Was bedeuten ESG-Kriterien für Investoren und Startups?

19. Juli 2021, mit Joel Kaczmarek

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Intro: Digital Kompakt. Heute aus dem Bereich Recht. Mit deinem Moderator Joel Kaczmarek. Los geht's.

Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von Digital Kompakt und wenn du hier einschaltest, bist du wie ich auf der Suche nach spannendem Wissen und nicht minder spannenderen Menschen. Beides kriegst du heute wieder frei Haus geliefert und zwar geht es heute in die Legal-Richtung. Wir sprechen nämlich über ESG-Kriterien. Ich finde ein super spannendes, weil auch zeitaktuelles Thema, denn ESG steht ja für Environment, Social und Governance und bedeutet nicht weniger, als dass ich mir überlege als Unternehmen, wie möchte ich eigentlich ethisch agieren. Und wir werden heute vor allem einen Blick werfen in Richtung Fons, weil der liebe Joel El-Kalkili, den ich heute als Partner da habe, als Gesprächspartner, der hat nämlich seinen Background im Bereich Fons. Joel, bei diesem großartigen Namen sind wir uns alle einig, kann ja nur gut sein. Er ist nämlich in einer Kanzlei aktiv, die ihr auch schon kennt bei uns aus dem Podcast. Sie hieß bis dato SMP, hat jetzt ein spannendes Rebranding hinter sich, nennt sich jetzt YPOG. Weil Y steht nämlich für You, also es geht um euch bei dieser Kanzlei und POG steht für Partners of Game Changers. Also ihr merkt, die Jungs und Mädels schreiben sich hier richtig was auf die Fahne, die wollen was erreichen. Und mit Joel, wie gesagt, reden wir heute über ESG-Kriterien. Da fangen wir an, mal drüber zu sprechen, was sind eigentlich die Trigger? Was kommt sozusagen auf gerade, dass so etwas aktuell wird? Was sind die wesentlichen Merkmale von ESG-Kriterien? Und dann tauchen wir ein in die Regulatorec. Das heißt, wir nehmen genau auseinander, was für Faktoren sind da relevant, welche nicht. Und na klar, nach hinten raus interessiert uns dann alle, was verändert das eigentlich für Fondsmanager, also für Investoren im Klartext und was heißt das für Startups? So, Joel, habe ich das alles richtig wiedergegeben?

Joel El-Qalqili: Wer hat da einen Namen? Ja, danke Joel. Ja, ich glaube, das ist alles richtig. Vielleicht würde ich nochmal betonen, so fürs Erwartungsmanagement, ich bin in der Beratung und Strukturierung von VC- und PE-Fonds aktiv. Das ist also meine Perspektive auch auf das ESG- und Impact-Thema. Ja. Unterscheidet sich deshalb ein bisschen so von allgemeiner Corporate-Beratung.

Joel Kaczmarek: Gut. Und wie angedroht, wir steigen ein, einfach mal über Trigger als erstes ganz basic zu reden. Klar, wir haben alle sofort Fridays for Future im Kopf, aber wie kommt es sonst, dass man sich in deiner Welt, in der PEVC- und Fondswelt über sowas Gedanken macht?

