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Andere Länder, andere Sitten: Wie Du als Frau im Business Gesicht zeigen kannst
16. Juli 2020, mit Marina Löwe, Miriam Wohlfarth
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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Female Leadership, der Podcast zu Geschlechterfragen in Führung mit Miriam Wohlfahrt und mir Marina Löwe.
Ja, wir sitzen heute in Berlin zusammen mit Anna-Sophie Herken und Anna-Sophie Herken ist Business Division Lead seit 2018 bei der Allianz Asset Management GmbH, ist zusätzlich auch noch Aufsichtsrätin bei Allianz Live und war CFO bei Hasso Plattner. Das sind nur Ein ganz kleiner Bruchteil der Station, die du hinter dir hast, Anna. Und Miriam und ich sind super happy, dass das geklappt hat heute so spontan, dass du da bist. Und freuen uns natürlich. neben dem, was hat dich eigentlich dahin gebracht, wo du heute bist? Was ist dir auf dem Weg dahin begegnet? Was hat dir geholfen? Was war vielleicht auch mal schwierig? Einfach uns mit dir auszutauschen, relativ breit über das Thema. Was gibt es eigentlich an Geschlechterfragen in Führung, die dich bewegen. Und wie du wahrscheinlich schon weißt von Miriam und mir, ist uns das auch wichtig, auch auf die Perspektive der Männer zu gucken. Aber jetzt geht es erst mal um dich, damit die Hörer wissen, wer sitzt jetzt eigentlich mit uns hier vorm Mikrofon? Also was sind die Dinge, die dich vom Mikrofon? Ja, danke euch beiden erstmal.
Anna-Sophie Herken : Also ich freue mich auf den Austausch mit euch und ja, es ist ja auch etwas, wo ich immer wieder froh bin, wenn ich eine andere Perspektive reinkriege, weil ich habe ja in meiner Laufbahn relativ viel im Ausland gearbeitet und bin jetzt noch gar nicht so lange wieder in Deutschland und muss dann manchmal selber nochmal einordnen, was ist jetzt so eigentlich wichtig. Vielleicht Deutsch an Perspektive, was sind einfach so Erfahrungen, die macht man und insofern hoffe ich, dass wir da alle drei ganz viel teilen.
Miriam Wohlfahrt: Freue ich mich sehr drauf. Du bist ja auch halb Schwedin, oder?
Anna-Sophie Herken : Ja, genau.
Miriam Wohlfahrt: Halb Schwedin und du warst auch bei der Weltbank, also gerade aus meiner Fintech-Perspektive finde ich das super interessant. Ich finde es ganz toll, dass du da bist. Wir kennen uns noch gar nicht so lange. Wir haben uns vor kurzem auf einer Party kennengelernt und haben uns irgendwie gleich mal verabredet auf einen Kaffee und hatten so ein nettes Frühstück, was wir ganz überzogen haben. Und dann habe ich dich ja spontan gefragt, ob du nicht zu uns kommen magst, weil ich dachte, das ist ein toller Auftakt jetzt heute. Freue ich mich sehr, dass du da bist. Dankeschön.
Joel Kaczmarek: Und du hast gesagt Ausland. Wo warst du, außer dass du halb schwedische Wurzeln schon in dir trägst? Also was war auch beruflich dein Kontext? In welcher Kultur warst du unterwegs?
Anna-Sophie Herken : Also ich bin in Deutschland aufgewachsen, war in der Schule zwar im Ausland, aber schon so Deutsch, Berlin, Göttingen assimiliert. Und meine Mutter ist Schwedin und ich bin in Birkenberg auch schwedisch so aufgewachsen. Und meine Mutter hat immer gearbeitet und insofern durch meine schwedische Familie bin ich da sicherlich sehr stark geprägt. Und war dann nach dem Abitur in Frankreich, habe in der Schweiz gearbeitet, in München. Ja, in den USA relativ lange da auch studiert, in Großbritannien, war dann bei der Weltbank, aber auch viel unterwegs in Indien, in Afrika. Und insofern, glaube ich, auch relativ viel so Working Environment in anderen Kontexten erlebt.
Joel Kaczmarek: Ja, cool. Das heißt, du kannst auch definitiv die Kulturen ein Stück weit miteinander vergleichen, weil das sind ja auch die Länder, gerade Schweden, nehmen doppelt so viele Frauen in Führungspositionen wie wir. Und das ist ja auch das, wo wir gesagt haben, da lass uns doch mal kritisch drauf gucken, was sind denn die Faktoren, die das möglich machen, dass Frauen leichter in Führung kommen? Und was sind vielleicht auch Faktoren, die hinderlich sind? Also wenn du so zurückguckst auf die Länder, wie hast du da das Thema, ich als Frau auf dem Weg in Richtung Führung für dich erlebt in den unterschiedlichen Kulturen?
Anna-Sophie Herken : Das Interessante ist, dass ich glaube ich so für mich selbst auch überlegen muss, wann habe ich welchen Blick bekommen ohne Kinder und mit Kindern. Das ist auch immer noch so ein bisschen schwierig, weil ich erst als ich in Großbritannien gearbeitet habe, habe ich meine Kinder bekommen und bin dann nach Deutschland später gegangen. Also das ist dann manchmal auch, wenn ich so nostalgisch zurückgucke, also auf die USA-Zeit, wo ich dann auch nicht weiß, naja, da hatte ich natürlich eine ganz andere Lebenssituation. Bin aber nebenbei auch noch bei der Allbright-Stiftung im Stiftungsrat. Das ist eigentlich eine schwedische Foundation, die jetzt auch in Deutschland seit drei Jahren aktiv ist und die setzt sich viel mehr Und Diversität in Führungsgremien ein. Und dadurch sehe ich natürlich auch immer so diesen schwedischen Kontext, den ich ja selber über die Arbeit nie erlebt habe und denke schon, dass wir in Deutschland eine Sondersituation haben. Ob jetzt als Mutter oder als Frau, aber das ist auf jeden Fall, ist da was anders als woanders.
Miriam Wohlfahrt: Mhm, das sehe ich auch so. Also wenn du das einfach mal vergleichst, ich glaube, dass in Schweden ist es auch die Rolle der Paare, die ist irgendwie, es ist viel demokratischer aufgeteilt, oder? Der Mann hat eine andere Rolle als Vater, finde ich manchmal. Das ändert sich jetzt in Deutschland ein bisschen, aber es ist immer so. meine Erfahrung gewesen, wenn ich mir so die Skandinavier so ein bisschen angeguckt habe, früher vor allem, ja. Wie alt sind deine Kinder nochmal?
Anna-Sophie Herken : Die sind zehn und zwölf.
Miriam Wohlfahrt: Meine Tochter ist 15. Ja, und also ich glaube, es entsteht Gott sei Dank gerade ein neues Männerbild, was da ein bisschen offener dem gegenüber ist, weil ich sehe also auch bei Raidpay immer mehr Männer in Elternzeit gehen, auch mal länger in Elternzeit gehen als vielleicht nur vier Wochen. Das finde ich eine gute Entwicklung, aber das fängt jetzt erst so langsam an.
Joel Kaczmarek: Und was du gerade gesagt hast, wann habe ich eigentlich welchen Blick bekommen, das finde ich auch so spannend, weil das geht mir genauso, dass man auch merkt mit der Zeit, mein Sohn ist 16, also wir sind ja so ein bisschen in einer ähnlichen Pubertätsphase gerade mit unseren Kindern unterwegs, wie sehr sich das auch bei mir verändert, zu sagen, ach guck mal, ich habe das damals gar nicht in Frage gestellt, mir kam das nicht. normal so vor, weil es einfach so war. Und jetzt rückblickend denke, eigentlich so normal war das gar nicht. Also auch viel alleine im Männerkontext unterwegs. Ich war gerade Montag, Dienstag auch in einem Workshop wieder die einzige Frau unter 20 Männern. Auch im Altersdurchschnitt eher eine der Jüngsten. Und wie viel man dann irgendwann als selbstverständlich nimmt, weil das der Kontext ist, in dem man sich bewegt. Also was hat sich für dich durch die Kinder verändert?
Anna-Sophie Herken : Durch die Kinder hat sich natürlich eher diese Vereinbarkeitsfrage geändert. Ich weiß noch, in London hatte ich mein erstes Kind und war dann mit meiner Tochter schwanger und habe neben dem Job auch noch ein MBA gemacht und das war mir so total crazy alles. Und da habe ich dann gemerkt, dass ich vor so einer Wahl stand und gemerkt habe, eigentlich geht das alles gar nicht zusammen. Aber irgendwie war mir dann, dachte ich auch so, nö, also ich will die Kinder finde ich toll und ich finde den Job toll und ich finde den MBA wollte ich schon immer mal machen. Und wenn man da schon aufgenommen ist, dann, also dachte ich, nee, ist gar keine Alternative, den nicht zu machen. Und da habe ich viel drüber nachgedacht und war dann vielleicht auch so aufgrund der Notsituation oder der Drucksituation gesagt, ich mache jetzt einfach alles und habe das dann so durchgeprescht. Und habe dann aber erst im Nachhinein auch dann so oft gesehen, also ich fand das dann gar nicht so schlimm und gar nicht so schwierig, aber wie anormal das eigentlich ist. Und das ist eben gerade, also ich glaube, da habe ich so eine Grundnaivität, dass ich dann immer erst mal so mache und danach so nachdenke. Aber das ist was, wo ich auch im Nachhinein denke, so ganz easy ist das nämlich eigentlich nicht.
Miriam Wohlfahrt: Wie lange hast du ausgesetzt, als du damals die Kinder bekommen hast?
Anna-Sophie Herken : Beim ersten Kind, da war ich noch in meinem US-Vertrag. Da war ich, glaube ich, vier Monate. Und dann gab es natürlich auch keine Teilzeitoption. Das war ein Fulltime. Das fand ich schwierig. Also das fand ich den ersten Tag irgendwie ganz schwierig. Aber das war, ich habe es gar nicht hinterfragt. Und eigentlich war es auch okay dann so. Also, glaube ich, ganz gelungene Kinder, ganz süß. Und bei meiner Tochter habe ich dann schon, weil ich dann auch mein Studium zu Ende gemacht habe, hatte ich, glaube ich, ein Jahr oder so zu Hause. Aber habe dann eben nebenbei da mein MBA in Cambridge gemacht.
Miriam Wohlfahrt: Also bei mir war es auch, ich war auch nur den Mutterschutz über zu Hause. Ich bin sofort wieder eingestiegen. Ich denke auch manchmal so darüber nach, wie wäre es eigentlich alles gekommen, wäre ich jetzt zwei Jahre zu Hause geblieben. Es wäre alles anders geworden, glaube ich. Auch selbst ein Jahr hätte alles verändert. Also ich glaube, es hätte halt einen extremen Bruch bei mir gegeben, glaube ich. Und ich wäre nie wieder da eingestiegen, wo ich war.
Anna-Sophie Herken : Also weil du nicht mehr diese Ambition gehabt hättest oder weil es von außen gekommen wäre?
Miriam Wohlfahrt: Ja, also ich glaube, ich habe da oft mal drüber nachgedacht, weil viele haben mich damals eh gefragt, warum machst du das eigentlich, um Gottes Willen, das arme Kind? Also wie kannst du eigentlich sowas tun, dass du dieses Kind nach acht Wochen quasi alleine lässt, einer Tagesmutter überlässt? Und mir ist es damals aber fast leichter gefallen und ich glaube fast so, wenn ich dann andere Frauen, als ich das so gesehen habe, Je mehr Bindung du da bekommen hast oder je mehr du in diese Situation reingerutscht bist, dass du jetzt nicht mehr Vollzeit arbeitest, dann wurde das ja auch immer schwieriger, da wieder zurückzugehen. Und ich sehe ehrlich gesagt kaum Frauen, die länger in Elternzeit waren, die in diesen wirklichen gleichwertigen Job wieder zurückkommen. Das ist leider selten so oder in meinem Freundeskreis war es eigentlich gar nicht so.
