Florian Heinemann rät: Wie verhalte ich mich als Gründer:in in der Krise?
15. November 2022, mit Joel Kaczmarek, Florian Heinemann
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Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von digital kompakt und heute an meiner Seite wieder der liebe Florian Heinemann. Der ist ja Kenner der ersten Stunde hier und wir wollen mal darüber sprechen, wie verhalte ich mich als GründerIn eigentlich in der derzeitigen Krise. Gefühlt ja schon oft diskutiert, wenn wir mal ganz ehrlich sind, aber ich hatte so den Eindruck, die Meinung von Florian würden doch viele gerne dazu hören und deswegen reden wir heute dazu. Sollte ich mich eigentlich wirklich an proaktivem Cost Cutting beteiligen? Wie kommuniziere ich eigentlich in der Krise, nach innen wie nach außen? Wie gehe ich mit dem Gehälterdruck gerade um? Das werden so unsere Themen heute sein. Schnelle, kompakte Folge. In diesem Sinne, schön, dass du da bist, Florian.
Florian Heinemann: Moin, moin. Moin, moin.
Joel Kaczmarek: Fangen wir mit dem ersten Thema gleich an. Also, ist ja das Naheliegendste von allen Dächern, schaltet es ja gerade runter, allen Investorendächern zumindest. Ja, mach mal hier Runway-Verlängerung. Also, sieh mal zu, dass deine Kohle länger reicht, bevor du entweder raisen musst oder vielleicht in dem günstigen Fall kommst, dass dein Market-Fed so gut ist, dass du dann sukzessive dich aus dem Umsatz tragen kannst. Was ist denn so deine Grundhaltung zum Thema proaktives Kosten reduzieren?
Florian Heinemann: Ja, ich glaube, was ja gerade sozusagen die Ausgangshypothese ist, also letztes Jahr war ja so oder bis letztes Jahr, die letzten Jahre davor, Wachstum ist eigentlich das, was primären Wert treibt und Geld ist relativ leicht zu organisieren, also gab ja relativ wenig Leiten, das heißt eigentlich, was den Wert hauptsächlich getrieben hat, ist Wachstum voranzutreiben. Und Runway ist eigentlich nicht so ein wesentlicher Faktor gewesen, weil die Finanzierungsrunden konnten relativ schnell organisiert werden. Ich kenne ja noch eine Zeit, wo du ein halbes Jahr eigentlich für eine Finanzierungsrunde gerechnet hast, teilweise länger, selbst wenn du eigentlich eine gute Firma warst. Das war ja zwischenzeitlich wirklich kondensiert auf irgendwie vier Wochen und teilweise noch schneller. Und jetzt sind wir halt wieder zurück, dass diese Finanzierungsrunden länger werden. Das heißt also Drei bis sechs Monate für so eine Finanzierungsrunde einzuplanen, selbst wenn du eine wirklich gute, begehrte Firma bist, ist wieder sehr angesagt.
Und keiner weiß natürlich, wie lange der Markt so ist, wie er aktuell ist. Also gerade in der späteren Phase ist natürlich schon der Markt relativ stark zurückgegangen. Wir hatten ja jetzt auch gerade die Statistiken, auch in den USA, dass eigentlich Venture-Capital-Verfügbarkeit schon 30, 40 Prozent runtergegangen ist im Vergleich zum Vorjahresquartal. Fairerweise muss man sagen, immer noch nicht. Relativ viel, wenn man das jetzt mal mit 2018, 2019 und so weiter vergleicht, ist das vom absoluten Niveau immer noch relativ hoch, aber gefühlt hat es natürlich schon abgenommen. Und die Bedingungen, zu denen gerade Finanzierungsrunden stattfinden, in der frühen Phase hat sich das auch etwas abgekühlt, aber insbesondere in der späteren Phase sind schon natürlich ganz andere Bewertungen, auch andere Strukturierungen, die dahinter liegen, also andere Mindestreturns, andere Liquidationspräferenzen und so weiter. Das heißt, es macht schon Sinn, solange jetzt die Marktphase so ist, wie sie jetzt aktuell ist und da ist ja nicht so richtig zu erkennen, wann das anders werden sollte. Es gibt ja jetzt wenig Makrofaktoren, die jetzt dafür sprechen, dass sich das jetzt zeitnah ändert und diese Phase möglichst nicht für ein Fundraising nutzen zu müssen, sondern eher etwas länger Zeit zu haben. Das ist eigentlich jetzt die dominante Strategie, das heißt eine Runway-Verlängerung.
