Wichtige Fragen zu Wachstum und Marketing

29. Oktober 2018, mit Joel KaczmarekFlorian Heinemann

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Joel Kaczmarek: So, jetzt habe ich ein paar Fragen für dich. Die haben wir natürlich wieder gestaffelt nach Themenbereichen. Das erste ist aus dem Bereich Wachstum. So, und das ist mal eine Frage, die ist ja wirklich so ein bisschen emotional und ich glaube, das ist ganz interessant, sowas auch mal anzusprechen. Hier schreibt ein Nutzer, ich musste gerade fünf Mitarbeiter kündigen, um flüssig zu bleiben. Mein selbstfinanziertes Unternehmen lief gerade etwas Gefahr, sich kaputt zu wachsen. Ist so ein Impuls sinnvoll?

Florian Heinemann: die Mitarbeiter zu entlassen?

Joel Kaczmarek: Ja, also auch mal schrumpfen. Wir hatten ja, glaube ich, auch schon mal eine Frage, die so in diese Richtung ging. Sollte man manchmal Wachstum per se durchhalten? Also auch wenn irgendwie nuklearer Winter kommt, nicht zurückstecken, sondern versuchen, kontra die Entwicklung zu arbeiten.

Florian Heinemann: Ich glaube, wenn man ein selbstfinanziertes Unternehmen ist, hat man mehrere Antworten dazu. Ich glaube, das eine ist, wir haben noch relativ häufig die Erfahrung gemacht oder ich habe relativ häufig die Erfahrung gemacht, dass wenn man sehr schnell wächst und auch sozusagen Organisationen, Strukturen, Systeme, wenn die mitwachsen, dass da zwangsläufig Wildwuchs entsteht auf der Systemseite und sicherlich auch in den Organisationen. dass nicht immer alles so mitwächst, wie man sich das vorstellt auf der Qualitätsseite. Insofern kann es, glaube ich, schon Sinn machen, sich regelmäßig zu fragen, unabhängig von den finanziellen Aspekten, ist da eigentlich jede Person am richtigen Ort? Habe ich überall wirklich die richtigen Personen?

Und ich glaube, gerade wenn man schnell gewachsen ist, passieren da auch häufig Fehler. und es macht sicherlich auch Sinn, sich als Unternehmerteam oder als Unternehmer zu fragen, in gewissen Abständen bin ich da eigentlich auf jeder Position richtig aufgestellt und das auch immer mal wieder natürlich menschlich in vernünftiger Art und Weise dann auch wieder zu bereinigen. Das ist grundsätzlich schon gesund für jedes Unternehmen, weil das, glaube ich, dann auch sozusagen die Basis schafft für die nächste Wachstumsschwelle. Wenn man ein fremdfinanziertes Unternehmen ist im Sinne von Venture Capital oder irgendwelche Investoren, dann kann es durchaus Sinn machen, auch mal eine Durststrecke zu überstehen, dort die Ressourcen, die einem zur Verfügung gestellt wurden, zu nutzen, um quasi eben nicht eine Kostenanpassung zu machen, gerade wenn man eben Angst hat oder Sorge hat, dadurch entsprechende Kompetenzen und so weiter zu verlieren.

Das heißt, ich glaube, man muss sich halt ehrlich die Frage beantworten, Bin ich hier weiterhin auf dem strukturell richtigen Weg und ist das jetzt hier nur gerade Ausdruck eines vielleicht externen Schocks, 2008, 2009, Lehman oder was auch immer für eine Krise, die eben dafür sorgt, dass jetzt trotz strukturell richtiger Aufstellungen gewisse Dinge nicht so laufen, dann kann es, wenn man die Möglichkeiten dazu hat, sicherlich auch Sinn machen, gewisse Durststrecken zu überwinden. Ich glaube, die Gefahr ist eben nur immer, dass man sich halt ein Stück weit in die Tasche lügt und strukturelle Probleme, die man eigentlich hat, auf externe Faktoren schiebt oder auf nicht beeinflussbare Faktoren schiebt und damit letztendlich eine ehrliche Analyse nicht vornimmt. Aber ich glaube, wenn man denkt, dass man da vernünftig aufgestellt ist, ist das, finde ich, völlig legitim. Gerade, und das muss man auch sagen, die meisten Digitalunternehmen leben von Kompetenz, leben von operativen Know-how. Und das ist in der Regel nur bei relativ wenig Personen gebündelt.

Und diese Personen, es hat natürlich einen Wert an sich, diese Personen im Unternehmen zu halten. Insofern da jetzt nicht vorschnell Kompetenz abzubauen, die man dann nachher mühsam wieder irgendwie aufbauen muss, was häufig sehr schwer oder teilweise auch unmöglich ist. Das ist schon etwas, was man beachten sollte. Bloß, man muss schon sagen, wenn man dann mal so einen Cut vornimmt, und das kommt in der Startup-Welt ja sehr häufig vor, man ist immer erstaunt. Wir gucken eigentlich immer auf diese Maßnahmen und dann sitze ich auch häufiger dann mit einem Unternehmer zusammen und dann sagt man, wir müssen von 40 auf 27 und wie machen wir das jetzt? Und man ist dann immer erstaunt, wie gut dann das ganze operative Geschäft auch mit 27 Leuten weiterläuft. Man denkt ja immer Also wenn man am Anfang immer so drauf guckt, dann denkt man, wenn wir das jetzt machen, dann bricht hier die ganze Bude zusammen. Und dann drei Monate später, wenn das dann alles vollzogen wurde, wenn man das dann auch in Ordnung gemacht hat, dann läuft es eigentlich genauso weiter wie vorher und teilweise besser.

Und das ist eigentlich schon ein Learning, was man sehr, sehr häufig hat. Und ich glaube, das ist in einer Start-up-Welt praktisch. wo man halt versucht, ein relativ steiles Wachstum irgendwie zu erzeugen, auch bedingt durch die VC-Finanzierung, die das ja irgendwie implizit verlangen, dann ist das wohl auch ein normaler Prozess. Also ich kenne jetzt wenige Unternehmen, die von sich behaupten können, dass sie irgendwie gestartet sind mit zwei, drei Leuten und dann zehn Jahre später ist daraus das Unicorn entstanden und es war immer ein glatter Prozess. Das ist eigentlich nie der Fall. Man hat eigentlich immer mal Krisen. Und ich finde, dabei dann auch mal so eine Entwicklung zu vollziehen, Muss auf gar keinen Fall schlimm sein. Man darf eben, wie gesagt, nur nicht Know-how abbauen, was kritisch sein kann, wenn man eben die Möglichkeit dazu hat.

Und das sollte einem VC ja dazu auch die Möglichkeit geben. Aber ich glaube, da ist es auch nochmal wichtig, mit eben entsprechenden Investoren zusammenzuarbeiten, wenn man sie denn hat, die vielleicht auch einem helfen können in so einer Krise ein gewisses Sparing aufzubauen. Ich glaube, das ist auch nochmal etwas, was einen guten Investor auszeichnet, dass er eben auch in solchen Krisen eher als beruhigender Faktor wirkt und nicht als zusätzlich stressender Faktor. Und das ist eben leider auch häufig der Fall. Also, dass Investoren, gerade wenn sie da nicht die nötige Souveränität haben, den sowieso schon extrem unter Druck stehenden Unternehmern auch weiter verunsichern und eben da nicht für Sicherheit sorgen.

Joel Kaczmarek: Ich meine, man kann das ja so ein bisschen in die Richtung mal auch besprechen, wie das so beim Grexit war. Ich erinnere mich noch, als Griechenland in dieser Krise stand, war ja hier in Deutschland voll Sparkurs angesagt. Ihr müsst uns die Kohle, die Kredite zurückzahlen, sparen, sparen, sparen, sparen, sparen. Und dann gab es ja nicht wenige, die gesagt haben, dass eigentlich dieses Sparen so eine Krisensituation gar nicht besser macht, sondern eher schlechter, weil du schaffst ja auch keine Infrastruktur, du schaffst kein Know-how, du schaffst eigentlich keine Wege, die sich weiterentwickeln können, sondern du machst eigentlich angedörrte Pflanzen sozusagen erst richtig kaputt, indem du das Wasser wegziehst. Kann man das im Unternehmertum auch so sehen, dass es vielleicht sinnvoller sein kann, wenn ein Modell noch nicht abgehoben ist, dass man vielleicht im Gegenteil sogar antizyklisch gedacht investiert und sich irgendwie neue Ressourcen aufbaut und vielleicht neue Dinge probiert, anstatt bestehende Ressourcen einzustampfen?

