
CEO-Analyse 🔍 : So führt Jan Bredack (Veganz) durch die größte Krise, die er je erlebt hat
1. November 2022, mit Joel Kaczmarek
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Intro: Digital kompakt. Heute aus dem Bereich Selbstoptimierung mit deinem Moderator Joel Kaczmarek. Los geht's.
Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist der Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von Digital Kompakt und heute habe ich mal wieder den lieben Jan Bredak von Veganz zu meiner Seite. Ihr erinnert euch vielleicht, ich hatte mit Jan einerseits schon mal über seine Firma Veganz gesprochen. Sehr spannende Geschichte, die wir da hatten. Und dann habe ich mit ihm mal darüber geredet, wie er eigentlich so als Manager, als Mensch irgendwie tickt. Das heißt, was bedeutet für ihn Erfolg, was bedeutet für ihn Glück. Und da haben wir ein sehr angeregtes Gespräch geführt, was ich fand, war eines der besten, was wir jemals hatten auf Digital Kompakt. Und ich glaube, er war auch ein bisschen beseelt hinterher. Und daher haben wir uns verabredet, da noch mal eine Fortsetzung mit einzulegen. Und zwar wollen wir heute das Ganze mal in diese Richtung vertiefen, dass wir darüber sprechen, wie koordiniert Jan eigentlich so sein Privatleben und sein Geschäftsleben. Weil gerade wenn man viel Erfolg hat, bleibt es nicht aus, dass einem Zeit irgendwie abhanden kommt und man schauen muss, wie kriege ich beides noch unter einen Hut. So, und als besonderes Thema heute bietet sich, glaube ich, auch noch an, während wir das aufnehmen, ist ja ganz Deutschland, wenn nicht sogar ganz Europa, vielleicht auch relevante Teile der Welt durchaus im Krisenmodus, weil irgendwie Preisverfall, Krise, Krieg, Corona-Folgen etc. etc., dass wir uns mal darüber unterhalten, wie führt man eigentlich auch gerade in Krisenzeiten. So, das ist so heute unser Programm. Und that being said, lieber Jan, schön, dass du nochmal da bist. Freut mich total.
Jan Bredack: Herzlich willkommen in meiner Welt.
Joel Kaczmarek: Womit wollen wir denn anfangen? Wollen wir mal über wirklich Work-Life-Balance beginnen oder wollen wir gerade eigentlich mal eher über dein, was dich gerade beschäftigt? Weil ich glaube, Krise ist auch bei euch ein starkes Thema. Handel ist ja da immer sehr direkt betroffen, tippe ich, ne?
Jan Bredack: Ja, Handel, Produktion. Wenn man so aus einer Euphorie des Börsengangs kommt, letztes Jahr, der letzte Börsengang gemeinsam mit Daimler, war es die Ironie der Geschichte. Daimler Truck auch noch, meine ehemaligen Kollegen. Wenn man so aus dieser Euphorie kommt und dann mit sehr vielen Ideen, Visionen ins Jahr startet und dann wirklich voll in die Fresse kriegt, alles geht schief, alles geht schief. Kosten steigen, Umsätze gehen zurück. Und das Schlimme für mich als Manager in der Position war. in meiner ganzen Praxis, 30-jährigen Karriere, würde ich fast sagen, du findest keinen Zipfel, wo du dran ziehen kannst. Also es fehlt so ein bisschen die Idee, wo kommt es her, was kann ich tun, wo kann ich gegensteuern. Und dann verfällt man in Reflexe nach Lehrbuch und dann tritt man erstmal voll auf die Kostenbremse und erstmal irgendwie alles absichern. Und das erlebe ich ja auch in der zivilen Welt, dass jetzt auch die Haushalte aus der Unsicherheit heraus absichern, Kosten sparen. Und das zieht sich wie ein roter Farben durch alle Gesellschaften. Und das führt am Ende zu einer Rezession und vor allen Dingen führt zu einer Lähmung. Auch dieses visionäre Gründen, Start-up, das ist ja völlig angekommen. Und weit weg davon auch, dass die Leute heute über Nachhaltigkeit oder über Klima- oder Umweltdienst nachdenken. Was ich total verstehen kann, ist natürlich unsere DNA. Damit holst du nur keinen mehr aus dem Haushalt, geschweige denn ans Regal, wo er deine Produkte dafür kauft. Also es geht wirklich heute ums Bewahren, irgendwie um zu überleben. Und das zieht sich vom Privathaushalt bis in die Wirtschaft, bis in Konzerne. Mit allen, denen ich spreche, die haben die gleichen Themen gerade auf dem Tisch. Und wenn du mich fragst, das ist Lehrbuch, sehr stupide, macht keinen Spaß, sage ich dir ganz ehrlich. Leute entlassen, Betriebe schließen, Geschäftsmodelle, die man eigentlich geplant hatte, auf Eis legen, Kosten sparen, kein Marketing mehr machen. Also es hat nicht viel mit Spaß zu tun. Normalerweise habe ich sehr viel Spaß an meiner Arbeit, gehe da drin auch auf, aber Das ist jetzt eher so eine Pflichtaufgabe, die ich gemeinhin überall sehe, weil meine Kollegen, Kolleginnen, die in ähnlichen Verantwortungen und Situationen sind, unterm Strich gesagt beschissen.
Joel Kaczmarek: Wobei ich bewundere, wenn ich dich immer auf Social verfolge. Auf LinkedIn sieht es immer so aus, als wenn ihr jede Woche eine Produktneuheit irgendwie aus euren Laboren an den Start bringt. So das vegane Ei, das vegane X, das vegane Y. Also spannend eigentlich, wie ihr das trotzdem hinkriegt. Aber fangen wir mal so Meta-Ebene an. Was ist denn so generell dein Führungsansatz in der Krisenzeit? Also wenn wir jetzt mal außer Acht lassen, was du gerade gesagt hast, dass es gerade keinen Zipfel gibt. Aber hast du so einen Werkzeugkasten, den du aufmachst, wenn bei euch was Blödes passiert, nachdem du sonst vorgehst?
Jan Bredack: Ja, natürlich. Und der widerstrebt mir so ein bisschen, weil mein normaler Führungsansatz ist ja Mitunternehmertum, Menschen in Verantwortung bringen, Menschen in Selbstbestimmtheit unterstützen. In Krisenzeiten geht das gar nicht mehr in der Form. Da musst du ganz enge Rahmen setzen, weil klar, jeder versteht. Ich setze natürlich auch auf Verständnis meiner Mitarbeitenden, aber nicht jeder hat das. Und da muss man manchmal auch sehr unpopuläre Entscheidungen treffen und durchsetzen. Und das bleibt meistens am Chef hängen, ja. Wir sind zwar einige Chefs, aber am Ende bin ich der Chef vom Ganzen und muss dann auch Verantwortung übernehmen. Das tue ich gerne, sowohl im Guten und jetzt in dem Fall ist es halt im Schlechten. Und da müssen Dinge durchgedrückt werden, die mir selber widerstreben. Und wenn du mich fragst nach der Metaebene, das ist jetzt alles wieder konzentriert auf wenige Personen, die den Karren jetzt aus dem Dreck ziehen oder eine gewisse Orientierung geben für die, die im Moment orientierungslos sind. Aber ich habe ja vorhin schon gesagt, ich bin ja selber nicht erleuchtet gerade. Also mir fehlen ja selber so ein paar Ankerpunkte, wo die Reise hingeht. Und normal bin ich da eigentlich immer sehr visionär und sehr flexibel auch in meinem Kopf, im Denken und irgendwie schnell Optionen zu finden, aber die fehlen mir gerade. Die fehlen mir komplett. Und du hast eben angesprochen, natürlich versuchen wir Business as Usual irgendwie auch unsere. Also wenn du sagst, unsere Produkte, das, was du jetzt siehst, was auf den Markt kommt, das ist ja schon zwei, drei Jahre in der Pipeline. Das ist ja nichts, was so über Nacht entsteht. Und natürlich, das kommt alles mit einer wahnsinnigen Verzögerung. Ich hätte dieses Jahr schon bald mehr Launches gehabt von Produkten. Da haben wir auch vieles verschoben bewusst, weil wir gesagt haben, als der Krieg losging, wollen wir kein neues Produkt im Markt entführen. Das bringt überhaupt nichts. Da haben wir jetzt im zweiten Halbjahr ein bisschen angefangen. Aber der Krieg hört ja nicht auf, der lähmt ja an. Und auch alles, was der Krieg so mit sich bringt. Insofern versuchen wir noch, irgendwie unserer Linie treu zu bleiben. Aber ich kann dir sagen aus der Insel, es ist alles andere als normal gerade. Es ist wirklich Krisenmodus und sehr diszipliniertes, konzentriertes Arbeiten. Und Werkzeugbox heißt, sehr eng an Kostenvorgaben halten, Vorgaben machen, den Rahmen sehr eng gestalten und in diesem Rahmen dann gucken, dass man irgendwie durchkommt.
Joel Kaczmarek: Und wenn ich das jetzt aber mal so rückübersetze, verstehe ich das richtig, dass Verantwortungsübergabe vor allem dann funktioniert, wenn man wächst, wenn man Business as usual hat, aber eigentlich nicht, wenn man in Krise ist, also dass man dann eher wieder zentralisiert und alles wieder zurückzieht, weil das ist ja eigentlich so das Learning, das ich jetzt bei dir mitgenommen habe. Es gibt so ein paar Sehende, aber der Großteil ist so Headless-Chicken-Mode, wenn man nicht aufpasst.
Jan Bredack: Übersetzt ist das so, ja. Es ist aber auch menschlich und in der Natur der Sache. Diese Selbstbestimmtheit, Eigenverantwortlichkeit, Mitunternehmertum in der Krise kannst du nicht auf so viel Schuld verteilen wie Verantwortung. Weil wenn wenige schon keinen Durchblick haben, dann wird es mit mehr nicht besser. Gerade in so einer Phase. Und gerade wenn es unpopuläre Entscheidungen sind, die zu treffen sind, die treffen ja auch manchmal oder oft die Verantwortungsbereiche. Man beschneidet die Leute. Also weißt du, wenn du was aufbaust, wenn du was kreieren kannst, dann ist das beseelt mit einer Grundmotivation. Wenn du was zerstörst, hat erst mal keiner eine Motivation. Aber es muss jemanden geben, der sagt, du haust das jetzt kaputt. Wir müssen das jetzt abbrennen. Das Haus steht zwar fast im Rohbau und wir müssen es jetzt leider wieder einreißen. Und Leute, die das mit Herzblut aufgebaut haben, da würden die von alleine nicht drauf kommen. Also muss es jemanden geben, eine Instanz, die sagt, wir müssen das jetzt machen.
Joel Kaczmarek: Ja, ich weiß genau, was du meinst, so dieses Kill your Darlings, das ist echt fucking schwer.
