Corporate Venturing – Wie man es macht und wie nicht

9. August 2021, mit Joel Kaczmarek

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Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von Digitalkompakt und heute kommt ihr besonders auf eure Kosten, wenn ihr euch im Corporate, KMU oder einem sonst wie eher größer gelagerten Umfeld befindet, denn wir sprechen heute über das Thema Corporate Venturing. Also, wie gründe ich als etwas größeres Unternehmen ein Startup aus? und was gibt es dabei zu beachten, wenn mich Themen beschäftigen wie Steuern, Governance und das Legal Setup allgemein. Liebe Hörerinnen und Hörer, nur ein kurzer Hinweis noch, ein Disclaimer. Wir machen hier natürlich keine Rechtsberatung. Wenn ihr also selbst in dem Bereich aktiv werden wollt, dann holt euch die Hilfe von Profis an eure Seite. und auch zur Transparenz. YPOC unterstützt uns wirtschaftlich für diese Folge, was uns aber nicht davon abhalten wird, jetzt hier großartigen, neutralen Content zu machen. Das klingt trocken, ist es aber gar nicht, weil wir das lebhaft machen werden und sehr interessant mit ganz vielen Praxisbeispielen und weil es sehr strukturell ist. Man muss also wirklich Gehirnschmalz reinstecken. Und da meiner alleine dafür nicht ausreicht, habe ich gleich zwei schlaue Leute an meiner Seite, die mir dabei helfen. Da wäre zum einen der liebe Tammo Lüken. Der ist Steuerberater und assoziierter Partner bei unserer geschätzten partnerschaftlichen Anwaltskanzlei YPOG. Und an unserer Seite eine Lady mit sehr, sehr viel Know-how, die liebe Julia Pingsmann. Die ist prinzipal bei Hai, ein nicht binderspannendes Unternehmen. Und was die beiden machen, sagen sie uns ganz kurz selber. Hallo Julia, hallo Tammo, schön, dass ihr da seid. Und Julia, Ladies first.

Julia Pingsmann: Hi. Ich bin Julia Pingsmann. Ich komme tatsächlich aus dem Corporate Venture und Corporate Startup Umfeld. Ich war bei Axel Springer High als Principal im Leadership Team für Business Building. Dort habe ich auch Tambo auf einem Projekt kennengelernt. Davor habe ich selbst gegründet. Ich war bei Bosch im Startup Harbor auch als Lead Coach tätig, habe denen geholfen mit aufzubauen. Ich war fünf Jahre bei der Deutschen Telekom, davon die meiste Zeit im Hubraum, wo ich die Vernetzung von Startups mit der Deutschen Telekom mitverantwortet habe.

Joel Kaczmarek: Du hast gerade gesagt, du warst bei Axel Springer dafür verantwortlich. Wechselt das nochmal?

Julia Pingsmann: Ja, ich bin im Moment auf dem Sprung auf was Neues, kann euch aber noch nicht genau sagen, was es ist. Das ist noch geheim.

Joel Kaczmarek: Tammo, jetzt zu dir. Du hast dich mal liebevoll mir als Steuereule vorgestellt, was ich sehr charmant fand, was mir bis heute in Erinnerung geblieben ist. Was machst du denn?

Tammo Lüken: Moin, ja, ich bin in der Tat Steuereule. Ich finde das sehr positiv konnotiert, deswegen habe ich es auch gesagt. Aber genau, ich bin Steuerberater bei YPOG und wir sind eine Spezialkanzlei für Steuer- und Wirtschaftsrecht in Berlin, Köln und Hamburg. Und ich persönlich berate insbesondere laufend Venture Capital Fonds und deren Manager, also in allen laufenden steuerlichen Fragen. Berate aber auch projektbezogen im Venture-nahen Steuerrecht, zum Beispiel beim Thema Mitarbeiterbeteiligung, Ausgründung, Inkubation, all solche Dinge.

Joel Kaczmarek: Gut, wir lernen also, du bist weise, nachtaktiv und ziehst die Strippen bei einigen wichtigen Akteuren und wir fangen mal an, das Thema mal zu framen. Also Corporate Venturing und Steuern. Was versteht ihr eigentlich unter Corporate Venturing, mal ganz zu Beginn?

Julia Pingsmann: Ja, also ich muss sagen, dass es doch aus meiner Sicht etwas anderes ist, das Corporate Venturing, als der normale VC-Prozess. Der ist in der Regel ganz klar strukturiert und hat klare Regeln. Also wir haben Pre-Seed, wir haben Seed, wir haben Series A, wir haben Cap Table etc. Aber beim Corporate Venturing ist es echt einfach nochmal anders. Da gibt es eben keine klaren Regeln, keinen klaren Exit. Und deswegen kann auch so viel schiefgehen. Für mich zeige ich Corporate Venturing immer gerne anhand eines Bildes. Wenn man nämlich ein Bild malt und jedes Bild der Welt, kann man eigentlich mit den drei Grundfarben malen, mit Rot, Gelb und Blau. Und so kann Corporate Venturing und auch die Corporate Venturing Strategie eigentlich mit diesen drei Farben, nämlich Bild, Partner, Invest, abgebildet werden. Ein Corporate kann wirklich alle Möglichkeiten selbst machen und es ist eben nie dieses klare Endbild da. Daher ist es so wichtig, im Corporate Venturing die verschiedenen Themen und die Personen richtig zu orchestrieren. Und das mache ich eben zum Beispiel. Aber heute wollen wir eben nur bei einer Farbe bleiben, nämlich bei dem Thema Bild, was eben einfach eine bestimmte Spielart im Corporate Venturing ist.

Tammo Lüken: Genau, weil dieser Bildansatz, den Julia gerade erwähnte, der hat halt auch aus steuerlicher Sicht einige Besonderheiten, die vielleicht auch sich unterscheiden von einem normalen Venture-Umfeld. Grundsätzlich geht es ja dabei immer um Ausgründung oder Spin-offs oder wie auch immer man das nennen möchte. Also im Kern soll es darum gehen, dass eine Idee, ein Konzept oder vielleicht auch schon ein Business aus einem bestehenden Unternehmen in eine neue Einheit, neue GmbH übertragen werden soll und dort weiterentwickelt werden soll und häufig halt auch zum eigentlichen Marktreifen dann gebracht werden soll. Und die insbesondere steuerlichen, aber natürlich auch kommerziellen Themen und Anforderungen, die sich hier stellen, die können sehr unterschiedlich sein und hängen immer sehr stark von dem Einzelfall ab und von der Situation des Corporates dann ab. Aber in jedem Fall gibt es auf jeden Fall viel Potenzial, hier steuerlich Dinge sehr richtig, aber auch sehr falsch zu machen. Und das fängt meistens eigentlich schon an mit dem Zeitpunkt, in dem der Corporate vielleicht zum ersten Mal über das Thema Steuern in diesem Kontext nachdenken sollte.

