt, ich darf nur noch 10 Stunden am Tag ins Internet. Und das meinte der Ernst und dann hat er gesagt, jetzt muss er am Samstagabend immer zu seinem Freund gehen. So etwas gibt es und das ist aber draußen natürlich schwer vermittelbar. Es gibt auch viele Medienpädagogen, die können sich das nicht vorstellen und deshalb, das Game geht sehr viel früher los, als wir denken. Natürlich für das Peloton der Elternschaft, das Hauptfeld, geht natürlich in der Regel, das Smartphone wird nicht mehr, ist meine Erfahrung, am Beginn der fünften Klasse übergeben, inzwischen mehrheitlich, was ja bis vor Corona in etwa so das typische Einstiegsalter war. So quasi in vielen Bundesländern beginnt dann eben die weiterführende Schule. Und inzwischen ist es so, an vielen Schulen haben in der vierten Klasse schon mehr als die Hälfte ein Smartphone. Und manchmal auch nach der Kommunion, in Bayern zumindest, nach der Kommunion am Ende der dritten Klasse, haben auch schon dann plötzlich teilweise mehr als die Hälfte der Kinder ein Smartphone. Und wir merken das, weil wir kommen erst dann. Das heißt, wir bitten die Schulen, zählt doch mal. Wenn ihr selber nicht wisst, ob wir nötig sind, bitte zählt mal. Wir kommen so ungefähr ab der Hälfte. Und ich bin jetzt wirklich die Hälfte meiner Zeit an Grundschulen in dritten und vierten Klasse.
Joel Kaczmarek: Okay, komm, dann machen wir jetzt mal ein neues Szenario auf, weil wir die Leute so mental mal reinholen. Also, wir haben jetzt schon gelernt, dritte bis vierte Klasse ist leider der Einstieg. Und jetzt habe ich ja durch dich gelernt, die größte Falle Nummer eins, der man aufsitzen kann als Eltern, ist, wenn die Kids kommen und sagen, Papa, Mama Ich möchte gerne mein Handy in der Nacht haben, dann kann ich das doch als Wecker benutzen, damit ich morgen früh aufstehe. Ist das okay? Ich lege das da drüben in den Schrank. Und da können wir ja vielleicht mal so den Einstieg wählen, weil das ist ja so deine eine goldene Regel. Warum nicht? Und was passiert denn dann nachts eigentlich in so einem Kinderzimmer mit so einem Smartphone?
Daniel Wolff: Was du gesagt hast, ist die eine häufige Taktik, die Eltern zu überreden und die andere, vielleicht sogar noch häufiger gewählte ist, Papa oder Mama, darf ich bitte, bitte heute noch fünf Minuten Musik hören zum Einschlafen. Und dann gehen die Kinder nämlich plötzlich freiwillig ins Bett. Manche Eltern wissen gar nicht mehr. Früher wollten die Kinder nicht ins Bett gehen, die haben rumgenervt. Sobald man ihnen ein Smartphone gibt, gehen sie freiwillig. Wie angenehm. Sofort kann ich mich an Netflix setzen. Hurra. Problem ist natürlich, was alle Kinder machen, und das bitte ich, das muss man tatsächlich ernst nehmen. Die Kinder machen zuallererst instinktiv die Lautstärke auf Null, weil TikTok hat ja Untertitel. Zweitens, die Profis setzen dann Kopfhörer auf, aber nur mit einem Ohr, weil das andere Ohr ist natürlich Elternradar. Und Sehr, sehr viele Kinder, vielleicht so drei Viertel, machen auch noch zur Sicherheit instinktiv die Bildschirmhelligkeit ganz dunkel. Wenn die Eltern jetzt zufällig mal reinkommen, sehen sie nichts, hören nichts, checken gar nichts. Das Spannende ist, das scheint niemand zu wissen. Es gibt keine wissenschaftliche, mir bekannte Untersuchung, in der Kinder das freiwillig zugeben, weil das tun sie natürlich nicht. Wenn jetzt jemand da offiziell fragt, du schaust du nachts, dann sagen die nö, weil es bringt ihnen ja nur Nachteil. ist nämlich los. und wenn ich dann die Kinder frage, die übrigens bei mir immer wissen, sie können alles sagen, nichts wird bestraft. So geht jeder Workshop bei mir los und ich auch alle Lehrkräfte, die immer dabei sein müssen, auch rein schon aus aufsichtsrechtlichen Gründen, die werden immer gleich am Anfang eingeschworen. und dann sage ich, hör zu, liebe Lehrkräfte, wir brauchen jetzt hier so ein bisschen Safe Space, weil es natürlich spannend ist, wenn wir über die Dinge reden können, die die Eltern nicht wissen. Deshalb bitte ich sie, egal was hier passiert, wenn sie nachher zu dieser Tür rausgehen, Bitte vergessen Sie alles, wer sich wann meldet. Und dann müssen die Lehrer immer so ein bisschen nicken, ganz deutlich, damit alle Kinder das auch sehen. Und wenn die Kinder sich dann sicher fühlen, erst dann fangen sie an zu erzählen. Und dann sage ich, so, jetzt mal Hand aufs Herz, wer hat es geschafft, seine Eltern zu überreden? Und dann melden sie sich, je nach Schule, 20 bis 50 manchmal an. 70 Prozent. Und die nächste Frage ist dann, aha, Dankeschön. Und wer macht es trotzdem, obwohl er es nicht darf? Und dann melden sich, und das ist verrückt, in einer Schule, wo es 20 Prozent dürfen, melden sich jetzt plötzlich nochmal 60 Prozent. Da, wo es 60 Prozent dürfen, melden sich natürlich nur noch 20 Prozent. Aber ich komme am Schluss immer rauf, Auf deutlich mehr als die Hälfte. Und dann lege ich weiter und dann sage ich, aha, und was macht ihr zuerst, wenn ihr das Smartphone mit ins Bett nehmt oder das Tablet? Und dann ist immer Gelächter und alle lachen und Hurra. Und natürlich, dann kommt sehr schnell raus, alle machen es still oder stumm, alle machen es dunkel. Und dann sage ich, aha, und jetzt wird es spannend. Wer war denn schon mal um 10 Uhr abends noch im Internet? Und diese Frage löst tatsächlich sogar in Grundschulen Gelächter aus. 10 Uhr war es jeden Abend gestern. Logisch, 10 Uhr ist ja gar nichts. Und dann merkt man schon, aha, okay. Nächste Frage, wer von euch war denn schon mal, weil es so spannend war, weil man sich vielleicht vergisst oder TikTok oder YouTube so spannend sind? schon mal um Mitternacht noch wach. Und selbst in einer Grundschule melden sich so viele, dass die Lehrer hinten jetzt misstrauisch werden. Okay, wie schaut es denn aus? Wer von euch hat schon mal erlebt, dass ihr schon so ein bisschen eingeschlafen seid, aber ihr habt euch dann wieder umgedreht und dann liegt es immer noch da und leuchtet. Oder der Klassenchat vibriert, weil Stickeralarm. Und dann habt ihr es nochmal in die Hand genommen, obwohl ihr eigentlich schon geschlafen habt. Und dann gehen auch sogar um drei Uhr morgens, wenn ich frage, die Hände hoch. Und spätestens dann merken die Lehrer, Deshalb, jetzt kapiere ich es, um Gottes Willen. Und dann frage ich sogar, die ultimative Frage, mache ich erst seit drei, vier Monaten, weil ich kam bis dahin gar nicht auf die Idee, dass man die