Jan Bredack: Und wir wollen ja, dass die Leute ihre Babys hegen und pflegen, aber jetzt müssen wir halt an die Babys ran und sagen, nee, müssen wir leider jetzt sein lassen, die Spielchen. Das tut mir selber auch weh. Es ist ja nicht so, dass ich das gerne mache, aber ich muss es dann trotzdem durchsetzen.
Joel Kaczmarek: Problem bei solchen Sachen ist ja oft, dass man das so instinktiv nach Salami-Taktik macht. Fünf Leute vielleicht aus dem HR raus oder aus Marketing, die man nicht mehr braucht, wo wir was automatisieren können. Einen Monat später oder zwei Wochen später nochmal zehn Leute aus Operations oder bei Logistik. Dann nochmal hier 20, da 30 und diese Salami-Taktiken, das killt ja eigentlich oft die Moral. Wie machst denn du das? Also als du dann schwere Entscheidungen treffen musstest, hast du das sozusagen auch so peu à peu gemacht oder eher zack und richtig hart?
Jan Bredack: Nee, also das ist ja immer so. der Balanceakt, wo man sich bewegt als Manager auch gegenüber seinen Aufsichtsorganen oder seinen Aktionären oder seinen Anlegern, wie auch immer, wo man nicht börsennotiert ist. Du willst auf der einen Seite natürlich das, was du geschaffen hast, irgendwie schützen und an allererster Stelle die Existenzen, die bei dir im Brot und Butter sind. Deshalb robbst du dich da eher langsam an. Es könnte aber eine Rückschau dann sein, dass man dir vorwirft und sagt, Hättest du mal an der Stelle mehr Gas gegeben, dann wäre es so. Das ist immer so die Klugscheißer-Diskussion, die man führt. Und da man selber keinen Kompass im Moment hat, sondern wer dreht sich ja wie verrückt. mal so, mal so, habe ich mich erstmal langsam ran getäuscht, habe aber irgendwann gemerkt, Anfang des Sommers, das reicht nicht. Dieses zaghafte hier mal ein bisschen und da mal reicht nicht. Und dann sind wir voll in die Bremse gegangen. Das haben wir in mehreren Stufen gemacht tatsächlich. Voll in die Bremse und nochmal nachgebremst und noch ein Nachbrenner, weil irgendwie man gemerkt hat, reicht immer noch nicht, reicht immer noch nicht, reicht immer noch nicht. Und immer vor Augen im täglichen Abgleich, wo entwickelt sich das Ganze hin. Und da das nicht ersichtlich ist, diese Unsicherheit bestimmt im Moment die gesamte Wirtschaft, die gesamte Gesellschaft. Und aus dieser Unsicherheit heraus passiert nur Murks, muss ich dir sagen. Dann überzieht man auch mal. Ganz sicher, ja. Wir haben jetzt unsere Filialen zugemacht in Berlin. Zwei. Das sind unsere letzten irgendwie Perlen gewesen, die wir so noch als Überbleibsel in unserer DNA hatten. Also eine haben wir noch in der Warschau, aber das ist doch schlimm. Ich habe vor zwei Wochen den Mitarbeitenden gegenübergesessen und musste dann den verkünden, wir schließen die Filiale. Und Ende Oktober Schluss. Und das sind Dinge, die willst du nicht. Das macht doch keinen Spaß. Kann mir keiner erzählen, dass das Spaß macht. Mir nicht.
Joel Kaczmarek: Wie schaffst du es da selber so deine Psychohygiene in den Griff zu kriegen, dass du da nicht depressiv wirst?
Jan Bredack: Ich bin per se nicht dafür anfällig, aber ich merke an mir, klar mit über 50 jetzt hat man auch gewisse Verhaltensweisen sich antrainiert, aber ich merke an mir, dass mir das nahe geht. Der einzige Grund, warum ich das irgendwie durchhalte ist, weil ich bin so mit der Firma verwurzelt, ich bin so eins mit der Firma, dass ich quasi die Firma bin. Und wenn es dir schlecht geht oder vermeintlich, dann tut man was dagegen. Wenn du mal die Sicht hier anschaust, trennt sich dann. Das eine ist dann die emotionale Seite und die andere ist dann die wirklich die Vernunft, Firma, die sachliche Seite. Und die rückt dann in voller Grund.
Joel Kaczmarek: Aber ich meine, das ist ja wirklich so, wenn du dann den Rohbau wieder abreißt, wie du eben gesagt hast, wo das Dach schon drauf ist, man muss eigentlich noch die Wände verputzen. Das wäre in der Metapher dann ein bisschen so, als wenn du dir auch wie eine Hand abschneidest oder so. Und dann musst du vielleicht überlegen, ob der ganze Arm dran sein muss, weil, also jetzt mal martialisch gesagt vielleicht. Also man nimmt das ja sehr persönlich, würde ich denken, oder?
Jan Bredack: Ja, natürlich. Also ich nehme es persönlich, aber natürlich die Leute auch, wie es betrifft, aber auch das Umfeld, weil logischerweise, guck mal, wir sind ja ein sehr, aus meiner Sicht, was Leadership angeht, ein sehr, sehr fortschrittliches Unternehmen. Wir achten sehr auf Werte, Kultur etc., entwickeln das ständig und messen das auch. Wir messen alle Vierteljahre, die Mitarbeiter trifft, wie weit Umsatz vor, rauscht ab, seit einem halben Jahr rauscht er ab. Und wenn ich dann jetzt gerade, ich habe morgen eine große Mitarbeiterversammlung, wenn ich dann lese, was die Mitarbeiter dann auch schreiben, schreiben, was ihnen gerade am Herzen liegt, dann verstehe ich das alles. Aber wenn ich mit der Brille firmalang drauf gucke, sage ich, habt ihr den Knall nicht gehört? Ich versuche hier irgendwie das ganze Ding über die Ziellinie zu schubsen. Und ich verstehe alles, ich höre alles, was ihr sagt, aber warum es jetzt kein Kaffee, ich mache jetzt einfach mal ein Beispiel, warum es jetzt kein Kaffee jeden Tag frisch gibt, das ist jetzt nicht meine oberste Priorität. Und dass du dich dabei nicht wohlfühlst, tut mir total leid, aber ja. Ist jetzt kein Thema bei uns, aber mir fällt jetzt gerade nichts anderes ein, was dann so an Themen kommt. Oder wenn du so eine Entscheidung getroffen hast, dann sind natürlich plötzlich viele Mitarbeitende davon auch betroffen und sagen, oh Gott, was ist das Nächste? Wann trifft es meine Babys? Wann bin ich dran? Wann reden wir über meine Projekte, meine Produkte? Wir sind ja so ein bisschen aufgeteilt.
Joel Kaczmarek: Und wie kommunizierst du? Also was ist so dein Ansatz? Ich könnte mir vorstellen, gerade in Remote-Zeiten ist ja der Tod, wenn die Leute einen nicht sehen. Also ich finde, immer in der Krise muss man irgendwie sichtbar sein zum Beispiel, ne?
Jan Bredack: Also wir sind ja sehr remote, nicht erst seit Corona, aber wenn ich ins Büro gehe, wo normal 75 Leute sind, sehe ich immer 20 maximal. Wir machen einmal die Woche mit den Führungskräften, Abteilungsleitern, Teamleads etc. Ich mache Videonewsletter, wo alles, was gerade aktuell ist, auf den Tisch kommt. Wir machen mit allen Mitarbeitenden Mitarbeiterversammlungen. Wir machen Lunchtalks, das heißt, da rufen wir alle zusammen, essen zusammen Mittag und dazu werden halt Themen, die alle bewegen, diskutiert. Das geht dann zwei, drei Stunden lang. Ist oft Frontbeschallung, gerade jetzt in so Zeiten, wo man viel kommunizieren muss. Und wenn schwerwiegende Sachen sind, klar, dann muss man auch mal alle Leute kurz zusammenrufen und sagen, ich habe euch was zu sagen, zack, zack, zack. Und das war leider in den letzten Wochen häufiger der Fall.
Joel Kaczmarek: Hast du denn eigentlich Menschen an deiner Seite, Coaches oder sowas, die dich dabei unterstützen?
Jan Bredack: Ne, also da würde ich für mich in Anspruch nehmen, dass ich da über die vielen Jahre Erfahrung sowohl bei Daimler als auch jetzt, bei Daimler habe ich ja auch mindestens zwei so schwierige Phasen, wo ich auch Leute entlassen musste. Damals lief das ja alles noch ein bisschen anders, aber ne, das kriege ich ganz gut hin. Ich bin kein Einzelkämpfer in dem Sinne, weil ich natürlich meinen Vorstand habe, aber nichtsdestotrotz am Ende des Tages habe ich ja vorhin gesagt, sind das alles Angestellte, ja. mehr oder weniger. Und ich habe die Firma mal gegründet. Ich habe eine andere Verbundenheit. Ich kann denen das auch nicht zum Vorwurf machen. Also ich habe dann andere Stakes auch noch im Spiel.
Joel Kaczmarek: Aber warum hast du zum Beispiel keine Coaches, die dich da begleiten? Also ich meine, manchmal geht es ja gar nicht darum, was ist richtig oder falsch, bei der Entscheidungsfindung zu helfen, sondern einfach mal jemanden zu haben, der einem zuhört, wenn man sich mal eine Stunde auskotzen will, in was für traurige Gesichter man gerade geguckt hat.
Jan Bredack: Meine Frau.
Joel Kaczmarek: Ja? Okay, das kenne ich auch.
Jan Bredack: Ja, klar. Ich habe ja vorhin gesagt, ich trenne dann so dieses sattliche, vernünftige, was sehr verbunden mit der Firma ist und dann das Emotionale. Aber das Emotionale kommt halt irgendwann auch hoch. Und irgendwo muss das den Raum verschaffen. Und das passiert dann meistens hier zu Hause. Und dann ist das, das ist auch blöd. Dann wird dann der ganze Scheiß hier ausgekippt wie eine Güllegrube. Und irgendwann, wenn zu viel Gülle da ist, wird es auch schlecht. Da kann man sich nicht mehr freischwimmen.
Joel Kaczmarek: Was würdest du sagen, sind die Unterschiede von heute im Vergleich zu den anderen Krisen, die du schon erlebt hast, von denen du eben geredet hast?
