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Miriam Wohlfahrt: So, wir haben heute wieder eine neue Folge von Geschlechterfragen in Führung. Female Leadership Podcast mit Marina und Miriam. Heute haben wir die wunderbare Claudia zu Gast. Claudia Frese.
Claudia Frese: Guten Morgen.
Miriam Wohlfahrt: Guten Morgen. Schön, dass du bei uns bist.
Claudia Frese: Ich freue mich.
Miriam Wohlfahrt: Claudia, du bist ja schon so auch ein digitales Urgestein und bist jetzt Vorstand bei MyHammer. Ein langer Werdegang, den du hast. Das ist wirklich ein Wow-Werdegang. Vorstand hört sich ziemlich geil an, muss ich sagen. Erzähl uns doch nochmal, wie bist du eigentlich da hingekommen? Gott.
Marina Löwe: muss man machen, um Vorständin zu werden.
Miriam Wohlfahrt: Genau.
Claudia Frese: Also wenn ich jetzt wieder mal mitten in der Mitte einsteigen darf, dann musst du bereit sein, einen Job anzunehmen, den sonst kein anderer haben will. Aber dazu vielleicht später mehr. Ich habe angefangen, im Digitalbereich zu arbeiten, in den späten 90ern. Ich habe In verschiedenen Rollen, in verschiedenen Unternehmen, kleine, große, Startup, Later Stage, alles mögliche gearbeitet. Die längsten Sachen, die ich gemacht habe, war tatsächlich eBay, da habe ich relativ lange gearbeitet und ziemlich viel Product Management gemacht. Damals, als wir das noch Product Management genannt haben und nicht Product Ownership in der Wasserfallzeit. Also ich hatte vorher schon Marketing gemacht, ich habe nachher auch wieder Marketing gemacht, das ist so mein anderes. Standbein neben Products und Marketing. und dann habe ich halt angefangen immer mehr so Leadership-Themen zu machen, Internationalisierung, M&A, Strategie und so weiter und so fort. und dann irgendwann kam es eben zu dem Punkt, dass ich gefragt wurde, ob ich bei MyHammer den Vorstand übernehmen möchte. und dann habe ich tatsächlich noch einen Moment drüber nachgedacht, weil ich noch so ein anderes Jobangebot hatte. und dann Dann hat mir eine Freundin gesagt, sag mal, bist du bescheuert? Kannst du da jetzt bitte sofort zu sein? Und im Nachhinein war es eine ganz, ganz gute Idee.
Marina Löwe: Wolltest du immer schon digital sein?
Claudia Frese: Als ich studiert habe, gab es digital tatsächlich noch nicht. Aber ich bin direkt nach dem Studium in diesen Bereich reingegangen. Und das auch sehr bewusst. Spätestens Mitte der 90er war es klar, dass Internet das nächste große Ding ist. Und ich fand es wahnsinnig spannend. Ich hatte kurz überlegt, ich habe Politik studiert und ich wollte in Politik promovieren, hatte ich mir eine Weile überlegt.
Miriam Wohlfahrt: Ich hätte auch in Politik studiert.
Claudia Frese: Und hatte tatsächlich im Moment überlegt, ob ich nicht Digitalpolitik machen will. Also als Thema, als wissenschaftliches Thema. Das gab es ja noch gar nicht zu der Zeit. Und bin im Nachhinein immer noch so zwiegespalten, ob das nicht damals eine gute Idee gewesen wäre, weil wir uns vielleicht ein paar Sachen hätten ersparen können, über die wir jetzt gerade stolpern. Weil wir früher drüber nachgedacht hätten. Also ich bin sehr früh in die Digitalwelt reingegangen, als sie gerade entstand und seitdem auch nie rausgegangen.
Marina Löwe: Und bist du gegangen, weil das das nächste große Ding ist oder weil du eine Leidenschaft hattest für das Thema?
Claudia Frese: Eigentlich suchte ich nach was Unkonventionellem. Also meine Hauptmotivation war, ich hatte vorher eine Weile in einem Automobilzulieferbereich gearbeitet, während des Studiums relativ lange. Bei Bosch. Also Autoteile wusste ich wahnsinnig. Ich wusste von mir selbst, dass ich jemand bin, die gerne sehr kommunikativ mit Leuten umgeht. Und ich hatte überhaupt gar keine Lust auf große Firmen. Damals haben wir das noch nicht Startup genannt, aber ich denke, das ist, was es war. Das war für mich perfekt vom Umfeld. Und Tech hat mich tatsächlich fasziniert von Anfang an. Aber wie sehr, habe ich erst ein paar Jahre später verstanden.
Marina Löwe: Okay, also Leidenschaft kann wachsen mit dem Drinsein und Loslaufen.
Miriam Wohlfahrt: Ich finde es auch spannend, dass du Mitte der 90er Jahre schon das gemacht hast. Ich weiß gar nicht mehr, hat man das damals auch schon digital genannt?