Florian Heinemann: Ja, ich glaube, wenn man das kann, schon. Häufig ist es so, dass in Krisensituationen Unternehmensaufbau deutlich schneller, effizienter funktioniert, gerade wenn es eine Gesamtkrise ist. Ich glaube, man konnte selten so günstig Werbeleistungen einkaufen wie 2002, 2003, 2004, wo sozusagen der Werbemarkt am Boden lag, weil halt die Gesamtwirtschaft, der DAX ist irgendwie runter, um keine Ahnung was, ich weiß gar nicht, die Reihe der neuen Marktes zusammengekracht. Der DAX war, glaube ich, auf 2000 Punkten damals, also nach 2002 oder sowas in der Größenordnung von 8000, irgendwas kommend.

Also dann liegt natürlich der Werbemarkt da nieder und dann, wenn du dann in der Lage bist zu investieren beispielsweise, so tolle Deals konnte man nie wieder kriegen. Also insofern schnell antizyklisch zu handeln, das kann schon einen Vorteil haben. Ich bin jetzt auch kein Grexit-Experte. Oder Griechenland-Krisenexperte. Ich glaube, da war die Situation ja schon ein bisschen anders gelagert, dass man halt gesagt hat, wir müssen irgendwie der Verschwendung her werden, die da passiert und auch der mangelnden Steuerdisziplin her werden. Und da helfen wahrscheinlich nur radikale Maßnahmen, um da einen Schnitt zu erzeugen. Dieses Investieren in der Krise setzt natürlich immer rational handelnde Akteure voraus.

Und wenn du natürlich sagst, du hast ein sich schon nicht gut funktionierendes System mit gewissem Korruptionsgrad und Ineffizienzgrad, wo sich auch Leute eingenistet haben, das kriegst du wahrscheinlich nur zerbrochen, indem du da auch einmal einen radikalen Schnitt machst. Ich glaube, das ist eben bei Unternehmen, gerade in der Startup-Phase ja seltenst der Fall, weil sozusagen die Zeit, in so eine Entwicklungsstufe sich zu begeben, die ist ja in der Regel zu kurz, wenn du angefangen hast. Also so viel falsch gemacht haben, strukturell kannst du eigentlich noch gar nicht. Also insofern ist da sicherlich die Analogie oder Gedanke, in Krisenzeiten zu investieren, angebrachter als jetzt in einem Fall von nicht so guten Verfassungen stehenden Griechenland.

Joel Kaczmarek: Wie gehst du mit sowas kommunikativ um? Hast du da irgendwie Erfahrung gesammelt? Also wenn so eine Bude irgendwie jemanden entlässt und sagen wir mal, es ist eine, die ein bisschen mehr im Fokus des Interesses steht, Man findet sich dann irgendwie bei, was weiß ich, Vivo wieder, Handelsblatt, Gründerszene, deutsche Startups oder, oder. Mit Unternehmen XYZ hat 15 Leute entlassen, Krise, Fragezeichen und so weiter. Hast du da Erfahrungen gesammelt, wie man mit sowas umgehen sollte?

Florian Heinemann: Ja, ist ja Teil des Venture-Geschäfts. Insofern haben wir das ja regelmäßig. Ich glaube, das Wichtigste ist erstmal, dass zumindest unsere Erfahrung, dass erstmal mit den Mitarbeitern kommunikativ klar ist, was da passiert. Und wir haben eigentlich sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Erstmal sehr offen intern zu kommunizieren, erstmal an alle und dann aber auch wirklich zu erklären, warum das jetzt so ist und so sein muss. Und da sind wir auch als Investor zum Teil aktiv mit dabei und den Leuten, die nicht dabei sein können, weiter dort auch sehr aktive Hilfestellung zu bieten, dass sie schnell eine neue Perspektive finden.

Das ist häufig eher ehrgeizig. emotional ehrlicherweise relevant als jetzt real, weil ich glaube, wer den heutigen Arbeitsmarkt in Berlin sieht, im Startup-Bereich, jeder, der hier irgendwie halbwegs Digitalkompetenz schreiben kann, hat eigentlich kein Problem, einen sehr guten Job zu finden. Aber trotzdem fühlt es sich natürlich emotional nicht gut an, deswegen, ich glaube, da Hilfestellung zu bieten, also was wir häufig machen, ist, dass wir mit unserer Personalabteilung versuchen zu unterstützen und dann im Vorfeld schon Vorstellungsgespräche zu vereinbaren für Mitarbeiter, die dann entlassen werden, um zu zeigen, hört mal zu, uns ist das nicht egal, was hier passiert, sondern wir versuchen da aktiv zu helfen. Und ich glaube, genauso wichtig ist es dann natürlich auch, die Mitarbeiter, die weiter dabei sind, denen die Verunsicherung zu nehmen, dass sie da an einem richtigen Ort sind, weil auch die haben in der Regel andere Alternativen.

Das heißt zu zeigen, pass mal auf, Das ist jetzt hier eine Maßnahme, damit schrumpfen wir uns in gewisser Weise gesund und schaffen die Basis jetzt wieder vernünftig durchzustarten. Und das ist ehrlicherweise nicht immer so einfach, diesen kommunikativen Punkt rüberzubringen, dass sozusagen nicht jede Schrumpfkur immer sozusagen ein Anzeichen dafür ist, dass das Modell nicht strukturell funktioniert, sondern dass man vielleicht einfach in gewissen Punkten, zu stark aufgebaut hat, weil wie auch immer, das ist ja auch das Wesen von Venture-Capital finanzierten Firmen, dass du eben sehr häufig, wir sagen ja immer frontloaded agierst, das heißt also, dass du im Prinzip das, was du brauchst an Ausstattung und so weiter für die nächste Stufe im Prinzip schon vorgelagert dir reinholst, das ist ja gerade der Unterschied zu dem Bootstrapping-Vorgehen und das kann toll sein, weil das natürlich die Wachstumsschmerzen verringert, aber wenn natürlich dann das Wachstum nicht kommt, dann kommst du eben genau in die Probleme.

Aber ich glaube, was wir dann immer eben versuchen, auch die Gründer versuchen dabei zu unterstützen, dass die dann eben der verbleibenden Mannschaft klar machen, dass das hier nicht Ausdruck eines kompletten Failures ist, sondern eben nur quasi jetzt eine Etappe des Innehaltens und danach geht es hoffentlich weiter. Und das hat ehrlicherweise auch schon ein paar Mal ganz gut funktioniert. Funktioniert natürlich auch zum Teil, wenn du dann wirklich ein strukturelles Problem hast, hilft auch dann das nicht. Das muss man dann, glaube ich, auch ehrlich erkennen. Das ist zum einen diese Innenkommunikation. Und was wir dann eigentlich immer versucht haben, ist, du kannst es eigentlich nicht verhindern, selbst wenn du 15, 20 Leute entlässt, was jetzt nicht wahnsinnig viel ist. dass diese Informationen zu Kollegen jetzt, oder Ex-Kollegen von Gründerszene oder Hüsing oder sonst irgendwas. Und ich glaube, das muss man auch gar nicht.

Das heißt, ich kann eigentlich jedem Gründer nur raten, da aktiv die Botschaft zu kommunizieren, die man dann eben kommunizieren möchte. Ich glaube, das jetzt irgendwie für eine Entlassung von Brittel der Belegschaft als die nächste Wachstumsstufe zu verkaufen, sollte man sich, glaube ich, sparen. So blöd ist kein Journalist, sondern man muss dann eben sagen, pass mal auf, wir haben die und die Probleme, wir glauben, dass das für uns gut ist und richtig ist und das hat jetzt eben nicht so funktioniert, aber Wir glauben, dass weiterhin das Geschäftsmodell, was wir vorantreiben wollen, hat weiterhin eine Existenzberechtigung. Wir haben hier zwei, drei Fehler gemacht. Und das würde ich halt proaktiv kommunizieren, weil sonst schreibt jemand anders die Botschaft. Und ich glaube, da eine gewisse Kommunikationshoheit zumindest zu versuchen zu bewahren, ohne zu übertreiben, weil ich glaube, es bringt nichts, das dann zu beschönigen, sondern ich habe eigentlich immer sehr gute Erfahrungen damit gemacht, offen zu erklären, warum da gewisse Dinge passieren und da, das ist auch sozusagen so ein bisschen meine Natur, da eher offener zu kommunizieren.