Joel Kaczmarek: Okay, und jetzt machen wir mal so Wunschkonzert, Tammo. Wir haben ja schon verstanden, was deine Rolle üblicherweise in dem Kontext ist und du bist ja da wirklich der Vollprofi. Wenn du es dir aussuchen könntest, wie und zu welchem Zeitpunkt würdest du denn am liebsten in so ein Projekt involviert werden oder aus Sicht des Auftraggebers, wann macht es Sinn, sich ein Profi wie dich an Bord zu holen?

Tammo Lüken: Also aus meiner Sicht macht da wirklich eine umfassende Einbindung immer Sinn und ist wirklich immens wichtig. wir als steuerliche Berater möchten und müssen wir vorerst erstmal die kommerziellen Ziele und Wünsche der Mandanten wirklich verstehen und also mit dieser Teil des Teams sein, was sozusagen dieses Thema und dieses Projekt da bearbeitet, weil wir dann auch nur dann wirklich so einen echten Value-Add liefern können, so sehr punktuell einfach nur Fragen zu beantworten, das ist meistens nicht zielführend, sondern das sollte schon ganzheitlich sein. Zum Thema Timing, das ist sicherlich genauso wichtig oder vielleicht noch wichtiger, dass es immer besser, so früh wie möglich in dem Prozess dabei zu sein oder hinzugezogen zu werden, weil man dann einfach noch Zeit und Raum hat, um sinnvoll und vor allen Dingen auch vorteilhaft zu gestalten.

Julia Pingsmann: Also ich bin da auch komplett bei Tammo, auch aus Business-Sicht. Ganz frühe Einbindung notwendig, weil oftmals geht man in so einem Venture-Projekt tatsächlich von so einer PowerPoint in einen Prototyp, in einen MVP, also in einen Minimum Viable Product, weil das Unternehmen immer sagt, ja, ich möchte noch eine Bestätigung haben, ob das Business-Modell gut ist, noch eine Bestätigung haben. Und plötzlich ist man tatsächlich schon so weit vorgeschritten, dass es dann wirklich zu einem Fuck-Up kommen kann. Und daher muss man sich aus meiner Sicht eben auch, und das zeigen auch meine Erfahrungen, ganz früh hinsetzen und ganz früh ein gemeinsames Verständnis haben und klären, welcher Weg der richtige ist und welcher Weg dann welche Implikationen eben auch bei der Ausgründung eines Ventures dann eben auch hat.

Tammo Lüken: Ja genau, das ist absolut richtig. Wir sehen das auch immer wieder in der Praxis, wenn wir erst zu einem späteren Zeitpunkt dazugezogen werden und das passiert doch immer noch häufiger, muss man sagen, dann ist ja ganz oft Arbeit schon entstanden und Ergebnisse wurden produziert und sind vor allem auch Kosten aufgelaufen. Und dann stellt sich immer diese zentrale Frage, ob im Rahmen dieses Projektes eigentlich schon irgendeine Form von Vermögenswert geschaffen wurde. Untechnisch sprechen wir da oder sprechen eigentlich immer alle von der IP, also Intellectual Property, wirklich in einem sehr untechnischen Sinne. erstmal verstanden. Und also das ist wirklich so das fast beherrschende Thema überhaupt. So aus meiner Erfahrung in solchen Projekten. Und davon hängen dann auch immer ganz viele Folgefragen ab. Also was gehört eigentlich konkret zur IP? Wem gehört diese IP? Wie ist diese IP zu bewerten? Ganz, ganz wichtige Frage. Wie kann ich diese IP auf eine neue GmbH übertragen? Das ist ja auch, muss man sich auch überlegen. Und wer soll in welcher Form wirtschaftlich zukünftig an dieser IP partizipieren? Also das sind natürlich alles nicht nur steuerlich relevante Fragen, ganz im Gegenteil, das sind einfach auch wichtige kommerzielle Punkte. Aber genau die Antworten auf diese Fragen, die haben halt Auswirkungen auf die gesamte weitere Strukturierung eines solchen Projektes.

Joel Kaczmarek: Da habt ihr einen sehr wichtigen Faktor angesprochen. Also IP ist ja wirklich ein zentraler Begriff in diesem Kontext. Man hat es ja auch ganz oft schon so beim Software-Part gehabt, dass wenn man irgendwie Open-Source-Sachen einbindete, dass dann auf einmal irgendwelche Sachen geknallt haben nach hinten raus. Aber das kann man doch noch viel generischer betrachten. Deswegen vielleicht mal vorneweg die sehr grundlegende Frage, was versteht ihr denn konkret unter IP?

Julia Pingsmann: Also die Erstellung von IP heißt für mich eigentlich immer, dass wir PowerPoint, dass wir das Papier tatsächlich verlassen und in wirkliches Doing gehen und eben MVP erstellen. Das kann tatsächlich bei uns in Projekten teilweise nur eine Landingpage sein, über die wir Hypothesen verproben oder auch E-Mails. E-Mail-Adressen zum Beispiel generieren und testen, ob das Geschäftsmodell interessant ist. Das kann aber auch wirklich schon ein voll funktionsfähiger MVP sein, mit dem dann eben auch Kundendaten erhoben werden, erste Transaktionen durchgeführt werden und daher heißt IP für mich eigentlich immer tatsächlich Code, Inhalt, Kundendaten, das ist dann schon immer alles vorhanden.