Claudia Frese: Nee, wir haben es Internet genannt. Ich glaube, 2000 bin ich nach Berlin gekommen und habe in einem Startup gearbeitet. Damals nannten wir das tatsächlich auch schon Startup. Und das war so diese erste New Economy-Welle. Und es ging tatsächlich in der New Economy ja auch um die Veränderung von Arbeitswelten und Arbeitsstrukturen, Arbeitskultur eigentlich. Mindestens genauso viel wie um den ganzen Rest, ehrlich gesagt. Ich habe mich da sehr, sehr wohl gefühlt. Danach bin ich tatsächlich zu eBay gegangen, was allerdings zu dem Zeitpunkt auch noch eine kleine Firma war. Danach konnte ich mir auch nicht mehr vorstellen, irgendwie in einem traditionellen Unternehmen zu arbeiten.
Miriam Wohlfahrt: Das ist mir ähnlich gegangen. Sag mal, du hast eben gesagt, du warst zu Tech verliebt. Wie bist du eigentlich dazu gekommen? Hast du irgendwie, wie bist du da geprägt worden? Von deinem Elternhaus? oder wie ist das entstanden?
Claudia Frese: Nee, eigentlich nicht von meinem Elternhaus. Ich bin grundsätzlich, glaube ich, jemand, die gerne in Strukturen denkt und von meiner Anlage her eher analytisch. Ich fand es schon immer total spannend, mich reinzudenken in Systeme. Und das ist ja das, was Tech im Grunde ist. Ich sehe das immer als so Kastenstrukturen vor mir. Funktionsketten reinzudenken und dann so Logiken irgendwie durchzudeklinieren und das dann auch irgendwie zu visualisieren, das ist dann wieder der Product-Management-Teil davon. Und das fand ich irgendwie schon immer spannend, das macht mir totalen Spaß, macht mir heute noch totalen Spaß.
Miriam Wohlfahrt: In deinem Job heute, was machst du genau? Bist du auch für die Tech-Themen verantwortlich, oder? Bist du auch, verantwortest du auch den Bereich. Wie ist das bei euch mal? Hämmer ist ja nun auch ein männlich geprägtes Umfeld, nehme ich mal an, oder? Ja, ich nicht.
Claudia Frese: War es mal, aber das hat sich in den letzten sechs Jahren ziemlich verändert. Wir sind ziemlich 50-50, würde ich sagen.
Miriam Wohlfahrt: Das ist bestimmt auch, weil du an der Spitze bist, oder? Na klar. Es ist häufig so, wenn dann Frauen an der Spitze sind, die andere Frauen auch wieder anziehen. Ja, klar. Weil sonst die Branche, ich nehme mal so die Handwerkerbranche, ist ja schon eine eher männlich dominierte Branche.
Claudia Frese: Ja, klar. Lauter Helden.
Miriam Wohlfahrt: Wie ist das so für dich manchmal, wenn du so auf so Veranstaltungen gehst oder so? War das früher komisch für dich?
Claudia Frese: Ich nehme das wahr. Ich gehe manchmal auf Veranstaltungen und zähle aus Spaß die Frauen und rechne die Frauenquote aus und freue mich dann, wenn ich in den Raum komme und ich verdoppel die Frauenquote. Und dann meistens steigere ich auch noch den Altersdurchschnitt. Das ist ganz toll. Du steigerst ihn? Den rechne ich auch aus. Ach so, ja, okay.
Marina Löwe: Digitalbranche.
Claudia Frese: Digitalbranche. Also nur für die Frauen. Frauen über 40, nicht so viele. Ich weiß nicht, ich nehme das irgendwie gar nicht mehr wahr meistens. Man kann jetzt sagen leider. Es ist eigentlich die Normalität, in der wir alle arbeiten, also in der Minderheit zu sein. Und wenn ich nicht gerade einen Witz für mich selbst draußen mache, dann meistens, wie gesagt, ich nehme es glaube ich gar nicht wirklich wahr.
Miriam Wohlfahrt: Ja, kann ich verstehen. Also mir geht das auch manchmal so. Ich weiß noch, in der Fintech-Branche oder Finanzbranche sind ja auch nicht so viele Frauen. Und in den letzten Jahren ist es ja viel extremer geworden, weil überall bei Twitter, in sozialen Medien wird ja quasi dann auch hinterfragt, warum sind da so wenig Frauen. Aber so vor einigen Jahren war das noch nicht so. Und ich war mal auf so einem Dinner, diesen Anfängen der Fintech-Branche, ich glaube, es war dann so 2013, 2014, als das Wort so hochkam. Da gab es ein Dinner in Berlin, so alle irgendwie Gründer oder Geschäftsführer, außer in Fintechs, waren da eingeladen im Borchardt, ziemlich edles Restaurant hier in Berlin. Es gab auch nur zwei Frauen. Mir ist es ehrlich gesagt gar nicht so sehr aufgefallen, weil es für mich so eine gewisse Normalität hatte. Und ich saß neben einem, der sagte zu mir, kommst du nicht komisch vor, wenn ich mir jetzt überlegen würde, ich würde jetzt hier so mit, keine Ahnung, 48 Frauen sitzen als Mann, wäre eine ungewohnte Atmosphäre. Und dann ist mir das erstmal so richtig bewusst geworden. Das ist schon interessant. Man nimmt das gar nicht mehr so wahr, wenn du lange in so einer Branche bist.