Joel El-Qalqili: Ich glaube, den Punkt mit Fridays for Future, den du ansprichst, das ist schon wichtig, weil das steht ja für mehr. Das steht so ein bisschen für den Zeitgeist generell. Und da ist das einfach ein wahnsinnig relevanter Faktor, dass immer mehr Menschen für sich akzeptieren, dass es einen Klimawandel gibt, eine Klimakrise gibt und einen Verlust von Biodiversität. Dass das ein Riesenproblem ist und dass viele Menschen ihr Verhalten entsprechend ändern wollen und dann verletzen. Befinden wir uns irgendwie alle in der gleichen Situation, wenn wir im Supermarkt stehen und uns überlegen, was kaufe ich jetzt eigentlich, was ist noch okay, wo möchte ich mich beschränken? Und so geht es halt Leuten auch, wenn die investieren. Und so geht es auch Leuten, wenn die einen Fonds auflegen wollen. Also dieser allgemeine Mindset-Shift, das ist ein ganz, ganz wichtiger Treiber in dieser Geschichte. Das ist nur einer von dreien. Die anderen beiden würde ich sehen einmal so ein bisschen in der Marktdynamik. Es drückt sich letztlich auch einfach nur der Zeitgeist aus, aber immer mehr Investoren haben halt selbst eigene Vorgaben und fordern deswegen von Fondsmanagern einfach ein, dass bestimmte Kriterien eingehalten werden. Das heißt, das ist so ein bisschen Angebot und Nachfrage, auf die man als Fondsmanager reagiert und Regulatorik. Das ist einfach auch der Gesetzgeber, vor allem auf europäischer Ebene, der sagt, wir müssen eine Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft schaffen und haben dann auf europäischer Ebene ein riesiges Maßnahmenpaket aufgelegt und da haben wir jetzt gerade auch im Fondsbereich schon die ersten konkreten Gesetze, die dieses und nächstes Jahr reinkommen und anwendbar sind und ganz konkret vom Fondsmanager bestimmte Dinge abverlangen.

Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, es gab ja auch diesen Green New Deal der EU, wo man jetzt nicht auf die Fahne schreibt oder sich selbst verordnet, da mehr zu tun. Gut, dann finde ich, sollten wir mal konkret werden. Also schon angedroht, ESG steht für Environment, Social und Governance. Und was sind die wesentlichen Merkmale dieses Konzeptes, dieser Kriterien? Was ist damit gemeint?

Joel El-Qalqili: Also eigentlich im Allgemeinen geht es darum, welche nicht finanziellen Kriterien lege ich einfach an, wenn ich investiere. Worum geht es mir außer Gewinn? Da gibt es jetzt eben diese drei großen Kategorien Umwelt, also ökologisch, Sozial- und Unternehmensführung. Und wir sind jetzt momentan auch von der regulatorischen Seite her mit einem ganz großen Schwerpunkt auf E, also ökologisch unterwegs. Da geht es eben darum, was habe ich für einen CO2-Ausstoß, für einen Footprint, wie kann ich den reduzieren? Später kommen dann eben auch S und G dazu.

Joel Kaczmarek: Und ich meine, jetzt möchte man ja eigentlich meinen, dass es nicht unbedingt eine Klimakatastrophe braucht, um unternehmerisch Investoren seit jetzt kein Arschloch zu sein, um es mal ein bisschen flapsig zu sagen. Ist es wirklich so, dass du merkst, dass dieses Thema ESG jetzt vermehrt in den letzten 24 Monaten aufkam oder gab es das eigentlich schon immer und es wird jetzt nur intensiver gelebt und herausgekehrt?

Joel El-Qalqili: Ich glaube, das gibt es tatsächlich schon immer in ganz unterschiedlichen Abstufungen. Also wenn man sich anguckt, es gibt ja so Faith-Based Investing. Es gibt entweder so zum Beispiel katholisch geprägte Investoren oder islamische Investoren, die da ganz starre und strenge Vorgaben schon immer haben. Die Bewegung in den Mainstream auch bei uns hinein, die ist jetzt auch schon seit einigen Jahren zu sehen, aber hat halt extrem an Fahrt aufgenommen. Dadurch, dass eben der Gesetzgeber da gesagt hat, wir müssen das regulatorisch auch nachhalten. Das reicht nicht, dass wir sagen, der ehrbare Kaufmann will das schon ordentlich handhaben, sondern da kommen eben regulatorische Pflichten drauf. Also Zeitgeist und Regulatorik kommt hier zusammen und erzeugt so eine ganz schön starke Dynamik. Und in den letzten zwei Jahren haben wir das schon gesehen. Und dieses Jahr ist es extrem angezogen, weil eine europäische Verordnung eingegriffen ist. Da geht es um Transparenz im Hinblick auf ESG. Und da ist extrem viel Bewegung in den Markt gekommen, so bei Fondsmanagern.