Anna-Sophie Herken : Das war so vielleicht das Positive am Ausland, dass sich die Frage gar nicht gestellt hat.
Miriam Wohlfahrt: Aber in Deutschland ist es natürlich, also meiner Meinung nach, Kinder sind der Karrierekiller in Deutschland. Leider. Es ist traurig, aber es ist schon so.
Joel Kaczmarek: Ja, und es gab eine spannende Umfrage, wo die Männer angegeben haben, die Väter Zeit zu nehmen, fällt uns schwer, weil wir Karrierenachteile befürchten, was natürlich witzig ist, weil das bei den Frauen faktisch schon so ist. Nichtsdestotrotz ist es natürlich auch nachvollziehbar, dass es für die Männer viel schwieriger ist. Also ich habe in den Niederlanden studiert und gearbeitet und zufällig gestern Abend noch gefacet haben mit einer Freundin. Ich habe gesagt, wie macht ihr das jetzt eigentlich mit den beiden Kindern, weil die ja auch alle wirklich ein Megastudium, noch Zusatzausbildungen, wirklich hochqualifiziert sind. Und in den Niederlanden ist es sehr üblich, dass die Männer auch auf Teilzeit gehen, aber im Sinne von vier Tage die Woche. Also da hast du ja gerade gesagt, wie uns Kontext prägt. In den USA war das einfach so. Also die anderen Frauen sind auch nach vier Monaten wieder gegangen. Wie war das dann in England im Vergleich? Wie hast du das da wahrgenommen?
Anna-Sophie Herken : Also meine Kolleginnen hatten alle Kinder oder alle nicht, aber wie gesagt, ich habe das nie so reflektiert. Das war für mich auch so, weil durch meine schwedische Prägung, wo es dann vielleicht ein anderes Modell ist als in den USA, wo dann beide sofort wieder voll rein müssen und ackern und rackern, wo es dann eher eine Ausgewogenheit gibt und man arbeitet weniger und es funktioniert auch. Aber ich habe nicht darüber nachgedacht, aber das haben einfach alle gemacht. Man hat ein Kind bekommen und es gab dann die Nanny und auch den Vater, der sich gekümmert hat. Und das war irgendwie so, ich bin so dankbar, ich bin da so durchgeschlittert, völlig so unreflektiert.
Miriam Wohlfahrt: Das ist schon lustig, wir haben alle Parallelen. Bei mir war es ja auch mit der Arbeit und der Zeit, als meine Tochter geboren wurde, habe ich für ein holländisches Start-up gearbeitet. sehr viel Zeit in Holland verbracht mit den Holländern. Und die haben mich geprägt, weil da war das eher so auch, dieser Gedanke, Miriam, du musst jetzt hier mal mit den Kindern kriegen. Mein Chef hat damals mir echt geraten, ich sollte jetzt vielleicht mal ein Kind kriegen, damit ich nachher nicht so traurig bin, aber auf gar keinen Fall wegbleiben. Und das kannte ich aus Deutschland überhaupt nicht, diese Einstellung. Das war eigentlich was komplett Seltsames für diese Zeit. Und in meinem Freundeskreis, muss ich sagen, das war schon gar nicht so einfach. Weil viele das nicht verstanden haben. Es sind Freundschaften daran kaputt gegangen, muss man echt sagen. Es waren Leute bei uns zu Besuch, die dann gesagt haben, wie kannst du das deinem Kind antun? Ich sagte, okay, also sorry, ich sehe das nicht so. Und dann haben wir so einen Streit bekommen, dann habe ich gesagt, es geht jetzt besser. Und seitdem haben wir uns nie wieder gesehen. Das ist wirklich hart. Also, dass es sowas gibt, hätte ich auch nicht gedacht.
Anna-Sophie Herken : Wobei es ja schade ist, dass es nicht letztendlich beides möglich ist. Weil ich dann auch denke, mit unseren Erwerbsbiografien sollte es auch möglich sein, zu Hause zu bleiben. Wie gesagt, ich denke mal, es müsste beides okay und möglich sein. Wahrscheinlich ist es so ein Blessing, wenn man da gar nicht so in irgendwelche ideologischen Fahrwässer geraten ist durch seinen Auslandsaufenthalt. Oder die Sozialisierung.
Miriam Wohlfahrt: Das hat uns geholfen. Also wir müssen in Deutschland hier was am Mindset ändern, glaube ich schon. Es geht ja. Ich meine, es ist nur, es ist truglos zu sagen, es ist super einfach oder es ist einfach zu machen, aber man kriegt das gestemmt. Aber ich glaube, man muss halt auch Abstriche machen an der einen oder anderen Stelle. Was ich schon interessant finde, wenn du uns nochmal so ein bisschen zu deinem Werdegang, wie bist du eigentlich so nochmal aus deiner Sicht da hingekommen, wo du heute bist? Hast du eine Karriere geplant früher? Wolltest du das? Oder hat sich das immer durch Zufall ergeben?
Anna-Sophie Herken : Also ich war immer irgendwie ehrgeizig und pushy. Also ich war immer so der Chef beim Fußballspielen und so. Also ich war immer so ein getriebener Mensch oder hab immer so immer klar, irgendwas wird aus mir. Und war sicherlich jemand, auf die Tour wollte ich unbedingt so UN-Generalsekretärin werden, was jetzt Unsympathisch klingt so dieses Aim high, aber
Joel Kaczmarek: Aber ich würde sagen, cooles Jobziel.
Anna-Sophie Herken : Das war so, das habe ich nicht ganz geschafft. Okay.
Joel Kaczmarek: „Mein Ziel war damals Karrierefrau und Mutter“, habe ich nochmal nachgelesen mit 18.
Anna-Sophie Herken : Du hast es geschafft.
Miriam Wohlfahrt: Ich wollte deutsche Botschafterin werden irgendwo, nicht in welchem Land, aber ich war auch zu schlecht, also meine Abiturnote, die war zu schlecht für das Auswärtige Amt. Du hättest ja in so einem, ich weiß gar nicht mehr, war das gehobener Dienst oder irgendwie sowas und du hättest irgendwie einen Einsaarschnitt gebraucht und ich hatte irgendwie, ich habe ein 2,5er Abitur, es hat also nicht gereicht.
Anna-Sophie Herken : Also die haben beide gefehlt.
Miriam Wohlfahrt: Und du hättest irgendwie einen Einserschnitt gebraucht und ich hatte irgendwie, ich habe ein 2,5er Abitur, das hat also nicht gereicht.
Anna-Sophie Herken : Ich wollte immer was machen irgendwie, was erreichen, aber ich habe, und das ist auch glaube ich eher so für Deutsche, auch Headhunter oder Personaler typisch, ich hatte jetzt nie so, also ich glaube der rote Faden meiner Karriere ist, dass ich alle paar Jahre von außen komplett neu in etwas Neues reingekommen bin. Also neue Organisationen und oft auch neuer Sektor. Ob das jetzt Versicherung jetzt ist oder ob es Hochschulleitung ist oder eben Weltbank. Und das ist was, was so mein roter Faden ist. Also dass ich es immer total toll fand, irgendwas Neues zu machen und da so von außen reinzugehen und zu lernen. Und oft sieht man da ja auch ganz strukturell ganz andere Dinge, als wenn man da schon so 20 Jahre ist. Ja, ich habe meine Ehrgeiz, irgendwas so Driver zu sein.
Joel Kaczmarek: Und sind dir die Sachen angeboten worden oder hast du dir die gesucht?
Anna-Sophie Herken : Das klingt jetzt so planlos, aber ehrlich gesagt, ja. Das ist wahrscheinlich so eine Mischung. Also mir war immer so dieses Internationale, sodass ich Richtung Weltbahn gehe. Das habe ich schon so forciert durch mein Studium und danach auch Ausland. Aber ansonsten war es danach eher so Opportunitätsgetrieben, denke ich mal. Wenn man das gefragt hat, dann habe ich gesagt, ach ja, ist ja ganz spannend.
Miriam Wohlfahrt: So habe ich das bisher auch gemacht. So sind bei mir auch die Single entstanden. Es gab nie einen Masterplan bei mir. Genau. Ja, das war immer so. Es hat sich ergeben. Man hat interessante Menschen kennengelernt. Die haben einen vielleicht auch mal im Floh ins Ohr gesetzt und so hat man Ideen entwickelt. Das geht mir heute noch so mit vielen Dingen, die ich auch so mitnehme, mit Dingen, die ich so angefangen habe in den letzten Jahren. Das ist eigentlich immer durch Zufall entstanden.
Anna-Sophie Herken : Und durch Menschen, wie du sagst.
Miriam Wohlfahrt: Durch Menschen, ja. Genau, du sprichst mit denen in dem Gespräch und meistens entstehen ja in dem Gespräch dann auch die Ideen. Das finde ich schon auch cool. Aber du bist ja auch im Aufsichtsrat der Allianz.
Anna-Sophie Herken : Der Allianz Live in den USA, das ist der Lebensversicherer in den USA und dann ein Fondsverwalter in China.
Miriam Wohlfahrt: Und da warst du aber schon bei der Allianz?
Anna-Sophie Herken : Genau, das ist sozusagen als Teil meiner Rolle in der Allianz.
Miriam Wohlfahrt: Und wie kam das zustande?
Anna-Sophie Herken : Das ist nicht atypisch, dass wenn du natürlich im Businessbereich bei uns bist, dass du dann auch in den Aufsichtsräten dafür zuständig bist.
Miriam Wohlfahrt: Wie viele Frauen sind dort?
Anna-Sophie Herken : Also ich muss erst mal sagen, dass meine direkte Chefin, die ist Vorständin, ist eine ganz tolle Frau. Im Aufsichtsrat in den USA sind wir auch relativ ausgeglichen und in China auch. Und die Allianz ist ja grundsätzlich, also das sage ich jetzt nicht, weil ich sagen muss, die ist ja wirklich relativ fortschrittlich. Also das empfinde ich als ein sehr positives Umfeld. Also das ist ein Thema, was da ernst genommen wird. Also es ist natürlich nicht ausgeglichen noch nicht, aber man merkt, dass das schon, das ist nicht Kosmetik, das ist ernst genommen.
Joel Kaczmarek: Es klingt jetzt ja so ein bisschen, als hättet ihr einfach Glück gehabt, dass man euch gesehen hat. Ich muss auch da grinsen, weil wir so viele Parallelen haben. Das ist bei mir auch eher, dass dann über Headhunter oder Kontakte was kam. Aber wie kriegt man das überhaupt hin, dass man gesehen wird? Also was hast du gemacht? Wie konnte man dich finden überhaupt? Wie haben dich diese Jobangebote, diese nächsten Karriere-Schritte gefunden?
Anna-Sophie Herken : Gute Frage. Also ich habe das jetzt nie so aktiv gepusht oder bin jetzt auch nicht so jemand, der sich unbedingt immer nach vorne pushen muss. Ich glaube, das ging dann letztendlich wahrscheinlich über Netzwerk und Empfehlungen.