Ich habe damit jetzt kein Problem, damit sehr gute Erfahrungen gemacht, bin da eigentlich nie großartig enttäuscht worden. Es gibt sicherlich so ein paar Medien, da muss man da irgendwie vorsichtig sein, machen eben eher Auflage oder Klicks damit, dass sie Dinge eher reißerisch formulieren oder so, aber das ist ja ehrlicherweise jetzt bei einem 15, 20 Mann, das sind ja dann eben so deutsche Startups, Gründerszenen und so weiter, die nach meinen bisherigen Erfahrungen ja immer einen sehr grundsätzlich mal unterstützenden Kern haben. Es sieht da keine Befriedigung aus, da Leute in die Pfanne zu hauen. Und da gibt es sicherlich etabliertere Medien, andere Kollegen. Aber wie gesagt, ich bin damit eigentlich immer sehr gut gefahren und kann das eigentlich nur auch jedem Gründer raten. Ich glaube, die Chancen, dass das dann weniger Schaden anrichtet, als wenn man sozusagen Dinge für sich behält und gar nicht kommuniziert. Ich glaube, die Wahrscheinlichkeit, dass das noch halbwegs gut ausgeht, kommunikativ, ist höher, als wenn man gar nichts sagt. Also bist du der erfahrenere Kommunikationsmensch als ich, aber ich hätte das mal so. Du brauchst natürlich auch einen guten Kommunikator, der das dann eben auch gut erklären kann. Und da gibt es natürlich solche und solche.

Joel Kaczmarek: Ja, glaube ich, da hast du recht. Und ich habe so die Erfahrung gemacht, viele Gründer stellen sich ja immer hin und wollen das immer so. In der Tat mit Wachstum dann. Wir wachsen aber trotzdem weiter. Ja, sozusagen als hättest du so einen Ast von so einem Baum abgeschnitten. Ich musste gerade schmunzeln, weil ich so zurückgedacht habe. In den Anfangszeiten von Gründerszene habe ich mal einen Artikel über irgendeine Sammlerbude gemacht, die auch entlassen hat. Da haben wir, glaube ich, so einen Grabstein mit dem Logo von der Firma aufs Bild gehabt. Aber vielleicht auch mal sozusagen Eindruck von den Kulissen.

Ich erinnere mich noch, wie ich dann auf dem U-Bahnhof war ich gerade, wurde ich angerufen von dem Gründer, mit einem italienischen Namen, weiß ich noch. Und die Redner haben mit ihm gesagt, ey, weißt du, mir fangen die Mitarbeiter an zu heulen, weil die denken, hier geht gleich das Licht aus. Was soll der Scheiß? Fairerweise war es ein Unternehmen, wo dann drei Wochen später wirklich das Licht ausging. Und das war auch irgendwie ablesbar von außen. Nevertheless macht man ja auch seine Erfahrungen auf der schreibenden Seite. Das kriegt man halt mal nicht so mit, fairerweise. Von daher, also da setzt auch Läuterung ein. Bei Journalisten hoffe ich zumindest. Bei mir war es so.

Florian Heinemann: Ja, man hat als Journalist schon eine gewisse Verantwortung. Also immer wieder so Beispiele, wo du dich dann teilweise schon fragst, da werden Lebenswerke mit irgendwie einem Artikel vernichtet, ist vielleicht ein bisschen viel, aber wo ich mich dann schon zum Teil frage, ist den Leuten eigentlich bewusst, was sie da jetzt gerade Und ich glaube, das eine ist ja, wenn du jetzt irgendwie als Unternehmer dioxinhaltigen Müll in irgendeinen Fluss kippst, würde ich sagen, immer drauf. Aber wenn jetzt jemand unternehmerischen Fehler begangen hat oder noch nicht mal, sondern einfach nur Pech hatte, da dann irgendwie noch drauf zu hauen. Ja, aber wie gesagt, die Erfahrung habe ich eigentlich in der Regel nicht gemacht, muss ich sagen. Und ich glaube, man kann zumindest mit einer offenen Kommunikation, wenn man dann nicht auch noch irgendwie Bullshit erzählt, hat man, glaube ich, eine ganz gute Chance. Und das kann ich eigentlich jedem nur raten, das zu tun und da lieber ein bisschen zu viel zu kommunizieren als zu wenig.

Joel Kaczmarek: Ja, manchmal ist es ja traurig, dass…

Florian Heinemann: Damit erhöht man vielleicht noch so ein bisschen die Weißhemmung bei deinen Kollegen.

Joel Kaczmarek: Ja, ja, glaube ich definitiv, weil es ist immer so, wenn man wenig Informationen hat, muss man dichten und dann dichtet man vielleicht die falschen Lücken. Und in der Tat muss man manchmal aufpassen, dass man die Headlines irgendwie gesteuert kriegt. Also Markus Joost, mit dem ich ja hier und da zusammenarbeite, der auch PR macht, habe ich ja immer irgendwie gesagt, Leute, wenn euch die Journalisten anrufen, sind die Headlines schon geschrieben. Und wenn die dich anrufen, ist es eigentlich schon zu spät. Und da hast du recht, dann wissen die schon, was

Florian Heinemann: Du musst proaktiv anrufen, ja.

Joel Kaczmarek: Von daher, gut, nächste Frage. Eine Frage, die ich auch sehr, sehr oft gestellt kriege, witzigerweise, und die kann man, glaube ich, aus vielen Blickwinkeln betrachten. Da geht es um Outsourcing. Kann man Developer erfolgreich outsourcen und sich projektbasiert im Ausland zu günstigeren Preisen bedienen oder leidet erfahrungsgemäß die Qualität zu sehr darunter? Also ich glaube, da haben wir mehrere Elemente. Man kann über Qualität reden, man kann über Managementaufwand reden, man kann vielleicht auch über generell das Steuern reden. Also würdest du generell sagen, dass Outsourcing im IT-Bereich sinnvoll ist, ja oder nein?

Florian Heinemann: Man kann schon sagen, dass eine Reihe von Firmen bei uns im Portfolio, wo ich das jetzt ja ein bisschen näher mitkriege, oder auch bei Business Engine Investments, wo ich das ein bisschen näher mitkriege, arbeiten mit Outsourcing. Also ich glaube, man kann festhalten, per se ist jetzt mit Outsourcing zu arbeiten nicht schlecht. Ich glaube trotzdem sozusagen, dass jede digitale Firma, braucht digitale Technologiekompetenz, die eben im Kern eine reine Produktkompetenz im Sinne von UX-Kompetenz ohne Technologiekompetenz im Unternehmen, also das alles outzusourcen, das wird, glaube ich, in der heutigen Zeit immer, immer schwerer. Man kann jetzt sagen, dass bei einer Vertically Integrated Brand das vielleicht ein bisschen weniger wichtig ist, als wenn man jetzt ein SaaS-Tool baut. Da ist sicherlich sozusagen die eine Technologiekompetenz hat nochmal eine andere Rolle. Aber selbst bei der Vertically Integrated Brand ist, die sich mit, keine Ahnung, Windeln beschäftigt. Selbst da, glaube ich, ist es wichtig, die Consumer Experience zu beherrschen und auch zugrunde liegende Technologie.

Das heißt, ich glaube, was eigentlich maximal möglich ist, ist nicht ein komplettes Outsourcing, sondern ein Outsourcing von Teilbereichen. Der Druck des Outsourcings steigt auch nochmal in Standorten wie jetzt im Silicon Valley, wo ja eigentlich fast jede Startup-Firma outsourcet. Weil einfach normaler Developer im Silicon Valley 120.000 Dollar kostet und viele natürlich nochmal deutlich mehr. Aber darunter geht es kaum und gleichzeitig die Mitarbeiterloyalität dort auf Tiefpunkte erreicht, die wir uns hier wahrscheinlich noch gar nicht vorstellen können. Und da ist natürlich der Druck auszusourcen nochmal ein ganz anderer, einfach von der Kostenseite als jetzt bei uns jetzt hier in Deutschland oder in Berlin. Aber nichtsdestotrotz glaube ich, wenn man die Architektur der Applikation, die man macht, wenn man da in der Lage ist, das in-house zu machen und gewisse Core-Features auch in-house entwickelt, dass man dann irgendwelche Seitenbereiche oder auch, was häufig auch ein Thema ist, Integrationsschnittstellen zu allen möglichen anderen Tools oder sowas, wenn man sagt, okay, ich bin Dienstleister und ich bin darauf angewiesen, mich mit einer Reihe von anderen Tools zu integrieren und das muss für jeden Kunden dann irgendwie neu gemacht werden.