Jan Bredack: Ja, heute sind sie existenziell. Immer. Man redet immer über Existenzen. Sowohl, klar, meine persönliche, aber auch von allen, die mit uns irgendwie in Verbindung stehen. Das sind die Mitarbeitenden, das sind aber auch die Zulieferer. Da hängen so viele Leute dran. Das ist ein riesiges Netzwerk schon geworden. Früher war es halt, da sind die Leute weich gefallen. Wenn ich da Austrittsgespräche geführt habe, da hing da eine große sechsstellige Abfindung dran. Das ist ein ganz anderer Schnack gewesen. Also da ist ja keiner mal von dir nichts. Seitdem du hast goldene Löffel geklaut, was ich auch zwei, dreimal erlebt habe, aber dann hat der oder diejenige auch verdient. Ansonsten waren das, da hast du dich hingesehen und gesagt, hier willst du 400.000, 500.000. So gingen die Gespräche eher sehr platt.
Joel Kaczmarek: Krass und wie wird einem begegnet dann? Ist es eher kooperativ, ist es eher wütend, also auf allen Ebenen, also egal ob es jetzt Mitarbeitende sind oder, also ich könnte mir vorstellen, im Einzelhandel macht ihr ja auch lange Verträge, da bin ich mir sicher, dass man dann auch unangenehme Gespräche dort führt, wenn man auf einmal verargumentieren muss, warum die Verträge aus dem letzten Jahr dieses Jahr eigentlich gar nicht mehr erfüllbar sind. Zulieferer etc. etc. Wie ist denn da so die Haltung dir gegenüber?
Jan Bredack: Es ist wie gespalten. Es gibt tatsächlich Partnerschaften auch im Handel jetzt mit unseren Handelspartnern. Da ist sehr viel Verständnis da. Auf der anderen Seite haben die natürlich die gleichen Themen auf der Agenda wie wir. Kostensteigerung und Umsatzrückgänge. Das gab es ja im Handel. Lebensmittel gab es das ja noch nie, dass man zweistellig Rückgänge zu verzeichnen hat. Trotz Preiserhöhung. Wir haben ja Preiserhöhungen von teilweise jetzt schon über 10. Also zweistellig und haben trotzdem einen Rückgang. Da ist ja was passiert. Und dazu kommt noch, dass die Regale leer bleiben, weil Leute nicht mehr liefern können etc. Oder nicht mehr wollen, das gibt es auch, weil es unter den Preisen, also dann macht es keinen Sinn, dann noch zu produzieren. Es gibt sehr viele Beispiele, Prominente. Insofern gibt es dabei auf der einen Seite Verständnis, auf der anderen Seite gibt es auch knallharte Ignoranz und Ablehnung. und ja, das ist ja euer Problem, müsst ihr damit klarkommen. Wir haben Verträge, haltet euch dran oder stirbt. Also ist uns auch egal. Das ist schon echt brutal und das ist ein Thema hier, was uns alle betrifft und da würde ich jetzt, und das zeigen wir unseren Produzenten, Lieferanten gegenüber ja auch, maximales Verständnis erwarten, gerade wenn man es lückenlos nachweisen kann. Also hier will sich ja keiner bereichern. Der Handel hat ja dann offensiven gestartet, so nach dem Motto, die Industrie nutzt es jetzt, um hier ihre Margen zu verbessern. Das mag sein, dass das die Großen machen, aber ich kann für viele, viele Firmen in unserer Größenordnung einen Anspruch nehmen, dass wir das nicht tun, sondern dass wir es fürs Überleben tun. Da werden schon scharfe Geschütze aufgefahren und es ist, das kann ich dir sagen, nicht lustig, weil du beschäftigst dich plötzlich wieder mit Themen, die hast du eigentlich sonst gar nicht auf der Agenda. Das lenkt ja auch ab. Es hält auf, es lenkt ab, es gibt Unsicherheit auch da. Und wenn du deine Preise nicht mehr durchsetzen kannst und Miese machst mit deinen Geschäften und die Margen bei uns sind ja nicht so üppig. Es ist ja nicht so, dass wir uns da im Dreck suhlen können und uns auf die Schenkel klopfen, wenn jetzt mal drei Prozent weniger ist.
Joel Kaczmarek: Wie ist es so intern? Also wie ist da so die Reaktion? Wie nehmen die Menschen sowas auf?
Jan Bredack: Also jeder bei uns spürt durch die offene Kommunikation, jeder spürt, dass hier was los ist, dass was geboten ist, dass da Anspannung da ist. Das ist auch ein schmaler Grad für eine Managementaufgabe. Wie viel lässt du, dass deine Leute spüren? Weil wenn die nachts nicht mehr schlafen können, weil sie sich Sorgen machen, ist das fair? Sind sie dafür ausreichend vergütet? Steht das in ihrer Arbeitsbeschreibung, dass sie sich um ihren Job Sorgen machen müssen? sage ich, nein, das müssen schon wir wegpuffern. Da müssen wir viel auch fressen und sehr dosiert und sehr vernünftig auch kommunizieren. Du kannst nicht alles eins zu eins einfach weiterleiten. Zumal sich die Welt ja auch hier und da mal dreht und ändert. Insofern ist es immer ein sehr schmaler Grab, auf der einen Seite den Vorwurf zu kassieren, offene Kommunikation, transparent sein, auf der anderen Seite Angst verbreiten. Ich gehe damit übrigens aber sehr offen um. Ich sage das auch so. Ich sage, es bringt mir nichts, wenn ich euch hier alle Angst mache und die Schreckspenster an die Wand male. Das bringt mir ja nichts. Wir müssen versuchen, da vernünftig einen Modus operandi zu finden. Und da versuchen wir ganz klare Vorgaben und Angebote zu machen und dann schauen, wie wir uns da durchmanifizieren können. Was das nochmal unterstreicht, ich habe so früher im Monat durchschnittlich drei Anfragen bekommen von Firmen für Übernahmen oder Anfragen. finanzielle Unterstützung, Kooperation. Jetzt ist es pro Tag eine im Schnitt. Und es gibt so viele Firmen, denen steht das Wasser bis zum Hals. Und für mich ist es so traurig zu sehen, auch etablierte Firmen, das sind jetzt nicht nur Startups. Und im Moment Geld zu bekommen, ist ja so gut wie unmöglich. Da sind wir echt gesegnet, dass wir da, was das angeht, gut ausgestattet sind und dann aus einer gewissen Stärke heraus auch operieren können. Und trotzdem müssen wir natürlich sparsam sein und kosten. Und so habe ich vorhin alles schon ausgeführt. Aber wenn ich dann sehe, wenn es Leute, die wirklich unverschuldet jetzt mit dem Rücken zur Wand stehen und nicht mehr weiter wissen und das Einzige, ihre Firma für ein Appel und Ei irgendwo zu verkaufen oder zuzumachen, das ist, boah, da dreht sich mir, da kriege ich echt Gänsehaut. Das hätte uns auch passieren können. Und ich habe echtes Mitgefühl mit den betroffenen Leuten. Das wollte ich dir nur noch mal so als Indikator mitgeben. Sowas lässt mich auch nicht kalt.
Joel Kaczmarek: Während du geredet hast, habe ich jetzt die ganze Zeit gedacht, als du meintest, du findest keinen Zipfel, an dem du ziehen sollst, da habe ich auch gedacht, das Einzige ist ja, sich zu größeren Konglomeraten zusammenzuschließen, indem man sich schlucken lässt, aber dann halt zu einem Kurs, der keinem gefällt. Also ich kann mir das schon lieber vorstellen. Ist ja nicht wie bei Digitalos, dass man mal sagen kann, ich mache irgendwas Virtuelles, sondern ihr habt ja bei allem reale Kosten, no matter what, egal ob Fabrik oder Ware oder Logistik und, und, und, also.
Jan Bredack: Und die steigen alle. Aber die Digitalwelt ist ja auch am Kränkeln. Es ist ja nicht so, dass es auch an denen spurlos vorüber geht.
Joel Kaczmarek: Naja, also ich habe auch gedacht, Pitch war ja so eine der ersten Firmen oder eine früher, wo ich auch gedacht habe, wow, krass, viele Leute entlassen, ein Drittel der Leute. Wenn es denen schon blüht, dann weiß man halt, was bei euch so los ist. Aber lass uns doch mal auf das normale Grundniveau zurückgehen. Also du hast ja gesagt, ihr habt eigentlich sonst ein reguläres Management-System, was du als sehr innovativ erachtest. Wie sieht das denn aus?
Jan Bredack: Ja, der Führungsstil oder das Leadership heißt Mitunternehmertum. Das habe ich selber ja mitentwickelt, mitgeprägt, mit in die Welt hinausgetragen. Da geht es im Wesentlichen darum, betroffene Mitarbeitende zu Beteiligten machen. Das heißt nicht, dass sie jetzt zwangsläufig Aktien haben müssen, aber sie sollen beteiligt sein. In allen Gestehungs-, also visionären Prozessen bis hin zur Entscheidung. Und im Idealfall ist es so, dass die Führungskräfte maximal noch als Coach fungieren, also beratend zur Seite stehen und nicht, wie es in vielen Firmenpraxis ist, die Instanz, wo man sich nochmal rückversichert und sagt, hier entscheide du mal, du bist der Chef. Dabei könnte jeder es auch selber entscheiden, weil sie es im Zweifel besser weiß. Und das haben wir versucht bei uns zu etablieren. Das ist ein wahnsinnig langer Prozess, weil du brauchst Vertrauen darin, dass wenn du Fehler machst, dass die nicht so bestraft werden, dass du nie mehr den Fuß über die Schwelle bekommst. Und das muss wachsen. Das kriegst du nicht mit erzählen. Mach mal so und da wird schon nichts passieren. Sondern das müssen die Leute erleben. Und wenn sie dann mal 100.000 Euro in den Sand gesetzt haben, kriegen die nicht die Ohren abgerissen, sondern Schwamm drüber kommen. Im nächsten Mal weißt du es besser. Also nicht, dass wir jetzt hier jeden Tag 100.000 Euro Fails haben. Das will ich damit nicht sagen. Und Leute, die neu zu uns kommen müssen. Und das ist wirklich, ich kann es immer nicht oft genug wiederholen. Bei den Einstellungsgesprächen bringen das ganz nach vorne, das Thema Eigenverantwortliches, Arbeiten, Entscheiden und alle sagen, oh ist das geil, wollte ich schon immer machen, kenne ich. Und wenn sie aber dann in der Situation sind, merken wir, 80 Prozent sind total überfordert und müssen an die Hand genommen werden und müssen da rangeführt werden. Und der eine, die eine braucht länger und der andere, die andere lernt es nie und verabschiedet sich auch wieder bei uns. Die sind wirklich, die kommen in eine Überforderung rein, weil die meistens nicht gewohnt sind.