Marina Löwe: Ja, das ist ja echt dann auch so ein Schlüsselmoment, weil mir fällt auch auf, auch durch überhaupt das Auseinandersetzen mit dem Thema, dass man dann bei sich selber so guckt, okay, was waren denn bei mir Schlüsselmomente? Und dann erst mal merkt, also mir geht es ja auch genau wie euch, gar nicht oft drüber nachgedacht. Das war halt normal, egal ob ich im IT-Bereich war oder mit Ingenieuren. Das ist heute noch so, dass ich in den Workshops oft die einzige Frau bin, gerade je höher das in der Führungsebene kommt. Was sind denn für dich so Schlüsselmomente gewesen, wo es dir vielleicht doch bewusst geworden ist, irgendwie gibt es hier so einen Unterschied in den Geschlechtern oder überhaupt ein Thema?
Claudia Frese: Was mir jetzt gerade als erstes in den Kopf gekommen ist, ist eigentlich ein positiver Schlüsselmoment. Als ich in den ersten Jahren bei eBay gearbeitet habe, da waren wir in Deutschland nur ein ganz kleines Product Team, aber wir waren wie so ein Satellit auf das globale Product Team, was natürlich schwerpunktmäßig in den USA saß. Ich bin da auch relativ viel gewesen, habe mit denen sehr eng zusammengearbeitet, fand es auch mal ganz toll. Da gab es eine CTO, eine weibliche CTO. Darüber gab es noch Mac Whitman. Also ein weibliches CEO, darunter gab es eine weibliche CTO. Darunter gab es vier oder fünf Product Directors, von denen mindestens zwei, wenn nicht drei Frauen waren. Und das Team war auch mindestens 50-50. Und die hatten auch alle Kinder. Also ich hatte eine Kollegin, die gähnt immer so herzzerknallt. Wir haben telefoniert, vier Kinder, davon war das letzte und die war ständig schwanger, gefühlt fünf Jahre lang am Stück. Und die arbeiteten natürlich alle Vollzeit und die hatten halt diese total kurzen Elternzeitregelungen, irgendwie vorher drei Wochen, hinterher zwei Monate, that's it. Und zwei Monate war schon super großzügig, das war schon auf Ebay-Payroll. Ich wurde in der Zeit auch schwanger und es war für mich so ein völliges Ding der Selbstverständlichkeit, dass ich irgendwie nach einem halben Jahr wieder gearbeitet habe und wieder mitten in diesem Team drin war und dann halt irgendwie auch abends am Telefon noch irgendwie mit meinem Kind auf dem Arm irgendwie zu Hause Sachen gemacht habe und so Zeug, weil die das auch alle so gehandhabt haben. Und ich glaube, im Nachhinein hätte ich in dem Lebensabschnitt in einem anderen Umfeld gearbeitet, in einem traditionelleren, deutscheren Umfeld, mit deutscheren Geschlechterrollen als Vorbild, dann hätte ich das vielleicht ganz anders gehandhabt. Aber ich habe es wirklich überhaupt nicht hinterfragt zu dem Zeitpunkt. Und im Nachhinein denke ich immer, oh, was ein Glück, weil ich bin überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass man das auch anders machen könnte. Und das war tatsächlich für mich wirklich so ein Schlüsselmoment, mich nicht als Exot zu fühlen oder so, sondern als im Breitband der Normalität. Ja, richtig. Und das auch wirklich, also im Nachhinein, das war super. Das war eine sehr nette Zeit und eine sehr nette Atmosphäre und ich mochte das da total gerne.
Marina Löwe: Also ist auch was, was du im Nachhinein nicht beschreibst als, boah, das würde ich so nicht wieder machen oder das war eigentlich total belastend, wenn ich es mir heute angucke.
Claudia Frese: Nee, das war genau richtig. Ich meine, natürlich ist das belastend.
Marina Löwe: Das sehe ich auch bei den Frauen, die zu Hause bleiben. Ja, ich meine, kleine Kinder haben es halt anstrengend. Ja, genau. Große Kinder haben es aber auch anstrengend.
Claudia Frese: Völlig egal, wie man es macht. Aber jetzt ich für mich fand das so gut.
Marina Löwe: Und das finde ich mega spannend, weil das wieder zeigt, wie sehr Kontext uns prägt. Und das merke ich auch in den Diskussionen mit meinen Freundinnen. Also mein Sohn ist jetzt 16, ich bin 37. Meine Freundinnen fangen jetzt an oder haben jetzt kleine Kinder. Vor 16 Jahren kam mir viel noch die Rückfrage, warum bringst du dein Kind mit ein? einem Jahr schon zur Kindertagesstätte, wo ich gesagt habe, naja, ganz ehrlich, der ist jetzt ein paar Wochen da, der macht Lernsprünge in einem Ausmaß mit den anderen Kindern. Das würdet ihr mit mir nicht machen, weil Kinder sich an Kindern orientieren. Ich finde es auch völlig prima, wenn jemand sagt, ich möchte noch mehr Zeit mit dem Kind zu Hause verbringen, aber eher, dass ich das Gefühl habe, bei uns Frauen kommt manchmal noch so ein Rechtfertigungsfeld dazu. Je nach Kontext ist es dann natürlich auch ungewöhnlicher, wenn du es machst. Deshalb bei dir dann zu hören, okay, wenn es ein Arbeitsumfeld gibt, gibt, indem das normal ist, indem das alle so machen, dass das für dich dann auch einfach eine Selbstverständlichkeit ist und keine Hürde darstellt.