Das sind für mich so ein Klassiker, wo man sagt, das kann man sicherlich auch nochmal mit einem anderen Tagessatz oder anderen Kosten von rumänischen Outsourcing-Geschichte machen lassen oder einer ukrainischen oder was auch immer. Aber man muss natürlich sehen, jetzt wenn du nach Polen gehst, da ist auch die Preisdifferenz zwischen dem, was in Polen ein Entwickler kostet und was er jetzt hier in Deutschland kostet, nimmt gefühlt ein Stück weit ab. Und man hat natürlich immer gewisse Integrations- oder Managementkosten. Also lange Rede kurzer Sinn, Outsourcing kann Sinn machen. Je teurer sicherlich die einzelne IT da ist, desto eher liegt das natürlich nahe. Aber ich glaube, es ist auf gar keinen Fall anzuraten, den kompletten Technologiebereich auch zu sourcen, sondern wirklich, wenn nur Randbereiche oder eben eine Art verlängerte Werkbandfunktion, wo man eben sagt, ich habe das Know-how hier, sechs Entwickler hier und dann verlängern die sich noch immer über zehn weitere, die dann eben sozusagen mit denen gemeinsam gewisse Tasks abarbeiten, aber die fünf, sechs Entwickler, die man hier in Berlin hat oder in Deutschland hat, die sind sozusagen auf jeden Fall Kern-Know-how-Träger.

Ich glaube, man muss das schon so designen, dass sozusagen das Know-how in jedem Kernbereich zumindest auch immer partiell oder größtenteils im Kern-IT-Team entsteht. Weil ich glaube sozusagen, diese enge Verknüpfung zwischen Der Business-Seite, der Kundenseite und der IT-Seite, der ist natürlich schon ein Erfolgsfaktor in einer Welt, wo Produkte tiefer werden, technologischer werden, komplexer werden, wo sozusagen ein wesentlicher Erfolg von vielen Businesses Repeat-Behaviour ist. Das heißt also, ob jetzt ein Kauf ist oder die wiederholte Nutzung von Services. Das heißt, was ja sehr, sehr stark dadurch getrieben wird, wie gut der Service oder die Experience ist, die man anbietet. Und ich glaube, in so einer Welt hat es schon einen Wert, dass Business- oder eine kundenseitige Funktion und eine Technologiefunktion eng miteinander arbeiten. Und das wird natürlich begünstigt durch geografische Nähe. Deswegen glaube ich, hast du einfach gewisse Grenzen des Outsourcing. Und ich glaube, gerade in der Wachstumsstory ist häufig irgendwas richtig, richtig gut zu machen. wichtiger, als ob das jetzt 10 oder 20 Prozent mehr oder weniger kostet.

Also ich glaube, wenn du jetzt wirklich in der totalen Winner-Geschichte sitzt, ist sicherlich schnell zu wachsen und schnell Substanz aufzubauen in den ersten paar Jahren wichtiger, als ob das jetzt 10 Prozent mehr oder weniger auf der IT-Seite kostet. Das muss man halt erkennen. Häufig ist natürlich Personalverfügbarkeit auch ein Thema. Das heißt, man kann gar nicht so schnell Personal aufbauen. jetzt in Berlin oder München, wie es jetzt eben ginge, das in einem Outsourcing-Standort zu tun. Also insofern, das kann schon ein Aspekt sein, aber ich glaube, man darf eben wirklich die Technologie-Ownership und die Hoheit nicht aus der Hand geben.

Joel Kaczmarek: Man kann es ja nochmal zuspitzen. Es haben ja viele das Problem, dass sie einfach keine Mitarbeiter finden. Also War for Talents wie Silicon Valley haben wir jetzt hier noch nicht, aber so viel anderes ist in Berlin vielleicht auch nicht. Was ist denn mit solchen Ansätzen, wie ihn ja zum Beispiel Zalando gefahren hat? Also ich erinnere mich noch, Anfang der 2010er Jahre kam dann auf einmal, wir machen einen Standort in Dortmund auf. Dann kam, glaube ich, Portugal auf. Ist sowas sinnvoll, dass man sich Dependancen seiner Firma schafft? Meinetwegen muss ja gar nicht so weit sein. Also du kannst ja sagen, wie Baden-Württemberg oder bei Freiburg oder sowas. Und auf dem Wege lokales Talent anzuziehen, um im IT-Bereich schneller wachsen zu können?

Florian Heinemann: Klar, ich meine, das macht ja auch ein Google oder sowas, die ja nach meinem Verständnis jetzt in Zürich und München. dann beispielsweise das Maps-Produkt, bin ich jetzt 100%ig sicher, aber ich meine, das ist das Maps-Produkt, Das wird dann eben für den gesamten globalen Markt von dort aus entwickelt. Also ich glaube, gerade wenn man in der Lage ist, an einem Standort dann ein IT-Thema ganzheitlich zu lösen. Ich finde, dann ist sozusagen auch nochmal so dieser Verlust der Koordination zwischen den Standorten, der ist ja gar nicht so groß. weil man im Prinzip an einem Standort ein Thema ganzheitlich bearbeiten kann. Da braucht man sicherlich auch noch irgendwie Interaktion mit der Business-Funktion, die an der Zentrale sitzt.

Aber ich glaube, das ist dann nochmal einfacher, als wenn man eine komplett aufgeteilte IT-Struktur hat, die alle an den gleichen Themen über verschiedene Standorte arbeiten. Nach meinem Verständnis ist das bei Zalando auch so, dass eben verschiedene IT-Themen an verschiedenen Standorten gelöst werden und dass sie eben versuchen, in einer IT-Organisation das so zu gestalten, dass du eben nicht so wahnsinnig viel Kommunikation dann auf einer täglichen Ebene zwischen den Teams hast. Weil ich glaube, das ist immer sozusagen dann der Killer, dass du distributed Teams hast, die über alle Zeitzonen und alles virtuell. Es gibt sicherlich Menschen, die das können und das muss man sicherlich auch lernen oder kann man auch lernen, wie man das vernünftig macht. Aber sozusagen das, was ich jetzt zumindest so mitbekomme, ist, dass es schon einen Vorteil hat, mit den Leuten, mit denen man täglich zu tun hat, zu täglich zusammenarbeiten, an einem Ort zu sitzen. Das hat sicherlich Effizienzvorteile, aber klar, wenn du jetzt in solchen Größenordnungen wie Zalando denkst, 1.500, 800, 2.000 Entwickler, ist da natürlich auch nochmal was anderes.

Aber ich glaube, wenn du jetzt ein Startup bist und du hast 30 Entwickler, dann ist es, glaube ich, schon angeraten, die an möglichst wenigen Standorten zu haben. Also ich glaube, so diese Story, die man auch teilweise hört, ja, wir haben jetzt hier noch in New York einen Developer-Standort aufgemacht, weil ja der amerikanische Entwickler oder da kriege ich nochmal ganz andere Talents. Teilweise kann ich diese Argumentation nicht ganz nachvollziehen, weil ich glaube, gerade wenn du auf diesen Größenordnungen suchst, das kann mir keiner erzählen, dass du jetzt nicht in der Lage bist, einen Berliner Standort oder einen Londoner Standort oder sonst irgendwas, 30 sehr fähige Entwickler hinzubekommen. Also es mag immer irgendwelche Ausnahmetalente geben, aber ob die dann wieder rechtfertigen, einen Developer-Standort in New York aufzumachen zu unglaublichen Kosten, weiß ich nicht. Aber es gibt ja durchaus Leute, die das tun und wo das auch irgendwie erfolgreich ist. Ob das dann deswegen so ist, Das kann ich dann auch im Einzelfall nicht beurteilen, aber die Gefahr ist schon relativ hoch, dass man sich da so ein bisschen in die Tasche lügt.

Joel Kaczmarek: Zu dem Thema kann ich auch nur hier eine Etage höher aufgenommen den Podcast mit Boris Lokschin empfehlen. Der hat ja auch mehr Storys erzählt, von wegen er muss Popcorn-Maschinen kaufen, damit ihm seine Entwickler nicht wegrennen und so. Es geht schon heiß hoch her.