Joel Kaczmarek: Hangeln wir uns doch mal durch die drei Buchstaben durch. Also du hast gesagt, E ist gerade das Fokussierteste. Wenn du jetzt als Fondsbetreiber quasi environmental friendly investieren möchtest, also dem E Rechnung tragen, was für Merkmale, was für Faktoren werden da angelegt?

Joel El-Qalqili: Grundsätzlich habe ich immer so ein bisschen zwei Seiten, die ich mir anschaue. Erstmal gucke ich mir an, Was kann ich als Fondsmanager in meiner eigenen Organisation eigentlich alles tun? Da gibt es die üblichen Dinge. Ich kann gucken, dass ich meine Reiseaktivitäten möglichst runterfahre und das, was unvermeidbar ist, entweder mit dem Zug mache oder kompensiere. Ich kann mein Büro irgendwie grün betreiben. Also das sind so Themen, die ich selber machen kann. Das geht ja runter bis Mülltrennen im Grunde. Das hat alles so ein Begrenzungsprozess. Grenzenimpact, weil Fondsmanager eben keine wahnsinnig große Organisation haben. Ich kann es aber eben auch auf meine Fonds übertragen. Ich kann sagen, wenn ich mit dem Fonds investiere, dann müssen bitte alle Portfoliounternehmen sich bemühen, diese Richtlinie, die ich für mich selbst aufgesetzt habe, auch umzusetzen. Und das kann ich in der Regel nicht so wirklich bindend machen. Gerade im VC-Bereich habe ich keine Mehrheitsbeteiligung, bei der ich sagen kann, hier Portfolio unternehmen, bitte tu dieses und jenes. Aber ich kann schon mich bemühen, das dort umzusetzen, mehr auf einer freiwilligen Basis. Ich kann die auch überzeugen oder ich kann mit anderen Investoren zusammen in der Transaktionsdoku darauf hinwirken, dass das funktioniert. da einen Gang findet. Und dann hast du natürlich einen größeren Hebel. Das kennen wir von Leaders for Climate Action zum Beispiel. Die machen ja genau das. Die sagen, einmal gucken wir uns selbst an, unsere Organisation, und wir möchten das auch in die Transaktionsdoku reinbekommen. Zumindest mal so als weiche Klausel, dass die Portfoliounternehmen sich bemühen, da ihren ökologischen Fußabdruck in den Griff zu kriegen.

Joel Kaczmarek: Und ich sage mal so, wer ist hinterher derjenige, der das überprüft? Was ist so das Regulativ dessen? Ich kann jetzt sagen, ich will versuchen, weniger hier mit einem Privatjet anzureisen. Aber wie dokumentiere ich das denn eigentlich?

Joel El-Qalqili: Also da muss ich jetzt ein bisschen weg von Leaders for Climate Action, weil ich da nicht involviert bin, das im Detail nicht so gut kenne. Aber das ist im Grunde genau das, was der Gesetzgeber jetzt aufgreift. Der sagt, okay, die ganze Welt erzählt mir, wie nachhaltig sie doch alle sind und was sie alles Gutes tun. Und ich möchte ganz gerne sicherstellen, dass diese Kommunikation an den Markt und zu potenziellen Investoren, dass die einen Mindeststandard an Transparenz auch berücksichtigt. So, und da hat er dann die SFDR. Sustainable Finance Disclosure Regulation erlassen. Die gilt jetzt ab 10. März diesen Jahres. Und da muss tatsächlich jeder sagen, erstens berücksichtige ich nachteilige Auswirkungen meiner Investments auf die Umwelt oder nicht. Wenn ich sage, ja, ich mache das, jeder möchte gerne sagen, ja, na klar, gucke ich mir bei Investments an, ob ich da irgendwie Schaden anrichte. Wenn ich das aber sage, dann muss ich eine ganze Latte an Folgepflichten einhalten. Dann muss ich ganz konkrete KPIs anlegen auf mein Portfolio und das dann aggregiert disclosen auf meiner Webseite. Also genau diese Art von Accountability, sage ich jetzt mal, die forciert der Gesetzgeber da.