Joel Kaczmarek: Es gibt immer so eine Geschichte, die ich und er manchmal erzähle, ich meine, das war ein Investor, der mir mal erzählt hatte, er hat irgendwie 5 oder 10 Millionen in Startups investiert, was halt irgendwie voll gegen die Wand gefahren ist und ist dann zu seinem Vorgesetzten gesagt, okay, dann schätze ich mal, dann war es das jetzt für mich und ich kriege meine Papiere hier. und dann meinte der Chef, warum denn, ich habe doch gerade 10 Millionen in deine Ausbildung investiert. Und ich finde diese Denke eigentlich ganz charming, dass man mal sagt, jemand, der einen Fehler macht, den zu entlassen, ist ja eigentlich wirklich dumm, weil er macht den Fehler ja nicht aus böser Absicht oder aus grober Inkompetenz, sondern oftmals, gerade in unserer Zeit ist es ja so, man trifft Entscheidungen in einem Framework, was sich halt dauernd ändert oder wo einfach auch nicht immer klar ist, was passiert. Das war früher vielleicht nochmal anders. Oder wenn ich jetzt Ingenieur bin, ist es was anderes, als wenn ich mich in einer wirtschaftlichen digitalen Welt bewege. Und da höre ich jetzt bei dir raus, deine Fehlerkultur ist also auch eine, die eher auf verzeihend und darauf aufbauend arbeitet?
Jan Bredack: Vertrauen. Einfach Vertrauen in das Wissen, in die Kompetenz, in die Entscheidungsfähigkeit der Leute, dass die das auch hinbekommen. Und es ist wirklich manchmal so, dann passieren manchmal wirklich extrem scheiß Fehler. Und dann bist du auch kurz davor, mal auszurasten. Aber wenn du das dann tust in dem Moment, dann machst du eine Arbeit von mehreren Jahren kaputt. Exemplarisch für deine gesamte Kultur, die du geschaffen hast. Und das ist für mich ein hohes Gut. Und was ich dann mache, ich ziehe mich an und laufe einmal einen Block. Ich muss dann wirklich raus. Ich hatte schon oft Situationen, wo ich einfach sage, ich will jetzt keinen mehr sehen. Ich muss kurz mal mit mir alleine sein.
Joel Kaczmarek: Ich habe gerade so deine Empfangsdame oder so im Kopf. Ah, Jan nimmt sich eine Jacke. Da sind wieder 50.000 den Berg runtergegangen.
Jan Bredack: Das muss ja nicht immer Geld sein, aber du weißt, was ich meine. Und was ja noch dazu kommt. In den Krisenzeiten jetzt werden ja Fehler viel, das ist ja wie unter dem Brennglas. Also es wird ja viel spürbarer, wenn Dinge nicht so gut laufen. Weil alles auf Kante genäht und alles wird eng getrackt und so. Das hast du ja im Normalmodus so gar nicht. Da wird ja über vieles auch drüber weggegangen. Jetzt, da spürt man auch schon eine gewisse Anspannung bei den Leuten, weil sie jetzt natürlich viel mehr unter Druck stehen, ihre Entscheidung zu treffen und auf den Weg zu machen.
Joel Kaczmarek: Und sag mal, dieses Konzept des Mitunternehmertums. Ich habe so überlegt, ich erinnere mich, ich hatte mal ein Interview gesehen von Gary Vaynerchuk, wo ihn einer gefragt hat, so ja, sag mal, meine Mitarbeiter, die pushen nicht so rein wie ich. Ich als Gründer arbeite immer länger. Wie schaffe ich es, dass die denken wie ein Gründer? Dann sagte der, schaffst du nicht, weil das sind Angestellte. Angestellte sind keine Gründer. Das heißt, die Frage, die mir so auf der Zunge lag, als du es erzählt hast, war, dass ich mich gefragt habe, ist Mitunternehmertum nicht schon so eine Unmöglichkeit in sich? Weißt du, was ich meine?
Jan Bredack: Also das würde ich voll unterschreiben, was er da gesagt hat. Du wirst niemals das Mindset hinbekommen, weil der große Unterschied ist zum Gründer, dass dort die kompletten Risiken abgelegt sind. Bis hin zur eigenen Existenz und auch die Existenz der Firma. Also das ist da alles allokiert. Trotzdem kann man Muss man, aus meiner Sicht, in einer fortschrittlichen Leadership-Kultur, muss man Menschen in ihrer Selbstbestimmtheit unterstützen. Man muss es supporten. Wir sind ja keine unbindigen Menschen mehr. Jeder trifft ja auch zu Hause Entscheidungen aufgrund von Datenpunkten. Und wichtig ist, dass man alle Voraussetzungen schafft, dass jeder seine Entscheidungen in seinem Bereich treffen kann, in seinem Rahmen. und sich auch interessiert für den Nachbarbereich. Das ist bei uns auch übrigens kulturell sehr ausgeprägt, dass man nicht nur in seinem Tunnel ist und sagt, ich bin jetzt hier der Beste, sondern auch mal rübergucken und sagt, das läuft mir scheiße. Und das passiert sogar, also ich sage mal, du provozierst damit sogar viel eher, dass man sich untereinander reibt, Weil um leistungsfähig zu sein, braucht man in der Regel den anderen. Und wenn der nicht richtig performt, wenn da nicht richtig Output kommt, dann ist es eine Störung im System. Und dann gibt es schon untereinander sehr viel Potenzial für Auseinandersetzung. Und ich finde das gut, weil das befruchtet. Und aus meiner Sicht ist das, ich will gar nicht sagen Geld Zukunft, sondern es muss eigentlich Modell der Gegenwart sein. Anders kriegst du die Generation, die jetzt ins arbeitsreife Führungsalter kommt, kriegst du gar nicht mehr motiviert. Du kriegst die nicht mehr entgegen. in so eine starre Hierarchie dienstnach forscht, damit kriegst du die Leute nicht mehr motiviert. Das ist nicht das Weltbild und das Führungsbild von der Generation, die jetzt in die Arbeitswelt eintaucht.
Joel Kaczmarek: Man hat ja bei der aktuellen Arbeitsgeneration aber manchmal so ein bisschen den Eindruck, man will irgendwie die Benefits haben, ist aber nicht bereit, den Preis zu zahlen. Also ich will ganz viel entscheiden können, ich will ganz viel Gehalt haben, ich will ganz viel Freiheit haben, ich will Team unter mir haben, ich möchte nur Sachen machen, die mir Spaß machen. So, okay, bist du aber auch bereit, das Risiko zu nehmen? Bist du dazu bereit, irgendwie selbst zurückzustecken, wenn die Entscheidung nach hinten losgeht? Bist du irgendwie bereit, viele Stunden zu arbeiten? Bist du bereit, dies, das, jenes? Da kommt ja gefühlt immer ein Nein. Ist das so ein Klischee, was zutrifft? Oder wie nimmst du das so wahr?
Jan Bredack: Nee, würde ich nicht sagen. Also das Wichtigste ist, ich berate ja auch einige Firmen und halte dort Vorträge, das Wichtigste ist, dass man erstmal den Mitarbeitenden beim Einstieg auch erklärt, warum gibt es die Firma hier und warum arbeitet der hier? Diese Frage nach dem Warum, das ist ja diese Purpose, Purpose Driven Companies. Die ist essentiell, weil wenn der oder diejenige weiß, warum sie das tut, ordnen sich viele andere Dinge, die du gerade genannt hast, ordnen sich dem unter. Gehalt. Gehalt steht tatsächlich nicht ganz oben auf der Liste der Leute. Da geht es vielmehr um dieses Freiheitsgefühl beim Arbeiten. Also bringen wir ein Beispiel ganz blöd. Kann ich von Spanien, von meinem Feriendomizil aus arbeiten? Wie oft muss ich ins Büro? Gibt es überhaupt Präsenzpflichten? Das sind wichtige Fragen. Es ist auch nicht die Frage, ob da ein Kicker oder ein Billard besteht. Das ist so ein Bild, das ist es aber gar nicht. Es geht wirklich darum, ein Embalmment zu schaffen, wo jeder sich nach seinen Bedürfnissen frei bewegen kann. Und wenn er die Frage für sich beantwortet hat, ich arbeite hier, weil ich das supporten will, weil ich das will, das will. Dann sind die anderen Dinge eher sekundär und ordnen sich dem unter. Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, diesen Purpose einmal klar zu machen und auch jeden Tag den Beweis anzutreten, dass wir es ernst meinen und wirklich das tun. Weil wenn du auch das in Frage stellst, wir sind klimafreundlich und du machst jetzt was, was klimaunfreundlich ist, was dem entgegenspricht, dann hast du einen Widerspruch, den kriegst du auch nicht mehr aufgelöst. Und dann verabschieden sich die guten Leute als Erste und sagen, nee, das ist nicht mehr meine Firma.
Joel Kaczmarek: Und sag mal, wenn du sagst, Mitunternehmertum ist das Konzept, was sind die Werkzeuge, mit denen du das installierst? Also ich überlege gerade, wo fängt man an, wo hört man auf? Also das kann ja sein, welche Tools setzt man ein, wie kommuniziert man, wie macht man eine Hierarchie auf, wie gibt man Freiheiten, wie setzt man Ziele? Also da gibt es ja ganz viele Werkzeuge, mit denen man sowas befördert. Was sind so deine wichtigsten, um Mitunternehmertum zu befördern?
Jan Bredack: Das Allerwichtigste ist, die Warum-Frage haben wir gerade geklärt. Ich glaube, das ist die Basis für alles. Aber das Allerwichtigste ist, dass man gemeinsam einen Rahmen definiert. Das musst du, weil Mitunternehmertum heißt nicht, keine Hierarchie. Das verwechseln viele. Die denken, jeder macht, was er will und was er kann. Das ist mitnichten so. Und da bin ich auch ein totaler Gegner von, von diesen anarchistischen Ansätzen. Weil die funktionieren nicht. Menschen brauchen einen Ordnungsrahmen. Der eine mehr und der andere weniger. Und jetzt kommt das große Kunst bei diesem Mitunternehmertum. Die Führungskräfte müssen eine Sensibilität entwickeln für ihre Mitarbeitenden, weil sie nämlich nicht, ich sag mal, einen Rahmen definieren können für alle, sondern sie müssen es für jeden individuell machen. Und sie müssen tracken, fühlt der, die sich damit wohl, oder ist die damit überfordert. Und das zweite Tool ist, du musst als Führungskraft so authentisch das Thema leben und verkörpern, dass dir halt auch keine Ausrutscher passieren, dass du ausrastest, Leute an die Wand stellst, irgendwelche ungerechten Dinge tust im Kontext des Mitunternehmertums. Das sind alles No-Gos, die darfst du nicht tun. Und du musst die Leute wirklich individuell nach ihren Stärken und Schwächen ansteuern und mit ihnen ganz wichtig den Rahmen definieren, in dem sie entscheiden sollen, können, dürfen. Und der Rahmen kann sich auch erweitern oder kann sich auch mal verengen. Habe ich ja jetzt gerade gesagt. Was wir gerade tun, ist, wir verengen den Rahmen. Du musst es aber dann erklären, weil die Leute ja mitdenken und mitdenken sollen und auch zu solchen Individuen erzogen wurden. Kannst du jetzt nicht einfach sagen, ich mache das so, fertig, halt die Schnauze, sondern du musst es erklären. Also sehr viel Input geben. Und da bist du wieder im Zwiespalt, wie viel sage ich, um keine Angst auszulösen. Und ich sage immer, Mitunternehmertum ist ein Prozess. Das ist nichts, wo du sagst, wir sind alle Mitunternehmer ab heute und los geht's. Sondern es ist ein Prozess, der geht Jahr für Jahr für Jahr und hört eigentlich auch nie auf. Weil es kommen neue Leute dazu, die müssen da einsortiert werden, die müssen lernen, Vertrauen aufzubauen. Die Basis für alles, um wieder auf deine Toolbox zurückzukommen, ist Vertrauen. Vertrauen schaffen, vertrauensbildende Maßnahmen. In dich als Person, als Führungskraft, in alles, was du tust, was du verkörperst, aber natürlich auch in deine Mitarbeit nun selber.