Miriam Wohlfahrt: Würde ich auch sagen. Ich würde auch sagen, ich habe gerade mal so im Kopf Revue passieren lassen, Netzwerk. Du hast Leute kennengelernt, mit denen hast du über irgendwas gesprochen. Darüber bist du auf Ideen gekommen und da kam so eins zum anderen. Also bei mir ist jetzt heute so, ich muss gestehen, ich mache in den letzten paar Jahren, habe ich schon mehr mit Social Media gemacht. Das hat mich vor ein paar Jahren überhaupt nicht interessiert. Ja. Das kam aber auch eher so, weil ich halt Leute kennengelernt habe, die mir dann so gesagt haben, okay, vielleicht solltest du da mal mehr machen. Du machst da gar nichts. Das wäre vielleicht wichtig. Und bei Ratepay ist es so, es ist ja kein bekannter Brand. Also wir machen ja, ich meine, online bezahlen im Hintergrund, das ist kein sexy Produkt. Ja, damit kannst du nicht irgendwie toll Werbung machen. Und das ist super schwer, im B2B irgendwie ein Produkt an den Mann zu bringen oder an die Frau zu bringen und dafür Marketing zu machen, weil es bringt auch nichts mit SEO oder sowas. Weil wir Großkunden ansprechen, ja, also das war eher so, okay, wie gehen wir eigentlich raus und machen diese Firma sichtbar? Für das Produkt interessiert sich niemand. und irgendwann hat mir mal jemand gesagt, Miriam, du musst eigentlich anfangen, nach draußen zu gehen, weil wenn sich da schon jemand für das Produkt interessiert, was aber ziemlich cool ist, dass du eine Frau bist in so einer Branche, die sowas gemacht hat. Er hat gesagt, ja, aber eigentlich, ich finde das eigentlich total doof. Also ich will ja auch nicht so eigentlich, ich wollte nicht dafür wahrgenommen werden, dass ich eine Frau bin. Ich habe mich anfangs sehr stark dagegen auch eher gesperrt und fand das auch ein bisschen schwierig. Habe dann aber festgestellt, okay, vielleicht ganz vorsichtig da mal mich da ran getastet. Bin dann so auf erste Panels gegangen und habe angefangen darüber, keine Ahnung, wenn ich auf so einem Panel saß und es gab ein Foto oder irgendeinen Artikel oder irgendwas, das ist dann zu posten. Und am Anfang dachte ich, kann ich das jetzt wirklich abschicken? Nein. Die Welt des Internets, das sieht jetzt jeder. Und ich bin ja noch aus dieser Generation, die nicht Instagram ist. Also von mir selber Fotos zu machen, die zu posten, war mir total peinlich. Aber im Laufe der Zeit muss ich sagen, es wird mir weniger peinlich. Also das gehört einfach so ein bisschen dazu, glaube ich, wenn du eben ein Unternehmen vertrittst, irgendwie nach außen, dass du das auch inzwischen…. Und dadurch hat sich jetzt natürlich die Sichtbarkeit enorm erhöht. Das ist schon interessant. Also würde ich sagen, früher durch Netzwerk hat es angefangen und jetzt ist es aber schon auch aktiv, tragen die sozialen Medien dazu bei. Und die helfen natürlich jetzt auch in der Zukunft. Man kann durch soziale Medien deutlich sichtbarer werden.
Anna-Sophie Herken : Also ich weiß, dass ich dich öfter irgendwo gesehen habe und im Handelsblatt und bevor wir uns kannten. Und da dachte ich, ist ja cool, die Frau. Aber du warst ja nicht über Frauenthemen. Also ich dachte so, endlich jemand, der im Fin-Bereich ist. Und insofern fand ich dich schon cool, bevor wir uns getroffen haben.
Miriam Wohlfahrt: Ja, danke schön. Ich habe auch ein bisschen aufgepasst, weil ich genau davor Angst hatte. Weil ich habe auch Angst davor gehabt, dass ich jetzt plötzlich so diese Frau bin, die ein Fintech macht. Aber weißt du, von der dann jeder sagt, das ist ja nur die Vorzeigefrau aus dem Fintech.
Anna-Sophie Herken : So kam das nicht rüber.
Miriam Wohlfahrt: Ja, ja. Ich habe davor aber auch Schiss gehabt, muss ich sagen. Weil ich habe immer gedacht, wenn die Leute sowas denken, das will ich nicht. Ich bin ja auch keine Quotenfrau. Ich habe dieses Ding selber aufgebaut. Und ich habe ja meine Kollegen, mit denen ich da zusammenarbeite. Aber den Start, den habe ich ja am Anfang gemacht. Und das ist ja nicht, dass ich da quasi nur die nette PR-Frau war, die man in den Vordergrund geschoben hat. Was häufig jetzt auch passiert. Man sieht das so ein bisschen bei den Startups. Aber du bist
Anna-Sophie Herken : Du bist ja auch letztendlich trotzdem ein Rollenmodell. Also ich meine, ich habe dich nicht so wahrgenommen und trotzdem war es so cool, endlich mal eine Frau, die das richtig gut macht. Dankeschön.
Joel Kaczmarek: Ja, und das ist ja ein spannender Punkt, den ihr da gerade habt, weil das sind ja zwei Sachen. Das eine ist die Sichtbarkeit, also wie gut sind wir darin, uns sichtbar zu machen und auch uns ein Netzwerk aufzubauen. Und wie gut geht es dann, wenn man eben eventuell den größeren Teil der Care-Aufgaben übernimmt, also alles, was ums Kind kümmern oder vielleicht auch um Kinder. Die kranken Eltern oder Schwiegereltern. Und das Zweite ist, ab wann habe ich die Befürchtung, dass ich als Quotenfrau wahrgenommen werde? Also wo mag ich mich dann auch überhaupt sichtbar machen mit dem richtigen Fokus? Wie ging es dir damit? Also mit deiner Sichtbarkeit, warst du auch so eine Art Einhorn in deinem Bereich, auch im Bereich Weltbank oder?
Anna-Sophie Herken : Bei der Weltbank nicht. Das war eher vielleicht noch davor. Aber es ist schon natürlich, wenn man im Finanzsektor ist, ist es schon eher so dieses, man kommt rein und da sind nur Männer und die finden das ganz normal. Jetzt ist es nicht so. Jetzt ist es eher so, dass wir einen hohen Frauenanteil bei uns haben. Das kenne ich schon. Aber diese ganze Sichtbarkeit, was Miriam beschrieben hat, das ist noch was, womit ich noch mehr kämpfe. Genau so dieses weil man eigentlich eher so ein Introvert ist und sich da irgendwo zu gerieren. Aber im Unternehmen, glaube ich, ist es einfach wichtig, was heißt sichtbar zu sein, aber einfach mit am Tisch zu sitzen. Also einfach schauen, dass man dabei ist bei Entscheidungen und sagt, was man denkt. Also das ist sowas, was ich immer eher gemacht habe. Mit Social Media, das muss ich noch lernen.
Joel Kaczmarek: Und wenn du jetzt einen Tipp hättest für junge Frauen, die sagen, ich möchte gerne auch Karriere machen, wie kommt man mit an den Tisch? Also wie sorgt man dafür, dass man bei den wichtigen Entscheidungen dabei ist und gesehen wird?
Anna-Sophie Herken : Also eine Sache, ich habe auch mal so überlegt, was habe ich jetzt gemacht oder was könnte ich weitergeben als Tipp? Und ich glaube, eine Sache, die mir einfach gefallen ist immer oder euch wahrscheinlich auch ist, Also ich hatte nie Angst, wenn mich gefragt wurde, willst du das und das machen? Und irgendwie ist es ja auch oft so, ich glaube, das ist schon so ein Frauending, dass man oft gefragt wird, wenn was schwierig ist oder vielleicht schon ein paar Leute vorher das nicht so doll gemacht haben, dass ich da immer gesagt habe, ja klar. Also auch wenn es Themen waren, die ich keine Ahnung hatte oder immer ja, ja gesagt. Also ich habe auch immer ehrlich kommuniziert, dass ich da kein Experte bin. Das ist natürlich auch wichtig. Und auch keine Scheu gehabt. Ich habe natürlich dann immer lange Phasen auch erstmal zugehört und gelernt. Aber auch einfach Ja sagen und sich dann auch keine Scham haben, dass man nicht immer der Experte überall ist. Das finde ich ist ja auch so ein Thema. Das musste ich auch erst lernen, dass man auch den Mund mal aufmachen darf, wenn man nicht alles 150-prozentig weiß. Dann einfach mal so einen Gedanken trotzdem raushauen und das ist so eine Art der Sichtbarkeit oder einfach eine Präsenz, denke ich mal, ist das, die man schaffen kann.
Miriam Wohlfahrt: Finde ich interessant. Also mir geht es sehr ähnlich. Also ich bin auch so jemand, der sehr viele Dinge einfach angefangen hat und manchmal gar nicht so richtig wusste, ob ich das überhaupt kann. Also Manchmal haben mich die Leute gefragt, kannst du eigentlich zum Beispiel Geschäftsführer sein? Kann man Geschäftsführer sein? Du kannst doch gar nicht, du hast doch, ich habe ja ein abgebrochenes Studium. Da ist auch so ein Makel, der da scheinbar ist, dass ich deshalb, ich kann doch gar nicht richtig Bilanzen lesen. Ja, aber ich habe ja Kollegen, die das gut können. Und ich muss ja gar nicht alles können. Also ich glaube, auch in vielen Köpfen ist es so verankert, dass man so alles können muss und für alles irgendwie immer eine Antwort haben muss. Und dieses dazu zu stehen, zu sagen, nee. Das ist nicht mein Thema, ich kann das nicht, das macht hier mein Kollege. Ja, und ich glaube, das ist ganz wichtig, damit auch diese Erwartungshaltung nicht immer geschürt wird. Man hat auf alles eine Antwort und ich habe dann lieber so mich auf meine Themen verlassen, weil zu denen konnte ich eine super Antwort geben. Ja, und habe aber immer so, ich glaube, die Erwartungshaltung war wichtig, dass die nicht zu hoch gesteckt ist. Daran habe ich immer gearbeitet, ja. Habe aber immer meine Meinung gesagt. Und es war mir dann auch immer egal, ob ich mich jetzt gut ausgedrückt habe oder nicht. Oder manchmal ist mir auch einfach was in den Sinn gekommen. Und ich glaube, man darf nicht so oft Angst haben, man stellt eine blöde Frage oder sowas. Ich finde, viele Menschen, die stellen dann lieber keine Fragen und sagen nichts, verstehen es aber nicht richtig. Das passiert auch häufig.
Anna-Sophie Herken : Aber es ist natürlich auch ein Lernprozess, finde ich. Das ist sowas, also ich weiß, dass ich, als ich jünger war, viel öfter dachte, das kann ich jetzt nicht fragen, das ist ja total behämmert. Und was mir geholfen hat, ich war relativ früh in meiner Karriere, ich war im deutschen Wirtschaftsministerium für einen sehr speziellen Bereich zuständig, der recht komplex war, so ein Dienst, was ich, Welthandel, Dienstleistung. Und da habe ich wirklich mal, da bin ich Expertin gewesen für etwas, was eher komplex ist. Und habe das auch richtig gut verstanden und habe dann aber mit diesem Expertentum, dann war ich auf Konferenzen und habe gesehen, wie andere Leute sich da hinsetzen und da raus posauen und habe dann also wirklich bemerken können, auf welchem schwachen Niveau die sich getraut haben, dann welche Statements rauszuhauen. Und das hat mir geholfen, diese Erfahrung. Es war ganz gut, einmal wirklich so voll der Experte zu sein. Und dann zu sehen, wie die Leute da in der Presse und auf Panels, wie ich so gedacht habe, da würde ich mich aber schämen. Und ich denke trotzdem, es ist gut, wenn man was sagt, ein gewisses Fundament dahinter zu haben. Aber das hat so meinen Anspruch an mich selber. Ich habe gesagt, okay, ich brauche jetzt nur 75 Prozent Experte sein und darf trotzdem was sagen.