Joel Kaczmarek: Gut, gehen wir mal weiter. Social. Was wären so typische Kriterien, wenn ich sage, ich möchte das S, den S-Buchstaben erfüllen?

Joel El-Qalqili: Also das kann zum Beispiel sein, so ein Gender Pay Gap, dass ich mal gucken muss, wie ist das in meinem Portfoliounternehmen eigentlich mit der Bezahlung? Gibt es da Unterschiede zwischen den Geschlechtern? Diversity kann ich mir angucken. Ich kann mir angucken, wie ist es eigentlich mit Arbeitsschutzvorschriften? Da gibt es auch zwingende Gesetzesrechte, aber jetzt muss ich eben Dinge in Transparenz machen. Ich kann mir angucken, wie ist es mit Arbeitszeiten eigentlich? All solche Themen sind ja soziale Themen.

Joel Kaczmarek: Das ist ja relativ simpel. Also man staunt ja manchmal so ein bisschen, dass das nicht schon viel früher formalisiert wurde. Aber okay, nevertheless, gut, dass es passiert. Und wenn wir jetzt noch den dritten voll machen, Governance, kennen wir jetzt alle im Sinne von, wie führe ich mein Unternehmen? Was muss ich mir da für Merkmale vorstellen?

Joel El-Qalqili: Also da kann man sich zum Beispiel so Themen wie Whistleblowing-Mechanismus vorstellen. Da kann ich mir angucken, wie schule ich eigentlich meine Mitarbeiter. Kann ich mir Mobbing-Themen angucken. Das ist im Muss ich ehrlich sagen, ein bisschen weicher Begriff und ist auch, wenn man sich die Gesetzestexte anguckt, immer so ein bisschen nachgeklappt. Das heißt immer, es muss ökologisch sein, es muss sozial sein und es muss eine ordnungsgemäße Unternehmensführung vorliegen. Ich würde das so als Korb verstehen für alle möglichen unternehmensführungsbezogenen Dinge und das ist eben so, denke ich, Whistleblowing vor allem, Mobbing, Protection, halte ich meine Berichtswege im Unternehmen ordentlich ein, solche Themen.

Joel Kaczmarek: Gut, jetzt haben wir alle drei Buchstaben einmal durchdekliniert und wir haben uns ja auch in unserem Vorgespräch so ein Stück weit darüber unterhalten. Es gibt ja auch viele Leute, die so andere Begriffe für sich gefunden haben, wie zum Beispiel so Impact Investing oder solche Geschichten. Gibt es da relativ klare Abgrenzungen? Also ich überlege ja auch, ich werde dich nachher so ein Stück weit auch noch in die Richtung fragen, ob es irgendwie so eine Art Siegel gibt oder Labels. Gibt es da klare Merkmale, die ESG jetzt nochmal hervorheben, dass sich das irgendwie ableiten kann oder abgrenzen kann von anderen Faktoren?