Miriam Wohlfahrt: Das, was ich total interessant finde, unser letzter Podcast mit Anna, die hat auch sofort angefangen zu arbeiten, auch im internationalen Kontext zu dieser Zeit gearbeitet. Bei mir war es ja auch so, ich habe im niederländischen Umfeld gearbeitet zu dieser Zeit, hatte Rollenvorbilder, bei denen das so funktioniert hat und deshalb habe ich ja auch ganz kurz nur ausgesetzt, also habe eigentlich nur ein paar Wochen ausgesetzt. Du sagst es auch, das ist schon prägend, weil ich habe mir auch oft die Frage gestellt, was wäre gewesen, hätte ich zu dieser Zeit in einem deutschen Unternehmen gearbeitet, in dem man mir gesagt hätte, nee, das macht man so nicht und alle anderen hätten es eben auch nicht so gemacht, dann wäre ich vielleicht auch nicht so. Ich habe mich ja nicht als mutig empfunden, aber es war dann irgendwie eine normale Situation.
Claudia Frese: Wir hatten im Vorfeld eben gesprochen über einen Artikel, der vorletzte Woche von McKinsey veröffentlicht worden ist und ich weiß nicht, ob ihr die Studie nochmal angeguckt habt. Eigentlich sind wir diese ganze Aquariums. Eine Statistik, und hier sind sie ja immer wahnsinnig gut mit Statistiken, die Jungs, die sie gezeigt haben, war über Hierarchie-Ebenen hinweg, wie der Frauenanteil sich über die Zeit entwickelt. Und total überraschenderweise ist es in deutschen Unternehmen so, dass der stärkste Abfall von Frauenanteilen nach Führungsebenen zwischen der ersten und der zweiten Führungszeit, Also Teamleiterin werden die Frauen noch, aber Director werden sie nicht. Und das ist ja auch völlig überraschend, weil typischerweise passiert sowas Mitte 30. Jetzt kann man sich nochmal überlegen, wann die Mehrheit der Frauen mit Bildung Kinder bekommt. Das ist jetzt gar nicht theoretisch, individuell oder irgendwie anekdotisch, sondern das ist, ich glaube, total empirisch belegbar, dass es in unserem Land halt an der Stelle einen Karriereknick gibt. Weil alle Frauen zu lange zu Hause bleiben.
Marina Löwe: Und dann hast du sowas wie das Elterngeld und Ehegattensplitting, was es auch einfach nicht attraktiv macht, wieder arbeiten zu gehen. Und das unterscheidet uns ja zum Beispiel von Schweden, wo man in den 70er Jahren schon das Ehegattensplitting abgeschafft hat und auch in etlichen anderen Ländern, wo es einfach für die Frauen attraktiver ist, mitzuarbeiten, anstatt wie in Deutschland ist es gut, wenn einer viel verdient und einer wenig oder gar nichts. nichts. Und dann hast du irgendwann mit den Kindern zu Hause Zeit gehabt und merkst, mein Mann verdient aber so viel mehr, wenn ich dem jetzt sagen würde, dass der zu Hause bleiben, damit ich wieder Gas geben, das macht ja keinen Sinn. Aus der Nummer kommst du dann irgendwann nicht mehr raus. Der Artikel, auf den du referierst, ist Shattering the Glass Screen, falls ihr den sucht. Der ist von Februar 2020, geht vor allen Dingen um die Ungleichheiten über die Geschlechter gesehen noch in Media und Entertainment. Zwar in den USA, aber du kannst zig Studien daneben liegen, die sich auch auf Deutschland.
Claudia Frese: Und was mir eben gefällt, ist, dass sie es halt empirisch aufarbeiten in Zahlen und sagen halt, okay, es gibt diese Glasdecke, die findet eben irgendwo zwischen den untersten beiden Führungsebenen statt. Und dann sagen sie, es gibt nochmal so eine Glaswand. und da geht es darum, dass zwischen der vorletzten und der letzten Karrierestufe, SVP, VP, der Anteil der Führungskräfte, die von außen in die Unternehmen reingeholt werden, am höchsten ist und der Anteil von Frauen nochmal unterproportional gering ist. Also nicht nur gibt es weniger Frauen auf der VP-Ebene, die potenziell befördert werden könnten, sondern sie werden auch tendenziell weniger von außen reingeholt. Ein doppelter Filter. Und wenn man sich das jetzt mal überlegt, das ist ja irgendwie relativ trivial, wenn du eh schon nur 20 Prozent bist und dann bist du auf einer Liste von fünf immer mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent die Gewinnerin der Liste, ist der Faktor halt echt klein. Und das fand ich nochmal irgendwie so ganz erhellend, das nochmal so eben so aufgearbeitet zu sehen und man denkt so, ja klar. Aber es ist eben schön zu merken, aha, es ist nicht irgendein anekdotisches Hirngespinst, sondern das kann man halt auch tatsächlich durchrechnen.
Marina Löwe: Genau, da gibt es ja auch eine Menge Vorurteile. und als ich den Artikel gesehen habe, dass du den geteilt hast, habe ich mich nämlich gefragt, es gibt ein Video von dir, wo dich jemand gefragt hat, sagen Sie mal, wie kommt es denn, dass so wenig Frauen in dem Bereich in Führung sind? Ich glaube, da hast du damals gesagt, es müsste mehr Frauen geben, die auch im Tech-Bereich sich ausbilden, also eine bessere Ausbildung haben, dann käme der Rest von ganz alleine. Wie würdest du das heute sehen?