Florian Heinemann: Absolut. Also ich glaube, das ist so eine der wesentlichsten Entwicklungen der letzten 10, 20 Jahre, dass sozusagen die Machtverschiebung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, früher war es ja so, als irgendwie Hasso Plattner oder einer der SAP-Gründer hat ja gesagt, wir werden nie einen Betriebsrat brauchen. Weil sozusagen das einzelne Talent bei uns hat so hohen Einfluss auf das, was wir tun und seine Zufriedenheit. Dieses Rad hat sich ja nochmal weiter gedreht. Also du bist mittlerweile eben, wenn du gute Leute hast, hat eben das Individuum gegenüber dem Arbeitgeber einen sehr, sehr starken Hebel. Dementsprechend werden die auch einfach sehr, sehr gut behandelt. Und das nicht, weil es sich beim Arbeitgeber zwangsläufig um Gutmenschen handelt, sondern einfach aus rein ökonomischen Betrachtungen. Das ist eigentlich eine ganz spannende Entwicklung, wenn du es mal vergleichst mit dem Industriezeitalter, wo es ja wirklich Betriebsräte notwendig waren, um quasi Ausbeutung zu verhindern und so weiter. Also ich glaube, diese Zeiten sind längst vorbei.

Joel Kaczmarek: Nächste Frage. dreht sich um Internationalisierung. Eine spannende Frage wäre zum Thema Internationalisierung. Auf der einen Seite kann Internationalisierung absolut tödlich sein, wenn man schon in den Heimatmarkt nicht im Griff hat. Auf der anderen Seite braucht es Zeit und man muss früh genug damit anfangen. Gibt es Indikatoren in der Geschäftsentwicklung, anhand derer ich festmachen kann, wann ein guter Zeitpunkt wäre, die Segel für geografisch entfernte Märkte zu setzen?

Florian Heinemann: Ich glaube, es gibt gewisse Märkte oder gewisse Business-Modelle. Da ist Internationalisierung zwangsläufig auch relativ früh erforderlich. Das ist jetzt gerade, wenn du sagst, so Enterprise-Software-Sachen, wo du eigentlich sagst, um da erfolgreich zu sein oder Marketing-Technologie oder so. Da muss man eigentlich relativ früh in den US-amerikanischen Markt, wenn man da eine Relevanz erreichen will. Da sitzen die Käufer, da sitzt der große Kunde. Und dann gibt es sicherlich andere. Ich meine, man sieht ja jetzt so ein Zalando oder sowas. Ist ja sehr gut damit gefahren, zu sagen, wir bleiben in Europa. Also ich glaube, da muss man immer auch nochmal gucken, welche Art von Business hat man.

Aber jetzt mal als generelle Regel, was man ja auch bei einigen Rocket-Geschichten gesehen hat, wo ich auch doch zum Teil mit dabei war, ich glaube, da haben wir relativ früh den Internationalisierungspfad beschritten. in einer Phase, wo eigentlich das Produkt, der Service und so weiter noch nicht so ausgereift war und auch das Verständnis, wie man das denn jetzt internationalisiert. Ich nenne es immer sozusagen premature scaling, was letztendlich dazu geführt hat, dass du die Probleme multipliziert hast und die Effizienz des Ganzen noch mal deutlich reduziert hast. Und ich glaube, das muss man sich schon überlegen, ob das im jeweiligen Geschäft angezeigt ist. Also ich glaube, wenn du so Fälle hast jetzt wie Delivery Hero, also Food Delivery, wo du sehr starke Winner-Takes-it-all-Tendenzen hast, das heißt, es hat einen hohen Wert, früh am Markt zu sein. Bei Groupon dachte man auch, dass das so wäre.

Da kann es schon auch Sinn machen, Premature Scaling zu betreiben, kann eine sinnvolle Strategie sein, weil man einfach sagt, ich muss schnell in den Markt, weil wenn da jemand anders in dem Markt ist und der besetzt das, Dann habe ich da wenig Chancen oder die Kosten des Markteintritts sind wahnsinnig hoch. Das heißt, es kann netto billiger sein, premature in einen Markt gegangen zu sein und dann im Nachhinein die Strukturen und Prozesse nachzuziehen. Kann immer noch billiger sein, wenn ich eben die Finanzierungsmöglichkeiten dafür habe oder die bessere Strategie sein, netto als jetzt erstmal in Deutschland das alles toll zu machen und dann drei Jahre später irgendwo anders hinzugehen. Aber ich glaube, wenn ich jetzt das nicht habe, haben wir zumindest ganz gute Erfahrungen damit gemacht, dass man sagt, okay, man versucht eine gewisse prozessuale Sicherheit im High-Markt-Markt zu haben, auch wo man sagt, ich bin in der Lage, strukturell zumindest potenziell tragfähiges Business zu betreiben. Das heißt, Kunden, die meinen Service oder mein Produkt nutzen, zeigen ein Wiederholungskaufverhalten oder ein Wiederholungsnutzungsverhalten oder eine Retention. dass ich auch ausdrücken kann, in keinem Churn, dass ich mich jetzt nicht schämen muss, dieses Produkt in einen anderen Markt reinzubringen. Dann probiere ich das erstmal an einem internationalen Markt aus, der vielleicht auch nicht der Allerwichtigste ist und versuche da so eine Art Playbook für Internationalisierung zu entwickeln. Und ich glaube, das ist eigentlich ein Ansatz, der angezeigt ist. Das heißt, man fängt in Deutschland an, dann internationalisiert man in einem Markt und wenn das gut funktioniert, dann geht man vielleicht ein paar mehr gleichzeitig. Und der erste Markt ist vielleicht nicht der Allerwichtigste. Und dann lernt man erstmal. Und ich glaube, wenn man jetzt nicht in einem Markt ist, der sich in wenigen Wochen entscheidet, ist das wahrscheinlich der effizienteste und effektivste Weg, das zu tun. Wir haben sehr häufig gute Erfahrungen damit gemacht, eher zentralistisch dabei zu denken. Es gibt ja zwei Lehren dabei.

Joel Kaczmarek: Ja, meine nächste Frage.

Florian Heinemann: Zwei Schulen, dass du sagst, eher lokal oder eher zentral. Und wir haben eigentlich Erfahrungen damit gemacht, dass gerade in einer Organisation, die noch sehr jung ist und noch mit jüngeren Mitarbeitern und mit unfertigen, wenig dokumentierten Prozessen, dass da Zentralisierung häufig ein Vorteil ist. Gerade bei Dingen, die gewisse Systemkompetenz verlangen und so weiter. Dass es häufig besser ist. Ich meine, das macht Zalando nach meinem Verständnis bis heute so, dass sie aus einem Standort Berlin wo der Großteil der Verwaltung quasi sitzt, der Entwickler, letztendlich 15 oder 16 europäische Märkte bedienen. Mit Muttersprachlern, die aber primär hier in Berlin sitzen. Es mag jetzt irgendwelche Einkäufer in irgendwelchen Städten geben, aber der Kern sitzt hier und bedient dann eben die ausländischen Märkte.

Das macht Trivago, macht das auch so. Delivery Hero bin ich mir jetzt gerade nicht ganz sicher, aber die sind ja auch ein Stück weit anders entstanden, weil sie ja quasi sehr stark auch durch Akquisitionen entstanden sind, wo du lokale Organisationen hattest. Das heißt, da hast du per se eine etwas dezentralere Aufstellung. HelloFresh nach meinem Verständnis auch eher zentralistisch, zumindest was so Funktionen angeht wie IT, Produkt, Marketing, BI, dass man das eher aus einer Zentrale eben steuert mit Muttersprachlern, aber eben eng zusammenhängt.

Das ist dann vielleicht nicht ganz so lokalisiert, aber die Ineffizienz, die durch lokale Auswüchse entsteht, scheint netto größer zu sein als jetzt die Vorteile durch eine Zentralisierung. Und ich glaube, wenn man dann einmal eine etablierte, aufgebaute, gut strukturierte Organisation hat und auch Mitarbeiter, die damit klarkommen, dann mag es sozusagen netto positiv sein, wenn man dann noch stärker lokalisiert, auch durch geografische Präsenz. Das mag so sein, aber das ist in der Regel wahrscheinlich in der späteren Unternehmensphase, als wir jetzt involviert sind. Centralization First und Localization Second argumentieren, was sozusagen jetzt die geografische Ausdehnung angeht.