Joel El-Qalqili: Es gibt da keine so ganz scharfe gesetzliche Definition. Also um sich dem mal anzunähern, was es eigentlich ist, eine ESG ist, ich kümmere mich darum, dass ich mit meinen Investments keinen Schaden anrichte. Ich gucke mir an, dass ich da keine ökologischen oder sozialen Fehler mache. Also ein Mindestschutz wird da gewährleistet. Impact Investment ist allerdings viel mehr. Da sage ich, ich möchte mit meinem Investment mindestens gleichrangig mit dem finanziellen Return einen positiven Wandel mit bewirken. Also es ist was anderes und eine scharfe Definition zwischen den beiden zu haben, wäre total gut. Es ist aber gerade bei der Definition, was ist eigentlich Impact, immer noch ein bisschen kontrovers. Das hat auch der Gesetzgeber jetzt gehabt, das Problem, als er diese SFDR erlassen hat. Da hat er eigentlich drei Buckets aufgemacht. Er hat gesagt, es gibt verschiedene Produkte. Wir sagen jetzt mal, es gibt hier drei Körbe. Es gibt einmal Produkte, die sind überhaupt ohne ESG oder Impact unterwegs. Der Klassiker. Ich kümmere mich nur um einen finanziellen Gewinn. Alles andere muss der Gesetzgeber bitte sicherstellen. und dann gibt es noch Greenpeace und Co. So, das ist der eine Bucket. Dann gibt es einen Bucket, der sagt, naja, das ist ein Produkt, das hat so ESG-Merkmale. Also die sagen so, wir wollen halt darauf achten, dass wir hier keine unnötigen Reisen machen, wollen darauf achten, dass ESG auf Portfolio-Ebene eben ordentlich abgebildet wird. Und dann gibt es Produkte, die sind Impact-Produkte und die formuliert der Gesetzgeber so, dass er sagt, wer nachhaltige Investment anstrebt, der ist ein Impact-Produkt. Und das ist eben nicht so ganz leicht zu sagen, was eigentlich nachhaltig ist. Da ist der Gesetzgeber auch noch dabei, mit einer zweiten Verordnung nachzuhelfen und das richtig runter zu deklinieren, was heißt eigentlich nachhaltig. Das wird die Taxonomie-Verordnung sein, die kommt eben im nächsten Jahr.

Joel Kaczmarek: Super Brücke, weil ich dich als nächstes fragen wollte, was für eine Regulatorik eigentlich in dem Bereich schon vorherrscht. Also kannst du das nochmal runternageln, sozusagen wirklich Punkt für Punkt, wenn wir über ESG reden, was ist da schon reguliert und was noch nicht?