Frage überhaupt sinnvoll stellen kann. Welche Apps benutzt denn so einer nach der meisten? Und dann kommen querbeet, egal an welcher Schule ich bin, immer dieselben sieben, acht, neun, zehn Apps, die da sind. YouTube, YouTube Shorts, WhatsApp. Bei den größeren natürlich Instagram, Snapchat. Bei den kleineren TikTok. Und die fünf bekanntesten Spiele, die da zurzeit sind. Natürlich Brawl Stars, Fortnite, Minecraft, Roblox und vielleicht noch irgendwie Subway Surfers oder so. Und diese zehn Apps werden immer genannt. Immer. Und dann sage ich, okay. Und ihr stellt euch mal vor, so eine Nacht, ihr seid total drin, ihr vergesst die Zeit. Vielleicht schlaft ihr auch mal ein zwischendurch und dann wacht ihr aber wieder auf. Und in dem Moment, wo ihr es immer noch benutzt oder schon wieder, klingelt der Wecker. Oder die Eltern rufen euch zum Frühstück und ihr merkt, oh Mann, heute habe ich gar nicht richtig geschlafen. Dann schauen sich die Kinder um. Wer traut sich noch zu melden? Da wollen sie sich nicht mehr alleine melden, weil es ist zu gefährlich. Die Lehrer können sich ja das dann vielleicht doch merken. Und dann melden sich viele so, dass sie ihre Hand vor den Körper nehmen, sodass die Eltern es hinten nicht sehen, aber ich. Und es ist verrückt. Sogar in dritten und vierten Klassen melden sich eine Handvoll, sage ich mal. Ich habe immer mehrere Klassen. Und ab fünf, sechs sind es plötzlich mehrere. Ich war neulich an einer Weiterführenschule, da meldeten sich von 80 Kindern 50. 50 bei 3 Uhr morgens und 20 bei durchgemacht. Und die Lehrkräfte bestürmen mich und sagen, wissen Sie, Herr Wolf, ich habe das schon so irgendwie vermutet. Aber dass es so krass ist, das hätte ich nie gedacht. Auch bei der Frage, wer von euch kennt Folgendes, ihr geht in der Früh ans Smartphone und ihr seht bei WhatsApp diesen Notifikationszähler, also quasi diese weiße Zahl auf rotem Grund, und da steht 999+. Das heißt, ihr habt in dieser Nacht mehr als 1000 Nachrichten bekommen. Ja, in jeder siebten Klasse melden sich nahezu alle Schüler. Und da frage ich, wie viel davon? war ein Sticker? Dann lachen die alle, sagen, ja, 999. Kinder wollen Spaß. Und natürlich geht diese ganze Dynamik, die ich jetzt gerade genannt habe, die bei den Grundschulen schon losgeht, verstärkt sich in den fünften noch durch die Klassenchats.
Joel Kaczmarek: Okay, also jetzt haben wir schon mal ein großes Problem identifiziert, zu viel Airtime in dem Ding, also Schlafprobleme, kriegen kein Schlaf, die Kids. Jetzt hast du ja eben schon was anderes angerissen, nämlich YouTube und den Algorithmus, wo ich durch dich lernen durfte, nachts geht es YouTube anders als tagsüber. Magst du mal ein bisschen davon berichten?
Daniel Wolff: Ich kann das nicht beweisen, muss ich dazu sagen. Ich kann aber sagen, dass nach Workshops mit wirklich weit über 100.000 Kindern und Jugendlichen, ich glaube, dass die Algorithmen einfach nur ein Ziel haben, möglichst lange Nutzungszeiten. Ganz einfach, weil je länger die Kinder dran sind, desto mehr Werbeeinnahmen werden generiert. Fertig. Das heißt, der Algorithmus probiert aus, was funktioniert am besten. Und die reine Logik sagt mir schon, tagsüber ist die Konkurrenz, zum Beispiel, wenn ich jetzt YouTube Shorts laufen habe, ist die Konkurrenz TikTok und Instagram Reels nachts. ist die Konkurrenz oder was mir droht als App-Betreiber, dass mir quasi die Aufmerksamkeit eines Kindes verloren geht, ist der Schlaf. Und dieser einfachste Zusammenhang ist den meisten Eltern nicht klar. Die Industrie verdient mehr Geld, je länger die Kinder gucken. Und natürlich Läuft das auch nachts? Und was muss ich jetzt einem Zehnjährigen, der schon drei Stunden YouTube schaut, zeigen, dass er halt nachts um zwei nochmal richtig aufwacht? Und plötzlich kommen da Sachen, zum Beispiel, auch wenn ich die Kleinen frage, wer von euch hat schon mal KI-generierte Monster gesehen? Einfach nur Monster, die durch irgendein wild gewordene Bild- oder Videogenerierungs-KI entstanden sind. Unglaublichste Monster. Ich meine, Monster gibt es ohnehin nicht. Aber diese Monster, die haben Erwachsene noch nie gesehen. Und dann melden sich plötzlich sehr, sehr viele. Und die Lehrkräfte haben sowas noch nie, auch nur gehört, dass es sowas gibt. Und das Spannende ist, die Kinder melden sich einzeln, schauen sich um und sind erleichtert, dass sie nicht der Einzigen sind. Und sind gleichzeitig ungläubig, was sie da um sich herum sehen, weil sie dann merken, ach so, ich dachte immer, ich bin der Einzige. Weil darüber redet man teilweise auch nicht unbedingt immer mit den anderen. Wenn jetzt jüngere Kinder irgendwas Schreckliches sehen, können die nicht mehr rechtzeitig wegschauen. Und was überhaupt nicht funktioniert, sind irgendwelche Vorschaltpages, wo dann steht, sensible Inhalte, dieses Video könnte irgendwie Gewalt enthalten. Ja, was machen alle Kinder? Sie schauen es erst recht. Oh, spannend. Und ich vergleiche es manchmal so. Hätte man uns eingesperrt in den 80er Jahren, das darf ich zumindest bei mir sagen, in eine VHS-Videothek mit allen Filmen, die es da gibt, mit viel Blut und den wenigen Klamotten, ja, wir hätten auch mal nach links und rechts geschaut. Das ist das Normalste der Welt. Aber ich habe die Erfahrung, die krassen Inhalte sehen die Kinder beim ersten Mal nicht mit Absicht. Die suchen nicht danach, sondern es passiert automatisch. Entweder durch irgendeinen wild gewordenen Empfehlungsalgorithmus nachts oder weil irgendeiner was gesehen hat und dann im Klassenchat das postet. Und vor allem, und das ist auch wichtig, wenn zum Beispiel einer im Klassenchat nachts eine Mutprobe reinstellt. Ist häufiger, als man denkt. Mutprobe und dann dahinter ein YouTube-Link. Naja, ich will doch nicht der Einzige sein, der am nächsten Tag das krasse Video nicht gesehen hat. Also schauen plötzlich Neunjährige unter der Bettdecke die allerhärtesten Sachen, die es bei YouTube gibt. Und dann habe ich manchmal Kinder bei mir drin sitzen mit schwarzen Augenrändern. Man sieht es schon. Man weiß, wer von denen seit Jahren nicht mehr gut schläft. Und das sagen Sie natürlich Ihren Eltern nicht. Das sagen Sie Ihren Lehrkräften nicht. Das sagen Sie überhaupt niemandem. Ich muss zugeben, ich glaube, ich habe ein bisschen was rausgefunden. Ich glaube, alle Kinder reagieren relativ ähnlich, wenn sie zum allerersten Mal etwas sagen. Und das ist so eine bestimmte Abfolge