Tammo Lüken: Genau, das deckt sich auch mit meinem Verständnis oder meinen Erfahrungen. Also das ist wirklich ein sehr umfassender Begriff, der halt, wie gesagt, immer eher in so einem tatsächlichen Sinne verwendet wird, jetzt nicht in so einem hart rechtlich technischen Sinne. Und für uns als Steuerrechtler stellt sich dann immer die Aufgabe, diese Sachverhalte, die ja erstmal aus der kommerziellen Ecke kommen, dann in steuerliche Begriffe zu übersetzen, weil das Steuerrecht, wie nicht anders zu erwarten war, natürlich da so eine Art, so eine eigene Wertung immer vornimmt, die man immer parallel laufen lassen muss. Also häufig ist das deckungsgleich, aber das muss man sich im Einzelfall halt auch immer angucken. Zentral ist einfach die Frage, ob diese IP, wenn man sie dann identifiziert hat, ob ob diese IP auch als sogenanntes Wirtschaftsgut betrachtet werden kann. Mit Wirtschaftsgut meinen wir im Steuerrecht ein Asset, was in der Bilanz gezeigt werden kann, jetzt mal ganz vereinfacht. Und wenn diese IP ein Wirtschaftsgut ist, dann hat das Auswirkungen auf den gesamten Ausgründungsprozess, Beispielsweise kann diese IP dann mit steuerlicher Wirkung nur wirksam übertragen und im Ergebnis auch bewertet werden, muss man sagen, wenn es sich halt um ein Wirtschaftsgut handelt. Aber unabhängig von den Steuern muss man da auch aus Legal-Seite natürlich drauf gucken. Also zivilhandelsrechtlich und im Zweifelsfall halt auch markenrechtlich muss das immer noch separat geprüft werden.

Joel Kaczmarek: Man merkt ja, es wird schon relativ schnell komplex und man muss sich gute Gedanken machen, wie man seine Weichen stellt. und deswegen lasst uns doch mal gemeinsam diskutieren, an welchen zentralen Stellen muss denn eigentlich so ein Corporate Entscheidung treffen? und vielleicht könnt ihr es ja sogar auf die Spitze treiben, vielleicht gibt es ja sogar so etwas wie eine Art Entscheidungsbaum.

Tammo Lüken: Ja, in der Tat. Also die Möglichkeiten, wie man sowas strukturieren kann oder aufbauen kann, die kann man so ganz grob in so einer Art Matrix eigentlich clustern, indem man zwei zentrale Fragen beantwortet, mit denen man schon in der ersten Stufe die meisten denkbaren Fragen Fallgruppen eigentlich erschlagen hat. Also die erste Frage bezieht sich eigentlich immer auf den Zeitpunkt, also die Frage, ob die Ausgründung, also wirklich die Gründung einer neuen Gesellschaft, einer neuen GmbH vor oder nach der Generierung oder der Schaffung von IP, wie wir sie eben beschrieben haben, erfolgen soll. Und die zweite Frage bezieht sich eher so ein bisschen auf das personelle Setup, weil die Corporates ja typischerweise dann interne oder externe Founder sozusagen mitnehmen wollen oder mit denen dieses Venture dann aufziehen wollen. Und da kann man dann einfach unterscheiden, ob diese Ausgründung schon gemeinsam mit diesen neuen Foundern erfolgen soll oder ob man erstmal sozusagen solo ausgründet. und dann die Founder im Nachhinein sucht. Also das sind so die vier Grundmodelle, die sind von sehr unterschiedlicher praktischer Relevanz und unterscheiden sich natürlich auch kommerziell und im Ergebnis auch steuerlich voneinander.

Julia Pingsmann: Ja, also hier muss man sich wirklich auch aus Praxiserfahrung ganz früh entscheiden, welchen Weg man gehen möchte. Aber das ist eben gleichzeitig auch ganz oft das Problem, weil die vielen Unternehmen, mit denen ich bisher zusammengearbeitet habe, eben das zum ersten Mal machen und dann einfach auch gar nicht wissen, was auf sie zukommt, beziehungsweise gar nicht wissen, was sie eigentlich möchten und welchen Weg für sie am besten ist. Deswegen ist es so wichtig, da wirklich frühzeitig einfach zu sagen, schau mal her, gehst du den Weg A, dann bedeutet das A, B, C, D, gehst du den Weg B, dann heißt das eben, weitere folgende Themen, die auf dich zukommen. Und dann ist natürlich auch immer die Investition, die da kommen, schwierig, wo sich die Unternehmen manchmal eben drauf scheuen. Aber deswegen ist eben richtig, was Tamos sagt, so Entscheidungsbaum, wirklich ganz strukturiert vorgehen, sagen, was möchtest du, in welchen Weg möchtest du gehen und dort eben das Unternehmen ganz früh einfach zu begleiten.

Joel Kaczmarek: Na, wenn ihr mich hier schon verführt, dass ihr vier unterschiedliche Fallgruppen quasi habt, dann möchte ich es jetzt natürlich genauer wissen. Jule, lass uns doch mal anfangen, diese Fallgruppen kurz zu beschreiben.

Julia Pingsmann: Also mit der ersten Variante, ich nenne es einfach mal so die Cashbox, Corporate gründet unmittelbar, nachdem er eben so eine Idee hat, wirklich alleine eine neue GmbH, stattet diese auch mit Mitteln aus und lässt dann ein MVP quasi ausschließlich in dieser neuen Entität erstellen. Das heißt, noch keine Gründer sind an Bord. Das ist eine Ausgründung vor IP und ohne Gründung. Auch wenn sich das wirklich irgendwie so straightforward anhört, ist in der Praxis tatsächlich kaum gemacht. Ich meine, wir sehen zwar, dass Corporates sich sowas überlegen, aber ehrlicherweise ist zu dem Zeitpunkt ja noch gar nicht klar, ob dieses Ding tatsächlich fliegt. Und wenn man dann später noch Gründer finden muss, die dieses Venture dann auf- und weiterbauen, dann ist das ein Problem erstmal, weil man muss die Gründer ja dann erstmal in die GmbH mit reinbekommen mit Shares. Das hat dann auch wieder steuerliche Aspekte, die Tama dann auch noch gleich sagen kann. Aber man weiß immer noch gar nicht, ob das Thema fliegt und wenn man dann eben niemand findet, dann hat man sehr viel Geld verbrannt. und kann das dann auch wieder steuerrechtlich nicht richtig abbilden. Daher Variante 1, Gründung vor IP und Solo, möglich, aber grundsätzlich nicht so eine gute Idee.