Joel El-Qalqili: Also wir sind auf Vorebene. Es gibt alles Mögliche. Wir gucken uns jetzt sozusagen die Vorebene an. Und da gibt es jetzt seit 10. März diesen Jahres die SFDR. Das ist erstmal Transparenzinstrument. Die sagt, zu folgenden Themen muss bitte jeder Stellung nehmen. Und zwar einmal auf der Webseite, aber auch in vorvertraglichen Informationen. Also wenn ich jetzt so eine Art Prospekt rausbringe für meine Investoren und damit dann Fundraising betreibe, dann muss da was drinstehen. Und ich muss auch auch in regelmäßigen Berichten halt unterbringen. Das sind so die drei Wege, wie ich Transparenz herstelle, die drei Medien sozusagen. Und dann gibt er verschiedene Themen vor, zu denen ich mich da äußern muss. Eigentlich sind das drei Bereiche. Erstens berücksichtige ich Nachhaltigkeitsrisiken. Damit meint er aber finanzielle Risiken, also Risiken aus den Bereichen ESG für den Wert meiner Assets. Das macht eigentlich jeder. Wird niemand sagen, ach, diese Art von Risiko, die berücksichtige ich gar nicht erst. Das ist also easy. Dann sagt er, jeder muss bitte was dazu sagen, ob er bei seinen Investments die negativen Auswirkungen auf ESG-Faktoren, Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt. Da kannst du auch sagen, nein, mache ich nicht. Du musst nur begründen, warum du es nicht tust. Das machen auch viele. Man kann jeder im Internet beim VC-Manager seiner Wahl mal gucken, was da draufsteht. Da gibt es auch Gründe, weshalb manche Leute sagen, das können wir halt momentan nicht machen. Wenn ich das nämlich tun würde, wenn ich sage, ich berücksichtige das, Dann muss ich eben, hatte ich ganz leicht schon angedeutet, eine ganze Reihe von vorgegebenen KPIs anlegen und dazu Sachen disclosen. Und die Infos, die ich da brauche, die sind jetzt inhaltlich noch nicht so 100 Prozent klar und ich weiß auch nicht in allen Fällen, ob ich die vom Portfolio überhaupt kriege. Wenn ich in einer großen Finanzierungsrunde ein kleines Ticket habe, dann habe ich da nicht so den super Hebel, um dem Portfoliounternehmen zu sagen, übrigens zu folgenden 16 KPIs bräuchte ich regelmäßig von dir folgende Daten. Das sind halt Gründe, weshalb ich dann als Fondsmanager sagen kann, ich bin kein Schwein, ich möchte schon gerne ESG berücksichtigen. Aber in dem Fall, so wie das in der Verordnung vorgesehen ist, kann ich es halt schlicht nicht machen. Es gibt schon auch Gründe, weshalb Leute sagen, ich kann das jetzt hier nicht so berücksichtigen. Das ist also der zweite Infoblock, dass man einmal sagt, nachhaltige Auswirkungen berücksichtigen, ja oder nein. Und dann gibt es im Grunde jetzt mehr so produktbezogene Infos. Da muss ich sagen, wie ist mein Fonds eigentlich aufgestellt in diesen drei Buckets gedacht? Ist das ein konventionelles Produkt ohne jeden ESG-Bezug? Das werden immer weniger. Oder ist das ein Fonds, der ESG schon irgendwie berücksichtigt? Zumindest mal sagt, ich mache folgende Sachen nicht. Ich investiere irgendwie nicht in Waffen, Tabak, Alkohol, Glücksspiel, Pornografie. Das sind so ganz übliche Ausschlüsse. Damit will eigentlich niemand der Welt signalisieren, dass er super nachhaltig unterwegs ist. Das ist eigentlich bei den meisten schon drin, weil institutionelle Investoren das einfach erwarten. Aber was ist es denn, wenn nicht irgendwie sozial motivierte Ausschlüsse? Deswegen, das ist eigentlich ein ESG-Aspekt. Das machen fast alle, deswegen sind fast alle in diesem zweiten Bucket drin. und müssen dann halt bestimmte Infos abliefern. Was sind die Kriterien? Wie berücksichtige ich die? Wie stelle ich sicher, dass das funktioniert, dass das auf Portfolio-Ebene eingehalten wird? Was sind so meine Methoden und Abläufe? Eine ganze Menge vorgegebener Infos muss ich da disclosen. Oder bin ich eben im Impact-Bucket? Mache ich wirklich Investments, mit denen ich einen positiven Wandel befördern will? Gibt es auch einige. Gerade im Venture-Bereich immer mehr Impact-VC-Fonds, die sagen, wir suchen genau die Unternehmen, die sozusagen inhärent in ihrem Business-Modell drin haben, Also wenn mein Business gut läuft, hat das einen positiven Impact für Ökologie jetzt. Das heißt, das ist jetzt nicht irgendwie so ein kleiner Add-on am Business, dass ich sage, ja, ich verkaufe Tretroller und achte aber darauf, dass es ordentlich produziert wird, sondern ich habe jetzt hier ein Unternehmen, das ist von vornherein darauf angelegt, irgendwie Emissionen zu reduzieren. Also zum Beispiel eine neue Art von Zement, die super viel CO2 einspart. Je mehr ich von diesem Zeug verkaufe, desto mehr Einsparungen. Das wäre dann so ein Impact Business. Und wer sagt, ich konzentriere mich auf solche Businesses, der ist halt in diesem Impact Bucket drin und muss dann da auch alle möglichen Infos zu veröffentlichen.

Joel Kaczmarek: Lass uns mal über das Thema Föderalismus dabei reden. Auf welcher Ebene werden denn diese ESG-Kriterien momentan fixiert? Also reden wir da von Europa, wie zum Beispiel mit der DSGVO, dass es eine Verordnung gibt und es gilt irgendwie relativ einheitlich? Oder ist das auf Länderebene jeweils individuell? Wie sind da momentan die Orientierungspunkte?

Joel El-Qalqili: Das ist europäisch. Also diese SFDR zum Beispiel, das ist eine europäische Verordnung.

Joel Kaczmarek: Und auch mit Durchsetzungskraft? Also ist ja immer so bei EU-Themen manchmal die Frage, kriege ich die wirklich durchprozessiert? Vielleicht sollte man es auch nochmal zuspitzen. Wenn ich mich nicht an die ESG-Kriterien halte, mich ihnen aber verschrieben habe, gibt es dann eine Strafe und wer setzt das um und überprüft das?