von Emotionen, die spiele ich inzwischen relativ ausgeprägt vor. Also da wird mein Workshop dann so ein bisschen so eine Performance. Und ich muss sagen, ich habe noch nie ein Kind erlebt, das zu mir gekommen ist und gesagt hat, bei mir war es anders. Die erste Reaktion ist natürlich Schock, wenn ich als Kind irgendwas sehe, was ab 18 ist, irgendwas, Blut spritzt, irgendwas wird abgehackt. Zweite Reaktion, Handy weg. Erstmal YouTube schließen, TikTok schließen, Display nach unten, ausatmen. Dritte Reaktion, schlechtes Gewissen. Jetzt kommen schon die Eltern ins Spiel. Oh Gott, das hätte ich nie anschauen sollen. Viertens, die jüngeren Kinder, denen das zum ersten Mal passiert, überlegen dann, naja, aber eigentlich würde ich gerne zu meinen Eltern gehen, weil immer wenn ich Angst hatte in meinem Leben, habe ich das gemacht und die waren lieb zu mir, haben mich umarmt, getröstet, alles wieder gut. Aber fünftens, die Kinder sind ja schlau und stellen sich vor, was würde jetzt als nächstes passieren? Sie könnten ja zum Beispiel mich fragen, meine Eltern, was hast du denn gesehen? Und dann stellen sich die Kinder vor, wie sie ihr eigenes Smartphone den Eltern geben. und die eigenen Eltern sehen auf dem eigenen Smartphone irgendwas extrem Grausames, Blutiges, Ekliges oder Nackiges. Ja, und dann sind die Eltern natürlich entsetzt. Sechstens, auf welche Idee könnten die Eltern da wohl kommen? Welche Folge könnte diese Entdeckung haben? Welche Konsequenz? Natürlich ist immer die erste Antwort bei allen Workshops in den dritten, vierten, fünften, sechsten, siebten, achten, neunten und zehnten Klassen. Sogar die Großen sagen, wenn meine Mutter wüsste, was auf meinem Smartphone ist, wäre es weg. Und deshalb entscheiden sich 90 Prozent der Kinder darauf. hermetisch den Mund zu halten. Und ich glaube, da müssen wir uns drum kümmern, weil die Kinder sind immer weniger konzentrationsfähig. Sie sind immer irgendwie so lethargisch, manche auch sehr aggressiv. Ihnen fehlt die Zuversicht, das Vertrauen in die Welt. und vor allem, sie haben einfach erstens nicht geschlafen. sind völlig übermüdet, kriegen nichts mehr rein, sind quasi nicht beschulbar. Und da geht es nicht nur um die, wenn man so will, akademische Leistung oder die schulische Leistung, sondern da geht es überhaupt um Basics. Und viele Kinder können und wollen auch gar nicht mehr richtig kommunizieren, weil alles ist langweilig im Verhältnis zu dem, was nachts auf dem Smartphone passiert. Das ganze Leben ist grau und trist, bis ich am Abend wieder mein Smartphone einschalte und ich kriege alles zu sehen an Sexiness, an Action, die mir quasi fast schon glücksspielartig zugespielt werden. Das übertrumpft alles. Und ich finde, wenn wir nur eine einzige Sache richtig und besser machen können als Gesellschaft, dann ist es kein Bildschirm im Bett. Und das ist eine Sache, die können eigentlich alle Eltern erziehen. Aber ich glaube, wir dürfen deshalb auch, und das ist mir auch erst gekommen, ich habe früher auch mein Smartphone mit ins Bett genommen. Ich war Journalist. Ich hatte dauernd noch Twitter schnell und hier und da und den Wecker sowieso. Meine Frau auch. Und dann haben wir eines Tages gemerkt, Moment mal, wir zeigen unseren drei Kindern jeden Tag in der Früh und jeden Tag am Abend, also insgesamt sechsmal am Tag, zeigen wir unseren Kindern, dass ein Smartphone im Bett okay ist. Ist es für Kinder aber nicht. Denn Kinder werden es benutzen. Spätestens wenn die anderen sie rufen nachts, da wären wir auch hingegangen. Weil sobald WhatsApp da ist, ruft ja nicht mehr das Internet, sondern die besten Freunde. Und wenn es da sanft vibriert, da werden wir auch hin. Egal was, immer, auch um drei Uhr morgens.
Joel Kaczmarek: Man kann ja also zwei Regeln aus deinem Buch mitnehmen, die du, glaube ich, immer sehr unterstreichst. Das erste ist, gib deinem Kind das Handy nicht zur Nacht. Und das zweite ist, nimm es ihm nicht weg, wenn was Blödes passiert. Und vielleicht können wir die beide nochmal ein Stück vertiefen und fangen wir mit der ersten an. Was mache ich denn, also es ihm nicht zur Nacht zu geben, ist ja okay, dann kaufe ich einen Wecker. Was mache ich denn, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und es hat schon eins? Also das wieder wegzunehmen, gibt ja wahrscheinlich Krieg.
Daniel Wolff: Ich glaube doch, das gibt Krieg. Aber ich glaube, diesen Krieg müssen wir kämpfen. Ein Nein mit Liebe brauchen wir hier. Und ich muss einen Fehler eingestehen. Ich wusste das ja nicht so wirklich. Und tut mir leid, wir schlafen alle. Übrigens, ich selbst auch ohne Smartphone besser. Und deshalb haben wir jetzt Folgendes vor. Wir können zum Beispiel ein Familienladegerät hernehmen und alle aus der Familie, alle, auch die Eltern, tun da ihre Smartphones rein und ihre Tablets über Nacht. Und das hat den Vorteil, das funktioniert in der Regel deshalb, weil die Kinder nachts, wenn die mal aufs Klo gehen um eins oder um drei, gucken die so beiläufig rein. Und wenn da die Smartphones der Eltern auch drin sind, dann haben sie eine Chance, es zu lernen. Wenn sie nicht drin sind, dann schlafen die Kinder, ihre gesamte Jugend, zu wenig und zu schlecht. Das liegt in unserer Hand. Die Kinder wissen, dass es nicht gut ist für sie. Sie wissen es. Natürlich ist hier der soziale Faktor der Ausschlaggebende. Die anderen sind aber auch noch wach. Dann sage ich, ja klar, aber das heißt nicht, dass es schlau ist, dass die anderen noch wach sind. Wir unterschätzen die Raffinesse der digitalen Industrie, weil bei Vertikals, Also bei TikTok und YouTube Shorts und Instagram Reels, die werden umso interessanter, je länger man sie schaut. Der Algorithmus uns dann besser kennenlernt. Und das ist eine Erfahrung, die viele Eltern nicht selber gemacht haben. Wenn ich zum Beispiel 100 Eltern frage, wer von euch hat schon mal drei Stunden am Stück TikTok geschaut? Dann melden sich zwei. Und dann sage ich, ja, nur die beiden wissen, was TikTok ist. Der Rest von euch hat, sorry, keine Ahnung.
Joel Kaczmarek: Mir als Gamer war es ja schon so halbwegs klar, aber wenn man sich mal sowas wie Roblox oder Brawl Stars anguckt, also ich glaube, da kannst du ein Liedchen von singen, wie viel Zeit und Geld Kinder auch und sowas, weil es ist ja glaube ich auch viel so eine Währung, also wie viel du giltst in so einer Klasse, wenn du halt diese und jene Auszeichnung in den Spielen hast, oder?