Claudia Frese: Ich glaube, das ist tatsächlich die Eine richtige Hälfte der Medaille. Frauen müssen halt nicht nur auf die entsprechenden Ebenen entwickelt werden, sondern die müssen auch noch in den richtigen Bereichen auf den Ebenen sein. Es ist halt nicht hilfreich, wenn es alles HRlerinnen und Finanzfrauen sind, weil die werden eben nie CEO oder nur sehr selten.
Marina Löwe: Meistens nicht mal im Board, die Personale. Also wenn du in die Konzerne guckst, dann ist People our most important resource. Ja, ja, Menschen sind ganz wichtig. Wichtig, warum sitzt kein Personaler im Board? Das ist immer schon mein erstes Fragezeichen bei einem Konzern.
Miriam Wohlfahrt: Wobei es ändert sich ein bisschen im Moment, habe ich so das Gefühl.
Marina Löwe: Schrittweise, aber wir sind in Deutschland so weit hinten, dass es zwar schön ist, wenn wir sehen, dass sich was bewegt, aber die anderen Länder, USA, Schweden, sind bei doppelt so vielen Frauen und wir sind von den 50 Prozent in höheren Führungsebenen ganz weit weg gerade.
Miriam Wohlfahrt: Trotzdem wird das Personalresort dann immer noch so ein bisschen, das hört sich jetzt doof an, belächelt. Nein, aber es wird nicht so wichtig angesehen wie jetzt irgendwie ein Tech oder ein Finance oder Operations oder Sales oder wie auch immer.
Claudia Frese: Ja, und dann gibt es auch die Letzte, die sagen würde, dass es nicht wichtig ist. Absolut. Das ist eine total wichtige Funktion.
Marina Löwe: Aber die Wahrnehmung hast du recht.
Claudia Frese: Aber wenn man das nur aus der Perspektive der Karrieremöglichkeit betrachtet, dann ist es halt ab irgendeiner Ebene zu Ende. Du kannst ja auch eine Weile in Personal arbeiten und dich dann wieder in irgendwas anderes weiterentwickeln. Also das ist ja alles nicht so linear. Ich meine nur, wenn ich mir angucke, nicht nur die Statistiken über wie viele Vorständinnen haben wir eigentlich in Deutschland im börsennotierten Unternehmen, bla bla bla. Das dann auch nochmal runter segmentiert, in welchen Positionen sind die eigentlich. Denn daraus ergibt sich ja der Funnel. für die nächsten fünf Jahre, dann muss man sagen, da gibt es eine Menge tolle Frauen, aber vielleicht noch nicht ganz auf der Vorstandsebene. Und das ist dann die erste Hälfte. zu der Antwort auf deine Frage. Und die andere Hälfte ist wahrscheinlich, naja, und dann braucht es die Männer, die den Willen haben, diese Frauen zu entwickeln und in diese Position reinzuheben, denn die Frauen alleine werden es nicht schaffen.
Marina Löwe: Weil oben sind zu wenig Frauen, die hochziehen können. Kennt ihr die HeForShe-Kampagne? Ja. Genau. Also ich habe mir nochmal gestern die Rede angeguckt von der Emma Watson. Sie ist zwar immer noch Hermine Granger für mich aus Harry Potter, was ich ja mit meinem Sohn damals auch geguckt habe, aber was für eine unglaublich brillante Rede, weil sie auch gesagt hat Männer, diese Chancengleichheit ist auch euer Thema. Weil ist es für Männer heute in Deutschland genauso leicht, wie für Frauen Elternzeit aufzunehmen? Ist es für Männer genauso leicht, Hilfe zu nehmen, wenn es um psychische Krankheiten geht? Nee, da haben wir auch einen Riesengap. Und da gibt es noch mehr Fälle von. Also wie leicht ist es für Männer, Schwächen zuzugeben oder sich auch verletzlich zu zeigen im Business? Werden die nicht viel eher kritisiert in manchen Kontexten, als wenn eine Frau sagt, oder habe ich einen Fehler gemacht? Stichpunkt Fehlerkultur. Das ist immer alles so schön gefordert, agiles Arbeiten. Aber wenn wir eine Kultur haben, wo in der Sozialisierung es angebracht ist, zu sagen, reiß dich zusammen weitermachen und lass keinen sehen, dass du einen Fehler gemacht hast und das bei Männern viel prägender ist, gerade in der Generation, die ja jetzt in der Führung ist, dann müssen wir uns eigentlich nicht wundern. Und dann ist Geschlecht. Deshalb haben wir es ja auch Vieh- und Male-Leadership genannt. Nicht nur eine Frage von, was brauchen denn die Frauen, sondern was brauchen denn auch die Männer? Wenn du mal bei dir guckst, vielleicht bei MyHammer oder auch was du in den anderen Unternehmen erlebt hast oder in der Branche, was denkst du, macht es für die Männer teilweise auch schwer, Platz zu machen oder hochzuziehen?
Claudia Frese: Es geht einfach so viele Männer an, die irgendwie schon eine Karriere gemacht haben, die mir gerade einfallen, wie sie irgendwie so, nee, wir wollen keinen Meterplatz machen.