Macht glaube ich für jeden Sinn, selbst wenn es eine sehr gute Firma ist, aber wie gesagt, es gibt weiterhin Finanzierungsrunden, die stattfinden, wenn die stattfinden, dann sind das schon weiterhin Firmen, die halt eine gewisse Sexiness haben und vor allen Dingen aber natürlich auch sehr stark auf die Unit Economics achten, das heißt man braucht jetzt nicht mehr 100% Wachstum plus. Gerade in späteren Phasen, sondern es ist völlig okay, wenn man ein mittleres zweistelliges Wachstum zeigt, 20, 30 Prozent. Das kann auch völlig in Ordnung sein. Im E-Commerce-Bereich ist es jetzt aktuell sogar ein Erfolg, weil man eher stagniert und nicht zurückgeht. Wenn man aber dann zeigen kann, dass man das tut auf einer sozusagen deutlich besseren Kostenbasis. Also insofern grundsätzlich überlebend zu sichern. Durch längere Runway oder potenziell überleben zu sichern, das steht glaube ich über allem aktuell, weil es ja wirklich schade wäre und da werden wir sicherlich jetzt auch noch deutlich mehr sehen in den nächsten Monaten, dass Firmen, die eigentlich einen guten Kern haben und etwas Innovatives tun und da eigentlich auch auf einem guten Weg wären. Inhaltlich scheitern werden, weil sie sozusagen die Runway eben nicht haben, um dann doch noch eine Finanzierung aufzunehmen. Das heißt, es steht quasi über allem, diese Runway entsprechend zu verlängern und man kann ja aktuell nur auf Sicht fahren, weil keiner kann ja seriös so richtig sagen, wie lange das jetzt noch dauern wird und das spricht natürlich umso mehr dafür. Und ich glaube, wenn man dann im Zuge dessen ein Cost-Cutting betreibt, um eben die Runway-Verlängerungen durchzuführen, dann macht es, glaube ich, auch Sinn, diese Maßnahmen sehr konzentriert durchzuführen.
Das heißt, gerade wenn man Personalmaßnahmen macht, dann wirklich sich einmal zu überlegen, wie tief schneide ich denn sozusagen und das dann einmalig auch durchzuführen in einem relativ engen Zeitrahmen, um dann auch wieder den Blick nach vorne wenden zu können, weil das ist glaube ich so das Kern-Learning, lieber einmal tiefer anstatt sozusagen dann in drei, vier Monaten nochmal, wenn man gemerkt hat, das reicht nicht. Ich glaube, bei den Sachkosteneinsparungen ist das ein bisschen flexibler, da kann man das auch über einen etwas längeren Zeitraum strecken. Auch da macht es natürlich Sinn, das möglichst konzentriert zu machen, um dann schnell die Effekte zu realisieren. Aber ich glaube, da nochmal zu überprüfen, was brauche ich wirklich und man muss auch sagen, das ist schon die Erfahrung, gerade nach so intensiven Wachstumsjahren wie die letzten zwei, drei Jahre, da sind ja viele Digitalfirmen sehr, sehr stark gewachsen, Da kann man häufig auch Kosten reduzieren, ohne jetzt substanzielle Effekte im Output zu haben, weil man einfach in sehr dynamischen Wachstumsphasen halt auch ein gewisses Fett sich irgendwie zulegt, was nicht unbedingt zu mehr Leistung führt.
Joel Kaczmarek: Gut verstanden. Ich hatte die Tage auch ein ganz lustiges Gespräch mit einem kleineren VC, der meinte, ja, früher war das so, da bestand zwischen, genau wie du gesagt hast, Kennenlernen und Finanzierung. Es war so, Mittwoch habe ich den Gründer kennengelernt oder die Gründerin, Donnerstag musste ich hier irgendwie Termsheet signen und Freitag kam die Unterschrift so ungefähr oder waren zumindest schon die Verträge ready und die mussten dann in die in die Entscheidungen gehen und so hätte er sich geschafft, da Deals zu sichern. Und jetzt ist es halt nicht so. Jetzt hat man ja einen merkwürdigen Effekt. Eigentlich ist das Geld ja da. Also so ein VC-Fonds, der closed ja sein Geld, plant auf x Jahre und dann gibt es eine Return-Phase und dann raised er sozusagen wieder den nächsten. Die halten halt ihr Pulver alle trocken, wie Christian Leibold mal zu mir gesagt hatte. Woran liegt es? Also es ist so ein bisschen diese Börsenorientierung, weil Börse ist ja eigentlich kein direkter Faktor für VCs, aber die gucken sich natürlich ihre Multiples an und darauf rechnen sie dann zurück. Also das ist sozusagen im Umkehrschluss eher so ein Faktor. Liegt es daran oder wie agierst du da als Investor? Was ist so deine Denke?