Joel Kaczmarek: Es wurde ja eigentlich gefragt nach Kennzahlen, an denen man das sozusagen bemessen kann. Wenn ich jetzt mal das, was du gerade gesagt hast, zusammenfasse, es ist einerseits, da gibt es vielleicht keine KPI zu, aber die Prozesse im Griff haben, die Prozesskompetenz und dann im Prinzip sowas wie Wiederkaufsrate, Churn geringen,

Florian Heinemann: Net Promoter Score, also wenn du einen schlechten Net Promoter Score hast für deine Industrie, dann zu internationalisieren, ist vielleicht nicht angezeigt. Das wäre auch sicherlich etwas, was man sich anschauen kann. Und sicherlich auch ein gewisser Marktsättigungsgrad. Also ich finde es teilweise lustig, wenn Leute sagen, ja, also wir haben jetzt hier in Deutschland 2 Millionen Euro Umsatz und jetzt wird es Zeit, dass wir jetzt mal nach Frankreich und so weiter. Und dann denkst du, okay, aber der Gesamtmarkt in Deutschland ist irgendwie 7 Milliarden groß, du machst 2 Millionen. Ist jetzt schon die Frage, ob jetzt ökonomisch unbedingt erforderlich ist, bei einer Marktpenetration, die ich jetzt gerade gar nicht ausrechnen kann.

Viele Leute argumentieren damit Marktpenetration. Es macht natürlich schon Sinn, als Unternehmen auch diese Internationalisierungskompetenz gezeigt zu haben. Das macht das Ganze natürlich schon attraktiver. Aber ich glaube, das jetzt aus reiner Marktgrößenexpansion zu sehen, du hast auch viele Startups, die dann so sagen, Also eigentlich mein Markt hier, was ich jetzt hier habe, ist eigentlich zu klein. Aber wenn ich das noch mache in China und in den USA, dann ist es groß genug. Da sollte man sich vielleicht schon Gedanken machen, ob das jetzt eine valide Argumentation ist.

Joel Kaczmarek: Okay, also ein Wachstumseuro in Deutschland kann manchmal besser investiert sein als ein Start-Euro, ein Beginn-Euro im Ausland.

Florian Heinemann: Bis zu einem Zustand der wirklichen Marktsättigung, wahrscheinlich zumindest mal mehr ROI kurzfristig produziert. nicht unbedingt mehr wert, weil natürlich schon eine Internationalisierungsperspektive, die man glaubwürdig hinterlegen kann, natürlich schon nochmal ein Werttreiber sein kann. Das darf man nicht vergessen. Gerade wenn man einen begrenzten Heimatmarkt hat wie Deutschland, wo natürlich jetzt viele Investoren sagen, boah, Deutschland ist jetzt groß, aber Deutschland ist natürlich jetzt eben nicht die USA.

Es gibt ja viele Startups in den USA, die verlassen die USA nicht und sind trotzdem riesige Consumer-Unternehmen oder viele Enterprise-Software-Unternehmen, die die USA nicht verlassen müssen und trotzdem unglaubliche Unternehmensgrößen erreichen. Das ist natürlich in Deutschland nicht ganz so. Und wenn du jetzt ein israelisches Startup bist, hast du keine Wahl. Da musst du sehr, sehr schnell, egal ob du jetzt Consumer machst und auch B2B, wahrscheinlich internationalisieren.

Joel Kaczmarek: Also, ja. Und nach welcher Strategie. würdest du auswählen, welchen Auslandsmarkt man angeht? Also ich habe das Gefühl, in Europa ist immer ganz schnell natürlich so DACH, also Österreich-Schweiz als Ausbau und Niederlande vielleicht. Aber worauf guckst du denn, in welches Land man als nächstes eigentlich attackieren sollte?

Florian Heinemann: Was man sonst ja immer so beratermäßig hat, GDP und so. Und ich glaube, wo ich mittlerweile so ein bisschen von ab bin, ist quasi rein nach dem nächstgroßeren Markt. Also dann Frankreich oder England ist das ja dann in der Regel oder dann Italien. Ich glaube, erst mal dieses Sprachproblem, also DACH ist sicherlich immer angezeigt, wobei die Schweiz gar nicht so einfach ist, obwohl die da zum Teil die gleiche Sprache sprechen, mit irgendwelchen Verzollungsthematiken oder so, aber in der Regel lohnenswert. Ich kenne eigentlich wenige Internationalisierungsbemühungen in die Schweiz, die nicht erfolgreich waren, in viele andere Länder schon, weil die Schweiz ist eben schon ein Supermarkt für sehr, sehr viele Themen, Sehr hohes Einkommen, sehr hohe Zahlungsbereitschaft, gleichzeitig häufig noch geringere Konkurrenzdichte als hier.

Also insofern ist die Schweiz häufig ein sehr, sehr attraktiver Markt für viele. Ich glaube, die Erfahrung zeigt so ein bisschen, es kann teilweise besser sein, ausreichend große Märkte auszuwählen wie Niederlande oder Polen, bevor man irgendwie nach England geht, weil es einfach schlichtweg von weniger Konkurrenzintensität gibt, der Markteintritt häufig einfacher ist. In England haben in vielen Branchen die Leute nicht unbedingt auf einen gewartet, weil es halt schon sechs, sieben Spieler gibt, die das sehr, sehr gut machen. Zum Beispiel in Zalando hat ein Markteintritt nach England nie richtig geschafft. Ich weiß gar nicht, ob sie es aufgegeben haben mittlerweile, aber alle anderen Märkte in Europa wurden gut erschlossen. England haben sich die Zähne daran ausgebissen.

Andererseits ein Zu-Plus nach meinem Verständnis, was ja auch eine der größeren Consumer-Firmen Deutschlands ist, funktioniert in England extrem gut. Also man kann es, glaube ich, nicht pauschal sagen, aber ich würde sagen, im Sinne der Kapitaleffizienz, die mir jetzt zumindest mal halbwegs wichtig ist, sind es häufig im ersten Schritt zumindest nicht die größten Märkte, sondern eben häufig die, experimentierfreundlichen Märkte wie die Niederlande, wie Skandinavien, Schweiz, Polen, funktioniert für viele sehr gut. Italien funktioniert auch zum Teil sehr gut, weil man da eben mit einem komparativ besseren Produkt dann doch wieder relativ schnell in den Markt reinkommt.

Also für uns ist immer so wichtig, wie schätzt man sozusagen die komparative Experience an, die man dem Consumer oder dem Kunden dort bieten kann, im Verhältnis zu dem, was er jetzt derzeit schon hat. Und das scheint Für mich so einer der Kerntreiber zu sein, ob man eben erfolgreich ist im Markt oder nicht. Und wenn du halt sehr weitentwickelte Märkte hast, dann ist das eben schwieriger. Andererseits muss man natürlich sagen, wenn du so Dinge anguckst, auch wie E-Darling oder sowas wie Audibene, die sind beide dann irgendwann in die USA gegangen. Oder auch Trivago ist sehr aktiv in den USA, wo jeder mal sagt, USA Wahnsinn, da kostet wahnsinnig viel Geld und die Leute sind so gut und so. Und dann kommst du da hin und merkst so, ja, es kostet alles wahnsinnig viel Geld, aber wenn du erfolgreich bist, ist das auch wahnsinnig. unglaublich, was du da an Wachstum produzieren kannst. Und so wahnsinnig gut von Execution sind die Leute dann eben auch wieder nicht. Und wenn du jetzt guckst, Audibene oder hier.com heißt das da in den USA, nach meinem Verständnis machen die mittlerweile den primären Teil ihres Geschäfts, auf jeden Fall den primären Teil ihres Wachstums. mit einem sehr stark aus Berlin gesteuerten Ansatz in den USA.

Und eDarling ist nach meinem Verständnis, oder Affinitas oder jetzt seit neuestem Spark Networks, ist eben auch im amerikanischen Dating-Markt, wo man denkt jetzt so, also da gibt es 2740 Dating-Anwendungen gefühlt. Das Letzte, was sie jetzt brauchen, ist irgendwie eine Dating-Butze aus Deutschland. Haben eben den Markteintritt dort geschafft und machen auch nach meinem Verständnis über die Hälfte ihres Umsatzes dort. Das heißt also insofern, das geht. Und wenn man dann das natürlich auch schafft, dann ist natürlich der Impact was anderes, als wenn man jetzt in die Schweiz geht. Also insofern, ich glaube, man kann es nicht pauschal beurteilen und es hängt von der eigenen Risikobereitschaft ab und natürlich auch sozusagen der eigenen Failure-Toleranz.