Tammo Lüken: Genau, das deckt sich auch mit meiner Erfahrung. Also das wirkt nach so einer schönen, einfachen Lösung. Also wird man ja auch wirklich immer wieder gefragt. Aber genau, das ist aus kommerzieller Sicht meistens einfach nicht sinnvoll. Und Julia sagte es eben auch schon steuerlich, zwar im ersten Schritt einfach und kann eigentlich gar nicht so viel schiefgehen, aber dann im weiteren Verlauf kann das auch doch durchaus wieder problematisch werden. Und zwar muss man hier vor allen Dingen aufpassen, dass man nicht in die Falle läuft, hier Verluste ungenutzt zu lassen. Das klingt jetzt erstmal sehr abstrakt, deswegen vielleicht ein kleines Beispiel. Man muss eigentlich in dem Fall immer an den Worst Case denken, nämlich an den Fall, in dem sich die Idee einfach nicht wie oft entwickelt und im schlechtesten Fall dieses Venture niemals Betrieb aufnehmen wird und niemals Erträge erzielen wird. Aber dann hat natürlich das Venture erstmal selber Aufwendung getragen, also natürlich finanziert durch den Corporate. Aber diese Aufwendungen haben sich dann steuerlich nie ausgewirkt. Und im schlechtesten Fall wirken sie sich auf gar keiner Ebene auf, also auch nicht auf Ebene des Corporates. Und das wäre natürlich dann ein sehr schlechtes Ergebnis, wenn man wirtschaftlich belastet war durch diese Aufwendungen, aber durch ungünstige Strukturierung die Verluste niemals steuerlich nutzen kann. Also da muss man aufpassen. Aber wie gesagt, auch jetzt kein praktisch wahnsinnig relevanter Fall.

Joel Kaczmarek: Okay, aber ich sehe schon, du bist keine Steuereule, du bist eher ein Steuerfuchs. Also Konzept verstanden, wenn man schon Geld aufwendet, dann will man für den Worst Case auch vorgesorgt haben, dass es mir steuerliche Vorteile bringt, wenn. Was ändert sich denn jetzt? aber, wenn die Gründer und Gründerinnen, also wollen ja hier nicht nur die Gentlemen, sondern auch die Ladies natürlich als Founder begreifen, wenn die bei der Ausgründung schon mit an Bord genommen werden?

Tammo Lüken: Genau, das wäre dann die zweite Variante. Tatsächlich aus steuerlicher Sicht wäre das ganz ähnlich wie das eben besprochene. Also ich sehe da jetzt erstmal keine zusätzlichen Probleme. Mittel- und langfristig wäre das wahrscheinlich sogar einfacher als die anderen Varianten, die wir gleich noch besprechen. Allerdings sehe ich hier gar nicht so sehr aus der Steuerecke, sondern eher hinsichtlich der Economics nicht Probleme, aber es sind einfach ganz andere Economics, die damit einhergehen. Und deswegen in der Praxis auch die Lösung tatsächlich eher selten, jedenfalls nach meiner Erfahrung.

Julia Pingsmann: Würde ich so bestätigen. Ich meine, stellt euch mal vor, es kommt ein Corporate auf einen zu und sagt, hey, ich habe mir eine super coole Idee, habe es aber noch nicht getestet, noch keine IP erstellt, noch keine Hypothesen im Markt getestet, aber super Idee, ich glaube, es fliegt. Wer würde dafür seinen Job tatsächlich dann anbieten? aufgeben? und selbst wenn sich die Idee dann wirklich gut anhört, dann gibt es eben auch einfach in der Praxis die große Diskussion, wer bekommt welche Anteile dann an diesem neu gegründeten Unternehmen, wie wird dieses Unternehmen bewertet, wenn noch überhaupt gar keine IP eben vorhanden ist. Der Corporate sagt, ich habe mir die Idee ausgedacht, ich hole Gründer an Bord, die möchten natürlich auch inzentiviert werden, obwohl es eben nicht primär deren Idee war. Das kann gut gehen, kann aber auch schief gehen. Ich habe es so tatsächlich noch nicht so oft gesehen.

Joel Kaczmarek: Okay, aber in der Konsequenz bedeutet das also, dass diejenigen Varianten, bei denen erst ausgegründet wird, wenn bereits IP entstanden ist, die praktisch relevant sind.

Julia Pingsmann: Ja, also würde ich sagen, das habe ich jetzt auch in der Vergangenheit einfach am häufigsten gesehen, weil dann hat man zumindest schon auch mal so viel Marktfeedback, dass man sagt, ja, das ist eine valide Idee, die hat einen guten Product-Market-Fit und da macht es dann auch Sinn, tatsächlich jetzt weiter zu investieren.

Tammo Lüken: Genau, das sind dann die Varianten 3 und 4 sozusagen in unserer Matrix, wo man dann bei dem Bild bleiben möchte. Die unterscheiden sich eigentlich primär im Hinblick auf den Zeitpunkt, an dem man die Founder, also jetzt intern oder extern, egal, sozusagen mit onboardet. Also in der ersten Variante würde der Corporate erstmal so solo ausgründen und dann die Gründer später mit reinnehmen und in der zweiten Variante Variante, würde dann einfach gemeinsam mit den Foundern ausgegründet, also man würde das quasi als Paket behandeln, indem man Ausgründungen und sozusagen Founder aufs Cap-Table nehmen, das einfach alles in einem Schritt macht.

Joel Kaczmarek: Und wenn wir jetzt mal weiterhangeln, was sind denn bei diesen Modellen, die ihr gerade beschrieben habt, so die typischen Probleme oder auch Do's und Don'ts und vielleicht auch mal zugespitzt Fuck-Ups, also was habt ihr da so typischerweise gesehen?

Tammo Lüken: Also auch hier kommen wir wieder auf dieses Thema IP, glaube ich, zurück, weil das damit steht und fällt ganz viel immer. Und zwar im Wesentlichen eigentlich zwei Aspekte, die nach meiner Erfahrung immer wieder kommen. Und zwar erstens, das könnte man beschreiben als das Was und Wie und das Zweite als das Wie viel. Bei der zweiten Frage geht es offenkundig um die Bewertung der IP, hatte ich ja schon gesagt, das ist immer ein Riesenthema, aber aus meiner Sicht nicht weniger wichtig und vor allen Dingen vorher zu klären, ist diese erste Frage, nämlich um welche IP geht es denn überhaupt und auf welchem Wege wollen wir diese IP denn in die neue GmbH übertragen? Und dabei muss man natürlich auch immer gucken, wie ist so der Entwicklungsstand des Projektes oder der Idee. Wir haben oftmals einfach sehr frühphasige Ventures in der Praxis. Das ist natürlich der eine Fall, aber denkbar wäre natürlich auch, dass so ein Projekt schon sehr weit fortgeschritten ist und vielleicht auch schon Kundenbeziehungen aufgebaut wurden oder gar Umsätze erzielt wurden. Also das Geschäft wirklich schon aufgenommen wurde, noch sozusagen in der Hülle des Corporates eigentlich. Dann stellen sich natürlich einfach andere Fragen. Also das muss man ganz klar unterscheiden.

Julia Pingsmann: Ganz klar. Der Zeitpunkt ist hier auch einfach wieder elementar wichtig. Man muss immer dann auf den Zeitpunkt schauen, was dann in dem Moment Sinn macht.