Florian Heinemann: Börse ist natürlich schon ein relevanter Faktor, weil irgendwann muss sich ja die private und die Public Welt ja treffen, auch bewertungsmäßig. Deswegen hast du natürlich schon, wenn teilweise die Multiples hinten sozusagen im Public Bereich, also an der Börse quasi um 70 Prozent einbrechen im Tech-Bereich oder 60 oder 80 Prozent. Dann gibt es schon ja einen gewissen Transmissionsriemen, dass sich das auch auf die privaten Investments erst in der späteren Phase und dann auch irgendwann in der früheren Phase quasi durchziehen. Also insofern ist das schon zwar quasi ein indirekter, aber dann doch sehr relevanter Mechanismus. Warum sind die Leute zurückhaltend? Du hast natürlich den einen Effekt, dass du vermutlich mehr Prozent deines Fonds brauchst, um interne Runden zu stemmen bei Firmen, wo du schon investiert bist. Sonst ist es ja so, das Spiel gerade bei frühphasigen Investoren war ja so, du finanzierst in der frühen Phase, bist du Lead-Investor, dann machst du vielleicht noch deinen Pro-Rater in der nächsten Runde, vielleicht auch sogar ein bisschen weniger, weil der Kapitalbedarf wird dann eben gedeckt in der nächsten Runde von neuen Investoren. Wenn das schwieriger ist, dann ist halt der Anteil der Runden, wo du mehr als diesen Anteil machen musst aus deinen Fonds größer.
Das heißt, du brauchst mehr Mittel relativ gesehen von deinen bestehenden Fonds für dein Bestandsportfolio. Das ist der eine Grund. Der andere Grund ist natürlich, dass du ungern in so einer Marktphase selbst als VC das nächste Fundraising machen möchtest. Das heißt also jetzt aktuell, klar, man sieht, es gibt schon weiterhin Fonds, die gerest werden, noch aufgelegt werden. Gerade wenn du eine sehr verlässliche, professionelle Investorenbasis hast, geht das auch aktuell. Aber auch die sehr professionellen Investoren haben Druck. Weil ja häufig PE, VC ist ein Prozentsatz der Gesamt-Asset-Basis. Da waren ja sowieso die letzten Jahre so, dass die Leute da häufig an ihre Obergrenzen gegangen sind prozentual. Wenn jetzt quasi die gesamte Asset-Basis runtergegangen ist, dann liegen häufig diese Investoren über ihren Grenzen, die sich selbst gegeben haben. Das heißt, die müssen eigentlich erstmal den Private Equity VC-Anteil abschmelzen lassen. Das heißt, das ist auch nochmal eine gewisse Zurückhaltung auf deren Seite. So und deswegen ist es eben schon so, dass der ein oder andere VC sagt, normalerweise hätte ich vielleicht in zwei Jahren mein Portfolio aufgebaut oder in zweieinhalb und jetzt lasse ich mir eben anderthalb, zwei Jahre mehr Zeit, weil ich eben nicht raus möchte zum nächsten Fundraising. Und ein dritter Grund ist wahrscheinlich gerade in der späteren Phase, Dass man denkt, wahrscheinlich ist die Korrektur, die wir im Public-Market gesehen haben, im Tech-Bereich zum Teil noch nicht ganz angekommen. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass ich hier noch mal günstiger investieren kann, wenn ich noch ein bisschen warte, die nimmt sogar noch mal zu. Das ist dann vielleicht der letzte Grund, wahrscheinlich der unwichtigste. Aber deswegen ist sozusagen das Thema trockenes Pulver, dass das eben auch nur eine theoretische Größe ist. Das eine, was ich jetzt schon mal ein paar Mal gehört hatte, was vielleicht noch dazu kommt, dass schon auch von LPs signalisiert wird, dass man doch nicht ganz so schnell das Kapital abrufen soll, weil auch die natürlich Cash managen müssen, spielt angeblich auch eine Rolle. Ich habe es jetzt bei uns nicht gemerkt, dass das von LP-Seite kommt, aber es ist durchaus natürlich plausibel, dass das auch eine Rolle spielt.