Marina Löwe: Ja, die Frage ist ja, haben die denn alle Karriere gemacht, weil es leicht war? Und mit Sicherheit der Thomas Kreislauf sagt ja, natürlich zieht ein Thomas eher den Thomas mit hoch, weil er weiß so, der kann ungefähr das Gleiche wie ich, der hat einen ähnlichen Hintergrund. Auf der anderen Seite hast du ja dann auch begrenzt gelernt, mit Unterschiedlichkeiten umzugehen. Weil du eben gewohnt bist, dass die Leute dein Mindset haben. Du musst nicht lange erklären, du musst dich zwar noch reiben, aber anders. Also eher so politisch über, wer ist hier das Alpha-Männchen am Tisch?
Claudia Frese: Weil ich jetzt ein Mann wäre, würde ich jetzt sagen, ist doch gut.
Marina Löwe: Ja, also was ist denn der Vorteil, wenn da jetzt die Männer auf einmal Platz machen für die Frauen?
Claudia Frese: Ich glaube, dass die Männer den Vorteil so für sich noch nicht, zumindest nicht flächendeckend erkannt haben. Weil sonst wäre es ja anders, als es ist.
Miriam Wohlfahrt: Wir haben noch zu wenig Erfahrungswerte eigentlich im Moment.
Claudia Frese: Mein Gefühl ist, das ist ein Generationenthema. Ich glaube, dass wenn ich mir jetzt so Generationen, Gen Y, Gen Z angucke, die sind kulturell von der Art, wie ihre Wertestrukturen gebaut sind, glaube ich tatsächlich anders als noch die Generationen davor. Also ich bin ja so eine Gen X Person, so Mitte 40 und in meiner Generation, wir sind alle sozialisiert von diesen wilden 80er, 90er Jahre Kapitalismus. Fantasie. Gordon Gekko und Konsorten. Ich glaube, da tut sich relativ wenig. Und die sind ja jetzt auch schon alle durch den Flaschenhals durch. Das ganze Familienthema ist irgendwie gegessen. Ich glaube, erst wenn sich wirklich zwischen Frauen und Männern in der Gesamtheit kulturell was wandelt, kann sich auch wirklich in den sozialen Strukturen was verändern. Also Stand heute würde ich sagen, da warten wir noch drauf. Aber ich habe absolut Hoffnung, dass wenn so die nächste Generation ankommt auf den Uhrenführungseben, dass das auch tatsächlich passiert.
Miriam Wohlfahrt: sich verschoben haben. Habe ich auch eine Hoffnung. Warum ist es heute so? Weil man rekrutiert ja ganz oft aus dem Netzwerk heraus. Das ist, was ich eben sagte bei MyHammer. Ihr habt eigentlich ein typisch männliches Umfeld, trotzdem habt ihr auch viele Frauen. Bei Raidpay ist es ähnlich. Wir sind auch in einem sehr männlichen Umfeld. Wir haben aber auch fast 50 Prozent Frauen. Vor allem in der Führung sind wir über 50 Prozent Frauen. Wir rekrutieren aber alle so ein bisschen aus den Netzwerken. Und wenn oben nur Männer sitzen, ist es so schwer für diese Männer auch zu rekrutieren. Ich sage mal, die oberen Jobs werden selten über Stellenanzeigen vergeben. Das meiste läuft eben über, ich kenne da wen und der würde da passen. Und wenn du die eben nicht kennst, die Menschen, dann kannst du die auch nicht empfehlen. Und ich glaube gar nicht mal, dass das oft böswillig ist. Das ist auch gar nicht so, dass viele Männer so grundsätzlich so denken, nee, ich will da nicht, dass da eine Frau hinkommt. Sondern ihnen fällt einfach vielleicht in dem Moment keine ein, die sie fragen könnten.
Marina Löwe: Ich glaube, das sind beide Ebenen, weil es gibt Vorstände definitiv, die sagen, wir haben kein Ziel, überhaupt eine Frau in den Vorstand zu holen. Also die sich das nicht mal als Ziel setzen und sich nicht bemühen. Und in dem Artikel von McKinsey war es ja auch wieder gut aufgegriffen, weil da glaube ich auch zu 100 Prozent dran, wenn du Leute fragst, wer ist verantwortlich für das Thema Diversität und es wird genannt, der Personalvorsitzende, dann ist irgendwas immer noch nicht angekommen in der Firma. Weil es ist absolute Chefsache. Es ist die Aufgabe des CEOs zu gucken, sind wir hier gut aufgestellt, haben wir das beste Team? Und wenn dann nur Männer sind, und es ist nicht böse gemeint, aber dann ist es unwahrscheinlich, gerade wenn es eine Branche ist, wo es auch weibliche Kundinnen gibt oder weibliche Abnehmer, dass das das beste Team ist. Team sein kann. So wie Herr Seehofer da ja auch einen Shitstorm geerntet hat für sein Innenministerium, was er vorgestellt hat. Aber die Frage ist ja eher, das sind zwei Ebenen. Also das eine ist das Wollen und das andere ist vielleicht das Können. Wie kann man auf beiden Ebenen ansetzen? Wie war das denn überhaupt bei Ebay? Wie kam es dazu, dass ihr so eine Durchmischung hattet? War das überhaupt im Fokus oder hat sich das eher so entwickelt?