Joel El-Qalqili: Total gute Frage. Also als europäische Verordnung geht die unmittelbar, muss also nicht umgesetzt werden. Aber die Frage, die du da auch stellst, ist ja, was passiert denn eigentlich, wenn ich jetzt sage, ach, ich mache das nicht. Oder ich schreibe was ganz anderes als vorgegeben. Ich schreibe rein, ja, ich berücksichtige nachhaltige Auswirkungen. Das mache ich halt auf meine Art, also kreativ werde. Und da ist eigentlich in der Verordnung angelegt, dass die nationalen Aufsichtsbehörden, bei uns wäre es die BaFin, die nötigen Eingriffskompetenzen bekommen soll. Das heißt jetzt ja erstmal noch nicht, dass sie sie hat. Das heißt, es stellt sich die Frage, was ist denn eigentlich jetzt gerade passiert? wenn jemand das nicht berücksichtigt? Ja, gute Frage. Es wird aber auf jeden Fall im KGB, das Kapitalanlagegesetzbuch, das heißt sozusagen das Gesetz für Fondsmanager, da wird eine Eingriffsnorm erweitert werden, die dann auch ermächtigen soll zu Sanktionen bei Verstößen gegen diese SFDR. Also das wird eine Eingriffsmöglichkeit geben.

Joel Kaczmarek: Okay, also wie das gerne mal in der Politik ist, man schärft die Waffen, aber muss sie erstmal quasi in Stahl gegossen haben im Ofen. Okay, verstanden. Gut, wenn wir jetzt mal zuspitzen, was würdest du denn sagen, was verändert sich für Fondsmanager eigentlich? Also mal wirklich Hand aufs Herz, wie sah die Welt vorher aus und sieht sie jetzt aus?

Joel El-Qalqili: Also vorher konnte man tatsächlich relativ frei sagen, klar, Nachhaltigkeit ist mir super wichtig. Ich mache nur nachhaltige Investments und musste dann dazu nicht weiter irgendwie Stellung nehmen. Und das ist jetzt schon anders. Ich muss mir über mein Produkt und den ESG-Bezug, der das Produkt hat, vorab ziemliche Gedanken machen und überlegen, was auch immer ich für Versprechungen mache, kann ich die hier wirklich einhalten? Kann ich das oder will ich das überhaupt? Weil da hängt halt Aufwand dran. Ich muss ja bestimmte Dinge disclosen. Also da ändert sich ganz schön viel, glaube ich. Gerade für Fondsmanager, würde ich sagen, ändert sich viel in der Produktkonzeption. Da muss ich halt von vornherein überlegen, wie möchte ich mein Produkt mit Blick auf ESG positionieren. Das war vorher nicht so. Das finde ich schon einen ziemlichen Unterschied. Und für Portfoliounternehmen, also für Startups, wenn sie sich eine Strategie überlegen, wie sie an Geld kommen, wer sind eigentlich meine potenziellen Investoren, würden auch diese Überlegungen eine Rolle spielen. Was habe ich eigentlich für ein Business? Ist das ein Impact-Business? Wenn ja, wer sind eigentlich die Impact-Investoren, die ich da ansprechen kann? Und wenn nein, welcher Investor wird von mir was erwarten? Also welche Art von Reporting zum Beispiel? Ist das für mich vielleicht ein Vorteil, wenn ich von vornherein sage, das erforderliche Reporting für Artikel 8 SFDR oder Artikel 4, das bringe ich sozusagen mit. Das ist kein Problem. Wer auch immer hier investiert, der kriegt das so. Ich habe die Prozesse bei mir entsprechend aufgesetzt. Ich könnte mir auch vorstellen, dass das Überlegungen sind, die für Portfolio-Unternehmen interessant sind.

Joel Kaczmarek: Gibt es eigentlich so eine Art Siegel? Also kann man quasi von außen erkennen, ob sich Fonds schon diesen ESG-Kriterien verschrieben haben oder nicht? Also wer da schon sehr weit ist und wer noch nicht?