Also wenn man so einen US-Markt eintritt, versemmelt, dann kein Geld mehr hat, ist natürlich Mist. Aber wenn man sagt, ich versuche das jetzt mal, wenn es klappt, ist gut. Wenn nicht, dann mache ich eben Niederlande und Skandinavien. Und ich habe dafür auch noch das Geld, das bricht mir nicht das Genick, dann kann der USA-Versuch sicherlich auch okay sein. Und ich glaube, für Software-Themen, SaaS-Themen ist USA sehr häufig angezeigt, weil da eben die interessanten Kunden und die interessanten Buyer auch sitzen und auch die Investoren, die dann sowas entsprechend weiterfinanzieren. Spannend ist sicherlich auch China. Ich kenne jetzt bisher wenige Unternehmen, die aus Deutschland oder aus Europa Richtung China gegangen sind. Eigentlich müsste man ja sagen, das müsste man ja mal versuchen. Es gibt so ein paar Sachen, natürlich jetzt Windeln oder so, die jetzt da so ein bisschen Consumer-Themen in die Richtung machen, aber Ich habe bisher noch nicht so viele Unternehmen kennengelernt. Ich glaube, Adjust ist auch in China unterwegs, bin ich mir jetzt aber nicht sicher, die es jetzt den Weg in die Richtung gewählt haben.

Und das ist sicherlich etwas, was man sich auch mal anschauen sollte. Weil das ist, wenn man es denn eben schafft, da einen vernünftigen Marktantrieb hinzubekommen, einer der attraktivsten Märkte überhaupt. Und natürlich auch von der Investorenseite sehr spannend. Das ist natürlich sicherlich auch nochmal ein Aspekt, wenn man jetzt US-Investoren gewinnen will für sein eigenes Business und meint, das wäre wichtig, was bei vielen ja der Fall ist, ist sicherlich auch ein US-Markteintritt auch vor dem Hintergrund nochmal relevant. Weil ich glaube, das muss man sich auch vor Augen führen, dass jetzt ein deutsches Startup ohne Präsenz in den USA Geld in den USA bekommt von einem amerikanischen Investor.

Das passiert schon, aber das ist natürlich nicht so besonders wahrscheinlich. Also das kann noch ein weiterer Aspekt sein bei der Überlegung, wo gehe ich jetzt hin. Aber US-Markteintritt kostet immer viel Geld und es sollte einem halt nicht das Genick brechen. Wir hatten mehrere Fälle, die ich jetzt im Angel-Portfolio gesehen habe und auch schon bei uns bei Project A, die einen US-Markteintritt versucht haben. Das hat nicht funktioniert und das hat quasi den Firmen nicht komplett das Genick gebrochen, aber danach handelte es sich um einen Distressed Asset, weil sie sich von dem gescheiterten Markteintritt und den Kosten dessen nicht erholt haben.

Joel Kaczmarek: Also ich habe mal geguckt, Audibene hat 8% Marktpenetration in den USA, 10% in Deutschland. Wahnsinn.

Florian Heinemann: Und das 8% Marktpenetration in den USA ist wahrscheinlich nochmal eine andere Nummer. Selbst wenn die Amerikaner alle besser hören würden als die Deutschen, ist das schon erstaunlich. In drei Jahren. Also ich lasse es vier sein, aber auf jeden Fall ein sehr überschaubarer Zeitraum. Audibene ist sowieso, also hier.com, finde ich eines der entspannendsten Unternehmen. Nicht vordergründig, aber unter der Haube ist das sehr beeindruckend.

Joel Kaczmarek: Ja, gerade im Podcast gehabt, den Marco Vitor. Die sind auch echt open. Also da kriegt man sehr, sehr spannende Zahlen raus. Also wenn ich hier zum Beispiel sehe, die machen 6% Jahr auf Jahr Wachstum, macht Amplifon und Audibene über 100. Also das ist schon heavy, ja? 100 Millionen Revenue Target 2017.

Florian Heinemann: Ja, und man denkt so Hörgeräte, wie spannend kann es sein? Aber das ist natürlich im Vergleich zu vielen vermeintlich sexiereren Märkten ist das schon sehr substanziell, was dein Geld bewegt wird.

Joel Kaczmarek: Ich meine, es gibt ja aber auch ganz schöne Wachstumsgeschichten jetzt aus der jüngeren Vergangenheit, also wenn man sich zum Beispiel so etwas wie Picnic anguckt, was du gesagt hast, das ist in kleinen Märkten in den Niederlanden gestartet und geht jetzt auch hin in Deutschland und erschließt eigentlich die ganzen schweren Dinger, weiß ich nicht, Bottrop-Größe oder Paderborn, Zum Beispiel von dem Sebastian Diemer hatte ich auch in unserem Podcast gehört, dass er es mit Finiata auch so gemacht hat, dass er als Bezahlt.de gestartet hat, mit der Brand experimentiert hat, da seine Tests gefahren hat, hat in Polen angefangen, was ja auch irgendwie sehr digitalisierter Markt ist, weil die Finanzlandschaft ist da sehr jung, mit 1990 mit dem Zusammenbruch erst gestartet teilweise und jetzt macht er dann sozusagen ein Ramp-up in Deutschland, nachdem man versteht, wie es da funktioniert.

Also da kann man schon ganz interessante Strategien fahren. Gut, vielleicht nochmal ein letzter Punkt, wenn wir über Wachstum reden, ist ja auch immer Marketing so ein Thema und du bist ja hier der Marketingpapst von Deutschland. Ganz viele haben natürlich auch gefragt, wie denn eigentlich so die Zukunft des digitalen Marketings aussieht, was passiert mit Performance-Marketern, also ich glaube auch vielfach vor dem Hintergrund von Zalando und den Entlassungen, die da vor einer Weile waren. Wird das so sein? Wird Marketing in der Tat immer mehr automatisiert und übernehmen Algorithmen deinen Job?

Florian Heinemann: Was man festhalten kann, ist, dass sozusagen jetzt ein Markt für Kontaktflächen oder Werbeflächen, und das gilt für Online- wie Offline-Flächen, immer stärker einen Finanzmarkt ähnliche Gestalt annimmt. Also das, was Google AdWords letztendlich angefangen hat, mit der Einführung des Auktionsmechanismus im Search-Bereich mit Google AdWords, Sprich, dass du halt nicht mehr Werbeflächen im Bulk vorab kaufst per Insertion Order bei ProSiebenSat.1 oder RTL, sondern dass du letztendlich einzelne Werbeflächen in Echtzeit für Gebote, die du jederzeit anpassen kannst, erwirbst oder eben ersteigerst oder eben auch nicht.

Das ist etwas, was sich immer stärker durchsetzt, weil es eben letztendlich der effizienteste Verteilmechanismus von Inventories ist. Und das ist Facebook folgt dem, Outbrain Tabula folgt dem, Criteo folgt dem. Also letztendlich diese programmatische oder Programmatic-Vorgehensweise, die wird sich sehr wahrscheinlich durchsetzen, weil es einfach für alle Beteiligten besser ist. Das ist eigentlich ganz lustig. Du hast teilweise jetzt im Mediabereich so Themen wie, dass zwar Käufe programmatisch abgewickelt werden, aber noch zum Festpreis. Also das macht eigentlich überhaupt keinen Sinn. Und das Argument dahinter ist dann, dass der Kunde will ja wissen, dass ich drei Millionen Impressions kriege in den Tagen vom 21.12. bis zum 23.12. vor Weihnachten. Und deswegen brauche ich ja den Festpreis, nur so die Garantiebuchung. Und dann sage ich mal, guckt euch doch an, wie der Finanzmarkt das regelt. Dafür gibt es halt Derivate.

Da kaufst du halt einen Optionsschein, aber du setzt nicht den preisigen Mechanismus der Auktion außer Kraft, was ja letztendlich der Kern ist, warum Finanzmärkte sozusagen die ultimativ effizienten Märkte sind, weil du halt extrem hohe Informationstransparenz hast, sehr granular letztendlich bieten kannst und das Ganze irgendwie in Echtzeit stattfindet. Und wenn du halt mehr Sicherheit brauchst, dann kaufst du halt einen Optionsschein und dann gibt es einen Counterpart, der dann eben das Risiko dafür übernimmt. So in effizienten Märkten funktioniert das, aber wie gesagt, die Medienindustrie hat das noch nicht für sich entdeckt. Gut, ich glaube, auch das wird kommen. Und wenn dem so ist und wenn du eine sehr stark biddable Welt hast, dann spricht das natürlich auch für ein hohes Maß an Automatisierung. Eine Welt, die wie Finanzmärkte funktioniert, eignet sich natürlich ganz hervorragend dafür.