Daniel Wolff: Natürlich. Das allererste, was sich heute in jedem, wirklich in jedem Workshop gefragt wird. Weil ich tue immer am Anfang kurz mal mein Handy einfach in den Beamer hängen, damit die Kinder, weil es heute ja ein Stück Identität und Authentizität ist, ich lasse die Kinder einfach mal kurz mein Handy sehen. Und die Kinder sehen sofort, oh, der hat Der hat Brawl Stars installiert und Fortnite und Minecraft. Dann springen einige der Jungs sofort auf und ich werde sofort gelöchert mit der, vor allem Brawl Stars, das ist extrem stark zur Zeit. Jawohl, wie viele Trophäen haben Sie? Was ist Ihr bester Brawler? Und dann haben wir schon mal ein bisschen Vertrauen aufgebaut. und dann frage ich meistens, hey, gibt es jemanden an der Schule, der schon mal richtig viel Geld ausgegeben hat für Gutscheinkarten? Und das wissen die untereinander immer. Und dann geht es in den Grundschulen schon los. Dann sagt einer plötzlich, ja, 400 Euro. Sag ich, welches Spiel? Fast immer Brawl Stars. 200, 300, 150, 20. Aber ab und zu sogar in den Grundschulen schon 1000. Da ist auch ein Mechanismus entstanden, der den meisten Eltern überhaupt nicht klar ist. Ich kann mir heute die Anerkennung meiner Mitschüler vorstellen. Im Supermarkt kaufen. Ich kaufe mir eine Gutscheinkarte, da ist dann irgendwie eine virtuelle Währung drauf, Robux, V-Bucks, FIFA-Points oder irgendwie Juwelen. Und dann kaufe ich mir was Tolles und die anderen sehen das. Die sehen das schon, bevor ich in die Schule komme am nächsten Tag und finden mich toll. Bei der Begrüßung schon. Wow, du hast jetzt Level sowieso. Wow, du hast die sowieso Skin. Und das ist das schöne Gefühl, was man sich da kauft. Das heißt, die Industrie hat es geschafft, ohne dass es die ältere Generation versteht, dieses Gefühl, den Wunsch nach Anerkennung zu monetarisieren. Im industriellen Maßstab. Manche Kinder geben alles, was sie haben, aus für Gutscheinkarten. Alles. Also das Taschengeld, das Geld von der Oma, Weihnachtsgeld, Ostergeld, Zeugnisgeld, alles fließt da rein. Und da kommt ganz schön was zusammen, auch heute. Sogar in der Grundschule schon. Und manche Eltern, ganz offen, die geben ihrem Kind einen Fuchsker am Freitagnachmittag und sagen, hey, du Du hast jetzt Spaß. Du kannst das ganze Wochenende geil zocken mit so viel Munition. Und wir haben auch ein tolles Wochenende, weil du das ganze Wochenende beschäftigt bist. Ab der 5. gibt es die ersten, spätestens die ersten sogenannten Wale. So nennt die Spieleindustrie ihre Kunden ab 1000 Euro Umsatz. Und es geht dann auf mehrere tausend hoch in den siebten, achten Klassen. Mehrere tausend Euro. Es sind immer nur einzelne Schüler, aber die zahlen so richtig. Und wer die Spielindustrie oder die Mobile-Gaming-Industrie so ein bisschen näher betrachtet, der weiß auch, dass diese Kinder und Jugendlichen, die bezahlen quasi einen großen Teil des Umsatzes, der dort gemacht wird. Und der ist wirklich heftig. Also die Mobile-Gaming-Industrie ist inzwischen so umsatzstark wie die Filmindustrie und die Musikindustrie zusammen.
Joel Kaczmarek: In Las Vegas ist es auch so, dass die High Roller, das sind die, die Casinos zahlen und nicht der Hinz und Kunst, die unten an den Blackjack-Tischen sitzen.
Daniel Wolff: Aber weil du sagst, Las Vegas, die Nomenklatur, die die Spieleindustrie ihrer Kundschaft gibt, die stammt aus diesem Zockermilieu. Also ein Wal, es handelt sich um Kinder, die als Wale zu bezeichnen. Es gibt ein ganz bekanntes Video auf YouTube von 2016, wo ein bekannter Spieleentwickler mal sagt, let's go whaling und alle diese kleinen Psychotricks schon mal irgendwie einfach darstellt, mit denen Spielehersteller Kinder und Jugendliche ködern, schrägstrich das Spiel attraktiver machen, schrägstrich das Spiel süchtiger machen.
Joel Kaczmarek: Und jetzt kommen wir mal zu deiner zweiten Regel. Also das erste war ja schon, nachts kein Smartphone. Da haben wir ja gelernt, Familienladestation. Ich habe mich by the way gefragt, ob die die nicht einfach heimlich nachts trotzdem aus den Ladestationen rausholen, die Kids.
Daniel Wolff: Können sie. Man könnte auch ein Tresor machen, aber ich glaube, meine Erfahrung ist, und da habe ich jetzt auch Feedback schriftlich, weil manchmal schicken Eltern mir drei Jahre nach dem Elternabend eine E-Mail und sagen, danke Herr Wolf, das hat tatsächlich funktioniert. Deshalb bin ich mir relativ sicher. Bei uns auch. Es ist zwar manchmal so ein Riesenkabelverhau und man muss wirklich, wirklich blöderweise echt dranbleiben. Die Kinder, natürlich können die auch dann mit 14 mal runterschleichen und tun das auch. Aber es geht ja um die Regelmäßigkeit, um die Routine. Und die Kinder merken schon, wenn meine Eltern sozusagen bereit sind, sich selbst diese Regel aufzuerlegen. Das ist das, was Routine wird. Natürlich gibt es mal Ausnahmen. Aber das kriegt man früher oder später dann sowieso irgendwie auch mit, wenn da immer was an der Treppe knarrt. Ich glaube, bei den allermeisten Kindern, wir müssen ja diese feine Linie zwischen so viel Kontrolle wie nötig und so viel Freiheit wie möglich. Ich glaube, die sollten wir hier bei den meisten Kindern zurechtziehen. Also dass sie da nochmal, wenn sie schon den Aufwand machen, sich heimlich nachts um zwei einen Wecker stellen und dann kurz hinschleichen und wieder zurück. Ja, Mann, dann ist es so. Aber das schaffen die auch nicht jede Nacht. Es geht darum, dieses gewohnheitsmäßig Abhängen vor TikTok jeden Abend.
Joel Kaczmarek: Deine zweite Regel ist ja, nimm es ihnen nicht weg. Was ist denn da nun zu verstehen? Weil das ist ja der Impuls. Okay, mein Kind hat hier Gewaltvideos geguckt im Alter von fünf. Ich kreise das Ding ein. Das ist ja so ein relativ natürlicher Impuls. Du sagst, mach das nicht.