Joel El-Qalqili: Das ist leider nicht so super eingängig, weil das jetzt kein Ampelsystem ist oder so. Es gibt jetzt auch nicht so ein Goldsiegel und Bronze und Silber oder so. Aber es gibt eben diese verschiedenen Artikel aus der SFDR, in die ich mich einordnen muss. Und wenn man sich da einmal überlegt, okay, was heißt denn das eigentlich, wenn man sagt Artikel 8 oder Artikel Artikel 9, dann kann man da ganz gut verstehen, was es für ein Produkt ist. Also Artikel 9, das hat jeder auf der Webseite, kann man gucken. Wer sich da als Artikel 9 einordnet, das ist ein Impact-Produkt. Wer sagt, ich bin Artikel 8, das ist dann ESG-Produkt. Da gibt es auch Unterschiede, aber das ist dann erstmal dieser mittlere Bucket. Und wer weder noch sagt, der hat halt so ein konventionelles Produkt.

Joel Kaczmarek: Man muss die Tricks sozusagen kennen, aber sicherlich wird ja da der Transparenzgrad auch zunehmen. Letzter Punkt oder letzter Themenbereich. Wir haben jetzt darüber geredet, wie sich die Welt für Fondsmanager verändert. Was heißt denn das eigentlich für Startups? Muss ich mir als Unternehmen da auch jetzt zunehmend über solche Sachen Gedanken machen, weil meine Geldgeber wahrscheinlich zukünftig mehr darauf achten werden?

Joel El-Qalqili: Ja, glaube ich schon. Also wie angedeutet, ich glaube, es kann Sinn machen, sich das im Fundraising-Prozess als strategische Überlegung mal zu schauen. Wen möchte ich eigentlich ansprechen? Was hat der für Anforderungen? Wer ist jetzt für mich wirklich interessant? Das kann ich mir vorstellen. Völlig unabhängig davon, jeder wird seinem Investor verschiedene Dinge berichten müssen, damit der Investor selbst seinen eigenen Transparenzpflichten nachkommen kann. Kann. Wenn ich als Fondsmanager einmal entscheide, ich möchte die negativen Auswirkungen meiner Investments berücksichtigen, dann bin ich halt verpflichtet, diese Reihe an KPIs dazu was zu disclosen. Das heißt, ich brauche die Infos von den Portfoliounternehmen. Und das trifft die dann halt einfach. Dann muss ich als Portfolio die entsprechenden Infos liefern.

Joel Kaczmarek: Kann ja eigentlich auch nur gut sein, wenn man ehrlich ist. Also wird sicherlich das Leben ein Stückchen komplexer machen für Unternehmen. Aber ganz interessant eigentlich, wie man oben ansetzt, das über den Investmenttopf dann auch runterkaskadiert zu den Startups.

Joel El-Qalqili: Das ist genau der Ansatz. Die Europäische Union sagt, wir wollen die Kapitalströme in eine nachhaltige Richtung lenken. Wir haben so eine Hebelwirkung. Wir adressieren die Finanzmarktintermediäre und die transportieren das dann sozusagen runter auf die Wirtschaft.

Joel Kaczmarek: Sehr gut. Joel, bei deinem tollen Namen müssen wir hier noch mehrere Podcasts gemeinsam machen, dass ich das öfters auch mal meinen eigenen Namen erwähnen kann, ohne selbstverliebt zu sein. Ein bisschen vielleicht. Es hat viel Spaß gemacht. Ich glaube, es war ein guter, sehr kompakter Ritt durch das Thema ESG-Kriterien und ist, glaube ich, in unser aller Interesse, wenn sich das auch weiter durchträgt. Von daher, ich danke dir ganz herzlich und vielleicht machen wir auch mal ein Update, wenn sich das ganze Thema noch weiter setzt, oder?

Joel El-Qalqili: Ja, gerne, auf jeden Fall, machen wir gerne. Danke dir auch. Super, danke, ciao, ciao. Ciao.

Outro: Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.

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