Joel Kaczmarek: Wieso ist diese Unterscheidung wichtig?

Tammo Lüken: Das ist kommerziell sicherlich auch immer wichtig, aber aus rein steuerlicher Sicht müssen wir immer einmal klären bei so einer Ausgründung, ob wir jetzt einzelne Assets, also ich sagte ja schon Wirtschaftsgüter sagen wir dann dazu in der Steuerrechtslingo, also ob es sich um so einzelne Assets handelt, die wir hier übertragen oder ob vielleicht schon irgendeine Form von eigenständiger Betrieb oder verselbstständigter Betrieb oder sowas vorliegt. Das hängt halt einfach mit dem Fortschritt dieses Projektes im Ergebnis zusammen. Und erst wenn man das geprüft hat, also in vielen Fällen sieht man das relativ schnell, wenn man sich damit befasst, man muss es halt einmal geprüft haben, dass man eigentlich erst dann entscheiden kann, auf welchem Wege diese IP dann in die neue GmbH übertragen werden soll. Ja, und ich kann eigentlich immer nur dazu raten, dass man diesen Schritt nicht überspringt, um dann nicht im Ergebnis irgendwie ungewollte Steuerfolgen auszulösen oder sich vielleicht interessante Gestaltungsoptionen hier zu versperren.

Joel Kaczmarek: Kannst du das gerne nochmal präzisieren? Also wie erfolgt denn dann diese Übertragung der IP ganz konkret?

Tammo Lüken: Klar, gerne. Also wenn wir mal bei dem Beispiel bleiben, dass es sich wirklich um einzelne Assets handelt. Also man sagt, die IP, die wir da gefunden haben, das ist ein Asset, ein Wirtschaftsgut. Dann gibt es im Ergebnis eigentlich zwei praktisch relevante Möglichkeiten, diese Assets in die neue GmbH zu übertragen. Der sicherlich häufigere Fall ist, indem die IP in das Eigenkapital der neuen GmbH eingebracht wird. Also technisch ist das dann meistens eine Sacheinlage in die Kapitalrücklage. Alternativ kann die IP auch an die Gesellschaft verkauft werden. Also der Corporate verkauft die IP, die er hier geschaffen hat im Rahmen des Projektes an die neue GmbH. Das wäre dann so eine Art Asset-Deal. Und da diese neue GmbH selten über Cash verfügt, weil sie halt auch gerade erst neu gegründet wurde, dass es dann auch gesellschaftsrechtlich wäre, das ist uns schwierig, kann sie das gar nicht bezahlen, sondern das kann dann der Corporate kreditieren und gewährt insofern einfach ein Darlehen. Und das ist dann häufig, oder so habe ich es auf jeden Fall schon gesehen, dass es kein Darlehen ist, was wirklich auf Rückzahlung angelegt ist, sondern das ist dann ein Convertible Loan, so wie man das ja auch aus dem Venture-Umfeld grundsätzlich kennt. ein Darlehen, was dann bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen später das Recht gewährt, in Eigenkapital zu wandeln. Genau, das muss man dann mit reinem Rücktritt ausstatten und so. Das ist gesellschaftsrechtlich alles gar nicht so. Ohne, da muss man einfach im Einzelfall dann drauf gucken, was da gewollt ist und was einfach der bessere Weg ist. Aber häufiger ist sicherlich dieser Weg mit der Kapitalrücklage.

Julia Pingsmann: Ich kann aus Projekterfahrung einfach sagen, dass genau dann, wie solche Loans dann aussehen, wirklich auch immer eine große Diskussion dann mit den potenziellen Gründern ist und wie das dann eben auch in den Termsheets manifestiert wird. Und daher ist es eben einfach so wichtig, dass man sich das am Anfang als Corporate überlegt, weil es einfach dann zu großen, großen Diskussionen führt. Gründer kommen rein und sagen, okay, da ist schon was geschaffen, wie viel ist das wert, das kommt jetzt rein, warum soll ich das bezahlen, ich nehme Lohn mit rein, okay, dann ist das Venture von Anfang an schon belastet. Das sind einfach ganz, ganz viele Diskussionen, wo man einfach wirklich am Anfang sich Gedanken darüber machen muss, wie man das strukturieren möchte, um eben das perfekte Setting fürs Corporate und für die potenziellen Gründer dann eben auch zu schaffen.

Joel Kaczmarek: Dann mal die freche Frage an den Steuerfuchs. Tammo, mal blöd gefragt, muss der Corporate auf die Übertragung dann eigentlich auch Steuern zahlen?

Tammo Lüken: Ja, also wenn man davon ausgeht, dass diese IP, die man da überträgt, dass die einen gewissen Wert hat, dann im Ergebnis typischerweise ja. Also so die ertragsteuerneutrale Übertragung der IP ist eigentlich nur dann möglich, wenn man schon so eine gewisse Verselbstständigung hat. Also das, was ich eben ansprach, also wenn man vielleicht schon so eine Art Betrieb hat, dann kann man darüber nachdenken, muss man dann auch prüfen, auch viele Voraussetzungen und so. Das ist im Steuerrecht schwierig, schwierig. Dann wäre das denkbar. Aber wenn wir bei diesem eher häufigen Fall bleiben, wo wirklich einzelne Assets übertragen werden, dann kann das nicht steuerneutral funktionieren. Zumindest dann, wenn, und das ist ja in 99,9 Prozent der Fälle so, das Ziel der Ausgründung eine neue GmbH ist. Also dann geht das nicht. Und insoweit würde das bei dem Corporate oder wer immer diese IP dann überträgt, wird es da immer zu einem laufenden Gewinn kommen, der, wenn man jetzt auch davon ausgeht, dass der Corporate selber auch eine GmbH ist zum Beispiel, der dann auch der Körperschaftssteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer unterliegt.

Joel Kaczmarek: Und von welchen Faktoren hängt am Ende des Tages die Höhe der Steuerbelastung dann ab?