Joel Kaczmarek: Also LPs sind diejenigen, die quasi in die Fonds zu investieren. Aber gut, ich bin ja eigentlich abgeschweift. Eigentlich waren wir ja gerade bei Cost Cutting. Und man hat ja aber immer so diesen Schmerz, was ich jetzt abschneide, fehlt mir ja nach hinten raus. Also wenn ich zum Beispiel an sowas wie deine Kerndisziplin denke, Marketing Spend, was du jetzt in Brand Marketing wegnimmst, weil die viele machen ja jetzt mehr Performance getrieben, dass es sehr schnell sich irgendwie in Profitabilität bewegen soll. Das spürst du halt dann drei bis sechs Monate später sehr, sehr massiv. Was ist denn so dein kleines Einmaleins für Marketing Einsparung?
Florian Heinemann: Ich glaube, es kommt immer sehr darauf an, was ich mir auch leisten kann an Vorfinanzierung, weil auch Brandmarketing ist ja nichts anderes als sozusagen vorweggenommenes Investment, das dann hoffentlich zukünftig stattfindet in Umsatz. Und jede Form der Vorfinanzierung, die muss ich mir halt cashmäßig leisten können. Und was natürlich nochmal hinzukommt, ist, dass die Effizienz von Marketinginvestment, In einer Phase, wo du eher Konsumzurückhaltung hast, natürlich auch nicht ganz so hoch ist. Das siehst du ja auch quasi jetzt gerade im Aktienmarkt beispielsweise, dass da natürlich sehr, sehr wenig getradet wird. Das heißt, da jetzt neue Kunden zu akquirieren, ist vielleicht auch gar nicht unbedingt so wahnsinnig sinnvoll. Oder auch in Zalando, wenn die jetzt aktuell Kunden akquirieren oder About You. Wenn du sowieso schon eine gewisse Konsum-Zurückhaltung hast, bei Dingen, die du jetzt vielleicht nicht unbedingt brauchst, wozu ja Mode gehört, zumindest ab einem gewissen Maß an Kauf, was du da tätigst, dann baust du da vielleicht auch weiterhin Marke auf durch Brand-Advertising.
Aber das sollte natürlich nicht zu weit weg sein von einer Phase, wo dann die Konsum-Zurückhaltung auch wieder nachlässt, weil eben die gesamtwirtschaftliche Lage besser wird, disposable income höher wird. Und das ist natürlich jetzt noch nicht abzusehen, wann das eigentlich so sein wird. Gerade durch diese Energiepreis-Inflations- oder Energiepreis-Unsicherheit-Inflation ist natürlich das Disposable Income, was Leute ausgeben können für Dinge, die jetzt nicht unbedingt lebensnotwendig sind, gefühlt und real nimmt das natürlich ab. Und in so einer Phase jetzt in Brandings zu investieren, wenn unklar ist, wann sich dieser Effekt wieder umdreht. Das muss man sich zumindest mal leisten können. Ich verstehe, dass das bei einer sehr mittel- bis langfristigen Perspektive eine rationale Strategie sein kann. Aber das setzt natürlich voraus, dass man eben die Möglichkeiten hat, das entsprechend vorzufinanzieren. Und wenn wir nochmal zu dem Punkt zurückkommen, den wir vorhin hatten, Überlebensfähigkeit und Runway steht über allem.
Dann läuft das natürlich so ein bisschen dem entgegen, dass man jetzt auf zwei bis drei Jahre in irgendwelche Marken investiert und vielleicht nochmal ein Seiteneffekt, was man natürlich schon auch sieht, dass relativ viel der Markenbildung auch im E-Commerce mittlerweile eben nicht mehr durch Kommunikationsmaßnahmen erreicht werden. sondern eher durch sozusagen eine sehr gute Kundenexperience, die dann im Prinzip durch Erleben eines Services oder eines Produkts zu einer Markenbildung führt. Und das ist natürlich, wenn man die Möglichkeit hat, ein Experience-Produkt oder Service anzubieten, dann hat man natürlich eigentlich auch andere Formen der Markenbildung, die jetzt nicht so stark auf Kommunikation setzen, was dann wiederum Mediabudget irgendwie verlangt. Insofern glaube ich, macht es schon trotzdem Sinn, sozusagen jetzt, eher mittel- bis langfristig wirkende Mediaspends, vor dem Hintergrund Runway-Verlängerungen und Konsum-Zurückhaltung, was wieder zu einer niedrigen Marketing-Effizienz führt, dass man da eher zurückhaltend ist.