Miriam Wohlfahrt: Ja, das stimmt. Also habe ich eine ganz lustige Geschichte auch. Ich war vor einigen Jahren, die Tijen Onaran, die macht ja so ein Frauennetzwerk und da war sie noch relativ am Anfang. Ich kannte sie aber hier so aus Berlin und irgendwie waren wir an einem gleichen Abend in München und irgendwie, keine Ahnung, ich weiß nicht, wir haben uns irgendwie bei einem Essen getroffen. Und dann ist ihr für den nächsten Tag jemand ausgefallen in einem Panel, was sie organisiert hat. Das war irgendwie von Accenture organisiert und es ging um AI. Und dann meinte sie zu mir, sag mal Miriam, hast du nicht Lust, kannst du dich nicht in dieses Panel mitsetzen? Es geht um Artificial Intelligence. Ich so, ähm, also ich bin jetzt ja nicht, war irgendwie so ein bisschen. Dann habe ich aber gedacht, ach ja, ich mache das. Ich stand vom Hotel nach Hause und dachte, oh oh, okay, jetzt habe ich meinen Kollegen angerufen, der bei uns das so aufgebaut hat. Also heute weiß ich deutlich mehr davon, weil Rate Me macht mir das jetzt seit drei Jahren, aber das war so in diesem ersten, in dieser Anfangsphase und ich wusste eigentlich gar nichts. Erstmal gegoogelt, ich so, hör mal zu, kannst du mir jetzt was helfen? Ich brauche jetzt so ein bisschen mal, einfach so ein klein bisschen Input, ja, was ist das? Erklär mir das jetzt mal, wie kann ich das irgendwie in ein paar Minuten, sodass ich da ein paar Worte, ein paar Sätze habe, die es erklären. Dann hat er mir so ein bisschen ein Briefing geschickt und ich habe das dann morgens beim Frühstück gelernt und das Pendeln lief richtig gut. Und ich dachte echt, okay, also ganz witzig. Danach wurde ich angesprochen von so einem Institut, ob wir nicht als Unternehmen mal irgendwie aufzeigen könnten, wie wir künstliche Intelligenz machen. Da dachte ich, okay, das scheint ja gut angekommen zu sein und wir mussten dann einen Podcast aufnehmen für so ein Institut. Dann habe ich eine Kolumne geschrieben zu dem Thema und wurde irgendwann als Experte gehandelt. Und ich dachte, eigentlich ist das doch ein bisschen abgefahren. Ich bin das überhaupt nicht. Aber so wie die Dinge entstehen, ja.
Joel Kaczmarek: Aber du bist es doch darüber geworden, oder? Weil das ist ja eigentlich, was Anna sagt. Die Angst gar nicht haben, da Ja zu zu sagen, sondern zu sagen, ja, okay, ich positioniere mich jetzt für AI und wachse dann in diese Nummer rein. Weil das ist ja mit dir passiert eigentlich, ne?
Miriam Wohlfahrt: Genau, das ist damit passiert. Allerdings würde ich mich jetzt auch nicht als Experte bezeichnen. Aber ich habe ein gutes Laienwissen. Ja, das ist aber so. Es reicht gut aus, um sich auf ein Panel zu setzen. Da hast du recht. Du musst nicht der Mega-Experte sein.
Anna-Sophie Herken : Ich habe jetzt natürlich gestern, vorgestern mal ein bisschen nachgelesen, in der Vorbereitung die Frage, was sind so die großen Unterschiede bei weiblichen Führungskräften gegenüber männlichen. Und da gibt es dann ja verschiedene Studien, die sagen, es gibt keine oder es gibt ein paar. Und was, glaube ich, so ein Finding war, was alle gesagt haben, war eben so dieser Confidence-Level ist unterschiedlich. Ja. Die Selbstwahrnehmung. Und ich glaube, das ist auch so dieses einfach darüber zu springen und zu sagen, ich glaube, dass wir uns selbst strenger bewerten, das werden wir vielleicht gar nicht ändern können. Aber zu sagen, okay, ich bin jetzt nur bei so und so viel Prozent und ich mache es trotzdem. Das war für mich auch so eine Lernreise, da hinzukommen.
Joel Kaczmarek: Wer hat dich dabei begleitet oder unterstützt?
Anna-Sophie Herken : Also ich hatte nie jetzt so Mentoren oder Coaching auch nur sehr begrenzt. Also ich bin jetzt ja nicht durch die Karriere gehopst und habe immer gesagt, ich kann das alles super. Aber es war irgendwie so, dass ich dachte, ich werde das schon irgendwie schaffen oder zumindest so schaffen, dass es reicht. Und ich glaube, wenn man da Freude dran hat und ich habe das auch so gedacht, das ist ja toll, dann lerne ich ganz viel und kann beitragen. Und das war, glaube ich, ich habe dann immer so diesen Zweifelsmoment einfach gar nicht zugelassen.
Miriam Wohlfahrt: Hast du mal Tipps bekommen, also wie du dich als Führungskraft bewegen solltest?
Joel Kaczmarek: Oder wie viel du lachen sollst, als wir darauf hinaus sind.
Anna-Sophie Herken : Ich hatte mehrere Coachings am Anfang. Das war, glaube ich, so en vogue. Coachings haben ja auch was Gutes, aber es war dann relativ früh so ein Coaching, was dann auch so auf diese Genderfragen abzielte. Und da wurde mir dann gleich gesagt von der Coach, und das war, glaube ich, sehr nett gemeint, dass so Frauen wie ich mit wilder Frisur und nicht glatten Haaren, die immer perfekt gekippt sind und ohne Ohrringe, das wäre schwierig. Frauen wie ich würden es in Deutschland in der Führungsposition schwierig haben, allein durch meine Erscheinung. Und dann habe ich zwar da gesessen und gedacht, so Quatsch, ich kann mich ja nicht ändern. Aber es war das einzige Moment, dann bin ich wirklich ernsthaft zum Friseur gegangen und habe mir da irgendwie so eine Behandlung machen lassen. Meine Haare glänzten und ich weiß noch, wie ich da saß. Und es hat so gebissen in den Augen, das Zeug. Und dann dachte ich, ach, bin ich völlig bekloppt. Und das war so das einzige Mal, dass ich so einen Tipp bekommen habe, wie ich mich anpassen soll. Und den ich dann auch so halb umgesetzt habe und auch dachte, nee, also das Und das ist, wo ich auch denke, was habe ich da gemacht? Aber es gibt natürlich viele Situationen, wo man dann immer wieder gesagt bekommt, zieh dich anders an. Und das sind schon so, jetzt weniger, aber früher.
Miriam Wohlfahrt: Ja, finde ich auch. Also mir hat man früher mal gesagt, ich soll nicht so viel lachen. Das habe ich Marina nämlich mal erzählt in einem vorherigen Gespräch mal. Weil ich bin einfach so von meinem Naturellen her und ich lache viel. Und manchmal lache ich vielleicht auch in Situationen, wo ich lache auch manchmal, wenn ich ganz viel Stress habe. Das befreit mich irgendwie. Aber ich habe dann auch gedacht, wenn ich das jetzt versuche aufzuhören und anders zu sein, dann bin ich nicht mehr so ich selbst. Ich kann das nicht. Ich kann mich auch nicht so verändern. Also man muss irgendwie authentisch sein, oder? Das finde ich ganz wichtig.
Joel Kaczmarek: Ja, das passt ja ganz gut, weil das ist ja eigentlich auch wieder ein Hinweis oder ein Tipp, den man weitergeben kann. Also dieses, wo hört man auf gute Ratschläge und wo bleibt man sich dann selber treu? So wie du gerade sagst, nein, mit meinen Haaren. Ich mag meine Haare, wenn sie nicht glatt und gerade
Anna-Sophie Herken : Ich kann es zumindest nicht ändern.
Joel Kaczmarek: Ich wollte gerade sagen, so hat hier jeder seine Haarbaustelle. Ist auch schön, dass wir bei dem Thema landen, aber Ich bin ja selber auch in der Unternehmensberatung unterwegs und auch im Coaching und muss selber ein bisschen schmunzeln, weil ich hatte einen Mentor, den ich auch sehr, sehr, sehr schätze. Aber wir hatten auch darüber sehr viele Diskussionen, weil der natürlich auch Frauen in Führungspositionen beraten hat und auch mich. Und habe dann irgendwann gedacht, verdammte Axt, aber jetzt kriegst du eigentlich Ratschläge von einem dieser typischen. Ich überlege gerade, ob das Nett ist, wenn ich das so sage, aber es wird ja gerne mal gelästert, dass wir in den Vorständen viel die Herren mit ähnlichem sozialen Hintergrund haben, Mitte 50. Und das ist so eine Briege, die sich da an vielen Punkten einfach untereinander auch wiedererkennt. Und mein Kollege ist da wirklich sehr, sehr fortschrittlich, aber in den Punkten habe ich gedacht, ja, auch er ist jetzt Mitte 50 und hat so seine Perspektiven darauf, was ich als Frau machen sollte. Das verändert sich gerade auch durch das Arbeit im Ausland, wie du sagst. Wenn ich sehe, meine Kolleginnen aus Finnland, aus Schweden, wenn ich Teamentwicklungen in Italien gemacht habe und auch USA, die Frauen tragen so tolle Kleider und High Heels und sehen so weiblich, so toll aus. Und wenn ich dann überlege, wie ich in meine Männerkontexte gegangen bin, immer schön mit Jeans und Turnschuhen, eher bodenständig und habe mich gefragt, was hat mich eigentlich da so anpassen lassen? Also
Miriam Wohlfahrt: Was hat man dir geraten? Was hat der Mentor dir geraten, wie du dich geben solltest?
Joel Kaczmarek: an Anpassung notwendig ist in bestimmten Bereichen. Also für mich war es eher so, ich war schon jung, dann war ich noch blond und die Psychologin. Und das immer in einem Umfeld rund um mich Ingenieure oder ITler oder Finanzler, Männer und deutlich älter. Und ich glaube, da war das schon unbewusst, so ein Ding. Ich möchte ja gar nicht als dann auch noch die, die im Kleid rumrennt oder jetzt so super ihre Weiblichkeit noch raushängen lässt, sondern können wir bitte über das Business reden? Und damit alles andere so ein Stück weit weggenommen. wo ich jetzt merke, wie viel Spaß mir das macht, auch mal wieder mehr ich zu sein und zu sagen, andere Kontexte. Wie war das bei dir?
Anna-Sophie Herken : Ich habe, wie gesagt, mir ein paar Tipps natürlich zu Herzen genommen, aber eigentlich letztendlich habe ich das relativ früh entschieden, dass das mich zu viel Energie kostet, mir Gedanken zu machen, wenn ich mich anpassen muss oder wie ich mich anpassen muss, weil ich mir dachte, das ist ja irgendwo eine Energie, die geht irgendwo weg und im Zweifel von meiner Performance. Ich finde, Die Entwicklung jetzt nicht nur mit Männer, Frauen, sondern natürlich auch, was wir jetzt erleben, dass wir mehr Leute aus der IT-Branche reinkriegen. Also ich glaube, dass wir sowieso jetzt gerade einen ganz positiven Entwicklungsstream haben, dass wir sehen, dass Unternehmen sich öffnen müssen gegenüber ganz anderen Menschentypen, Backgrounds. Und das ist, glaube ich, was, was sich gerade ganz positiv entwickelt und wo wir natürlich dann irgendwo auch mit davon profitieren. Dass man sagt, wir können nicht mehr so diesen, genau diesen 55-jährigen Mann mit Schlips und dann die Leute, weiß ich, da gibt es Frauen, es gibt andere Ethnien, es gibt komplett andere Menschen, die kommen und die bringen sich selber zur Arbeit. Und das ist was, was ich positiv finde, was glaube ich aber vor 15 Jahren, wenn ich so zurückblicke, noch nicht so war.