Tammo Lüken: Naja, also in Deutschland kann man sagen, so Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer zusammen sind so bummelig 30 Prozent, also so irgendwas zwischen 29 und 31 Prozent. Das kommt darauf an, wo die GmbH ihren Sitz und den Ort der Geschäftsleitung hat. Aber man muss, glaube ich, auch dazu sagen, dass man sich das Ganze auch immer in so einer Art Saldo-Betrachtung eigentlich angucken muss. Wir hatten ja eben schon gesagt, dass der Corporate zur Entwicklung dieser IP regelmäßig auch Aufwendungen getragen hat und im Zweifelsfall diese auch vorher abgezogen hat. Und deshalb wird durch diese Übertragung der IP dann eigentlich nur diese Aufwendung neutralisiert durch einen Prozess. positiven Ertrag. Deswegen kann sich das in gewissem Maße neutralisieren. Unangenehm wird es natürlich dann, wenn einfach der Wert der IP so hoch ist, dass sich einfach schon stille Reserven gebildet haben. Also wenn einfach der Verkehrswert der IP wesentlich höher ist als die Kosten, die der Corporate mal aufgewandt hat. Dann muss der Körper tatsächlich effektiv Steuern zahlen und zwar ohne, dass es ja typischerweise zu einem Liquiditätszufluss gekommen ist. Also wie gesagt, man gründet dann aus gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen zum Beispiel oder man verkauft es, aber gewährleistet. gegen ein Darlehen. Das heißt, es fließt kein Geld zu und trotzdem muss der Corporate das versteuern. Da sprechen wir immer von Dry Income und das gilt es eigentlich immer zu vermeiden. Und auch hier kann man sagen, das Problem wird eigentlich immer virulenter, je länger der Corporate mit der Ausgründung da wartet. Deswegen sollte man auch da wieder frühzeitig gucken, dass man hier mit einem guten Plan dran geht, wie man das Ganze abwickeln möchte. Aber im Ergebnis muss man sagen, hängt das alles natürlich von der Bewertung der IP ab.

Joel Kaczmarek: Finde ich total einleuchtend. Und wie geht man dann vor, wenn man IP bewertet? Weil es ist ja teilweise an einigen Ecken subjektiv, an anderen Stellen gar nicht so einfach, das marktgerecht zu bewerten. Was ist da so der typische Weg?

Tammo Lüken: Ja, das ist in der Tat immer ein Problem oder eine Herausforderung. Zumal wir da ja in der Praxis immer wieder das Thema haben, dass es für die Assets, die wir da bewegen wollen, typischerweise einfach keine Vergleichswerte oder Marktwerte oder sowas gibt. Es ist halt keine Immobilie oder keine Maschine oder sowas, was dann typischerweise da übertragen wird. Und deswegen raten wir eigentlich immer dazu, hier ein Wertgutachten durch einen Wirtschaftsprüfer erstellen zu lassen. Wie man das ja auch von der Unternehmensbewertung kennt, das kann man auch für einzelne Assets grundsätzlich machen lassen, auch für immaterielle Vermögenswerte. Darum geht es ja hier meistens. Und dann hat der Corporate eigentlich eine sehr gute Dokumentationslage, die der Corporate nutzen kann, einerseits im Hinblick auf die etwaigen Diskussionen mit den Gründern, die man dann vielleicht noch onboarden möchte, aber vielleicht auch im Hinblick auf eine spätere Diskussion mit dem Finanzamt, wenn die dann kommt. Also da ist man dann eigentlich ganz solide aufgestellt.

Joel Kaczmarek: Aber jetzt so für die Sparfüchse, die sich dann mit dem Steuerfuchs auseinandersetzen, entsteht dadurch nicht ziemlich viel zusätzlicher Aufwand und natürlich in der Folge auch Kosten?

Tammo Lüken: Ja, absolut. Also diese Gutachten, die sind natürlich auch, also es kommt immer darauf an, aber die können auch ziemlich aufwendig sein und dann haben die auch ein gewisses Pricetag, Deswegen sehen wir auch in so sehr frühphasigen oder kleinen Projekten immer wieder, dass statt eines Gutachtenwertes die Corporates dann lieber auf so einen kostenbasierten Ansatz gehen. Das heißt, die IP, die dann übertragen wird, die wird auf Grundlage der vom Corporate vorher getragenen Kosten bewertet. Also dann typischerweise noch zuzüglich eines Gewinnaufschlages vielleicht. Und das kann man, glaube ich, vor allen Dingen dann machen oder es wird oft gemacht, wenn die IP selber vom Corporate von dritter Seite eingekauft wurde. Also wenn zum Beispiel Code von einem Dienstleister einfach geschrieben wurde und eingekauft wurde, dann hat man da ja einen Vergleichswert. Deswegen kann man da das gegebenenfalls gut argumentieren. Aber klar, man muss im Einzelfall das trotzdem immer gut begründen und das stellt eine pragmatische Lösung dar, bietet aber sicherlich weniger Comfort als jetzt so ein richtiges Wertgutachten und deswegen muss man das im Einzelfall auch da gut argumentieren und dokumentieren.

Julia Pingsmann: Ja, also ich kann das auch aus meiner Praxiserfahrung einfach bestätigen. Ich habe es wirklich schon öfters gesehen, dass ein Corporate dann einfach hingeht und sagt, ja, schau, Jula, ich habe doch jetzt schon so und so viel Euro ausgegeben für die Validierung, die vielleicht du durchgeführt hast durch die Entwicklung des Codes, was vielleicht ein Dienstleister dann ausgegeben hat. Und das sollte das Venture doch dann zumindest mal Minimum auch wert sein. Aber wie Tamu schon sagt, das ist dann einfach eine sehr, sehr pragmatische Lösung und die muss einfach sehr gut begründet und vor allem sehr gut dokumentiert werden. Das heißt, auch wenn man eben so ein Startup oder so ein Venture aufbaut, ist Dokumentation an der einen oder anderen Stelle dann doch wieder einfach alles.

Joel Kaczmarek: Kommen wir nochmal ganz kurz zurück zu der Differenzierung, die ihr vorher aufgemacht habt. Ob der, die Gründer, Gründerin bereits an Bord ist, beziehungsweise Personen als wichtigstes Asset. Was gibt es denn da noch zu beachten?

Julia Pingsmann: Also für mich fast das wichtigste Thema überhaupt, weil ich habe es auch schon öfter geholfen, dann diese Corporate Ventures einfach mit Personen zu besetzen. Und dann ist hier eben ganz, ganz wichtig, das Corporate braucht eine klare Vision, was mit dem Venture passieren muss und auch ein klares Verständnis. was sie damit machen wollen. Das heißt, es kommen eben auch natürlich Fragen auf, wie viele Anteile sollen die Gründer haben? Sollen die Gründer in der Mehrheit sein, obwohl das Corporate quasi die Idee hatte und die initiale Finanzierung übernommen hat? Wie viele Anteile sollen die haben? Sind das richtige Anteile oder ist es nur ein Virtual Aesop? Wie lange ist das Vesting? Wie kann ich als Gründer dann eben auch meine Anteile materialisieren. Bei einem Corporate Mentoring-Modell ist es ja nicht so, dass wir irgendwann an die Börse gehen damit, sondern das sind ja meistens strategische Startups. Das heißt, stell dir vor, du bist ein Gründer, sagst, okay, ich habe jetzt 30 Prozent an dem Startup. Wann kann ich dann eigentlich diese Anteile verkaufen und dann zu welchem Geld? Was ist der Exit Case? Was ist die Bewertung? Was für eine Put-Option habe ich eigentlich? Man braucht auf jeden Fall hier so eine unternehmerische Inzentivierung, weil sonst funktioniert das Startup natürlich nicht. Und nur mit einer unternehmerischen Inzentivierung finde ich halt auch die richtigen Leute. Und daher ist wirklich Personen sind absolut das wichtigste Asset. Und das ist einfach ultra wichtig, da das richtige Setup zu finden.