Daniel Wolff: Problem ist, wenn ich das tue, dann lernt mein Kind etwas, was es nicht lernen soll. Mein Kind lernt, es kann mir nicht vertrauen. Weil mein Kind kommt in der Regel zu mir und zeigt mir sowas, weil es meine Hilfe braucht. muss man sich eigentlich heimlich natürlich freuen, bei aller Bestürzung. Weil das heißt dann, ich gehöre zu den fünf oder zehn Prozent Eltern, denen die Kinder sich überhaupt trauen, was zu sagen. Das heißt, es ist ein gutes Gefühl. Aber wenn ich jetzt vor lauter Schreck und dem Instinkt, ich muss mein Kind davor schützen, dem Kind das Smartphone wegnehme, lernt mein Kind, es kann mir nicht vertrauen und kommt nie wieder. Ich mache das, ich bespreche das mit den Kindern auch. Würdet ihr, wenn euch die Eltern das Smartphone wegnehmen und ihr habt es einen Monat später wieder und es passiert noch was Krasseres, geht ihr wieder zu den Eltern? Alle sagen geschlossen, nein. Dann sage ich, warum? Ja, ich bestrafe mich doch nicht selber. Und ich kann aus eigener Erfahrung sagen, ich habe das meinem Sohn, meinem mittleren Sohn, unglücklicherweise mal weggenommen. Das hat einen Schaden angerichtet. Also heute ist er erwachsen, wir reden wieder völlig normal, aber er war damals 14. Das hätte ich mir gar nicht einfallen lassen, wie sehr ihn das quasi beschäftigt hat. Und er hat keine Silbe mehr mit mir geredet. In den Folgejahren. Es hat Jahre gedauert, das wieder hinzukriegen. Und deshalb, ich kann nur sagen, wir müssen sogar aktiv, glaube ich, unseren Kindern präventiv sagen, hör mal zu, du kannst immer mit allem aus dem Internet zu mir kommen. Ich werde dir wegen Inhalten, wegen Inhalten, wohlgemerkt, das Smartphone nie wegnehmen. Und wenn ich das nicht kann, weil ich sage, oh Gott, es gibt so schlimme Sachen, dann sollte ich meinem Kind einfach noch kein Smartphone geben. Ehrlich gesagt. Und deshalb auch da ist ja so ein bisschen die Antwort auf die Frage versteckt, die du vorher gestellt hast. Wann ist der richtige Zeitpunkt? Ja, ab wann kann ich meinem Kind diesen Satz sagen? Ab wann will ich meinem Kind zumuten, dass es eventuell solche Sachen sieht? Ab wann kann ich mir vorstellen, mein Kind nicht zu bestrafen, wenn es einen Porno sieht oder einen Zombie? Das ist tatsächlich das, was passieren wird. Und zwar immer. Deshalb ist es ja so wichtig, dass man mit Eltern spricht, bevor sie ihrem Kind ein Smartphone geben. Und ich wünsche mir auch bei meinem Buch, das ist ein Buch im Prinzip für Eltern, die ihren Kindern eben, die noch vor dieser Entscheidung stehen und gar nicht wissen, wann ist denn der richtige Zeitraum. Weil alle, die sich damit intensiver beschäftigen, rücken das Alter nach hinten. Auch deine Vorstellung ist ja so, würde ich sagen, in einer Welt ohne Gruppendruck. Sie geben es ja nur her wegen dem Gruppendruck oder dem gefühlten Gruppendruck. den die Kinder natürlich auch, weil sie Spaß haben wollen, künstlich aufbauen. Ist ja klar, wenn die Eltern das glauben. Ich habe einen C64 bekommen, weil ich behauptet habe, alle in der Klasse haben einen. Kinder sind da knallhart. Und das Lustige ist, neulich kam mal eine Mutter zu mir und hat gesagt, Herr Wolf, Sie tun immer so, als ob alle Kinder versuchen, ihre Eltern auszutricksen. Da musste ich wirklich lachen, hab gesagt, wissen Sie was, eine der Grundaufgaben der Pubertät ist spätestens, ja, und auch vorher schon, Kinder wollen Spaß. Und wenn die Eltern es glauben, unterschätzen sie bitte niemals ihre Kinder. Niemals.
Joel Kaczmarek: Wenn du sagst, es ist so schwer, denen das wieder wegzunehmen, weil es gibt so den ersten vorpubertären Krach, heißt das dann, die sollten es behalten? oder sollte ich es durchmachen und aushalten? Was würdest du daran?
Daniel Wolff: Ich würde es behalten lassen. Ich würde stattdessen richtig krass regulieren. Das würde ich machen. Ich würde sagen, du hör zu. Wir haben da ein paar Sachen unterschätzt. Deshalb wären wir jetzt massiv, also wenn du acht bist, dann müssen wir erstmal ungefähr so, alle Apps, die nicht für achtjährige sind, gehen nicht mehr. Und zweitens, du brauchst unbedingt eine Kinderschutzsoftware. Du bist acht und wir können nicht jedes Mal dabei sein, wenn du es nutzt. Also müssen wir sowas ausspielen für die Zeit, wo wir nicht da sind. Natürlich ist es so, Eltern übersehen immer wieder. Kinderschutz wird am meisten gehackt, ganz einfach dadurch, dass die Kinder die PIN-Nummer vom Smartphone der Eltern wissen. Da gibt es nochmal eine eigene Kinderschutz-PIN. Die wissen die Kinder aber auch, weil die sind so schlau. Und wenn die motiviert sind, bei 30, 40 Prozent der Eltern, die haben keine Ahnung, dass ihre Kinder sie jederzeit hacken können, wenn sie wollen. Das ist nur ein Hilfsmittel. Es löst niemals das Handy-Problem, auch für Jüngere nicht. Und ich würde bei einem Achtjährigen sagen, der es schon hat, oh weia, du pass auf, ich habe einen Riesenfehler gemacht. Ich würde es dir lassen, weil jetzt habe ich diesen Fehler schon mal gemacht, aber du nutzt es bitte nur zu der und der Zeit, so und so lange, wenn die Hausaufgaben gemacht sind, nachts nie. Ich weiß alle Apps, die du installiert hast, weil wir eine Kinderschutzsoftware installieren, es gibt nämlich Apps, die sind extrem schlecht für Kinder. Wir unterhalten uns über all diese Dinge vorab und wir machen einen sogenannten Mediennutzungsvertrag. Wir gehen auf mediennutzungsvertrag.de, schauen uns alle Regeln durch, die es da gibt, besprechen die zusammen, am besten die Eltern zusammen erstmal vorneweg. Das ist so ungefähr der Fahrplan, den ich machen würde, aber ich würde ihn mit Herzschmerzen machen, muss ich sagen. Weil bei einem Achtjährigen, ehrlich gesagt, es ist nicht erziehbar, weil ich kann nicht jedes Mal dabei sein. Da würde ich dann wirklich geringe Zeiten machen und vor allem, da muss ich mir dann zugestehen, ich muss wie ein Berserker wirklich dahinter sein, niemals nachts. Eltern sind nicht die Freunde ihrer Kinder. Wir sind die Eltern. Und ich sage immer ein Nein mit Liebe. Haha. Das muss ich aber durchsetzen können im Interesse meiner Kinder. Ich bin nicht gegen Smartphones als Technologie. Ich bin gegen die durchtriebenen, von Eltern unerkannt effiziente Algorithmen. Das ist so das. Also quasi das, was als Pursuasive Design im Silicon Valley gilt oder als Addictive Design. Sobald das richtig gut Einzug hält, es gibt Spielefirmen, die beschäftigen Kinderpsychologen, um ihre Apps noch attraktiver zu machen. Da gibt es tausend Beispiele. Es gibt auch Betreiber von YouTube-Kanälen wie Cocomelon, also ein YouTube-Kanal für Zwei- bis Dreijährige, die forschen mit Kleinkindern. Die setzen Zwei- bis Dreijährige in einen Testraum, wo sie dann gucken, an welcher Stelle sie ihre Videos noch schneller geschnitten, noch bunter, noch quietschiger machen müssen. Gegen die müssen wir uns wenden. Also wenn jemand quasi aus Profitgründen das Wohl von Kindern gefährdet, Das ist das, was das Problem ist. Und nicht die Smartphones selbst, sondern wir müssen uns Gedanken machen, was passiert da quasi im Hintergrund. Und natürlich müssen wir als Eltern lernen, Regeln einzuführen und durchzusetzen. Und Kinder wollen Regeln unter zwei Bedingungen. Die eine ist, sie müssen sie gut verstehen, die muss man also gut erklären. Und das zweite ist, sie müssen sich fair behandelt fühlen. Also müssen sich die Eltern auch an Regeln halten. Zwar nicht die gleichen, aber die Kinder müssen merken, aha, meine Eltern sind auch nicht süchtig. Nur dann geht es.
Joel Kaczmarek: So und jetzt habe ich noch zwei Heavy-Hitter-Themen mit dir zum Abschluss. Cybermobbing, Cybergrooming. Vielleicht fangen wir mit dem Mobbing mal an, weil das ist ja auch was, ich glaube, da können auch viele aus meiner und deiner Generation gar nicht mit relaten. Das ist halt Mobbing, was mit einem Schulklingel nicht aufhört. Und was ist denn da so? das Big Picture, was erlebst du da an der Front?