Joel Kaczmarek: Und wir können uns ja mal Stück für Stück durchhangeln. zu weiteren Toolbox-Inhalten. Eine Sache, die du gesagt hast, war ja, Menschen sagen immer, ja, ich entscheide total gerne, das kenne ich so und das ist das Environment, aus dem ich komme. Und dann merkst du, bei 80 Prozent ist das gar nicht so. Und dann hast du gesagt, der eine braucht länger, der andere weniger. Wie gehst du denn vor? Was ist denn dein Modell, nachdem du Entscheidungen triffst? Weil darum geht es ja. Verantwortung im Unternehmen heißt ja oft, Entscheidungen treffen.
Jan Bredack: Na gut, wenn wir jetzt im Normalmodus sind, versuche ich eigentlich so gut wie gar keine Entscheidung mehr zu treffen. Also ich in der Instanz, weil alle Verantwortungsbereiche ja verteilt sind, ist das die Sache der oder das, der den Verantwortungsbereich hat. Und wenn jemand zu mir kommt, entscheide du das mal oder unterschreib du das mal, dann weiß jeder, dass er mit mir so nicht weiterkommt. Klar, es gibt bestimmte Dinge, die klammere ich jetzt mal aus, wenn es halt bedingte Unterschriftenregelungen gibt. Aber wenn es jetzt wirklich um eine Entscheidungsfindung geht, dann muss derjenige, der kommt, wirklich sehr gut präpariert sein und Argumente haben, warum ich jetzt die Entscheidung ihm abnehmen soll. Und das ist schwer. Genau an dem Punkt wird es schwer, weil zu sagen, ich mache das gerne, aber dann an den Punkt zu kommen, okay, wenn ich das jetzt mache, es gibt fünf Optionen, ich gehe links rum, rechts rum, geradeaus, zurück und das hat die und die Folgen. Wenn dieser Denkprozess mal einsetzt, dann habe ich genau das erreicht, was man damit will, dass sich jemand selbstkritisch mit allen ihm zur Verfügung stehen und die hat er meistens mehr, als ich ihm das jemals geben könnte. In allen verfügbaren Informationen baut er oder sie die besten Optionen daraus und kommt zu einer Entscheidung, die in der Regel die vernünftigste ist. Was er tun kann, zu mir kommt, das ist der Fall, ich würde das so und so tun. Wie siehst du das denn? Hattest du schon mal einen ähnlichen Fall? Das ist eine ganz andere Diskussion. Also die kann man auch führen und die sollte man auch führen. Da ist man dann als Führungskraft auch der Coach. Aber ansonsten, und du wirst, wenn du heute unsere Leute fragst, Die sagen jetzt nicht, wir sind Mitunternehmer, die sagen, hier ist total geil, ich kann hier selbst meinen Tag gestalten, ich kann alles selber entscheiden, ich bin frei in Gestaltung. Also das ist das, was sie dir wiedergeben, das, was sie spüren. Das sind die, die länger da sind, die das verstanden haben und die auch dafür der Typ sind, so zu agieren. Und natürlich führst du mit solchen Leuten auch viel angestrengtere Diskussionen, weil eben nicht das Chef hat das gesagt, jetzt muss ich so tun, was er gesagt hat, weil der Mut da ist und auch das Vertrauen, dass man den Mund aufmachen soll und kann und dagegen halten kann.
Joel Kaczmarek: Ich habe gerade als Bild im Kopf, bei Ärzten ist es ja glaube ich immer so, du bist so ein Assistenzarzt und der Traum ist, du willst Chirurg werden und es macht aber einen großen Unterschied, ob dir der Chefarzt, der an dem betäubten Körper von jemandem steht, sagt, setzen sie mal den Schnitt so oder ob du selber derjenige bist, der die volle Verantwortung für die OP gerade trägt. Und dann gibt's vielleicht oben, die haben die ja immer, wenn du in so Arztserien siehst, immer haben die ja so eine Art Rondell, wo die durch so eine Scheibe auf die OP runtergucken können, so Zuschauer, und dann kannst du da zwar raufgucken und einen Kommentar geben, aber derjenige, der sagt so, wird der Schlitt jetzt links oder rechts gemacht, ist halt immer noch jemand anders, ne? So, das kommt mir grad so als Bild in den Kopf.
Jan Bredack: Das ist eine ganz zutreffende Metapher, ja. In dem Moment, wo du Skalpell selber in der Hand hast, dann setzt schon mal Schnappatmung ein.
Joel Kaczmarek: Und jetzt die Frage, wenn du sagst, okay, die Leute sollen selber entscheiden, gibst du ihnen trotzdem ein Entscheidungssystem mit auf den Weg oder darf jeder sein eigenes haben?
Jan Bredack: Jeder hat sein eigenes, sonst würdest du das Individuum ja an der Stelle einschränken. Jeder hat sein eigenes, was gegeben ist. Wir schaffen das Environment, wo man sich seine Daten und Informationen holen muss. Und das kann andere Kolleginnen sein, Kollegen sein. der Austausch, das können Stakeholder sein. Das schaffen wir natürlich, logischerweise. Das ist aber auch das Angebot, dass man sich einen Berater mit dazu zieht, von außen. Also es ist nicht selten vorgekommen, dass ich über den Flur laufe und Leute sehe, die ich noch nie gesehen habe. Und dann sind das Berater, die hat sich dann halt eine Mitarbeiterin dazu geholt, um ein Modell zu bauen oder wie auch immer Experten mit dazu gezogen. Und ich finde das gut. Also das soll auch genau die Entscheidung sein, Fähigkeit sein. Man muss natürlich das Budget dafür vorher auch vorgesehen haben. Das gehört dann dazu. Und das lernt man aber, wenn man dann in dem Jahr alles Geld ausgegeben hat in seinem Bereich, dann geht es halt nicht mehr. Aber das ist Unternehmertum. Ich kann halt dann auch nicht sagen, ja Chef, entscheide mal das, was wir jetzt doch machen, sondern das ist dann Gott gegeben, dass man mit dem arbeiten muss, was man hat.
Joel Kaczmarek: Und ein anderes Thema, was ich spannend finde in dem Zusammenhang, ist ja der Faktor Komplexität. Also oft fällt einem ja schwer, Entscheidungen zu treffen wegen Komplexität. Wie gehst du mit Komplexität um bzw. wie vermittelst du deinem Team, Komplexität selbst aufgelöst zu kriegen?
Jan Bredack: Das ist ein Podcast für sich. Also erstmal geht es grundgedacht jetzt mal von top down. Da geht es wirklich darum, Komplexität schon von vornherein auf Schultern zu verteilen, dass man Verantwortungsbereiche in der Komplexität aufteilt. Und du wirst aber immer haben, dass die sich einander bedingen. Du wirst immer Wechselbeziehungen haben zwischen den Bereichen. Und das wiederum ruft ja auch eine Interaktion hervor, die die Komplexität in unserem Fall sogar noch größer macht. Weil du kannst ja Komplexität rausnehmen, indem du alles vorgibst. Dienst nach Vorschrift, so wird jetzt gemacht. Dann hast du keine Komplexität mehr. Dann macht jeder nur noch das, was im Betriebshandbuch steht und arbeitet das ab. In unserem Fall ist es freies Spiel der Kräfte und es führt in der Regel zu, es dauert länger, es ist anstrengender, es kann sehr wild werden und sehr turbulent. Und das muss man aushalten. Und das sage ich, die, die mich näher kennen, wissen, dass ich der ungeduldigste Mensch auf diesem Planeten bin. Und wenn mir etwas zu lange dauert, dann gucke ich von außen drauf und sage, ey, sag mal, was macht ihr denn da? Warum kriegt ihr denn nicht mal den Knopf jetzt dran? Also Komplexität ist tatsächlich, du kannst es ein Stück weit vorgeben, aber bedingt durch dieses System oder die Kultur, die wir etabliert haben, wird es eher größer. Das bedingt sich, das muss größer werden. Aber am Ende, in der Regel, die Trefferquote ist viel, viel höher. Und du hast die Leute mitgenommen. Du musst keinen überzeugen, wir machen das jetzt. Sondern es kommt ja von ihnen. Sie haben es ja selber gebaut. Ich habe ja vorhin diese Metapher, das ist mein Haus, da ist mein Dach drauf. Und jetzt komme ich aber und mache das Haus kaputt. Das ist jetzt der blöde Teil jeder Geschichte. Der gute ist, jeder baut sein Haus bei uns.
Joel Kaczmarek: Der andere K-Buchstabe, der mir neben Komplexität immer dann kommt, ist Konflikte. Weil das ist ja auch was, was du eigentlich gerade angedeutet hast. Wenn ich verschiedene Was ist dein Umgang mit Konflikten? Wie verhältst du dich in solchen Situationen?
Jan Bredack: Ja, du kennst mich jetzt auch schon ein bisschen. Ich bin dann emotional, ja, ich bin authentisch. Jeder weiß immer, woran er bei mir ist. Ich kann dann auch unleidlich werden und ungeduldig, ja. Aber was ich dir vorhin gesagt habe, gilt, es gehört ein gewisses Maß an Selbstbeherrschung und das kommt mit der Reife und auch mit der Erfahrung und mit dem Wissen, dass mir diese Kultur, dieser Wert, dass die Leute eigenständig und selbstbestimmt arbeiten, so wichtig ist, dass ich dem auch meine eigene Persönlichkeit ein Stück weit unterordne, wo ich öfters mal aus der Haut fahren würde, ja. und sagen würde, habt ihr noch alle Latten am Zaun? Tippt ihr noch ganz richtig? Das bleibt dann zu Hause.