Tammo Lüken: Ja, also auch aus steuerlicher Sicht ist das ein ganz kritischer Punkt. Hier haben wir vor allen Dingen die Herausforderung, dass man die Founder, irgendwie aufs Cap-Table bekommen will. Also typischerweise sollen die ja wirklich mit echten Anteilen ausgestattet werden. Und wenn das so ist, dann muss man halt wirklich immer aufpassen, dass dadurch nicht irgendwelche ungewollten Steuerzahlungen ausgelöst werden. Und das Thema hat man vor allen Dingen in den Szenarien, in denen wir jetzt gerade hier unterwegs waren, nämlich in denen schon IP geschaffen wurde, die im Zweifelsfall einen gewissen Wert hat. Und da wird man früher oder später in dieses Problem immer reinlaufen.

Joel Kaczmarek: Kannst du das nochmal weiter detaillieren? Also was ist denn hier eigentlich genau das Risiko?

Tammo Lüken: Das Risiko oder das Problem besteht eigentlich darin, dass wir eben gesagt haben, wenn der Corporate die IP geschaffen hat und das ausgründet, dann würde man ja unterstellen, dass die Anteile an der neuen GmbH schon einen gewissen Wert haben, nämlich im Zweifelsfall so den möglichen Zukunftserfolgswert dieser IP, der da drin ist. Und wenn der Corporate nun dem Founder oder den ein oder mehreren Foundern diese Anteile übertragen möchte, also onboarden möchte, dann ist ja die Frage, zu welchem Wert passiert das denn? Und wenn die einfach die Anteile sozusagen so übertragen, also unentgeltlich oder meinetwegen nur zum Nominalwert, Dann kann die Differenz zwischen dem Verkehrswert der Anteile und dem, was die Founder dafür auf den Tisch legen mussten, das kann als Vergütung gesehen werden. Also das ist dann so eine Art geldwerter Vorteil, der in der Spitze bei den Foundern halt mit 47,5 Prozent Einkommenssteuer und Sozialversicherungsbeiträgen zu Buche schlägt. Und das ist natürlich schon eine Hausnummer. Und auch hier ist es für den Founder vor allen Dingen insbesondere problematisch, weil es sich auch hier um Dry Income handelt. Also der bekommt ja gerade kein Cash, sondern erstmal nur Anteile. Der müsste also was versteuern, ohne dass da wirklich ein Geldzufluss stattgefunden hat. Und auch für die neue GmbH kann das im Übrigen zum Problem werden, weil die gegebenenfalls als Arbeitgeber für die Lohnsteuer haften kann. Aber auch für das Problem, da gibt es in der Praxis Lösungen, die aber immer einen gewissen strukturellen Mehraufwand dann auch zeitigen.

Joel Kaczmarek: Ja, komm, also da musst du jetzt natürlich Butter bei die Fische geben. Wie sehen denn diese Lösungen aus? Was gibt es da für Ansätze?

Tammo Lüken: Ja, erzähle ich natürlich gerne. Die einfachste Möglichkeit wäre, wenn der Corporate einfach die Anteile zum Verkehrswert an die Founder verkauft, also auch durchaus schon mal im Einzelfall gesehen, aber dann muss man da auch mal über irgendwelche Darlehensgewährungen und so nachdenken, weil wenn das schon einen gewissen Wert hat, dann hat vielleicht nicht jeder das Bargeld da gerade rumliegen. Aber in den meisten Fällen ist das einfach kommerziell gar nicht gewünscht, beziehungsweise die Founder sagen, ich möchte kein eigenes Geld mitbringen, sondern ich bringe mich ja schon mit, was ja auch durchaus ein Argument ist. Und da haben wir auch das von Und Julia schon erwähnte Thema der hinreichenden Inzentivierung, das ist ja eng damit verknüpft. Also wenn man, das ist ja einfach ein anderer Case, wenn man den, wenn der Corporate den Paar dann sagt, ihr könnt mitmachen, aber ihr müsst leider den Verkehrswert hier bezahlen.

Julia Pingsmann: Also ich kann das schon bestätigen, aber gleichzeitig ist es halt auch so, und ich sitze ja auch immer mehr auf der Corporate-Seite, dass die Corporates eben trotzdem und auch verständlicherweise einfach darauf achten, dass die von ihnen bisher geschaffenen und auch bezahlten Werte natürlich auch ihnen einfach weiter zugerechnet werden. Ich meine, es gibt noch ein anderes Thema, was wir sich angucken könnten, dass man sagt, Die Gründer gründen zuerst und der Corporate geht dann mit der ersten Investition, mit dem Seed-Investment mit rein. Aber auch hier, das sind dann wirklich sehr schwierige vertragliche Diskussionen, die man einfach hat. Das ist zwar dann unternehmerisch, aber es braucht einfach eine sehr große Orchestrierung auf allen Stakeholder-Seiten. Und das muss dann eben auch von einem Steuerrechtler einfach sehr gut begleitet sein.

Tammo Lüken: Genau, also dieser Wunsch des Corporates danach, sozusagen die bereits geschaffenen IP erstmal wirtschaftlich sich noch weiter zurechnen zu lassen oder nur sich zurechnen zu lassen, das führt tatsächlich zu so einem gewissen Alignment zwischen diesen wirtschaftlichen Interessen und den lohnsteuerlichen Anforderungen, die ich eben gesagt habe, weil wir halt quasi dann aus zwei Seiten zu dem Ergebnis kommen, dass wir irgendwie diese Anteile, die die Founder bekommen, auf irgendwie Wert beschränken müssen. Und das macht man typischerweise so durch vertragsgestalterische Lösungen, dass man die dann eigentlich so aussehen, dass die Founder immer nur an den zukünftigen oder an den zukünftig zu schaffenden Werten dann beteiligt werden und alles, was bisher geschaffen wurde, nämlich von dem Corporate, also die IP, dass die wirtschaftlich unverändert dem Corporate zugerechnet wird. und in der Praxis macht man das häufig dadurch, dass man einfach eine neue Gattung von Anteilen schafft, also Es gibt dann verschiedene Namen dafür, also Hurdle Shares oder Growth Shares oder sowas, die sagen im Ergebnis, das ist jetzt alles sehr vereinfacht, aber im Ergebnis regeln die genau das, was ich gerade beschrieben habe, also so eine Art Wertentleerung der Anteile und dann, dass die Founder nur an zukünftigen Wertsteigerungen dann partizipieren sollen.