Daniel Wolff: Das Big Picture ist, dass die Thematik nach unten rutscht. Ich habe vor acht Jahren das noch nicht im Programm gehabt. Vor sechs Jahren haben so viele Schulleitungen mich gebeten, bitte mach was nur zu diesem Thema. Und dann wurde ich am Anfang immer gebucht in achten, neunten, zehnten Klassen. Dann kam Corona, dann rutschte es in die sechsten, siebten. Inzwischen ist es auf dem Weg in die fünften. Und teilweise sogar schon an Grundschulen ein Problem. Das heißt, mit dem immer jünger werdenden Alter, sozusagen dieses Vollbesatz des Smartphones, ist auch diese Problematik nach unten gewandert, was Deshalb tragisch ist, weil die Kinder, je jünger sie sind, desto verletzlicher sind sie. Desto weniger halten sie das aus. Und vor allem, wenn sie es in die Nacht reinzieht. Nachts ist Cybermobbing härter. Nachts ist alles härter. Aber eben auch das Mobbing. Und das unterschätzen Eltern gnadenlos, weil sie ja gar nicht wissen, dass das nachts passiert. Und wenn dann in der Früh, ich hatte sogar als Lehrer mal so einen Fall, ich stehe im Unterricht Die Sonne scheint, ich habe Englisch, gibt es erst irgendwie eine kleine Rechenschaftsablage. Und plötzlich so nach 20 Minuten fängt ein Mädchen an, laut zu weinen. Und zwar so sehr, dass sie gar nicht mehr aufhören kann zu weinen. Und alle in der Klasse wissen warum. Ich nicht, weil ich bin der Einzige, der nicht im Klassenchat ist. Und dann stellt sich im Nachhinein raus, die haben sich zu dritt gestritten. Die ganze Nacht, zwei gegen einen in dem Fall. Also zwei Mobberinnen gegen eine Betroffene. Und dann ist sie einfach in der Schule zusammengebrochen. Und die waren nicht mehr beschulbar. Ich musste sie nach Hause schicken. Ich musste sie abholen lassen. Und das heißt, Eltern können sich sowas gar nicht vorstellen, weil sie ja das eben nicht wissen. Und Cybermobbing ist natürlich heute viel härter. Es gibt ja gar kein Mobbing mehr ohne Cyber quasi. Und deshalb, viele Erwachsene denken auch, ja, das ist ja nur, durch den Bildschirm kann mir keiner einer runterhauen, so schlimm ist es nicht. Aber das stimmt nicht, weil das Mobbing ist ja in der Schulzeit auch noch. Ich kann schon mal einen runtergehauen bekommen, aber jetzt gibt es noch ein Video davon und das läuft die ganze Nacht. Und das belastet natürlich die Betroffenen viel mehr und auch, weil sie nie wissen, wer das noch alles sieht. Weil das kann die ganze Schule sehen oder die ganze Welt, wenn es richtig peinlich ist. Das heißt, auch Lehrkräfte werden öfter gemobbt, als sie es eigentlich wissen überhaupt. Und auch da gibt es die ersten Geschichten. Wir müssen, glaube ich, dieser Thematik alleine schon wegen unbedingt dieses Vertrauensverhältnis aufbauen, weil leider auch da ist es so, wenn ein Kind gemobbt wird, die, die es zuletzt erfahren, sind die eigenen Eltern. Die Kinder schämen sich, sie denken, sie werden zu Recht gemobbt und vor allem sie haben Angst, die Eltern würden das nicht verstehen und ihnen vielleicht das Handy wegnehmen. Weil, hey, du hast ein Problem mit deinem Smartphone, weißt du was, wir machen als Smartphone Pause. Und genau das wollen sie nicht, weil dann wissen alle, dass sie gemobbt werden bzw. oder wenn sie morgen ins Zimmer reinkommen, alle lachen und man weiß nicht mal warum. Das schließt die Kinder aus, das ist noch schlimmer, wenn sie quasi wenigstens mitlesen können. Cybermobbing ist leider inzwischen an jeder, das kann man wirklich sagen, an jeder Schule ein Problem. Als ich angefangen habe, da gab es noch einige Schulleiter, die haben gesagt, nee, darüber machen wir nichts, sonst denken die Eltern bei uns, gibt es dieses Problem. Inzwischen werde ich mein Kind nicht mehr an eine Schule schicken, die nicht Präventiv gegen Cybermobbing. Was macht? Ich sage dann auch immer gerne, hört mal zu, niemand auf der Welt hat es verdient, gemobbt zu werden. Und wenn es euch passiert, denkt euch bitte, ihr seid in bester, bester Begleitung. 500.000 Kinder, da gibt es Statistiken, die sind unglaublich. Gemobbt wird inzwischen so, je nach Statistik gibt es mehrere, jedes fünfte, sechste oder siebte Kind. pro Klasse irgendwann mal im Laufe seiner Schulaufbahn. Das heißt, pro Klasse, wenn ich mal 30 Schüler annehme, sind es vier oder fünf Kinder im Durchschnitt. Nicht alle gleichzeitig, aber das ist eine Katastrophe. Prävention ist bei Cybermobbing wirklich mega wichtig. Wenn ich den Kindern von vornherein sage, hört zu, sobald ihr merkt, da wird immer derselbe irgendwie beleidigt, gedemütigt, bloßgestellt, sagt es sofort, hey, geh mit deinem Hate woanders hin. Können die machen, dann findet es aber wenigstens nicht mehr im Klassenschild statt.
Joel Kaczmarek: Was ist denn sonst so eine Taktik, damit umzugehen, die du als bisher wirksam kennengelernt hast?
Daniel Wolff: Ich glaube, ich habe in den Vorträgen, die ich mache, so eine Passage drin, wo ich sage, hört mal zu, wer andere mobbt, hat immer selber ein Problem. Und da ist bei 150 Achtklässlern Totenstille. Dann sage ich, man mobbt aus Schwäche, nicht aus Stärke. Wer stark ist, hat es nicht nötig. Das ist ganz interessant, wie die Kinder Blicke austauschen bei diesen paar Sätzen. Sagt mir, ob es in diesen Klassen Probleme gibt oder nicht. Kinder nehmen es oft so wahr, der, der mobbt oder die, die mobbt, ist stark, weil er oder sie traut sich ja, über den anderen herzuziehen. Deshalb, wenn ich, ich sage was kontraintuitives, ich sage, Moment mal, wer andere mobbt, hat ein Problem. mit sich in der Gruppe, in der Klasse oder in der Gesellschaft. Und deshalb versucht der andere zu erniedrigen, um sich selbst zu erhöhen. Und das ist sehr, sehr spannend. Das ist das eine, Prävention. Und das andere ist natürlich, wenn man das begleitet und man kriegt mit, da passiert was, dann ist der Schlüssel meistens, dass man die Mitschüler dazu kriegt, sich zu trauen. Und meistens trauen die sich am besten, wenn sie halt das Gefühl haben, sie werden nicht selbst dann als nächstes gemobbt. Und deswegen kriegt man am besten hin, wenn die alle gleichzeitig plötzlich den Mund aufmachen. Das ist ein bisschen quasi digitale Zivilcourage. Wenn ich es schaffe, die zu fördern bei den Mitschülern, dann trocknet sozusagen das Setting aus, in dem Cybermobbing im negativen Sinne fruchtbar ist. Das heißt, die Mitschüler sind da der Schlüssel und natürlich gibt es mehr oder weniger Talentierte und ausgebildete Lehrkräfte, die da mithelfen. Aber viele Schulen haben ja auch noch Schulpsychologen, Vertrauenslehrer und so weiter. Es gibt ja ein Apparat, zumindest an vielen Schulen leider oft gnadenlos überlastet. Das muss man auch dazu sagen, da müssen wir viel mehr dafür tun. Ich weiß mal, in drei Jahren habe ich nebenher Halbzeit in England gewohnt, weil meine Frau dort einen Job hatte. Und in englischen Schulen wird das sogenannte Well-Being 10 Mal mehr betont als bei uns. Und das sollten wir auch machen. Erstmal muss den Schülern gut gehen und dann können die was lernen. Ich glaube, dieser Ansatz ist sehr, sehr wichtig. Bei uns geht es oft nur um irgendwie Noten und der Rest schleift hinten her. Ich glaube, da sollten wir vielleicht viel mehr Wert drauf legen. Und ich glaube auch, jede Schule tut gut daran, eine Medienstunde einzuführen, eine Mediensprechstunde, wo Kinder hingehen können, die irgendein Problem im Internet haben. Das ist Gold wert. Wenn sie eine Lehrkraft pro Schule haben, die sich da auskennt, die bereit ist, quasi auf Augenhöhe mit den Kindern zu reden, das nimmt so viel an Katastrophen für die Kinder raus. Da höre ich nur die besten Dinge. Mediensprechstunde. Ganz dringende Empfehlung an alle Schulen. Genau.