Joel Kaczmarek: Okay, anderes Thema, was du ja auch schon angeschnitten hast, war ja im Prinzip Personalkosten, wo du ja gerade proklamiert hast, lieber das Messer einmal tiefer ins Filet schneiden lassen, als mit der Salami-Taktik immer ein bisschen rauszunehmen, weil es ist ja auch für die Moral in so einer Firma sehr, sehr schlecht. Auf der anderen Seite, jeder, der Herzblutunternehmer ist, der weiß, jede Person gehen zu lassen, wo man es eigentlich nicht selber möchte, sondern wo einen das Umfeld zu zwingt, das tut ja weh. Das möchte man ja nach Möglichkeit vermeiden. Also was proklamierst du denn in eurem Portfolio so? Was ist denn ein guter Weg, um gut abschätzen zu können, welche Zahl genügt und das dann auch sinnhaft umzusetzen, dass man die richtigen auswählt, das richtig kommuniziert etc.?
Florian Heinemann: Ja, ich glaube, das eine ist ja quasi, in welchen Bereichen. Schneidet man, wenn man schneidet? Und ich glaube, da zu schauen, was sind wirklich die differenzierenden Bereiche? Wo baut die Firma IP auf, die im Prinzip der differenzierende Faktor sein werden? Und ich glaube, da nochmal ein ganz klares Bild zu haben, was ist unser differenzierendes IP? Häufig ja bei der digitalen Firma Technologie, Produkt ist häufig ein wesentlicher Faktor bei dem Ganzen. Dann ist das wahrscheinlich ein Bereich, wo ich eher am spätesten schneide. Aber das kommt sehr darauf an. Bei einem Zalando oder bei einem About You war das sicherlich eine ganze Zeit lang sozusagen dieses Marketing, wie gehe ich mit Kundendaten um? und daraufhin Marketing und CM. Das war da ein differenzierender Faktor. Dann sollte man da wahrscheinlich eher nicht schneiden oder so wenig wie möglich. Das ist glaube ich so dieser Bereichsfokus.
Und wenn man an eine Ebene tiefer geht, dann wirklich auf Einzelpersonenebene durchzugehen und zu sagen, okay, welche Personen würde ich, wenn ich jetzt heute nochmal, das finde ich eigentlich eine ganz schöne Frage, welche dieser Personen würde ich heute eigentlich nochmal einstellen mit dem Wissen, was ich jetzt über diese Personen habe. Wenn die jetzt weg wäre und jetzt dann neu zu mir käme, würde ich die eigentlich in Kenntnis dieser Person nochmal neu einstellen. Und ich glaube, das ist eine sehr gute Frage. Was auch hilft, finde ich, dabei wirklich Rankings zu haben von Mitarbeitern in jedem Fachbereich, dass man wirklich sagt, ich zwinge mich dazu, als Führungskräfte oder als Führungsmannschaft von jedem Fachbereich eigentlich Mitarbeiter in eine Rangfolge gebracht zu haben. Dann hast du natürlich noch das Thema Sozialauswahl, was in Deutschland eine gewisse Rolle spielt oder eine große Rolle spielt. Das kann man nicht außen vor lassen, aber das wäre dann für mich eher ein nachgelagerter Aspekt. Den ich dann, wenn ich mir überlegt habe, welche Fachbereiche sind wichtig, wo sollte ich eigentlich wie viel schneiden, wenn ich schneiden muss, dann auf die Einzelpersonenebene gehen und dann mir überlegen, was sind jetzt eigentlich sozusagen diejenigen, von denen ich glaube, dass sie in der derzeitigen Konstellation die meiste Performance bringen in die Organisation, dass ich da ein sehr klares Bild habe und dann legt man halt nochmal so einen Filter Sozialauswahl drüber und da gibt es nochmal entsprechende Veränderungen. Aber ich glaube, vorbereitet zu sein und ein sehr klares Bild zu haben, welche Bereiche sind wichtig, vorbereitet zu sein im Sinne der Rankings von Mitarbeitern, das ist, glaube ich, sehr hilfreich, wenn man das eben nicht in dem Moment entwickeln muss, wenn man sagt, so jetzt muss ich da mal ran in die Kostenbasis.