Joel Kaczmarek: Aber was ist trotzdem so die gelebte Praxis im Betrieb? Weil ein klassisches Beispiel ist ja, du hast ein Meeting, zwei Leute geraten aneinander und dann gibt es ja verschiedene Vorgehensweisen. Die einen sagen, wir klären das One-on-One hinterher zu zweit, weil damit keiner sich bloßgestellt fühlt. Die anderen sagen, nein, das klären wir genau hier vor allen, damit alle auch die Auflösung mitkriegen und damit wir alle was von lernen. Mal so als ein Beispiel.
Jan Bredack: In der Regel wird das bei uns tatsächlich in der Gruppe geklärt. Das ist so. Im Führungskreis, der ist ja sehr groß. Wir haben einen Vorstand, da haben wir unseren Führungskreis aus Abteilungsleitern und den haben wir extra geschaffen. Einmal die Woche sehen wir uns, wo solche Themen auf den Tisch kommen. Da kommen Konflikte auf den Tisch. Da geht es nicht um, ich habe jetzt gerade mal 10 Tonnen Hafer bestellt, sondern da geht es darum, hey, ich habe hier 10 Tonnen Hafer bestellt und dein scheiß LKW ist nicht angekommen. Und im Übrigen, im Vertrieb habt ihr denn die 10 Tonnen Hafer schon verkauft, sonst haben wir sie ja auf Lager liegen. Solche Diskussionen hast du dann. Da bin ich eher Zaungast und ich kriege bei solchen Momenten überhaupt erstmal mit, was in der Firma los ist, weil ich bin operativ sonst gar nicht mehr so tief drin. Aber die Konflikte werden tatsächlich offen ausgetragen. Und das ist gut so. Und dazu gehört auch Mut. Dazu gehört auch eine Kultur. Und du merkst, wenn neue Leute dazukommen, die sind immer ruhig. Die sagen erstmal nichts. Die hören das mal zu und haben so eine Augen und so eine Ohren und denken, was ist denn hier los? Was geht denn hier ab? Die hauen sich ja mal richtig auf die Glocke hier. Aber nicht ich. Also ich haue da keinem auf die Glocke. Es sei denn, ich bin involviert in irgendein Thema. Dann kann ich natürlich argumentativ auch dagegenhalten. Bin aber auch, lass mich auch überzeugen, wenn Dinge Dann bin ich nicht Chef. Dann muss man halt aufpassen, dass man nicht diese Chefrolle raushängen lässt, wo ich entscheide und du machst, was ich sage. Und wenn ich rede, haltst du die Schnauze her. Aber das ist bei uns mittlerweile so etabliert und gewachsen, dass wir da sehr mutige mutig in Anführungsstrichen, sehr selbstbestimmte Menschen an Bord haben.
Joel Kaczmarek: Ich denke noch über die Friktion nach, von der du die ganze Zeit redest. Also diese Reibung, dieser Schmerz, wenn man irgendwie diese Debatten so intensiv führt. Ich erinnere mich, bei einer meiner früheren Firmen war es immer so, wir waren irgendwie zu zweit, hatten einen Investor und dann kam der Investor mit Vorschlägen. Mein Kompagnon hat das immer so nach dem Judo-Prinzip gemacht. Der hat gesagt, ja, gucke ich mir an. Hat dir sozusagen so die Kraft sich vorbeiziehen lassen und gesagt, sage ich dir beim nächsten Mal. In 80 Prozent der Fälle hat er beim nächsten Mal nicht mal daran gedacht. Und wenn das doch war, hat er gesagt, habe ich noch nicht geschafft, gucke ich zum übernächsten Mal. Dann hast du es und dann war es weg. So. Und ich war immer derjenige, ich dachte, naja, finde ich blöd, macht keinen Sinn, nee, machen wir nicht, nee, ist scheiße. und dann ging es halt los. Warum, wieso, aber dies, aber das. Dann hast du dir eine halbe Stunde die Köpfe eingeschlagen, aber hinterher waren alle immer schlauer. Es hat dich tierisch Energie gekostet, aber ich fand, hinterher waren alle Seiten schlauer und man hatte sich irgendwie abgeholt.
Jan Bredack: Das ist eher das Prinzip, was du verfolgst, das ist eher bei uns in der Tagesordnung. Das kostet, habe ich ja vorhin gesagt, es kostet mehr Kraft, die Komplexität wird dadurch viel höher, weil, ist doch logisch, ein Individuum denkt dann in seiner Sphäre in 10.000 Argumenten, die dir vorher gar nicht bekannt waren. Aber genau die Argumente sind es doch, die am Ende eine Entscheidung ausmachen. Und der andere, aus der anderen Bereich, hat halt andere Argumente und dann werden die auf den Tisch gelegt. Dann wird argumentiert und dann wird versucht, das Beste daraus zu machen. Und alle haben natürlich im Sinn, das beste Ergebnis herauszubekommen. Ja, weil das ist das Wichtige, dass alle an einen Strang ziehen und auch das ist nicht immer einfach zu synchronisieren.
Joel Kaczmarek: Ich würde gerade sagen, fällt es dir denn manchmal leichter, eine Entscheidung oder fällt deinem Team es leichter, eine Entscheidung zu fällen, wenn es viele Informationen hat versus wenn es wenige hat? Also manchmal ist ja dieses, wenn du zehn Sachen auf einmal auf dem Tisch hast, die einen Effekt haben, ist ja viel nerviger, als wenn es nur zwei sind. Da kannst du ja manchmal viel einfacher eine Entscheidung treffen.
Jan Bredack: Ja, bei uns sind es eher mehr, immer. Und um nochmal darauf zurückzukommen, damit erklärt sich vielleicht vieles. Mal abgesehen von der Sondersituation jetzt, wirst du mich selten erleben, dass ich Entscheidungen treffe, so für operativ in der Firma, mache ich gar nicht. Und ich bin da total froh drum, dass ich das nicht machen muss, weil ich könnte es gar nicht.
Joel Kaczmarek: Was sind denn aber eigentlich, wenn du sagst, also die Spaziergänge bleiben jetzt noch im Kopf, was sind denn eigentlich so die Railer für dich in deinem Betrieb, die dich so richtig kirre machen, wo du irgendwie aus Führungssicht Wut entwickelst oder wo du merkst, das triggert dich, das ärgert dich, wenn da was schief geht?
Jan Bredack: Ja, eben wenn Leute, also gerade Führungskräfte, die sehr wichtige Multiplikatoren für diese Kultur, Wertesystem sind, wenn die nach einem anderen System arbeiten und ich habe das auch schon mal im anderen Kontext gesagt, an so Stellen werde ich dann tatsächlich sehr rabiat. und auch wenn jemand dann wilde Sau spielt und das Vertrauen missbraucht, mit seinen Leuten Hei an Feier macht. Weil wenn du so einen Schimmelpilz drin hast, der breitet sich so schnell aus und schürt Angst dann auch bei den anderen, gerade wenn Führungskräfte so agieren. Ich musste leider schon in unserer Historie einige sehr gute Fachleute vor die Tür setzen, weil wir einfach führungsmäßig totale Honks waren, die das nicht geschafft haben zu antizipieren, was die Kultur, dieser Wert dieser Unternehmung sein soll. Es gibt noch ein Thema und das passt auch zu dem Führungsstil, das ist Loyalität. Hier geht es um Vertrauen und die geht in beide Richtungen. Das heißt, wenn ich angelogen werde, wenn bestimmte Dinge vertuscht werden, dann werde ich sehr, sehr böse, weil das zerstört die Basis einer Zusammenarbeit in meinem Kontext, so wie ich Zusammenarbeit lebe und auch haben möchte. Das mache ich aber sehr transparent und wie gesagt, jeder, der mit mir arbeitet, weiß immer, woran er ist und weiß auch, was er oder was sie tun können und was nicht.
Joel Kaczmarek: Und was ist der Weg, dich wieder in Balance, in Fassung zu bringen? Also ist es wirklich eher so das Sportive, sich bewegen, mal eine Minute allein sein oder was ist das?
Jan Bredack: Es ist mir froh, wenn ich mal wieder ein bisschen Sport machen könnte, würde, sollte, müsste. Ich habe mich heute übrigens angemeldet im Fitnesscenter. Ich muss wieder was tun. Also dieses Thema Bewegung fehlt mir. Aber ich habe mal Triathlon gemacht. Das darf ich gar keinem mehr erzählen. Das ist zwar jetzt schon 14 Jahre her, aber ich war also wirklich bewegungsmäßig zehn Tage die Woche unterwegs. 24 Stunden. Und das ist mir so abgegangen. Aber ich brauche das. Ich brauche wieder so einen gewissen Ausgleich. Den habe ich mir heute manifestiert. Zumindest habe ich meinen Vertrag unterschrieben.
Joel Kaczmarek: Ja, sich selber Druck aufbauen, dann steckt er wahrscheinlich hinter, ne? Ja. Okay, aber Stichwort Balance oder das, was du auch gerade beschreibst, ist ja ein schöner Übergang, um mal so über dieses Thema Work-Life-Balance zu reden. Also bei allem, was ich jetzt mit dir besprochen habe, klingt ja raus, also wahrscheinlich gibt es diesen Begriff bei dir gar nicht. Wahrscheinlich ist dein Life und dein Work so ein Stück weit verwoben, oder?
Jan Bredack: Ja, das ist doch bei vielen Gründern ein Leben. Also ich kenne im Gründertum wenige, die da anders unterwegs sind. Weil, und das ist auch eine einfache Erklärung, das sind ja unsere Babys. Das sind wir ja. Da stecken wir ja drin. Da steckt alles von uns drin. Existenz, Visionen, Liebe, Herzblut. Und wenn das nicht so ist, dann sind das keine erfolgreichen Unternehmer. Also wenn jemand nicht so drauf ist, dann wird der niemals erfolgreicher Unternehmer sein. Der kann, wenn er anders drauf ist, erfolgreich irgendwo in einem Corporate, in einem Konzern sein. Das kann er werden. Das geht mit Glück und Fleiß und Seilschaften. Aber als Unternehmer brauchst du halt dieses Extra an Identifikation mit deinem Baby. Und deshalb ist es tatsächlich so verwoben, dass du mich nicht fragen kannst, Trennung, Arbeit, Privat, das gibt es ja gar nicht. Das ist mein Leben. Hat aber auch eine Gefahr, weil du weißt ja, viele Gründer kommen ja auch mal in Verlegenheit. Der schlimmste Fall wäre, dass sie an die Wand fahren, was auch passiert. Aber ein anderer Fall ist, dass sie rausgehen, verkaufen, wie auch immer. Und dann fällst du in ein Loch. Wenn du dann nichts hast, was dich auffängt, was dir den gleichen Halt im Leben gibt, dann kriegst du echte Probleme. Also das kann dir richtig übel mitspüren.