Joel Kaczmarek: Bringt es denn was, diese Klassenchats zu unterbinden? Also wenn dann da 20 Kids in so einem Chat sind?
Daniel Wolff: Nein, bringt nichts. Bei den ganz Jungen könnten die Eltern sich ja Folgendes überlegen. Wenn mein Kind mich fragt, darf ich WhatsApp? Dann kann ich entweder Ja sagen oder ich sage, hör mal zu, du darfst es, aber nur unter einer Bedingung. Ich möchte ab und zu reinschauen. Ich möchte nicht reinschauen, um dich zu kontrollieren. Ich möchte reinschauen, um dich und mich zu schützen. Es gibt Inhalte, die sind so verboten, dass sogar der Besitz strafbar ist. Wenn du sowas kriegst, wirst du es mir aber nicht sagen wollen, weil du willst keine Petze sein. Ich werde es dir immer vorher sagen. Ich schaue nie alleine rein. Und ich tue es, wie gesagt, nicht zu deiner Kontrolle, sondern zu unserer beider Schutz. Magst du WhatsApp haben? Da sagen alle Kinder dann in der Regel, ja, okay. Und dann habe ich das geklärt. Aber das kann ich eben nur machen am Anfang. Deshalb ist der Anfang so wichtig. Und in einem Klassenchat, wo bekannt ist, dass zwei, drei Eltern mitlesen, gibt es weder Hitler noch Pornos noch müßes Mobbing. Natürlich kann ich nie verhindern, dass es noch einen zweiten Klassenchat gibt. Oder eine Ausgründung nur zum Spaß, Klassenchat. Oder hier Lehrer nicht reinschauen oder Eltern nicht reinschauen, Klassenchat. Sowas gibt es immer, ist schon klar.
Joel Kaczmarek: Muss man dann geschickt sein, so im Archiviert-Ordner nachgucken, ob sie da hingehören.
Daniel Wolff: Naja, aber wie gesagt, ich würde niemals heimlich was nachgucken. Das ist ein Schmarrn, weil ich brauche ja das Vertrauen meines Kindes. Mein Kind muss auch verstehen, warum ich das will. Und natürlich irgendwann, wenn es mal 13 ist, dann werde ich damit auch automatisch aufhören, weil dann wird die Privatsphäre immer wichtiger. Aber in dem ganz verlässlichen Alter vorher, wenn ich da tatsächlich schon entscheide, ich muss meinem Kind ein Smartphone geben, Dann bitte, bitte bei WhatsApp von vornherein aushandeln, ab und zu reinschauen und auch ab und zu reinschauen, weil man kriegt dann ein viel besseres Gefühl, wie krass das ist einfach schon. Ich erlebe immer wieder, dass Erwachsene, die in den Klassenchat reinschauen, die völlig konsterniert sind, was da getauscht wird. Hitler-Bilder zum Beispiel. Hitler-Bilder halten die Kinder für harmlos. Gibt es ja schon in der Grundschule. Und wir wissen das gar nicht, weil wir einfach diese Welt nicht kennen. Ich finde es aber gut, wenn wir ein Gefühl dafür haben. Beschreibe das ja nur. Ich finde das ehrlich gesagt keine super coole Idee, aber Andererseits, die Eltern installieren ja WhatsApp als erstes, sofort. Ist ja einer der Gründe, warum sie überhaupt ein Smartphone haben und kein Mobiltelefon, so ein altes Tastenhandy, wegen WhatsApp. Und wenn wir das unseren Kindern sowieso selbst gleich installieren, egal wie alt die sind. Dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn da auch mal wieder was schief geht. Aber wir haben halt, sogar Erwachsene übrigens streiten sich in Gruppen gerne mal, weil sie unterschätzen, wie komplex die Dynamik ist, die eben auf WhatsApp schnell mal so irgendwie auftreten kann, weil man sieht sich ja nicht.
Joel Kaczmarek: Und jetzt kommt ja noch so, haben wir uns für den Schluss aufgehoben, der gruseligste Teil, Cyber Grooming. Also das bedeutet, so wie ich es von dir verstanden habe, dass erwachsene Menschen, also in der Regel Pädokriminelle, kleinen Kindern nachstellen im digitalen Raum. Und was für mich die überraschendste Feststellung war, die ich durch dich gelernt habe, war, das sind im Großteil der Fälle gar nicht Pädophile, sondern eher so gescheiterte Menschen, die so beziehungstechnisch irgendwie nicht so ankommen. Aber da kannst du bestimmt gleich mehr zu sagen. Was sind denn so die größten Gefahren, die da irgendwie drohen und wo wir dann Maßnahmen ergreifen können?