Claudia Frese: Also die Durchmischung war vor allem in den USA. In den Deutschen, ich kann mich ehrlich gesagt gar nicht mehr so richtig daran erinnern, gab es ein paar Frauen. Aber es gab definitiv mehr Männer als Frauen, würde ich jetzt mal retrospektiv sagen. Aber dann lage ich mich nicht darauf fest, weil es echt auch schon eine Weile her. Mir ist es damals nur sehr stark aufgefallen, eben in amerikanischen Organisationen, weil es eben auch die Tech-Organisationen war. Und ich hatte vorher, bevor ich zu Ebay gegangen bin, in einer sehr tech-lastigen Firma gearbeitet, in Bielefeld, in Güterslohm genau zu sagen. Also dreimal darf man raten wo. Und da waren wir, ich weiß nicht, bei 200 Leuten waren wir vier Frauen oder so. Das war nicht so divers da. Und das war so mein Bild irgendwie auch von Tech-Companies in Deutschland. Deswegen war der Kontrast so bedeutend. Aber ich bin mir nicht sicher. Ich glaube tatsächlich, dass das gerade in Silicon Valley zu der Zeit auch schon kulturell so anders war. Und das sich, glaube ich, auch seitdem nicht verändert hat, dass das die Normalität war.
Marina Löwe: Also USA allgemein hat es doppelt so viel. Und weil du jetzt sagst Tech, ich bin ja wirklich in sehr vielen Branchen unterwegs und dann ist es relativ irrelevant, ob es Produktion war oder im Maschinenbaubereich oder auch im Konsumgüterbereich, Investmentbanking. Wenn ich da irgendwas moderiert habe oder irgendwo Trainings gegeben habe, dann ist es zu 90 Prozent so, dass ich in der Unterzahl sind wir immer, aber wirklich häufig auch alleine da den Hut auf habe. Und das ist so ein bisschen gefühlte Realität. Deshalb habe ich manchmal gedacht, gut, vielleicht hast du ein Händchen dafür, dass du dir immer die Männerkontexte raussuchst, weil irgendwas da für dich auch funktioniert. Aber wenn du dir die Statistik anguckst, dann passt es eben auch dazu. Aber ihr habt ja schon gesagt, man nimmt das dann manchmal auch gar nicht mehr so wahr für sich oder findet das gar nicht mehr so komisch, weil so ist es halt. Wie ist denn das im Arbeitskontext? Jetzt bist du ja CEO und ihr seid Deutschlands führendes Handwerkerportal. Also unter dir ist es ja auch nochmal richtig gewachsen. Ihr habt auch die Anzahl der Mitarbeiter verdoppelt, habe ich gesehen. Oder sogar verdreifacht jetzt.
Claudia Frese: Also nicht so eine Kunst, wir waren sehr klein. Hahaha.
Marina Löwe: Okay, aber das heißt, du hast ja schon eine echt gute Marktposition auch ausgebaut. Wie wirst du denn wahrgenommen in der Branche? Also weil du sagst, ich bin schon häufiger alleine, aber wie begegnet man dir?
Claudia Frese: Zunächst mal sind wir ja zwei Vorstände. Wir sind Mann und Frau. Insofern haben wir tatsächlich eine 50 Prozent Frauenquote im Vorstand. Und das ist auch ganz gut so, weil wir als Vorstandscharaktere gestalten. Ich glaube, so gegensätzlich sind, wie man maximal sein kann. Und ich finde, das ergänzt sich sehr gut. Ich glaube, das ist tatsächlich eines der Erfolgsrezepte, warum es uns in Summe auch sehr gut geht, weil da halt sehr unterschiedliche Prioritäten und Denkweisen in der Firma verankert sind. Das ist eine andere Art, Diversität zu beschreiben. Ein Beispiel dafür, warum das tatsächlich Sinn macht, divers zu sein. Ich bin mir darüber hinaus nicht sicher, wie stark mein eigener Bias ist. Ich glaube, ich habe den sehr wohl. Manchmal ertappe ich mich dabei. Also in meinem Team zum Beispiel sind tatsächlich ausschließlich Männer. Die zweite Führung ist eben nicht ganz 50-50, aber fast. Und alle Frauen berichten an meinen Vorstandskollegen und alle Männer berichten an mich.
Miriam Wohlfahrt: Echt? Ja, das ist ja lustig.
Claudia Frese: Das ist total schräg. Und ich frage mich mal so, wie konnte das passieren? Habe ich das jetzt irgendwie unconscious bias-mäßig irgendwie so tief psychologisch herbeigeführt? Oder ist es tatsächlich Zufall? In meinen guten Stunden sage ich, naja, es muss wohl Zufall sein. Darüber hinaus glaube ich tatsächlich, das hast du eben gesagt, dass der Erfolgsfaktor für ein Unternehmen und für den Erfolg ist immer die Summe der Talente in der Firma. Ich glaube, eine Sache, die wir relativ gut hingekriegt haben, ist sehr früh sehr gute Leute da reinzuholen. Obwohl die Firma in einem katastrophal schlechten Zustand war und keinen besonders guten Ruf hatte und all diese Sachen haben wir es irgendwie trotzdem geschafft. Und es ging tatsächlich vor allem qua Netzwerk, qua persönlicher Kontakte, qua Überredungskunst. Und aus diesem ersten Set von Leuten, die da so reingekommen sind, ist letztendlich auch ein sehr gutes Team erwachsen, was einfach einen guten Job gemacht hat.