Das ist ja gerade, wenn du guckst, wie haben sich Hedgefonds entwickelt und wie arbeiten die? Das ist ja genau das. Da hast du Algorithmen, die letztendlich nach verschiedenen Signalen Trading-Entscheidungen treffen. Und genau das wird in der Media-Welt tendenziell auch passieren. Die Frage ist immer, wie schnell und so weiter. Aber tendenziell wird das auch passieren. Und das spricht für immer stärker ansteigendes Maß an Automatisierung. Das heißt, es spricht dafür, dass Personen, die eher datengetrieben sind, eher technologisch sind, an Relevanz gewinnen werden im Marketingbereich. Auf der anderen Seite, und das ist eigentlich das Spannende, was ist eine der am stärksten zunehmenden Media-Consumption-Formen, ist halt Bewegtbild-Content. der ein sehr hohes Maß an Kreativität, Storytelling und so weiter erlaubt. Das heißt, du hast einerseits so diese sehr stark datengetriebene und so weiter. Das heißt, ich glaube, wenn Werbebotschaften sich beschränken würden auf Google AdWords oder Textanzeigen, dann wäre, glaube ich, das Element der Kreativität und des Storytellings und so weiter extrem eingeschränkt.

Wobei man kann natürlich immer Man sieht ja an Donald Trump, dass man auf relativ begrenztem Raum, auf Twitter, sehr kreative Botschaften übermitteln kann. Aber ich glaube, durch Bewegtbild-Content, insbesondere auf social gestützten Plattformen wie Facebook, Instagram usw., steigt natürlich auch wieder der Bedarf an Leuten, die das können, die Geschichten erzählen können. vielleicht personalisierte Geschichten erzählen können, je nachdem, welches Kundensegment du hast. Das heißt, du hast schon Renaissance von Kreativität im Marketing, die komplett gegenläufig ist zu dieser Automatisierungstechnologie-Datenwelt, zumindest ein Stück weit. Und ich glaube, das Marketing-Department der Zukunft zeichnet sich ein Stück weit dadurch aus, dass es diese datentechnologie-biddingen Algorithmuswelt beherrscht und anbietet, Auf der anderen Seite aber auch eben dieses Kreativ, Bewegtbild, Storytelling, Marke, Emotionen auslösen und so weiter. Und ich glaube, das Marketing-Departement der Zukunft, das gewinnen wird oder sich durchsetzen wird, ist eben das, was in der Lage ist, auf diesen beiden Klaviaturen parallel zu spielen.

Und dafür wird es sehr unterschiedlich geartete Menschen brauchen. Und ich glaube, die Kreativität wird vielleicht nicht mehr ganz so, wenn du mal schaust, was war Kreativität vor 30 Jahren oder vor 10, 20. Du hast was ausgestrahlt, häufig im TV und das hat bei sehr vielen Menschen die gleichen Emotionen ausgelöst. Das war ja letztendlich die Stärke von Werbung. Und ich glaube, was immer stärker reinkommt, ist eben dieses Element der Personalisierung, der Segmentierung. Das heißt, dass du eben verschiedene Messages für unterschiedliche Zielgruppen, was wiederum durch diese Technologiewelt überhaupt erst ermöglicht wird, weil du eben die Feinheit oder Granularität des Targetings bringen kannst. Aber Was will ich jetzt letztendlich damit sagen? Ich glaube, du wirst weiterhin auch sehr kreative Menschen benötigen, die aber sicherlich deutlich datengeleitetere Kreativität zulassen müssen, als jetzt sozusagen so diese Geniestreich-Kreativität, die sonst wahrscheinlich Kreativagenturen in der Vergangenheit immer sehr stark für sich beansprucht haben.

Ich glaube, weiterhin gibt es dafür einen Raum, aber ich glaube, der Raum für die Leute, die in der Lage sind zu sagen, Ich bin sehr kreativ, aber ich bin auch in der Lage, sehr stark datengeleitet nach Segmenten, personalisiert Botschaften sehr schön zu verpacken und vielleicht auch über Customer Journeys hinweg. Dafür wird es einen großen Bedarf geben. Aber ich glaube sozusagen, so der traditionelle Brand Manager, Der wird sich schwer tun. Und auch die traditionelle Media-Agentur wird sich schwer tun. Der Hauptsinn der Media-Agentur war ja, Media-Einkauf zu bündeln über verschiedene Advertiser und dann Verhandlungsmacht gegenüber dem RTL, Berlusconi oder sonst irgendwem auszuüben. Und das ist natürlich in der Auktionswelt komplett hinfällig, wo letztendlich ein Booking.com auf sehr den gleichen Preis bezahlt wie Joel Kaczmarek, wenn er auf Podcasts bei AdWords bucht. Da haben die jetzt keinen Vorteil.

Die kriegen vielleicht ein bisschen besseren Service, aber die zahlen den gleichen Preis. Das heißt, der Kernvorteil der Media-Agentur, der Bündelung, nimmt mit zunehmend programmatischer Preisfindung ab. Das heißt, die brauchen neue Existenzberechtigungen. Aber ich glaube sozusagen, dass jetzt ein Zalando oder ein Trivago oder so in Zukunft drei Leute in einer Marketingabteilung hat, die dann alle nur noch ein bisschen an Algorithmen rumspielen, ich glaube, das ist nicht wahrscheinlich. Aber klar, du siehst Leute wie Wish oder so, die angeblich 1,65 Milliarden oder irgendwas in Richtung Marketingbudget mit 20, 30 Leuten ausgeben. Das zeigt schon eben die potenzielle Macht oder potenzielle Wirkung von Automatisierung. Also das ist ernst zu nehmen. Und ich glaube, wenn ich jetzt in diesen Bereich reingehen würde, neu wäre sicherlich dieser Architekturskill. Wie baue ich solche Systeme? Wie spielen Algorithmen da rein? Wie nutze ich Daten clever dort, um Algorithmen besser zu machen?

Dass das ein sehr, sehr relevanter Marketing-Skill ist. Und das wäre wahrscheinlich vor 15 Jahren jemand gewesen, der sich bei einem Hedgefonds beworben hätte. Das ist eigentlich schon ganz spannend. Was natürlich auch ein Stück weit daran liegt, wenn du guckst, wer baut die Plattform. Also wer baut sowas bei Google und wer baut sowas bei Facebook? Das sind sehr häufig Leute, die mit Media und Marketing und so weiter, die hatten damit überhaupt nichts zu tun. Und die geben jetzt auf einmal eben vor, wie sehen die Systeme aus, mit denen Media und Kundenkontakt verkauft wird. Und die machen das halt so, wie sie das aus technologischer Brille machen würden. Und die geben den Ton vor. Es sind eben nicht mehr die Proctors oder die Unilevers oder die Media-Agenturen, die vorgeben, wie Media gehandelt wird, sondern das werden eben immer stärker die Plattformen sein, inklusive Amazon. Die ticken eigentlich alle sehr ähnlich. Und ich glaube, das ist eine Welt, auf die man sich einstellen muss.

Joel Kaczmarek: Spannend, sehr, sehr spannend. Dann würde ich sagen, war es das für heute mal wieder. Also heute mal wirklich Wachstums-Q&A. Wir machen bestimmt noch mal mehr in die Richtung. Ich kriege nur andauernd noch Marketingfragen gestellt. Es geht immer, eigentlich immer. ganz viele Leute wollen genau das wissen, so mit Automatisierung und haben eigentlich noch Agenturen, eine Berechtigung und so. Dabei legen wir uns mal weitere spannende Fragen, Bereiche und sammeln dann mal ein. Und danke ganz herzlich für die Zeit, für die spannenden Inhalte und ich freue mich aufs nächste Mal.

Florian Heinemann: In diesem Sinne, mach's gut.

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Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Gründung: Du willst dein eigenes Unternehmen gründen, bist schon Gründer oder von Startups fasziniert? Mit dem Top-Experten Florian Heinemann sprechen wir regelmäßig über Tipps und Ratschläge zu Finanzierungsfragen, Strategien und operativer Umsetzung auf dem Weg zu deinem eigenen Business.