Daniel Wolff: Also zunächst mal muss man sagen, es gibt eine Schattenwelt im Internet. Ich weiß nicht, hast du es mitbekommen, gestern diese Aktion, 1,8 Millionen Leute haben KidFlix abonniert im Dark Web. Ein Netflix für Kinderpornografie. Mich wundert das schon gar nicht mehr. Es ist unglaublich frustrierend. Das ist eine Sache, wo viele Eltern denken, ja, das ist schrecklich, aber mein Kind doch nicht. Und da ist schon der erste Fehler. Wenn man einem Kind ein Smartphone gibt, dann verbindet man es mit 100 Millionen Menschen, Milliarden Menschen kann man sogar sagen. Und nicht alle davon sind nett. Die meisten schon. Aber eben nicht alle. Und man muss Kindern heute bei der Übergabe des Smartphones, das ist das Verrückte, weil je jünger die Kinder sind, desto weniger denkt man, dass es zusammenpasst. Aber ich glaube, wenn wir über diese Problematik nicht mit unseren Kindern reden, gefährden wir sie umso mehr. Wir müssen unseren Kindern sagen, und ich mache das immer so, dass ich sage, hör zu, es gibt Menschen, das können jüngere Menschen sein oder ältere Menschen, die mögen gerne entweder Kinder nackt ansehen oder Kinder nackt berühren. Das ist, glaube ich, so eine kindgerechte Formulierung, wo sich auch in den Grundschulen keiner aufregt. Das müssen Kinder wissen. Und sie müssen auch wissen, dass es verboten ist. Und sie müssen auch wissen, dass der Versuch verboten ist. Also wenn ein Kind gefragt wird, hey, magst du mal ein Bild von dir schicken, wo du vielleicht nicht so viel an hast oder nur ein Bikini oder vielleicht gar kein Bikini, dann ist die Frage alleine schon ein Verbrechen. Das wissen die Kinder nicht. Woher denn? Oder bist du allein zu Hause? Wenn sie gefragt werden, wie alt bist du wirklich? Dann sage ich, antworte doch mal mit, ich bin 55 und Kriminalkommissar. Und wenn derjenige dann nie wieder antwortet, dann war es auch nicht euer Freund. Aber dann sage ich natürlich ganz Spaß beiseite, ganz ehrlich, wenn sowas kommt, redet sofort mit euren Eltern, schickt niemals irgendjemand Fotos von euch und natürlich trefft euch erst recht niemals alleine mit irgendwem, ohne dass eure Eltern wissen. Und ich kann nur sagen, diese ganze Thematik habe ich mir nicht ausgesucht. Ich hasse sie. Ich muss ehrlich sagen, ich habe so eine Abneigung. Ich finde das so dunkel und morbide und schlimm. Und wenn man sich das vorstellt, 1,8 Millionen Leute, die da KidFlix abonnieren und sich quasi an dem Leid von Kindern, die missbraucht werden, ergötzen. Das ist für mich, ich flipp da aus. Ich werde richtig wütend. Aber das hilft ja nichts, würde es sein. Wir müssen Kinder schützen. Und ich kann nur sagen, wir müssen unsere Kinder darauf vorbereiten, dass sie tatsächlich gegroomt werden. Und Grooming heißt ja, jemand möchte das Vertrauen eines Kindes erringen, indem er zum Beispiel sehr viel mit ihm Roblox spielt. Und es wird auch immer unterschätzt, die Spieleplattformen haben Chatkanäle. Und selbst wenn es nur kleine lustige Munchguides sind, die da rumlaufen, die Chatkanäle, die können für alles benutzt werden. Da kann einer schreiben Heil Hitler, der nächste kann schreiben, hey, bist du gerade allein zu Hause, treffen wir uns mal, du spielst doch das Spiel auch schon so lang. Und teilweise, man muss immer davon ausgehen, Pädokriminelle sind ja Menschen, die wissen, dass sie Straftaten begehen. dementsprechend intelligent machen die das auch und dementsprechend vorsichtig sind die und dementsprechend viel Energie stecken die da rein. Und jetzt kommt noch was dazu, was im Buch noch gar nicht steht. KI lässt sich für Cyber Grooming einsetzen. Ich kann in Zukunft, ich kann 50.000 Agenten auf Roblox setzen, die mit Kindern chatten. Automatisch, das merken die nicht und lassen mir nur die Kinder quasi ans Tablett liefern, die dafür empfänglich sind. Ich habe, ehrlich gesagt, da wird mir sehr mulmig. Wir müssen über diese Thematik reden, weil wir tun es nicht. Wir denken uns, nee, unsere Kinder nicht. Und wir müssen uns darüber im Klaren sein, diese Menschen schrecken von nichts zurück. Nichts. Es gibt Anleitungen, wie man Kinder grunt auf Telegram im Dark Web. Die jagen im Rudel. Es gibt, genauso wie es Vergewaltigungs-Server gibt, wo Anleitungen für K.O.-Tropfen sind. Wie vergewaltige ich eine Frau? Kämpft, wenn man so will, die Gegenseite. Wir dürfen unsere Kinder hier nicht alleine lassen. Und ich habe selbst schon, ich kannte das nur aus Büchern, mache dann meine ersten Grundschuldigitaltage und sofort kommt es aufs Tablett, diese Thematik, wo sich eine Schülerin mit jemandem treffen will, den sie von TikTok kennt. Und es roch 100, auch für mich als damals noch unerfahrenen Digitaltrainer, 100 Meter gegen den Wind, dass dieser Freund kein Elfjähriger ist, sondern inzwischen deutlich älter ist. Und dass sie in großer Gefahr ist. Ich habe noch falsch reagiert. Ich war so verdattert. Ich habe sie gehen lassen. Ich habe ihr nur gesagt, du gehst da bitte auf keinen Fall hin und schick mir heute Abend deine Eltern. Heute weiß ich, ich darf ein Kind, das so etwas vorhat, nicht mehr aus den Augen lassen. Zum Glück hat sich alles gut entwickelt. Die Schulleitung hat dann herausgefunden, welches Kind es war. Die Polizei kam rechtzeitig. Aber das hat mir gleich am Anfang gezeigt, ich konnte in der Nacht nicht schlafen. weil ich nicht wusste, ob da nicht was Schlimmes passiert. Und bis dann am nächsten Tag der erlösende Anruf kam. Die Kinder sagen auch das natürlich nicht ihren Eltern. Sie schämen sich manchmal und sie werden hochgradig manipuliert. Und wie gesagt, nicht alle Pädokriminellen sind pädophil. Es gibt sehr, sehr viele anders irgendwie perverse Menschen, die in echt nie an eine Frau herankommen würden, die eben ihre ganze Energie dann ins Internet channeln und da versuchen, bei Kindern zum Erfolg zu kommen. Und ich kann es nur nochmal sagen, das ist so eine schlimme, schlimme Thematik. Aber wir dürfen die Augen nicht zumachen. Das Einzige, was hilft dagegen, ist, dass wir tatsächlich sagen, hey, Moment, du bist einfach, wenn ich es nicht weiß, dann muss ich, die Amerikaner haben diesen Spruch, delay, delay, delay, dann muss ich einfach noch warten. Weil Kinder, die größer sind, sind automatisch schon ein bisschen erfahrener, ein bisschen weniger manipulierbarer. Ein bisschen stabiler einfach und kann man sie nicht so leicht mit Komplimenten oder auch richtig bestechen. Sowas gibt es ja auch. Es gibt auf Fortnite Spieler, die plötzlich dem anderen Spieler, wenn sie merken, der ist erst neun oder zehn und da gibt es hunderttausend auf Fortnite, plötzlich ein Angebot gemacht, ich gebe dir 10.000 V-Bucks, 100 Euro, wenn du mir mal kurz bitte die Hose runterziehst. Und dann kriegst du später noch eine Million V-Bucks, wenn du dich heimlich mit mir triffst. Das ist richtige Bestechung. Weil die wissen, wie gerne die Kinder diese künstlichen Währungen haben und wie wichtig die für die sind. Und junge Kinder haben oft nicht so viel Taschengeld. Die kann ich mit relativ wenig wirklich bestechen. Auch das ist wieder, wann soll mein Kind ein Smartphone haben? Ja, aber wann will ich mit meinem Kind über Pädokriminelle reden? Weil das muss ich meiner Auffassung nach, bei der Übergabe spätestens machen. Wenn ich es nicht mache, schicke ich mein Kind in eine Welt, wo es Menschen gibt, die wollen mein Kind nackt sehen oder nackt berühren. Und auch mein Kind kann es treffen.
Joel Kaczmarek: Daniel, also das war ja wirklich ein Feuerwerk an Informationen, auch an Grusel-Eindrücken, wollen wir ehrlich sein. Also vieles von dem, was wir heute besprochen haben, darf ja auch echt Angst machen. Aber ich freue mich trotzdem sehr, dass du dich dem annimmst. Also ich glaube, die 16 Euro für dein Buch sind mit so die bestinvestiertesten, die man
Daniel Wolff: Danke schön. Aber pass auf, ich will nicht, dass irgendjemand jetzt frustriert oder geschockt nach Hause geht, was am Ende übrig bleiben muss. Und das ist vielleicht auch für alle Hörer wichtig. Ihr werdet es schaffen. Man muss jedem wirklich viel Glück und Erfolg wünschen, gemeinsam mit seinen Kindern das Internet zu entdecken. Gemeinsam. Das ist hier, muss man nochmal unterstreichen. Und wir werden das Beste geben. Für unsere Kinder. Aufgeben gilt nicht. Aber wir müssen uns natürlich schon die Größe der Problematik bewusst machen. Aber ich will nicht, dass jemand verzweifelt. Also bitte, jetzt loslegen. Ins Machen kommen.
Joel Kaczmarek: Was für ein gutes Schlusswort, Daniel.
Daniel Wolff: Vielen, vielen Dank. Hat Spaß gemacht.