Es gibt ja auch durchaus Leute, die sagen, jedes Jahr 10% aus einer Organisation rauszunehmen. Ich sage nicht, dass ich das gut finde, aber es gibt durchaus ja eine Reihe von Verfechtern, die sagen, es macht eigentlich Sinn, jedes Jahr die 10% Low Performer aus einer Organisation rauszunehmen. Und Low Performer ist, glaube ich, auch nochmal ganz wichtig, heißt ja nicht, dass das per se schlecht leistende Mitarbeiter sind. sondern dass die vielleicht auch in der Rolle oder in der Konstellation, wo sie aktuell sind, vielleicht im Sinne eines stärkenorientierten Ansatzes nicht das bestmögliche Einsatzfeld haben. Das kann ja auch durchaus sein. Also es ist gar nicht unbedingt nur, die Person ist per se minderleistend, sondern es kann ja durchaus auch sein, dass es eben sehr kontextabhängig ist oder das ist ja in der Regel so. Deswegen glaube ich, hilft es dann, einen sehr nüchternen Blick drauf zu haben und das eben schon vorbereitet zu haben.
Joel Kaczmarek: Und das andere Thema, wenn wir über Personaldach denken, ist ja sowas wie Hiring-Freeze. Also jetzt ging es gerade darum, keine bestehende Person vielleicht freizusetzen oder anders einzusetzen oder Gehälter zu reduzieren. Wie ist denn so deine Haltung beim Thema, ich stelle gar keine neuen mehr ein?
Florian Heinemann: Ja, eine gewisse Fluktuation halte ich eigentlich immer für sinnvoll. Also weiterhin Mitarbeiter einzustellen und da ich immer einen gewissen Flow habe, Von neuen Talenten, neuen Ideen zu haben, ist, glaube ich, für eine Organisation sehr gut. Das heißt, zumindest einen gewissen Churn, den ich habe, den zu ersetzen mit Mitarbeitern, die vielleicht meine Anforderungen nochmal besser erfüllen, weil ich ja immer genauer lerne, idealerweise, welche Mitarbeiter bei mir wirklich Performance treiben. Das macht, glaube ich, für jede Firma total Sinn und sinnvoll. Deswegen bin ich eigentlich sehr stark gegen einen Hiring-Freeze, weil ich glaube, dass ein statisches Element in so einer Firma, das kann eigentlich nicht helfen, sondern eine gewisse Fluktuation da zu haben und diesen neuen Inflow zu haben, das halte ich für wahnsinnig wichtig. Man spricht ja auch, und das finde ich eigentlich ein schönes Bild, von Talent-Density.
Das heißt, man sollte eigentlich schaffen, sozusagen die Talentsubstanz in jeder Fachabteilung, die man hat oder in jedem Bereich idealerweise kontinuierlich zu verbessern. Das muss eigentlich das Ziel sein und das ist natürlich nicht immer total hart messbar, aber zumindest mal so als Zielbild im Kopf zu haben, zu sagen, okay, wie kann ich eigentlich die Mitarbeitersubstanz oder Mitarbeiterinnensubstanz kontinuierlich verbessern, das im Blick zu haben. Das ist aus meiner Sicht total essentiell und das kann ich mit einem Hiring Freeze, unterbreche ich das natürlich. Und ich glaube auch, dass eine Organisation immer die Fähigkeiten behält, gutes Talent auszuwählen, dann zu überzeugen und dann auch sozusagen entsprechend in eine Organisation zu integrieren. Das ist, glaube ich, eine total wichtige Fähigkeit, dass eine Organisation das behält und hat. Und das spricht auch aus meiner Sicht nochmal gegen einen Hiring Freeze.
Joel Kaczmarek: Wie ist es mit Gehältern? Also Punkt eins ist, Leute, die vielleicht nicht passen, was wir gerade hatten, vor die Tür zu setzen. Punkt zwei ist, sich zu fragen, stelle ich neue ein? Und Punkt drei ist ja aber, jetzt kommen trotzdem Menschen, die natürlich auch irgendwie die gestiegenen Kosten merken und sagen, du, ich brauche jetzt mal mehr Geld hier, meine Stromkosten haben sich verfünffacht, dies, das, jenes. Was hast du da für eine Haltung? Was würdest du ManagerInnen, GründerInnen, UnternehmerInnen empfehlen?