Joel Kaczmarek: Ich finde, es hat einige Fallstricke. Also im Silicon Valley gibt es ja immer so diesen schönen Begriff auch, from mercenary to missionary, also statt dem Söldner den Missionar, also jemand, der Leute wirklich überzeugen will von dem, was er da tut. Und ich finde, es sind einige Sachen dabei. Also man hat sein wirtschaftliches Geschick ist dran, wahrscheinlich von der ganzen Familie geknüpft. Man hat so ein bisschen dieses Mentale, man kann ja selten gut abschalten, wenn man immer eigentlich nonstop die Arbeit ist. Es gibt dann gar nicht diese Trennung, da wird Sonntag noch die E-Mail gemacht, dafür Montag sitzt man beim Friseur oder beim Kinderarzt und so weiter. Und dann der Case, den du gesagt hast, wenn die Halbwertszeit von so einem Thema mal durch ist, was wird es dann, dein Lebensmittelpunkt?
Jan Bredack: Ja, gar nicht so sehr die E-Mail schreiben. Darum geht es nicht. Das ist nur ein Indiz dafür. Bei Daimler werden die E-Mails im Urlaub abgeschaltet mittlerweile. Gab es zu meiner Zeit noch nicht, aber es ist so. Auch übrigens für das Top-Management. Eine E-Mail zu schreiben nachts, das ist nicht das Indiz. Das Indiz ist, dass du 24 Stunden am Tag in deinem Kopf ständig Tagträume hast. Visionen, so habe ich das. Wenn ich Auto fahre, wenn ich laufe, bin ich ständig im Kopf am Optimieren, am Ideengenerieren. Und das ist ja auch das Kernstück eines Unternehmers, ist ja der Vordenker zu sein, der Visionär zu sein. Man muss nur aufpassen, dass man nicht nur noch Vordenker ist, dann wird man nämlich Tagträumer und man braucht einen gewissen Bezug zur Realität. Und diesen Balanceakt jeden Tag hinzubekommen, dafür ist eine Familie, eine Frau, Kollegen, die sind da ganz hilfreich, jemanden da immer wieder zu erden und zu synchronisieren. Wenn ich ganz alleine wäre, mich würde man als Vollspinner irgendwo abstempeln, der nur mit wilden, kruden Ideen draußen rumläuft.
Joel Kaczmarek: Aber wie führst du denn Familienleben eigentlich? Also ich meine, du bist ja sowieso in einer Sondersituation, also du bist ja so ein bisschen patchworkig auch unterwegs, da wird es ja nochmal doppelt komplex, aber wie machst du denn das? Wann hatte ich denn eine Familie? mal als Jan den Privatmenschen?
Jan Bredack: Die kennen mich nicht so. Die wollen mich, glaube ich, auch so nicht kennen. Ich weiß nicht, ob ich dir das erzähle. Wir waren ja dieses Jahr zu meinem 50. das erste Mal überhaupt im Urlaub zusammen. Wir waren sonst noch nie im Urlaub. Das muss man auch erst mal lernen. Also es waren zehn Tage. Waren es überhaupt zehn Tage? Ich weiß es gar nicht. Sieben Tage. Das muss man erst mal lernen. Da muss man sich erst mal rantasten an dieses Gemeinschaftsgefühl, jetzt mit allen mal über vier Stunden hinweg, Tage hinweg zusammen zu sein.
Joel Kaczmarek: Wie war das?
Jan Bredack: Es hatte gute und schlechte Seiten. Klar, es offenbaren sich dann natürlich die Konflikte innerhalb eines Familienverbundes. Plötzlich bist du konfrontiert mit den Problemen deiner Kinder, die dir sonst gar nicht so geläufig sind, weil du sie gar nicht oder nur oberflächlich um dich hast. Und das birgt dann wieder ganz neue Themen, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Und dann ist man plötzlich wieder der Unternehmer, der anfängt, eine Lösung zu denken. Dann weiß man aber nicht, ob der oder diejenige das überhaupt will in dem Moment. Vielleicht wollte er sich einfach nur anvertrauen und wollte keinen haben, der gleich jemanden einen Businessplan schreibt. So nach dem Motto, dann machen wir jetzt zack, zack, zack, zack und dann ist das Problem gelöst.
Joel Kaczmarek: Aber ich glaube, viele Menschen, die jetzt zuhören, die jetzt nicht so verrückt sind wie du und ich, würden jetzt sagen, ja, dann läuft bei dir nicht was falsch, wenn du irgendwie zum ersten Mal nach Jahrzehnten Urlaub machst und erst dann mitkriegst, was in deinem Leben deiner Kinder so passiert. Also fehlt es dir da nicht so ein bisschen an Präsenz?
Jan Bredack: Ja, ist so. Es ist besser geworden, aber es ist definitiv so. Das ist auch ein großes Manko, was ich so als Würde mit mir rumschleppe. Meine ältesten Kinder sind ja jetzt knapp 30. Und das Schlimme ist, selbst wenn du jetzt die Erkenntnis hast, du kannst es nicht mehr gut machen. Auch wenn du jetzt sagst, komm, ich kaufe dir ein Auto oder so. Das hat nichts damit zu tun. Damit heilst du nicht das, was du eigentlich versäumt hast.
Joel Kaczmarek: Mit Monetär kann man sowieso nicht heilen, glaube ich, aber ich würde manchmal vielleicht nicht unterschätzen, was es Menschen bedeuten würde, wenn man ihnen das signalisiert.
Jan Bredack: Absolut, das ist so, aber da sind ja auch Verletzungen da, die sich über Jahrzehnte sogar noch verschärft haben. Da sind Eindrücke da, Sichtweisen da, die kriegst du auch nicht mit einem Gespräch aufgelöst.
Joel Kaczmarek: Die Frage, die mich bei dir beim letzten Mal sogar schon beschäftigt hat, ich habe danach, glaube ich, einfach noch geträumt, ich bin nachts wach geworden, habe über unser Gespräch nachgedacht, ob dich das eigentlich beschäftigt? Ob du das auch irgendwie ändern willst oder ob du das eher versuchst auszublenden und zu verdrängen? Ja.
Jan Bredack: Meine ehrliche Antwort ist, Prio 1 ist halt immer mein Baby und das ist nicht menschlich.
Joel Kaczmarek: Ich wollte gerade sagen, es ist aber kein Baby aus Fleisch und Blut, oder?
Jan Bredack: Das gehört zur Wahrheit dazu, das ist einfach so. Früher war es mein Job und die Karriere und heute ist es halt die Firma und alles, was damit zusammenhängt. Natürlich hängen da auch Menschen dran, aber dem habe ich mich voll verschrieben und auf der anderen Seite bin ich halt ein bisschen behindert. Gehe ich auch offen mit um. Wenn ich so Väter sehe, die sich so rühren, die sich frei nehmen, monatelang, dann habe ich riesen Respekt davor. Ich könnte es aber nicht. Also ich weiß, dass das nicht meins wäre. Es werden vielleicht einige sagen, was ist das für ein Idiot? Ja, total verkrüppelt. Ja, bin ich auch an der Stelle.
Joel Kaczmarek: Ich weiß aber manchmal, was du meinst. Ich glaube, ich bin nicht in deinem Extrem, aber ich bin auch nicht in dem, ich mache drei Monate Sabbatical oder Elternzeit als Fatih-Ex, sondern ich bin so irgendwo so dazwischen. Und ich weiß auch, was du meinst, wenn man so einen inneren Drive hat, der einen in diese Firma zieht, in dieses, Firma ist vielleicht auch gar nicht so richtig das Wort, sondern so in diese Umgebung, in diese Welt. Und dass man sich dann manchmal so schlecht fühlt, wenn man dann sagt so, eigentlich müsste ich jetzt noch eine dritte Geschichte vorlesen und nicht nur eine zweite, aber ich habe irgendwie gerade Bock, noch schnell dieses eine Konzept runterzuschreiben.
Jan Bredack: Das Schlechtfühlen habe ich abgelegt, ja. Also im Rückblick, ja, das stimmt. Und nochmal, ich habe ja schon einiges geändert, aber es ist immer die Frage, wie fühle ich mich damit, was macht das mit mir? Und wenn ich mich dann zwingen muss, dann ist es gekünstelt, dann ist es nicht authentisch, das merken die Kinder ja auch. Oder der Partner, das ist ja dann auch, weiß ich nicht, ob das der wahre Jakob ist.
Joel Kaczmarek: Aber auf welche Werte legst du dann Wert, wenn du deine Kinder erziehst? Also wie vermittelst du ihnen zum Beispiel auch Wissen oder was ist dir wichtig, dass denen mitgegeben wird auf den Lebensweg?
Jan Bredack: Naja, ich mache das im Prinzip genauso wie in der Firma. Es gibt Selbstständigkeit, Eigenverantwortlichkeit. Das gebe ich denen genauso mit auf den Weg. Vertrauen und das auch in beide Richtungen. Loyalität ist bei uns ein ganz großes, hohes Gut. Kein Misstrauen oder so. Damit könnte ich gar nicht leben, wenn Misstrauen da wäre in allen Richtungen. Und das lebe ich vor. Aber auch diese Art der Unabhängigkeit als Individuum, sich unabhängig zu machen. Das war immer mein größtes Ziel im Leben, eine gewisse Unabhängigkeit zu erreichen und Selbstbestimmtheit zu leben. Und das vermittle ich meinen Kindern. Und auch, weißt du, früher war es ja immer so, du musst das machen, dann kannst du im Leben das und das erreichen. Dann wirst du gut bezahlt, dann machst du eine gute Karriere. Wir geben den Kindern hiermit Du. Und da müssen wir ehrlich sagen, sind wir auch in der Lage, es zu tun, wirtschaftlich. Wir können sagen, hey, probier dich aus, geh mal ins Ausland, guck dir das mal an, guck dir das mal an und dann mach bitte, was du willst und wir unterstützen dich da drin. Also, was dir Spaß macht. Unsere eine Tochter ist Streamerin, die hat studiert, drei Studien abgebrochen, war total unglücklich und hat gesagt, ja, dann mach doch Streaming. Man macht doch Streaming und jetzt macht es bei uns natürlich in der Firma, aber sie macht.
Joel Kaczmarek: Was ist denn eigentlich das Rollenbild von deiner Frau? Ist die dann diejenige, die dann die Familienarbeit machen muss oder ist die auch so eine Arbeitsverrückte wie du?
Jan Bredack: Nee, das ist genau konträr zu mir.
Joel Kaczmarek: Braucht es wahrscheinlich auch?
Jan Bredack: Ja, es würde anders nicht funktionieren. Wenn dann an der Stelle Begehrlichkeiten wären, nee, das funktioniert nicht.
Joel Kaczmarek: Und jetzt mal relativ platt, wenn wir mal so deinen Tag versuchen nachzuzeichnen, auf das man mal versteht, wie du effizient und produktiv bist. Also wie viele Stunden in der Woche würdest du sagen, verbringst du mit dem, was Menschen als Arbeit verstehen?