Miriam Wohlfahrt: Denke ich auch. Also ich denke halt, eigentlich ist es gut, dass ich so spät quasi erst gegründet habe, weil wenn ich jünger gewesen wäre, hätte man mich nicht ernst genommen, weil ich dieses abgeschlossene Studium nicht gehabt hätte. Und ich glaube, heute sieht man durchaus auch, man sieht Karrieren, die anders verlaufen sind oder die jetzt auch anders verlaufen, weil du auch andere Leute brauchst. Du kannst ja vieles, lernst du ja gar nicht mehr im Studium. Du bist ja heute so, ich würde mal sagen, je nachdem, welche Jobs du hast. Nehmen wir mal hier Rate-Pay-Payment-Branche. Du kannst Payment nirgends lernen, also du kannst nirgendwo das studieren, das ist, ich weiß nicht, vielleicht gibt es sogar eine Uni, wo du das vielleicht mal als Seitenstudiengang mal machen könntest, aber du würdest ja gar keine Menschen finden, die sich nicht trauen, in eine komplett neue Branche zu gehen, das alles zu lernen, das ist schon interessant. Also deshalb glaube ich, du brauchst einfach andere Neugierde, du musst einfach in der Lage sein, neugierig zu sein, dich anzupassen und dich… Immer wieder neu zu lernen und das zu akzeptieren. Und ich glaube, das ist was, was du gar nicht mehr, das entspricht nicht dem, wie man früher eigentlich Recruiting gemacht hat. Das ist schon anders. Es ist nicht mehr so, ich gucke mir bei RedPay, ehrlich gesagt, ich gucke mir überhaupt keine Zeugnisse an vom Studium. Ich gucke mir so ein bisschen die Lebensläufe an, was haben die Leute gemacht eigentlich? und dann eher im Gespräch. Aber mich interessiert es nicht, was die für Noten hatten. Echt, also ich glaube, das ist anders geworden. Was gibt man dann den Kindern mit, oder? Ja. Das wird ja spannend.
Joel Kaczmarek: Ja, das ist eigentlich eine ganz spannende Frage. Was geht da mit der neuen Generation vor sich? Und du hast ja gerade gesagt, Anna, es ist ja sowieso noch mehr Diversität. Also es geht ja gar nicht nur darum, dass eine Annäherung zwischen Männern und Frauen da noch mehr notwendig ist. Und da geht es auch nicht nur darum, dass die Männer uns besser verstehen, sondern auch umgekehrt. Also ich habe das gerade so lapidar gesagt, ich bin mir aber vollkommen darüber im Klaren, auch durch die Coachings. Ich habe ja auch viele dieser Männer gecoacht, auch Mitte 50. die haben auch verdammt viel getragen. Also was ist das für ein Kontext, der uns geprägt hat und in den Generationen vorher, wo ja auch mein Vater dabei war, da war es keine Frage. Also da hat man den Frauen noch gesagt, du brauchst nicht groß jetzt nach der Ausbildung weitermachen, weil du wirst ja die Kinder nachher haben. und für die Männer war klar, du hast dafür zu sorgen, dass die Familie versorgt ist, dass die Ausbildung der Kinder finanziert wird. und da war, glaube ich, auch nicht nur immer der Job die größte Leidenschaft oder die größte Freiheit, auch sich mal eine Auszeit zu nehmen und auch mal was anderes zu machen. Und das erleben unsere Kinder auf der anderen Seite jetzt komplett anders. Also wie siehst du diesen Generationssprung? Wenn ich mich richtig erinnere, hast du, glaube ich, bei deiner Oma schon, dass sie ein eigenes Labor hatte?
Anna-Sophie Herken : Also meine Mutter war berufstätig, meine Großmutter war schon wirklich eine Karrierefrau, die hatte ein eigenes Labor und meine Urgroßmutter war auch schon, ich glaube heute würde man wahrscheinlich sagen, so eine Art Wirtschaftsprüferin, aber war eben auch schon wirklich eine richtige Karrierefrau. Insofern ist es so, und wenn ich auch so meine Familie gucke, sind eigentlich alle Frauen irgendwie immer so Ärztin oder berufstätig. Deswegen ist es wirklich so ein, glaube ich, ich habe es nie hinterfragt, weil ich kenne es nicht anders.
Joel Kaczmarek: Also du hast schon eine Menge private Rollenvorbilder auch gehabt bei dir.
Anna-Sophie Herken : Ja, genau. Und dadurch war es so ein Selbstverständnis, wo ich eben auch jetzt erst im Nachhinein oft so Sachen hinterfrage, die ich gar nicht hinterfragt habe oder so. War eben klar. Also es war auch nie die Frage Kinder oder Arbeit. Das war natürlich alles. Also wieso nicht?
Joel Kaczmarek: Du hast erlebt, dass es geht.
Anna-Sophie Herken : Ja, also es war irgendwie gar nicht, war gar keine Frage, ob man das nicht hinkriegen könnte.
Miriam Wohlfahrt: Bei meiner Mutter war es ähnlich. Meine Mutter, die war sehr jung und da lief etwas nicht so, wie sie sich das vorgestellt hat und die musste Vollzeit arbeiten. Das war bei meiner Oma dann. Und trotzdem habe ich ein tolles Verhältnis zu meiner Mutter. Und klar, wenn du sowas mal gelernt hast, dann merkst du vielleicht auch, dass das ganz anders ist, dass wir nicht diesem Rollenbild entsprechen müssen.
Joel Kaczmarek: Ja, und dafür sind ja auch diese Rollenvorbilder so wichtig. Deshalb freuen wir uns ja, dass du heute auch da bist, Anna. Weil die Frage ist ja, wie kannst du was sein, was du nicht siehst? You can't be what you don't see. Also da, wo dir die Inspiration fehlt, wo hast du dann deinen Anreiz? Und das ist mir auch letztens mal klar geworden. Ich habe lange gesagt, die klassische Führungskarriere im Konzern, die reizt mich wenig, weil ich durch die Coachings so viel Einblick hatte in das, was die Führungskräfte selber eben auch irritiert oder anstrengt. Und dass man da irgendwann in den Conference Calls sitzt und muss die Zahlen reporten. Und in Kulturen, wo man dann abgewatscht wird vor versammelter Mannschaft und eigentlich von dem, was man ursprünglich mal erlebt hat. gerne gemacht hat, Ingenieur sein zum Beispiel oder wofür man leidenschaftlich ist im Job, dass da ganz wenig Zeit noch für übrig ist und habe da gar nichts gesehen, wo ich gesagt habe, auch das will ich auch sein.
Anna-Sophie Herken : Aber es ändert sich ja auch. Also selbst die großen Konzerne, es ändert sich ja auch bei uns zum Beispiel, jetzt bin ich aktuell, aber es ist, ich glaube, alles ändert sich gerade. Es ist alles im Flux und ganz neue Arbeitsmodelle und selbst auch bei uns im Unternehmen gibt es ganz viele, also weibliche und männliche Vorbilder. Das ist, glaube ich, nicht mehr so ein Ausschlusskriterium zu sagen, oh nee, da ist es so und da ist die Kultur so, weil ich glaube einfach, dass alle sich gerade ändern und ändern müssen. Ja,
Joel Kaczmarek: statistisch gesehen hängen wir hinterher, also sehr, auch hinter Frankreich und UK, du warst ja eigentlich gerade in den Ländern, die sehr fortschrittlich sind, Schweden, USA, England, Frankreich, das sind so eigentlich mit die Vorreiter, aber woher kommt das Gefühl, was tut sich gerade, weil ich frage mich immer, ist das meine Bubble oder tut sich da wirklich gerade was?
Miriam Wohlfahrt: Also ich finde, das tut sich total viel. Also ich kriege das auch so mit. Aber mich würde mal aus deiner Brille als Coach interessieren, wenn du Frauen coachst, Männer coachst oder unterschiedliche, wo siehst du da Unterschiede? Gibt es da unterschiedliche Fragen?
Joel Kaczmarek: Ja, also das spielt auch viel auf das Confidence-Level zurück, wo Anna ja gerade gesagt hat, ich war zuversichtlich, dass ich das hinkriege. Da erlebe ich, und das kann Zufall sein, eher die Männer gegenüber. Selbstbewusster in den älteren Generationen oder zurückhaltender, die Zweifel zu teilen. Ich hatte jetzt auch jüngere Coaches, wo ich ganz überrascht war, dass das auch die jungen Männer so umtreibt, dass da jemand war, der gesagt hat, ich fühle mich wie ein, wie sagt man das auf Deutsch, like a fraud. Ja, ich habe so viel Angst. Ich habe hier so viel Budgetverantwortung und so viele Mitarbeiter und eigentlich vielleicht gehöre ich hier gar nicht hin, vielleicht habe ich hier gar nichts zu suchen. Und das kenne ich von den Coachees aus den anderen Generationen so nicht. Und bei den Frauen fällt mir auf, dass ich da häufiger gehört habe, es ist ganz schön einsam an der Spitze, Marina. Ich fühle mich hier ganz schön einsam. Ich weiß manchmal gar nicht mehr, mit wem ich mich offen austauschen kann. Ich muss aber auch gestehen, dass ich damals auch viele Coaches aus den klassischen Großkonzernen hatte. Also wo ich sagen würde, da war noch nicht viel Bewegung drin. Jetzt haben wir auch mehr im Startup-Bereich, sind auch mehr im Mittelstand. Da ist schon ein Riesenunterschied. Aber ich habe das Gefühl, je größer der Konzern, je gewachsener die Struktur, je länger die Historie, desto langsamer ist diese Veränderung auch.
Anna-Sophie Herken : Ich weiß gar nicht, ob nicht bei den großen Konzernen vielleicht viel mehr Druck ist oder viel mehr Bewegung stattfindet. Also da ist natürlich eine größere Sichtbarkeit und ob das jetzt sozusagen intrinsisch ursprünglich mal motiviert war oder ob das von außen kam. Also ich sehe schon, nicht nur bei uns, sondern ich sehe schon gerade in großen Unternehmen relativ viel Veränderung. Die glaube ich wirklich auch irgendwann mal, die auch gelebt wird, die auch gewollt ist. Also bei uns ist das auf jeden Fall so.
Joel Kaczmarek: Woran merkst du das bei euch?
Anna-Sophie Herken : Na, dass es ernst genommen wird. Aber es ist eben nicht so ein, wir performen jetzt mal und erfüllen mal, damit wir es nach außen kommunizieren können. Das ist wirklich ein wichtiges Thema. Das ist auch ein Thema, was bei unseren internen, also wenn wir beurteilt werden, wird das natürlich auch mit aufgeguckt, wird geschaut. Gibt es auch eine weibliche Pipeline, wird die herangezogen. Also es gibt ganz viele Indikatoren, die in die Führungskraftbewertung mit reingehen.
Joel Kaczmarek: Okay, also ihr guckt zum Beispiel wirklich im Mitarbeitergespräch bei euch, Anna, wie sieht es aus mit der Pipeline an weiblichen Nachfolgerinnen?
Anna-Sophie Herken : Genau, also sozusagen für die, wenn ich für eine Einheit zuständig bin, wird geschaut, wie wird diese Einheit letztendlich, was gibt es da, wie viele Frauen gibt es in welchen Positionen und welche Pipelines gibt es. Und da gibt es auch ganz klare Targets und da wird auch darüber diskutiert und zwar auf Board-Level. Und wie gesagt, es ist so Target-Driven, aber es ist auch, also es ist eigentlich selbstverständlich bei uns, dass es gelebt wird.
Joel Kaczmarek: Aber für dich ist es selbstverständlich, das finde ich total gut, weil das spricht für eure Kultur.