Florian Heinemann: Ja, sehr schwierige Frage. Ich meine letztendlich kommen wir natürlich aus einem 12, 13 Jahre lang andauernden paradiesische Zustände aus Arbeitnehmersichtmarkt, wo du sagst, es gibt ja in den 80er Jahren hatten wir noch Arbeitslosigkeit, da war doch sozusagen der Arbeitgeber das starke Element oder Arbeitgeberin das starke Element in der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und das hat sich ja sehr stark verschoben zugunsten des Arbeitnehmers. Also der qualifizierte Arbeitnehmer war ja in den letzten Jahren quasi das knappe Gut und hatte dementsprechend auch wenig Probleme, sowohl höhere Gehälter, aber auch ansonsten bessere Arbeitsbedingungen in jeder Hinsicht durchzusetzen. So und jetzt muss man mal schauen, wie sich das verändert. Meine These wäre, dass die Gehälter weiter hoch bleiben und dass auch sozusagen die Übernachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften immer noch so hoch ist, dass auch diese temporäre Krise nicht dazu führt, dass jetzt die Welt sich wieder zurückdreht, sozusagen in etwas, wie wir es mal hatten. Das halte ich für ausgeschlossen.
Aber es ist natürlich schon so, auch wieder vor diesem Hintergrund Runway-Verlängerung und Kostenbasis im Griff behalten, das steht über allem. Und dass es jetzt wahrscheinlich nicht möglich sein wird, Für jedes Unternehmen flächendeckend einen 10-12%igen Inflationsausgleich auf der Lohnseite zu gewähren, gerade für auch digitale Startups, da sind ja häufig gerade im B2B-Bereich die Lohnkosten der mit Abstand dominante Faktor auf der Kostenbasis. kann nicht jedes Unternehmen mitgehen, weil diese Kostenbasis, ohne dass sich die Einnahmenbasis nennenswert verbessern würde, damit konterkariere ich natürlich relativ viele der Kostcutting-Effekte. Ich denke, es wird sich nicht vermeiden lassen, da gerade auch im technischen Bereich, also da, wo der Talentdruck noch mal am höchsten ist, da trotzdem dann eine Gehaltsentwicklung zu gewährleisten, die attraktiv ist. Aber ich glaube, eine flächendeckende Inflationsanpassung oder noch mehr, was ja sehr stark von Mitarbeiterseite häufig gefordert wird, das ist für viele Organisationen und auch Startups aus meiner Sicht nicht realistisch leistbar.
Joel Kaczmarek: Ja, schwieriges, schmerzhaftes Thema. Wie würdest du denn insgesamt die Kommunikation angehen, sowohl nach innen als auch nach außen? Fangen wir mal nach innen an. Also man hat ja als Führungskraft auch immer den Auftrag, eigentlich nicht alles weiterzugeben, sondern auch so ein gewisser Dämpfer zu sein. Du darfst ja deinem Team auch irgendwie keine Angst machen, trotzdem muss man transparent und ehrlich sein. Was sind so die Maßnahmen, die du sinnhaft findest, wenn es um interne Kommunikation geht?
Florian Heinemann: Also ich glaube, gerade natürlich im Zusammenhang mit solchen Cost Cutting Maßnahmen ist es glaube ich total wichtig, dass Mitarbeiter verstehen, warum macht man das jetzt? Warum ist Runway so wichtig? Wie sind gerade die Mechanismen am Kapitalmarkt? Warum macht es halt Sinn, da einfach eine Verlängerung sozusagen der Lebenslauer zu erreichen? Ich glaube, an den Punkten muss man transparent sein, um den Leuten einfach zu erklären, warum da gewisse Dinge passieren. Ich glaube, wenn man das einfach so stehen lässt, ist das auf keinen Fall vorteilhaft. Klar, die Gefahr ist immer, man mutet den Leuten zu viel zu. Aber ich glaube, wir sind halt in einer besonderen Zeit aktuell und ich glaube, man muss das dann auch erklären, was das eben für die individuelle Firma für Auswirkungen hat. Man kann nicht davon ausgehen, dass jeder sich jetzt in dem Detail mit den konkreten Auswirkungen auseinandersetzt und auch was das jetzt für die eigene Firma heißt. Die eigene Firma unterliegt jetzt gerade im Rückenwind oder im Gegenwind und so weiter. Das muss man, glaube ich, mal erklären, was die Beweggründe dahinter sind.