Joel Kaczmarek: Also auch auf die Gefahren, dass wir zum Ende raus jetzt hier in so einen Nerd-Talk verfallen, aber kannst du nochmal konkret sagen, wie diese Zurechnung dann eigentlich genau umgesetzt wird?

Tammo Lüken: Ja, also ganz grob kann ich das erzählen. Das sind dann sehr komplexe Verträge, in denen das nachher umgesetzt wird. Aber die Grundidee ist, dass man oder in den meisten Fällen arbeitet man mit einer sogenannten negativen Liquidationspräferenz. Das ist eigentlich nichts anderes als eine Abrede zwischen den verschiedenen Gesellschaftern der neuen GmbH, also in unserem Fall jetzt hier dem Corporate und den Foundern, wo dann einfach genau geregelt wird, wie der Gewinn der Gesellschaft zu verteilen ist. Und den kann man halt auch sehr diskutal verteilen und halt auch so regeln, dass der wirtschaftlich gewünschte Erfolg da eintritt. Also diese Möglichkeit wählt man regelmäßig, wenn das IP halt im Wege der Einlage ins Eigenkapital übertragen wurde, hatte ich ja eben schon gesagt, aber man muss halt auch da immer gucken, die konkrete Ausgestaltung ist da halt sehr wichtig und vor allen Dingen auch, um die Anerkennung durch die Finanzverwaltung zu erreichen und auch muss man halt sehen, wie man es ausgestaltet, weil dann gegebenenfalls halt immer noch so ein gewisser, naja, restlicher Wert in diesen Anteilen doch drin bleibt, also da muss man alles im Einzelfall gucken. Den anderen Weg, den ich eben beschrieben hatte, dass man das IP verkauft im Wege des Asset-Deals, auch darüber könnte man das erreichen, nämlich indem man einfach die gesamte Gesellschaft erstmal sozusagen wertlos stellt, weil einfach den Assets in gleicher Höhe eine Verbindlichkeit gegenüberstellt. Auch da muss man natürlich einzelfall gucken. Ja, aber das sind so die grundsätzlichen Möglichkeiten, die man da so hat.

Joel Kaczmarek: Gut, also das war ja heute wirklich ein bunter Ritt. Man möchte meinen, wie geskriptet, also beeindruckend, wie ihr das so zusammenbringt. Der eine die Theorie, der andere die Praxis. Wollen wir zum Abschluss vielleicht nochmal einen kleinen Wrap-up machen? Was waren so eure Top 3 Learnings?

Tammo Lüken: Ja, gerne. Also Top 3 Learnings, also ich glaube an erster Stelle würde bei mir immer stehen, dass man bei solchen Projekten wirklich an alle Stakeholder denken muss. Also man muss steuerlichen Auswirkungen nicht nur beim Corporate und bei der neuen GmbH, sondern auch bei den Foundern mit einbeziehen. Also wenn wir als Berater natürlich immer nur eine Partei beraten können, aber es geht ja darum, dass man das irgendwie gesamtheitlich schon sieht, muss man es ja nicht beraten oder parteiergreifen, aber dass man eigentlich auch dem Corporate nur raten kann, das ganzheitlich zu sehen. Der zweite Punkt ist eigentlich das, was ich anfangs sagte, also auch der steuerliche Berater sollte Teil des Projektteams hier sein, also eine frühzeitige und enge Einbindung Finde ich ganz wichtig. Das macht das alles einfacher und führt, glaube ich, hier auch zum Erfolg, wenn wir einfach ein gutes Verständnis für die Ziele und Wünsche des Corporates haben. Und drittes Learning, vielleicht immer genau hinsehen. Das gilt im Steuerrecht zwar immer, aber hier insbesondere, weil auch wenn sich viele Corporate Venturing Projekte vielleicht augenscheinlich ähneln mögen, im Einzelfall ist das dann doch immer wieder notwendig, Gibt es irgendeine Besonderheit, die man halt beachten muss? Und nur so kann man da Probleme vermeiden.

Julia Pingsmann: Also ich bin da bei meinen drei Learnings tatsächlich ein bisschen auch bei Tamos. Erstens ist tatsächlich gemeinsames Verständnis für die Vision des Ventures of Corporate Seite ganz wichtig. Zweitens, wenn externe Gründer reinkommen, bitte auch hier frühzeitige Einbindung und schnelle gemeinsame Sicht über Economics und Control herstellen. Und mein drittes Learning, was eigentlich immer gilt, es gibt für immer alles eine Lösung.

Joel Kaczmarek: Das ist doch gut. Das ist ja hier richtig so. ein Rezept für jedes Startup eigentlich. Probleme muss man immer lösen als Unternehmer und Unternehmerin. Von daher, cool. Ihr Lieben, ich danke euch ganz herzlich und glaube, viele, die jetzt heute zugehört haben, haben vielleicht auch mal Problemwelten kennengelernt, mit denen sie sich gar nicht auseinandergesetzt haben. Also man sagt ja immer, man muss innovativer werden, Innovationspipeline bauen, Startups gründen und, und, und. Aber was dann in der Praxis manchmal alles so rein prozessual dazugehört, malt man ja jetzt nicht aus. Von daher danke ich euch, dass ihr diesen weißen Fleck auf der Landkarte gefüllt habt. Und ja, bin gespannt, was man noch so von euch zu hören kriegt. Vielen Dank, ihr Lieben.

Julia Pingsmann: Ja, danke Tamu und danke Joel.

Tammo Lüken: Danke dir.

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Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Rechtsthemen: Joel trifft sich dazu regelmäßig mit wechselnden Top-Anwält:innen, Steuerberater:innen und Rechtsexpert:innen, welche dir praxisnah und leicht verständlich die wichtigsten Rechtsthemen erklären. Als Unternehmer:in und Gründer:in kannst du diese dadurch sofort verstehen und anwenden.