Anna-Sophie Herken : Also ich würde auch sagen, für andere Frauen bei uns.
Joel Kaczmarek: Das ist noch lange nicht der Standard in einigen Konzernen, da überhaupt sich Gedanken drüber zu machen oder das auch auf Vorstandsebene sich als Ziel zu setzen. Es gibt Vorstände, die bewusst sich dagegen entscheiden und sagen, das ist nicht für uns Prio.
Miriam Wohlfahrt: Deckt doch auch Albright Stiftung immer wieder auf.
Anna-Sophie Herken : Die schicken doch immer die Briefe raus.
Miriam Wohlfahrt: Genau, die schwarze Liste. Überleg mal, es sitzen dort alle Männer über 50 und die schaukeln sich dann da gegenseitig. Irgendwie, wie sollen denn da eigentlich gute Ideen irgendwie entstehen? Das ist doch irgendwie, das passt doch gar nicht mehr. Ich finde ja auch nicht nur Frauen und Männer, wir müssen auch mehr junge Leute in den Vorstand holen oder in eine Position bringen, wo sie echt was zu sagen haben. Weil das ist auch ein großes Problem. Im Moment finde ich eher so, darüber diskutiert wird, Frauen, Männer. Aber wenn ich einfach so sehe, bei Raidpay, also die große Dynamik, was eben so neuere Entwicklungen angeht, die kommt bei uns vor allem durch jüngere Mitarbeiter, die also auch reingekommen sind, die einfach Dinge sehen, die wir noch nicht so gesehen hatten. Und wir hatten vor ein paar Jahren echt eine große Veränderung, als wir zum Beispiel diese ganze künstliche Intelligenz-Thema uns da eingeführt haben. Das war ja nicht von Anfang an da. Das ist vor allem durch jüngere Mitarbeiter entstanden. Und das ist extrem wichtig heute. Und ich glaube halt, das müssen wir auch stärker sehen in der Führung, dass die einfach diverser sein muss.
Anna-Sophie Herken : Ich pendle ja nach München und wenn ich dann Montagfrüh im Zug oder im Flieger, jetzt ja eher im Zug, ich fahre jetzt zur Bahn, sitze, lese ich dann so meine klassischen Zeitungen. Und da muss ich sagen, bin ich dann immer entsetzt, lese natürlich eine gewisse Art von Zeitungen, so für Finanzthemen. Mit welcher Selbstverständlichkeit da dann zum Beispiel sich Unternehmen rein männlich mit Fotoporträtieren und auch zusammensetzen. das ja so machen, weil sie sich stolz darstellen wollen und wo ich so denke, das ist schon eine Welt, die erlebe ich so nicht mehr, aber die ist ja anscheinend noch ganz stark vorhanden. Also insofern will ich jetzt auch nicht zu positiv sein. Ich bin jetzt dankbar, dass ich in einem positiven Kontext bin, aber wie gesagt, meine Montagszeitung, mache ich jedes Mal Fotos und schicke die natürlich an mein Netzwerk, denke ich, das kann doch nicht wahr sein.
Joel Kaczmarek: Ja, du bist ja auch in der Allright Stiftung und ich habe von der Dr. Wiebke Ankersen auch spannende Sachen gehört, weil die ja da wirklich mit einer tollen Haltung unterwegs ist. Es geht ja gar nicht ums Blamen und es geht ja gar nicht darum abzusprechen, dass Männer Mitte 50 nicht auch wahnsinnig viel geleistet haben. Also der deutschen Wirtschaft geht es ja gut. Also es ist ja auch gar kein Verteufeln dahinter, sondern im Gegenteil einfach zu sagen, an ganz vielen Stellen hat man das entweder nicht auf dem Schirm gehabt, oder die notwendigen Maßnahmen zu spät ergriffen oder auch ein Stück weit ein Hemmnis, die Kultur in die Richtung zu verschieben, weil was, ja, was hindert eigentlich daran? Und das sind ja mehrere Ebenen, also eine Haltungsarbeit, ein Bewusstsein, aber auch konkrete Maßnahmen, so wie du gerade gesagt hast, haben wir in der Pipeline überhaupt einen Fokus darauf, ob wir auch genug Frauen in der Nachwuchsförderung drin haben und ob, wir da nicht zu einseitig unterwegs sind? Sind wir divers genug? Das ist ja ein ganz kleines Ding, aber alleine, dass das angeguckt wird, macht ja schon wahnsinnig viel aus. Was ist deiner Meinung nach noch Teil dieser Kultur, die du da als positiv empfindest? Also was sind so Für dich vielleicht Selbstverständlichkeiten, aber für andere Unternehmen vielleicht noch Wege, die man noch zu gehen hat.
Anna-Sophie Herken : Eine ganz starke Outcome-Orientierung bei Personalführung, bei Bemessung dessen, was ich dann sozusagen in meinem jährlichen Gespräch so abliefere. Einfach wirklich zu schauen, wie liefert jemand was und wie und nicht. So dieses klassische, wie lange sitzt jemand am Arbeitsplatz? Das sind, glaube ich, ganz wichtige Themen. Vielleicht eine Sache, die mir im – das ist jetzt immer so doof – Aber ich glaube, das ist für mich ein bisschen deutscher Kontext. Was mich wundert ist, und da weiß ich nicht, was wir auf der Arbeitgeberseite anders machen können, ich erlebe oft, dass jüngere Frauen, gerade wenn sie Familie haben, dass die unglaublich viel arbeiten und gut arbeiten und trotzdem ganz bewusst auf nur 70 Prozent, nur 80 Prozent arbeiten und sich nicht aktiv auf, auch wenn sie angesprochen sind, zögern sie Führungspositionen. Und das erlebe ich auch. Und das sind super tolle Frauen, die wahrscheinlich eher 150 Prozent faktisch arbeiten. Und trotzdem ist da so ein, wenn ich dann sage, wieso machst du das nicht und du kannst es und es ist auch egal, ob du früher gehst und es ändert sich nichts für dich, außer dass du eben mehr verdienst, mehr sozusagen für die Rente ansammelst und dass du sichtbar wirst und Karriere machst. Das ist was, das habe ich nicht verstanden. Und dann kommt dann immer so dieses, ja, aber dann fühle ich mich so verpflichtet und so habe ich nochmal die Option, auch mal nicht zu können. Und das ist was, was wir irgendwo noch angehen müssen, weil dann denke ich, das kann doch nicht wahr sein, dass sich diese tollen Frauen da irgendwo selbst sabotieren.
Miriam Wohlfahrt: Habe ich auch schon oft erlebt. Habe ich auch schon wirklich häufig erlebt, hatte auch schon Fälle. Wo ich Frauen dann gesagt habe, warum willst du das machen mit der Teilzeit? Du bestraft dich doch selber damit. Ja, das ist echt das Blödeste, was man eigentlich machen kann. Weil die meisten, die arbeiten dann so, die arbeiten dann Teilzeit, aber machen immer noch mehr und haben eigentlich eine Vollzeitstelle. Und das ist echt ein Nachteil. Also man kann es auch, sollte es vielleicht nicht mehr geben.
Anna-Sophie Herken : Da weiß ich nicht, wie man rankommt, weil wie gesagt, wenn jemand sagt, ich will 50 Prozent arbeiten und mache das, das ist völlig okay, aber die arbeiten ja dann oft mehr als 100 Prozent faktisch.
Miriam Wohlfahrt: Genau, weil es eben genau diese gibt, diese extrem Engagierten.
Joel Kaczmarek: Ja, weil man dann vielleicht auch Sorge hat, dass bei 30 Stunden sind 40 eben 100 Prozent. Und wenn du aber eine 40-Stunden-Woche hast, dann muss es vielleicht 50 oder 60 sein. Und da sind wir in Deutschland tatsächlich auch statistisch gesehen wieder rückständig. Also du hast ja gerade gesagt, können wir auf Leistung gehen statt auf Zeit. Und ich habe bei einem Konzern mal ein Bewerbungsgespräch gehabt und dann habe ich gesagt, ach, ist ja interessant, hier sitzen alle so im Gang und da hinten sitzt der Chef. und wie ist das so? Ja, der kommt morgens rein und guckt, wer da ist schon. Und dann geht er abends nach Hause und guckt, wer noch da ist. Und dann haben die mich zur zweiten Runde eingeladen und ich habe gesagt, ganz herzlichen Dank. Das war ein sehr nettes Gespräch. Und ich bevorzuge Unternehmen, in denen Ergebnisse vor Stunden stehen. Und da bemerke ich bei mir, dass es, wenn ich eine neue Position hatte, mir geht es ähnlich wie dir, Anna, immer mal wieder auch das Feld gewechselt oder auch die Branche, dann ist das erste Jahr für mich besonders intensiv gewesen mit dem Anspruch, wirklich mich einzuarbeiten, Prozesse verstehen, das Netzwerken, auch das Vertrauen aufbauen, dass die Kollegen sehen, okay, die liefert auch, um dann irgendwann zu sagen, wie kann ich jetzt… Das Ganze wieder kompatibler machen mit Familie und da auch nicht fünf Tage mit Überstunden in der Firma sitzen. Du hast gefragt, was braucht es dafür? Es ist tatsächlich so, dass die Schweden zum Beispiel, auch Finnen und Norwegen und Dänen, also jedes Mal, wenn ich da Kollegen hatte, die gehen um fünf Uhr nach Hause. Also für die ist das gar keine Frage. Die sagen immer, habt ihr kein Privatleben? Was macht ihr hier in Holland? Bin ich auch? Wir sagen immer Holland, Niederlande. Marina? Guck dich mal um, wir haben halb sechs. Was machst du hier noch? Das ganze Büro ist leer.
Anna-Sophie Herken : Du hast ein Effizienzproblem in Skandinavien, wenn du da um sieben noch sitzt.
Joel Kaczmarek: Oder hast du kein Privatleben? Bist du zu Hause nicht glücklich? Solche Fragen kommen dann. Also das ist eine gute Frage, die ich nachvollziehen kann, die du dir stellst. Was brauchen junge Frauen, um so in der Arbeit zu bleiben, dass ihnen auch die Führungspositionen nicht verwehrt bleiben? Gerade in der eigentlich kritischen Karrierezeit, zwischen 30 und 40 Jahren, Das ist, wo dann die Männer die Karriere-Schritte machen, wenn die Frau auf Teilzeit geht und dann ist der Gender-Gap irgendwann so groß, der Mann verdient jetzt deutlich mehr. Es macht ja jetzt wenig Sinn, dass der kürzer tritt, damit ich wieder arbeiten kann, weil der verdient ja mehr. Und dann hängst du in dieser Schlaufe einmal drin. Das sehe ich jetzt bei einigen Freunden von mir und kommst gleich mal raus. Also die Allbright Stiftung ist ja jetzt nur eine von vielen Dingen, die du unterstützt. Also das kommt mir vor wie eine sehr lange Liste von Dingen, die du noch machst. Was hat dich bei der Allbright Stiftung, was treibt dich da vor allen Dingen um? Was ist das, was dich in dem Bereich motiviert, dich zu engagieren?