Ich glaube, das ist schon wichtig und man muss, glaube ich, auch ehrlich sein und sagen, kein Mensch weiß seriös, wie lange diese Situation anhalten wird und was das jetzt genau bedeutet. Deswegen auch darauf würde ich hinweisen, weil ich glaube, alles andere wäre unehrlich und ich verstehe sozusagen den Anspruch, dass man eigentlich eine gewisse Klarheit reinbringen sollte, idealerweise als Führungskraft. Aber ich glaube, umso wichtiger ist es, wenn ihm diese Klarheit realistisch nicht herzustellen ist, nicht aus Unvermögen der Führungskraft oder des Managements, sondern einfach auch, weil die Gesamtgemengelage eben so schwierig zu beurteilen ist, dann ist es glaube ich schon wichtig, diese Botschaft auch zu übermitteln. Die ist ja jetzt auch aktuell relativ glaubwürdig, weil das ist ja keine Mindermeinung, dass eben diese Situation sehr schwer einzuschätzen ist, sondern es ist ja eine ganz klare Mehrheitsmeinung, dass der Gesamtsachverhalt sich so darstellt und insofern glaube ich, trifft man da sicherlich auf einiges an Verständnis.
Joel Kaczmarek: Letzter Punkt, jetzt hatten wir die interne Kommunikation, wie handhabst du es denn mit der externen? Also was heißt das? Presse ist ein Thema, KundInnen, PartnerInnen. Weil wenn man jetzt harte Schlüsse zieht, ja, Freisetzungen vornimmt oder, weiß ich nicht, Produktentwicklung absagen muss, dann hat man ja ein Pressethema. Kunden, Partner, Lieferanten ist ein Faktor, ja, dass man da auf einmal andere Gespräche führen muss, manchmal vielleicht Zahlungsziele verschieben oder andere Dinge, wie sich wünschen, Sachen absagen etc., etc., Hast du da so eine kleine Patentformel, wie du damit rangehen würdest?
Florian Heinemann: Ne, aber ich glaube auch da, also ich glaube, wenn du die Story nicht shapest, dann shapest du sie zweimal jemand anders. Und ich glaube, das ist immer schlechter, als dass man es selbst tut. Ich glaube, würde ich jetzt eine Pressemitteilung rausgeben, wir haben jetzt übrigens gerade unsere Kosten um 30% reduziert, wahrscheinlich nicht. Aber würde ich quasi an die internen Mitarbeiter das auch nochmal schriftlich darlegen, was jetzt hier eigentlich gerade passiert ist in der E-Mail. Auf jeden Fall würde ich das wichtigen Kunden und Lieferanten schicken. Auf jeden Fall. Und dann bin ich ja auch schon ein Stück weit in der Öffentlichkeit. Und das sind natürlich die Themen, die dann auch weitergeleitet werden. Genau solche E-Mails. Und vielleicht, wenn es dann halt eine Rückfrage gibt dazu auf Basis von sowas, dann würde ich auch sehr proaktiv da kommunizieren. Ich meine, wie gesagt Es gibt, glaube ich, keine bessere Zeit, als jetzt solche Maßnahmen irgendwie zu erklären und Verständnis dafür zu bekommen, sowohl auf Mitarbeiterseite als auch in der insgesamten Öffentlichkeit. Das heißt, ich glaube, das Risiko, dass Transparenz einem hier um die Ohren fliegt, halte ich jetzt für so gering wie selten, weil, glaube ich, jeder durch die aktuelle Situation ja eher übersensibilisiert ist. Also insofern, glaube ich, ist das Risiko hier quasi schwächer dazustehen oder fehlerhafter dazustehen, als man eigentlich ist. Was ja so ein bisschen auch sonst die Sorge ist bei solchen Themen, die ist glaube ich deutlich geringer, als man das normalerweise hat.
Joel Kaczmarek: Na gut, war doch ein guter halbstündiger Ritt. Haben wir noch was Wichtiges vergessen? Nein, oder?
Florian Heinemann: Auf gar keinen Fall.
Joel Kaczmarek: Sehr gut. Dann danke ich dir ganz herzlich, drücke dir natürlich feste die Daumen, dass dein attraktives Portfolio nicht in Krise gerät oder sie gut meistert und freue mich schon aufs nächste Mal mit dir.
Florian Heinemann: Absolut, in diesem Sinne.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Gründung: Du willst dein eigenes Unternehmen gründen, bist schon Gründer oder von Startups fasziniert? Mit dem Top-Experten Florian Heinemann sprechen wir regelmäßig über Tipps und Ratschläge zu Finanzierungsfragen, Strategien und operativer Umsetzung auf dem Weg zu deinem eigenen Business.