Jan Bredack: Ich klammer mal die sechs Stunden Schlaf aus und selbst da würde ich noch unterstellen, dass da viel im Kopf über die Bettdecke krabbelt, was mit Arbeit zu tun hat. Der Rest ist immer irgendwie, hat eine Verbindung zur Arbeit.
Joel Kaczmarek: Also du hast gar keine private Zeit, keine Entspannungszeit?
Jan Bredack: Nee. Und ich brauche die auch nicht. Also im Gegenteil. Also ich kriege dann schnell Probleme, wenn ich irgendwie so Leerlauf habe.
Joel Kaczmarek: Wie sieht denn so ein typischer Tag bei dir aus? Also jetzt nehmen wir mal Krise kurz beiseite wieder. Aber so ein typischer Arbeitstag, wann stehst du auf? Wann frühstückst du? Wie geht es dir los? Was ist so, wenn wir mal dadurch takten?
Jan Bredack: Frühstücken tue ich gar nicht. Und aufstehen, ich bin sehr früh aufsteher. Also wach bin ich so zwischen 6 und 7, 7.30 Uhr spätestens. Und spätestens um 8.15 Uhr sitze ich im Auto auf dem Weg ins Büro. Oder wenn ich Außetermine habe, fahre ich auch schon mal um 4 oder um 5 los. Ich fahre fast alles mit dem Auto. Elektroauto natürlich, um gleich gewisse Kommentare vorzubeugen. Und dann zurückkommen. In der Regel hat sich das so eingegroovt. Zwischen 19 und 20 Uhr bin ich meistens wieder hier.
Joel Kaczmarek: Also zwischen sechs und acht, bevor du sozusagen aus dem Hause gehst, tippe ich mal ein bisschen Family Life, sich frisch machen, mal einen Waschlappen nutzen und dann sozusagen ins Auto gehüpft? Genau. Und was ist dann so ein typischer Ablauf bei dir? Also bist du jemand, der irgendwie viel durch die Produktion fährt und vor Ort ist oder in Märkte? Hast du viel Verhandlungen? Bist du bei deinem Team? Machst du Meetings? Was ist es?
Jan Bredack: Nee, gar nicht. Will ich auch nicht. Also was ich im Moment natürlich für tue oder getan habe außerhalb der Krise ist, visionäre Dinge zu ebnen, das heißt Firmen zu gründen, Kooperationen einzugehen, anzubahnen, Produktionsstandorte zu enablen, die Verhandlungen dort natürlich führen. Das mache ich schon. Ich bin eher so der Überflieger. Also ich bin der Vordenker, habe die Vision und wir gießen das dann in eine Strategie und fahren dann so einen Fahrplan ab. Das ist mein Job. Wenn es dann ins Klein-Klein geht, bin ich raus. Da bin ich auch nicht der Richtige für. Also ich bin jetzt nicht der Typ, der Prozesse nachkontrolliert, ob das jetzt alles wirklich so ist. Das bin ich nicht.
Joel Kaczmarek: Was machst du dann? aber zwischen acht und sieben quasi? Also wenn du aus dem Haus bist, bist du wieder da. Was ist so ein typischer Tag bei dir? Was passiert da?
Jan Bredack: Podcasts.
Joel Kaczmarek: Nein.
Jan Bredack: Tatsächlich ist es so, dass ich sehr viele repräsentative Sachen habe. Also das geht in Richtung Kunden, das geht in Richtung Kooperationspartner, sehr viele Vorträge. Das war jetzt über Corona natürlich eingeschlafen, aber das kommt jetzt wieder. Früher habe ich das am laufenden Band gemacht. Also Keynotes, Panel-Teilnehmer und so, das mache ich sehr, sehr viel. Neue Deals aushacken, neue Deals besprechen. Also ich habe die guten Ideen, hoffentlich sind sie dann auch gut und bringen die richtigen Leute zusammen. Ich habe ein wahnsinnig großes Netzwerk. Das ist, glaube ich, so das, was man über die Jahre als die Wertschöpfung von meiner Person aussehen kann, dass ich mir ein Netzwerk aufgebaut habe, was so riesig ist, dass man für jedes Thema irgendwie immer jemanden kennt, der jemanden kennt, der jemanden kennt, wo man etwas auf die Beine stellen kann. Und so weißt du selber, so ein Netzwerk zu pflegen, ist extrem schwierig. Ich bin nämlich überhaupt kein Party-People. Das heißt, wenn ich irgendwo eingeladen bin, Party machen, dann bin ich der Falsche. Einfach nur so rumalbern und trinken, Alkohol trinken, tue ich ja sowieso nicht. Das ist nicht meins. Das ist eine Zeitverschwendung. Deshalb, wenn es dann was Fruchtbares ist, wo man vielleicht neue Leute kennenlernen kann, das mache ich dann gerne. Aber wenn es nur Smarttalk ist, ist es für mich nichts.
Joel Kaczmarek: Seitdem ich Familie habe, habe ich dasselbe Problem. Ich gehe abends nicht mehr gerne weg. Ich habe Wochenende keinen Bock, mich vor die Tür zu bewegen. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Ich bin dann so ein Mensch, bei mir ist es das Telefon, dass ich oft als Leute anrufe, nach ihrer Meinung frage, frage, was sie so brauchen. Wie ist es denn bei dir sonst, vielleicht so als abschließende Frage, so in Richtung Lebensführung normal? Ernährung zum Beispiel, Sport, das ist ja wie sowas, was man auch eigentlich als Ausgleich braucht. Du wirkst so ein bisschen so, als wenn man dir einfach alles abperlt.
Jan Bredack: Wie gesagt, Sport habe ich jetzt viele Jahre gar nichts mehr gemacht. Ich muss halt immer aufpassen. Wenn ich was mache, mache ich es extrem. Deshalb habe ich früher Triathlon gemacht. Wenn ich jetzt wieder mit Sport anfange, muss ich aufpassen, dass ich nicht gleich alle wieder Messgeräte habe, die messen, wie viel Training habe ich jetzt gemacht. Und da muss doch die Woche noch drei, vier Stunden draufgepackt werden. Sondern es soll halt wirklich ein Ausgleich sein. Und das war damals bei mir eine totale Anstellung. Ich war richtig im Hamsterrad drin. Und wenn mir mein Körper nicht signalisiert hätte, es reicht jetzt, dann weiß ich nicht, wo ich heute wäre.
Joel Kaczmarek: Ernährung, bist du sonst von Ernährung speziell ausgerichtet? Machst du was, dass du auf dich achtest?
Jan Bredack: Klar, ich bin vegan, das weißt du ja, seit vielen Jahren und da habe ich auch mir ein Wissen angeeignet und da gucke ich auch, was auf der Welt los ist. Das kann auch mal sein, dass ich mal schnell, letzte Woche war ich mit meiner Frau oder vor zwei Wochen sind wir auf eine Messe nach Dortmund gefahren. So was machen wir dann halt mal und schauen uns Dinge an, Zukunftsdinge, Indoor-Farming, sind wir gerade sehr interessiert, was da so passiert. Das kann auch mal sein, dass man nach Dubai fliegt oder so, schnell mal zu einem Kongress. Solche Sachen mache ich dann schon. Die kosten auch Zeit. Aber da geht es eher um meinen visionären Hunger, den ich habe. Und das reine Essen. Ganz ehrlich, ich weiß, was ich esse. Ich kenne mich, was Nahrungsmittel angeht, glaube ich, ganz gut aus. Trotzdem bin ich nicht das Paradebeispiel für gesundes Essen. Das würde ich für mich in Anspruch nehmen. Da bin ich schon sehr lässig, fair und nachlässig teilweise. Obwohl ich es weiß. Trotzdem haut man sich die Kohlenhydrate rein, wie es nur geht.
Joel Kaczmarek: Aber du scheinst ja mit einer gesunden Resilienz gesegnet worden zu sein vom lieben Gott.
Jan Bredack: Weiß ich nicht. Also die Waage sagt was anderes.
Joel Kaczmarek: Okay, aber du brichst ja zumindest nicht zusammen oder hast ein Herzkasper oder ein Burnout oder was man sonst so an körperlichen Querelen haben kann.
Jan Bredack: Nee, ich bin jetzt mal wieder mit meiner Frau Fahrrad gefahren. Das war ein guter Auftakt. Ich bin vor Corona mit dem Fahrrad auch ins Büro gefahren, was von hier eine ganz schöne Strecke ist. Allerdings Elektrofahrrad sagt gleich dazu. Also ich bin jetzt hier nicht die Überflieger, aber es sind 60 Kilometer immerhin eine Strecke und das bin ich gefahren. Mal schauen, vielleicht geht wieder was.
Joel Kaczmarek: Letzte Frage, vielleicht noch aus persönlicher Neugierde auch, weil du gerade gesagt hast, Netzwerk ist so ein wichtiger Faktor für dich. Wie pflegst du denn eigentlich Freundschaften und Kontakte? Also bist du jemand, der dann öfters mal anruft, schreibst du SMS oder ist es eher so, du meldest dich, wenn was ansteht und ansonsten sieht man den Jan lange nicht? Was ist das bei dir?
Jan Bredack: Eine Mischung daraus. Es muss immer einen Grund haben. Also einfach so mache ich nicht. Also ich rufe jetzt mal den Joel an, das mache ich nicht. Wie geht es dir denn? Was hast du denn heute gefrühstückt? Das wirst du von mir nicht erleben. Aber oft rufen ja die Leute auch mich an. Also ich bin ja Teil des Netzwerks und so entsteht da schon eine lustige Konversation über den ganzen Tag verteilt. Leute, die Probleme haben, kommen gerade viele, berate ja auch einige Startups, da hast du viel zu tun, was die engsten Nöte der Gründer sind, der Gründerin. Dann hilfst du bei Finanzierung, dann machst du da, dann holst du da beim Netzwerk, dann redest du mit dem. Also es entspinnt sich über den Tag und ruckzuck ist der Tag weg, ja?
Joel Kaczmarek: Ich kann es mir lieber vorstellen. Ich glaube, da bin ich ähnlich unterwegs. Man staunt an, wie viel man damit allokiert. Aber Jan, hey, hat doch viel Spaß gemacht, auch wenn der Einstieg heute natürlich deutlich ernster war, als man es sich vielleicht wünschen würde. Dafür aber dann doppelten Dank, weil ich glaube, viele andere Menschen fängt das auch auf, was du heute erzählt hast, auch wenn es gerade vielleicht nicht geil ist und man keinen Plan hat, glaube ich, anderen Menschen allein das Gefühl zu geben, dass sie nicht alleine sind, war heute schon viel wert. Von daher vielen, vielen herzlichen Dank und ich drücke euch die Daumen. Danke dir.
Outro: Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. Und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.