Anna-Sophie Herken : Ja, weil das Thema ist natürlich schon was, was mich motiviert oder engagiert. Also ich bin natürlich, seitdem ich in Deutschland bin, ist das was, was ich beobachte. Ich habe ja dann auch, als ich direkt nach Deutschland kam, fünf Jahre eine Hochschule geleitet und hatte da viele Frauen im Team und habe das das erste Mal wirklich so wahrgenommen, diesen Unterschied. Also ob das jetzt auf der Professorenebene war, dass wir eben wenig weibliche Professoren hatten und dann so den Klassiker, dass wir versucht haben, mehr Frauen zu gewinnen, aber die Berufungskommissionen waren dann natürlich Rein männlich, also eigentlich so ein bisschen wie im Buch, so die ganzen klassischen Problemfelder. Und seitdem ist es für mich natürlich schon ein extremes Thema, was mich treibt. Und die Allred Stiftung passt natürlich sehr gut durch meinen schwedischen Background und weil das natürlich was ist, was ich irgendwo auch kenne und einfach daran glaube, dass wir da viel machen können. Und die Stiftung selber finde ich insofern auch ganz toll, weil die das, finde ich, auf eine unglaublich kluge Art macht. Also es gibt ja diese jährlichen Berichte und auch so Zwischenberichte oder auch diesen Thomas-Kreislauf, wo dann eben gesagt wurde, es gibt mehr Thomasse. Als Vorstaatsvorsitzende, als überhaupt Frauen in Vorständen in Deutschland. Jedenfalls bis zum letzten Jahr war das noch so. Die kommunizieren das ganz gut. Also nicht bissig, aber unglaublich klar mit guten Fakten. Und haben da auch schon relativ viel erreicht.
Miriam Wohlfahrt: Ich finde auch, die sind sehr visibel. Das ist echt toll. Und ich habe die Wiebke auch mal kennengelernt. Die sollten wir vielleicht auch mal hier einladen.
Joel Kaczmarek: Auf jeden Fall. Und jetzt haben wir ja viel darüber gesprochen, was uns Frauen auch so umtreibt. Aber wir haben ja gesagt, der Podcast geht ganz bewusst nicht nur über das Thema Frauen in Führung, sondern uns war genauso wichtig, dass wir uns auch damit beschäftigen, was treibt die Männer eigentlich um? Wie siehst du das aus deiner Erfahrung in den unterschiedlichen Kontexten? Was brauchen eigentlich die Männer? Auch vielleicht von uns Frauen?
Anna-Sophie Herken : Das ist eine schwierige Frage. Was ich schon mitbekomme ist natürlich, dass gerade in unserem Alter, dass es für viele Männer natürlich auch schwierig ist, so bei Karriereentscheidungen, so dieses Gefühl, dass sie jetzt plötzlich so in den Hinterlauf geraten und das ist ein Thema. Bin ich aber nicht so in den Diskussionen drin, weil das natürlich glaube ich eher so untereinander immer wieder diskutiert wird. Ich glaube, dass einfach eine bessere Balance auch bei den privaten Aufgaben, also bei Kindern, bei Sorge, bei Pflege, wenn man das alles besser aufteilen würde. Und ich glaube, dass das auch ein Bedürfnis ist, was Männer zunehmend haben, weil es eben nicht mehr so diese klassische Aufteilung gibt, dass das was ist, was die genauso und gerade die jüngere Generation genauso tangiert wie uns. Und ich glaube, dass man da ja auch viele Gemeinsamkeiten hat.
Joel Kaczmarek: Ja, also es gibt eine Umfrage von A.T. Kearney, die zeigt, dass die Männer immer unzufriedener werden, was die Vereinbarung von Beruf und Familie betrifft. Also gerade die letzten zehn Jahre treibt es die Männer mehr um. Und das ist halt auch was, wo ich denke, das gehört ja dazu zu der Diskussion, weil ihr seid jetzt ja auch in… Bereichen, wo ihr sagt, wir sind da schon ganz gut unterwegs mit Diversität oder Rate Pay natürlich sowieso. Aber es gibt eben auch Kontexte, wenn die Männer dann sagen, ich möchte Elternzeit nehmen, dass die sagen, ich traue mich gar nicht, das hier anzubringen, weil dann werde ich von dem Projekt runtergeschmissen. oder das sieht der Chef nicht gerne oder das hat bei uns noch keiner gemacht, da bin ich der Erste. Also umgekehrt, wo ihr als Frauen in Führung jetzt ja noch so eine gewisse Einhornposition habt, ja gerade im Bereich Finanzen, ist es ja auch für Männer, die sagen, ich bleibe zu Hause. Meine Frau hat den besseren Job.
Anna-Sophie Herken : Aber da müssen sie dann eben auch den Mut haben. Also so wie wir immer die Ersten oft waren, denke ich, ist es genauso dann. Es ist eben unbequem und ich glaube, das ist auch was, was wir wahrscheinlich und ich weiß nicht, wie es Miriam oder wie ihr das erlebt habt, aber ich glaube, so dieses Aushalten, unbequem sein und manchmal auch die Erste, das ist nicht immer schön, aber das muss man eben machen.
Miriam Wohlfahrt: Ich glaube, es müssen sich auch mehr Männer trauen, darüber zu sprechen. Ich glaube, es ist in der Tat nicht einfach. Du bist jetzt ein Mann über 50, sitzt da irgendwie mit deinen Kollegen und du wirst jetzt ständig die sozialen Medien fangen an, dich ja überall zu bashen. Das ist ja auch echt schwierig. Du traust dich ja kaum mehr, glaube ich, als Unternehmen ein Foto zu veröffentlichen, auf dem nicht irgendwo Frauen sitzen, weil zack geht's los, ja, bei LinkedIn.
Joel Kaczmarek: wie der Horst Seehofer, wenn er sein Innenministerium vorstellt und einen Shitstorm sich abholt, weil da, wenn da keine Frau drin ist, ist die Frage, ist das wirklich das beste Team, was er da hat?
Miriam Wohlfahrt: Ja, also ein Freund von mir, der ist, ich mache eben bei, ich nicht nur Ratepay, ich mache auch Payment Banking und der André, der ist jetzt seit irgendwie einem halben Jahr, der ist irgendwie konvertiert. Früher war der schon etwas, Etwas männlich, also nicht, der ist immer noch männlich, aber er war früher halt sehr viel stärker so in diesem typischen irgendwie, hat glaube ich nie mit Frauen wirklich gearbeitet, hat aber zwei Töchter und hat eben auch durch den Austausch inzwischen festgestellt, er muss da mehr machen und der hat jetzt, der nennt sich bei Twitter schon No-Mannel. Ja, und hat da irgendwie auch mal vor ein paar Monaten so einen Artikel bei LinkedIn veröffentlicht und du merkst halt, wie sehr viele darauf anspringen und auch was er so für Kommentare bekommt. Ja, das ist schon interessant. Also ich finde das aber, ehrlich gesagt, klasse, wenn mehr Männer auch anfangen, das in Frage zu stellen, weil das ist der einzige Weg, wie das eigentlich anders werden kann. Dass sie sich mehr damit beschäftigen und Fragen stellen, weil es ist ja auch nicht immer einfach. Weil wir brauchen ja eigentlich, um wirklich eine Veränderung jetzt herbeizuführen, brauchen wir die Männer. Deshalb muss sich bei der Einstellung etwas ändern. Deshalb müssen sie vielleicht auch mal offen darüber reden. Macht ihnen das Angst, wenn die Frauen gerade, aus der Sicht der Männer werden Frauen, glaube ich, gerade stärker befördert. Das ist ja auch ein Ungerechtigkeitsempfinden, also wo man auch mal drüber sprechen muss. Und das finde ich ja auch nicht gut. Also wir sollten uns ja eigentlich, ich meine, es geht ja eigentlich um Gleichheit und es geht ja nicht darum, einen zu bevorteilen und so. Die anderen eben nicht mehr zu sehen. und deshalb finde ich das auch, da ist auch eine Angst der Männer zu spüren.
Joel Kaczmarek: Ja und teilweise ja auch berechtigte Fragen, das hat mir nämlich letztens auch jemand gesagt, Mensch, da haben die Frauen sich so auf die Hinterbeine gestellt, dass sie gleich viel Geld bekommen als Sportmannschaft wie die Männer. Und dann ist aber doch die Frage, mit welchen Spielen machst du denn die größeren Einnahmen? Also wenn bei den Männern mehr Leute zugucken, machst du mehr Umsatz und dann wäre es doch fair, wenn die Männer auch mehr verdienen. oder ist es jetzt fair, dass sie gleich verdienen, obwohl sie ein anderes Ergebnis erzeugen? Na gut, dann bist du natürlich bei so einer ganz grundsätzlichen kulturellen Grundsatzdiskussion, warum wird bei den Männern überhaupt mehr zugeguckt als bei den Frauen? Darum geht es ja eigentlich eher, wie kann man das Verständnis gegenseitig erhöhen und sagen, okay, wir sehen auch, dass es auf der anderen Seite jetzt auch nicht nur rosa Wolken sind und alles easy peasy, sondern da fehlen ja auch die Rollenvorbilder. Also du hast ja zum Beispiel starke Frauen gehabt mit deiner sogar Urgroßmutter schon, hast du gesagt. Auch, dass das für dich dadurch eine Selbstverständlichkeit war. Aber wie ist das für die Männer? Also wie ist es, wenn du als Mann nur gelernt hast, der Mann ist der Versorger. Und der muss stark sein. Der weint auch nicht, der sagt auch nicht, dass er müde ist. Wenn er krank ist, geht er trotzdem zur Arbeit. Und jetzt hast du eine Frau an deiner Seite, die hat studiert, die sagt, du, ich habe einen guten Job. Ich verdiene sogar ein bisschen mehr. Kannst du bitte kürzer treten?
Miriam Wohlfahrt: Es wird sich sehr ändern. Also ich kann mir, wenn ich mir meine Tochter angucke, ich kann mir nicht vorstellen, dass die, also die sehen jetzt schon andere Bilder. Und die sehen natürlich auch, ich meine, die ist 15, die hat immer eine Bundeskanzlerin erlebt. Für die ist das so selbstverständlich, dass es eben auch Chefinnen gibt. Und also ich bin nicht so aufgewachsen. Ich habe früher eigentlich kaum Chefinnen irgendwo gesehen. Außer das waren dann Frauen, die manchmal so waren, dass sie so gewirkt haben wie Männer. Und das war auch, das war ja kein Vorbild. Und ich glaube, je mehr Frauen natürlich irgendwie sichtbar werden Die nicht wie Männer wirken, sondern die auch Frau sein dürfen, desto mehr entstehen da neue Bilder im Kopf.
Joel Kaczmarek: Ja, und eine Sichtbarkeit, die du hast gerade, Anna, ist ja auch, dass du bei den Emotion Awards aufgetaucht bist.
Miriam Wohlfahrt: Ah, wir müssen alle abstimmen, oder? Ja.
Joel Kaczmarek: Genau. Kannst du da ganz kurz ein bisschen Kontext zu geben? Was sind die Emotion Awards?
Anna-Sophie Herken : Das ist von einer Zeitung. Das sind Awards in verschiedenen Kategorien. Da gibt es eine, die richtet sich an Frauen in eine Kategorie, die heißt Frauen in Führung. Und da hat nämlich netterweise die Natascha Hoffner von HerCareer nominiert mit ihrem Team und da laufen jetzt Abstimmungen. Aber da sind ganz viele tolle Frauen. Das ist ganz interessant, das so durchzugucken, die verschiedenen Kategorien, weil das auch nochmal so, ich finde es ganz inspirierend zu sehen, auch in welchen Bereichen es noch so Frauen gibt, die ganz aktiv und ganz sichtbar sind.
Joel Kaczmarek: Ja, die Miriam ist ja auch ständig irgendwo für nominiert. Ich glaube, eins war jetzt auch wieder als Gründerin.
Miriam Wohlfahrt: Vom Startup-Verband, ja. Da werden die Preise vergeben für Gründerinnen und Gründer und Nachwuchsgründer und Unternehmen. und ja, das ist ganz cool, am 5. März. Bin sehr gespannt.
Anna-Sophie Herken : Können wir auch wählen, oder?
Miriam Wohlfahrt: Nee, nee, da gab es eine Jury. Ja, ich bin mal echt gespannt. Also harte, nee, Konkurrenz will ich gar nicht sagen. Konkurrenz finde ich ein doofes Wort, weil also die anderen zwei Frauen, die sind auch echt toll, was die gemacht haben und ich finde es echt super, dass ich da daneben sein darf und ich denke, das freut mich schon sehr.
Joel Kaczmarek: Ja, da habt ihr ja beide auch einfach schon genau das, oder ihr setzt ja gerade genau das um, was ihr sagt, was es auch braucht. Also ein paar Sachen haben wir jetzt ja eigentlich im Laufe der Zeit schon mal rausgearbeitet. Also ein gewisser Ehrgeiz und eine gewisse Umtriebigkeit ist vielleicht auch Teil der Persönlichkeit. Und sich auch hohe Ziele zu stecken und zu sagen, ja, ich möchte mal was werden. Und es darf auch was Großes sein. Und dass die Karriere-Schritte sich auch eben einfach viel über Kontakte, über wie werde ich auch als Person wahrgenommen werden. Darum macht es auch Sinn, authentisch zu bleiben, weil man wusste, wenn man Anna trifft oder Miriam, die ist so, wie sie ist. Und wenn man da einen guten Eindruck macht, auch einfach zu sehen, dann ergeben sich auch diese Möglichkeiten, einfach weil man ein gutes Standing hat. Ja sagen, wenn man dann die Angebote bekommt, nicht so lange nachdenken und zweifeln. Den Mund auch gerne aufmachen, wenn man noch kein hundertprozentiger Experte ist. Das war ja auch nochmal ein Punkt. Und diese Rollenvorbilder zu haben, die ihr in dem Fall ihr jetzt quasi auch seid. Also wenn ihr jetzt so auf eure Kinder nochmal guckt, was wünscht ihr denen eigentlich für die Zukunft, was sich da im Bereich Unternehmen und Arbeitswelt noch dreht?
Anna-Sophie Herken : Dass sie das Vertrauen haben. Ich habe gar keine großen Bilder oder Ideen, was jetzt meine Kinder machen müssen oder sollen, aber dass sie einfach sich durch nichts gehindert fühlen. Also so dieses Grundvertrauen, dass sie das, was ihnen Spaß macht und Freude macht, dass sie das können und dass sie innerhalb dessen, was sie dann entscheiden, was sie machen, da auch wirklich Ambitionen haben und versuchen, das Beste damit zu machen.
Miriam Wohlfahrt: Habe ich auch gerade gedacht. Also, dass sie was findet, wo sie denkt, das ist das, was mich begeistert und egal, was das eigentlich ist. Hauptsache, sie ist dann auch ehrlich zu sich selbst und sagt vielleicht auch Nein zu Dingen. Und dass sie nicht das tut, was irgendwer von ihr erwartet, sondern das, was sie gerne möchte. Das finde ich extrem wichtig, weil ich glaube, wenn du das tust, was du gerne möchtest und nicht das, was deine Eltern tun, dann bist du echt gut in dem.
Anna-Sophie Herken : Ja und Spaß daran zu haben, gut an etwas zu sein. Dass wir merken, ich bin jetzt gut in irgendwas, was auch immer das ist. Und das macht Spaß, wenn man gut ist.
Joel Kaczmarek: Ja, das ist witzig, weil das so ein anderer Ratschlag ist, als den ich hatte vor kurzem. Ein ganz spannendes Gespräch im Flieger mit zwei Männern, die neben mir saßen. Die waren auch so Mitte 50 und haben sehr offen miteinander gesprochen. Aber man kann im Flieger echt nicht weghören, wenn man so aufeinandersetzt. Und neben dem Abwandern die Frau wieder zugänglicher wird, sobald die Kinder ausziehen, kann man ja auch wieder als Paar näher zueinander kommen. Das war eins der Themen. Kam auch das Thema, ja, meine Tochter hat sich jetzt einen Studienplatz gesucht und ich habe ihr geraten, mach Logistik. Logistik ist ein Feld der Zukunft, da findest du immer Jobs. Und da habe ich ihr gesagt, da soll sie sich auf Logistik setzen. Sie hat gesagt, macht ihr nicht so viel Spaß? Habe ich gesagt, aber das ist zukunftsträchtig. Und da musste ich so ein bisschen grinsen und an mich halten.
Miriam Wohlfahrt: Das ist aber echt gut.
Joel Kaczmarek: Weil ich gedacht habe, ja, das ist auch noch so das Bild von früher ein Stück weit. Also mach was Solides, Junge. Und wie du wieder aussiehst, such dir doch, wolltest du nicht mal Tierarzt werden oder so.
Anna-Sophie Herken : Du weißt ja nicht mal mehr, was zukunftsträchtig ist, selbst wenn du gute Ratschläge verteilen willst.
Miriam Wohlfahrt: Nein, ich glaube ja manchmal, du kannst über dich selbst hinauswachsen, wenn du Dinge hast, an denen du eine Begeisterung spürst und eine Energie bekommst. Wenn du was Langweiliges machst, ich meine, dann machst du das eben so. Das sind genauso, ich hasse das so, letzten Sonntag musste ich die Unterlagen für die Steuererklärung zusammen, da brauche ich ewig, ja. Das ist aber etwas so, das meine ich damit, das sind Dinge, die mag ich nicht. Aber ich kann manchmal so brennen, dann merke ich keine Zeit mehr, gar nichts. Dann ist mir das auch, dann spüre ich das nicht. Und dann bin ich auch viel, ich bin einfach viel besser in dem, was ich tue. Weil dann bist du so angeschaltet und ich glaube, das braucht man. Deshalb wünsche ich meiner Tochter, das finde etwas, wo du echt für brennst. Egal was das ist, wirklich. Es geht dann auch nicht um Geld oder irgendwas, weil dann fühlst du dich auch wohl, dann geht es dir auch psychisch gut. Und überhaupt, wenn du das findest, was dir Spaß macht.
Joel Kaczmarek: Ist das was, weil da fällt mir gerade ein, Anna, dass du gesagt hattest, auch die Zeit mit dem MBA in Cambridge und so weiter, das kam dir gar nicht so dolle vor. Ist das das, was einen dann auch einfach mehr Leistung bringen lässt? Weil das euch ja so wichtig ist, auch dieses, wir müssen Spaß haben an dem.
Anna-Sophie Herken : Ich glaube, man muss Spaß haben. Und das war schon anstrengend. Also manchmal blende ich das dann auch aus. Aber andererseits, das war so befriedigend, dass ich wusste, ich realisiere das gerade. Und wie gesagt, damals war es, weil ich glaube, ich war eine der ersten Frauen, die da auch immer ihr Neugeborenes mitgebracht hat. Und dann die Nanny wartete im Nachbarraum zum Stillen. Und dann haben aber in dem Kurs, wir waren ja wenig Frauen, haben dann relativ viele Kinder bekommen. Und das war dann auch so wieder so, man muss dann die Dinge auch so verändern, dass es dann wieder so erträglich für einen wird. Also ich habe dann eben gesagt, ja, dann Ich habe dann auch, was weiß ich, mal einen Kurs über Video gemacht und habe gesagt, ich muss ab und zu raus zum Stillen. Und ich glaube, man muss dann auch den Mut haben zu sagen, so, eure Spielregeln passen jetzt nicht 100 Prozent auf diese Lebenssituation. Jetzt müssen wir die irgendwie ein bisschen anpassen. Das ist für alle sehr befriedigend. Ja, schön.
Joel Kaczmarek: Das ergänzt nochmal den Punkt, weil das eine, was wir gerade, wo ich es so zusammengefasst habe, war ja eher, was sind Tipps vielleicht für Frauen, die auch in Führung gehen wollen? und das andere war ja der Punkt, was können Unternehmen jetzt tun? und da hast du ein konkretes Beispiel genannt, das war die Pipeline. Inwiefern haben wir überhaupt einen Blick dafür in unserem Unternehmen, berücksichtigen wir das überhaupt, ob wir divers sind oder ist uns das egal oder haben wir es gar nicht auf dem Schirm. Die Leistungsorientierung statt Präsenzkultur. gucken wir eher auf Outcome als darauf, ob die Leute auch ausreichend lange hier in den Büroräumen sitzen und auch Lösungen haben und Räume schaffen, wo Frauen das Gefühl haben, ich kann hier wirklich auch das Thema, ich möchte Mutter sein und ich möchte Karriere machen, miteinander vereinbaren. Und das kann wirklich um ganz, das klingt so banal vielleicht für die Männer, aber es ist, glaube ich, für Frauen auch ein Riesenthema. Kann ich irgendwo stillen? Gibt es Räumlichkeiten dafür? Kann ich mein Kind im Notfall irgendwie mitbringen? Was ist, wenn das Kind krank ist? Wie kann ich das mit der Arbeit vereinbaren? Und ich glaube, da gibt es noch viel zu tun. Ich bin sehr, sehr beeindruckt von deinem Werdegang und auch zu sagen, es ist anstrengend, es ist auch nur fair, dass es zwischendurch eben auch einfach Kraft kostet und zu dem Mut auch eine Leistungsbereitschaft einfach dazugehört. Aber das inkludiert die Männer ja genauso wie die Frauen. Das ist jetzt nicht unbedingt eine Geschlechterfrage. Von daher bin ich sehr, sehr dankbar heute für den Einblick, den du uns gegeben hast und für den gemeinsamen schönen Austausch.
Anna-Sophie Herken : Danke. Viel Spaß gemacht mit euch.
Joel Kaczmarek: Eine Abschlussfrage, die finde ich ganz interessant nochmal mitzunehmen dann ins nächste Gespräch, mit wer auch immer dann bei uns zu Besuch ist. Was hast du für eine Frage an die Männer, wenn es um das Thema Geschlechterfragen in Führung geht? Welche Frage sollen wir mal unseren männlichen Gesprächspartnern stellen?
Anna-Sophie Herken : Ich finde immer ganz interessant die Frage, gerade bei jüngeren Männern, wie aufgeschlossen und gleichberechtigt sind sie wirklich? Weil das ist was, was ich mich frage, das ist dieses Perspektiv. Bias-Thema. Weil ich erlebe, dass die meisten, wenn man die fragt, und das meinen die, glaube ich, auch wirklich ehrlich von ganzem Herzen, gar nicht sehen, dass sie in ihrer Bewertung von weiblichen Kolleginnen vorgesetzt sind, dass sie dann andere Maßstäbe ansetzen. Und da wirklich mal ehrlich mit sich zu sein, was ja auch schwierig ist, das finde ich ein interessantes Thema. Also für uns alle, aber gerade für Männer, die sagen, wieso bei mir ist doch alles anders, ich bin doch total modern. Und da wirklich mal dahinter zu schauen.
Joel Kaczmarek: Das ist doch mal eine schöne Frage, um sie mitzunehmen für unser nächstes Gespräch.
Anna-Sophie Herken : Ich bin gespannt, was rauskommt.
Joel Kaczmarek: Vielen Dank dafür.
Anna-Sophie Herken : Danke euch beiden. Danke.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Diversity: Lasst uns Organisationen neu, offen und tolerant denken! Nachdem wir anfangs die Organisationsentwicklerin Marina Löwe und Ratepay-Gründerin Miriam Wohlfarth wiederholt vor dem Mirko hatten, um dich für Diversity zu sensibilisieren, diskutiert Joel mittlerweile regelmäßig mit Lunia Hara (Diconium) zu Themen rund um Leadership und Diversity. Dabei geht es den beiden explizit nicht um Mann oder Frau, sondern um die Schaffung von Empathie füreinander sowie ein ganzheitliches Bild und Verständnis für verschiedene Rollen und Perspektiven.