Miriam Wohlfahrt: Das ist ganz ähnlich wie bei Red Pay. Wir haben ganz viele Gemeinsamkeiten. Auch Doppelspitze in der Führung. Auch wenn man uns beide so sieht, Jasper und mich, sehr, sehr unterschiedliche Menschen. Aber genau das macht das eben. Das ist Diversität. Gelebt und auch wirklich sichtbar.
Claudia Frese: Und übrigens auch anstrengend. Ich finde es ja viel einfacher, in einem Raum mit fünf like-minded Frauen mich irgendwie zu unterhalten. Also wir sind ja Teil von so einer internationalen Gruppe. Also Mayhammer hat eine amerikanische Mutter, die wiederum ganz viele europäische Töchter hat. Und wenn wir uns in dem Gremium treffen, also mit den CEOs und manchmal noch den CPOs dazu, dann bin ich tatsächlich die einzige Frau. Und ich finde es echt anstrengend mit diesen Leuten.
Miriam Wohlfahrt: Wir müssen immer kämpfen.
Claudia Frese: Wir sind alle individuell nett, aber irgendwie diese zehn Männer in einem Raum und ich, das finde ich schon stressig. Ja, wenn das alles Frauen wären, wäre es einfacher.
Marina Löwe: Das habe ich mich schon gefragt, wie ihr das wahrnehmt, weil wir das letztens noch hatten. Ich habe in einem Planspiel mitgemacht und da haben wir nochmal sehr gemerkt, je nachdem, wen du mir an die Seite setzt, passe ich mir an. Ich kann super gut folgen, aber sobald keine Führung da ist, übernehme ich die Führung. Und wenn dann einer noch eigentlich sozial so ein Platzhirsch ist, dann lege ich halt einen drüber. Das kann ich, das habe ich halt gelernt, dass du irgendwann mehr Alphatier sein musst, als die Männer im Raum, wo ich natürlich im Nachhinein denke, immer noch ein Stück weit dabei, für mich als Frau ja viel unangemessener als für die Kerle. Wenn du da irgendwann mit verschränkten Armen hinterm Kopf sitzt und dich im Stuhl zurücklehnst und sagst, ja, die Herren, das müssen sie jetzt selber entscheiden, das ist nicht meine Aufgabe. Das ist doch schön. Also es fühlt sich auch überheblich an natürlich. Das habe ich nicht gemerkt.
Claudia Frese: was Comedy-Charakter ist.
Marina Löwe: Genau. Ich muss dann eher schmunzeln und die Männer irgendwann auch, weil ich spiegle die natürlich einfach. Da sitzen sechs Männer, lehnen sich zurück, Hände verschränkt in deinem Kopf und sagen, Frau Löwe, was sollen wir jetzt machen? Und dann lehne ich mich genauso zurück und sage, ja, die Herren, das ist ja ihre Strategie. Ich bin ja hier nur am moderieren. Dann werden sie sich mal einig. Und ich glaube, diese Schnodderigkeit so ein Stück weit, das hat mir auch geholfen, weil mein Kollege mir auch häufig so seine Power-Strategien mitgeben wollte, wo ich gesagt habe, pass auf, du bist so ein 1,98 Mann. Wenn du reinkommst und mit deiner teuren Uhr auf den Tisch und keine Ahnung, was für ein Auto du fährst, aus den Spielen bin ich raus, mit mir muss keiner konkurrieren aus der Truppe. Weil ich bin für die keine Konkurrenz. Das heißt aber auch, ich brauche ja ganz andere Strategien als Frau, vor allen Dingen dann noch blond Psychologin, erfülle dann ja auch alle Klischees, reinzukommen und zu sagen, wie kriege ich jetzt Führung? Da habe ich mich gefragt, wie ist das bei euch? Wie erlebt ihr euch auch in unterschiedlichen Kontexten? Also seid ihr immer gleich? oder inwiefern passt ihr euch so dann auch dem Umfeld an? Und merkt, da verhalte ich mich anders.
Miriam Wohlfahrt: Gute Frage ist das. Ich glaube, ich bin relativ gleich. Ich würde gar nicht so sagen, ich habe so unterschiedliche Rollen inne. Wobei, was du eben beschrieben hast, wenn da jemand ist, wenn niemand da ist, der irgendwie sagen will, ich mache das jetzt oder wir gehen jetzt nach vorne, dann nehme ich mir das schon irgendwie unterbewusst oft an. Ja, so dass ich dann denke, okay, ich muss mich jetzt kümmern oder sowas. Allerdings würde ich jetzt nicht so sagen, dass ich in eine Rolle gehe. Aber was ich interessant fand, wie kam man eigentlich dahin? Weil ich glaube, ich saß eigentlich immer in einem Umfeld, wo ich mich irgendwie behaupten musste. Ich musste immer meine Ideen durchpeitschen. Deshalb musste ich immer dafür kämpfen. Habe ich auch nach wie vor oft das Gefühl, dass ich so diese Ideen habe, die die anderen manchmal gar nicht so toll finden. Ja. Wie?
Marina Löwe: Kommst du auf schräge Ideen?
Miriam Wohlfahrt: Na, du musst dir immer überlegen, also wenn wir es jetzt am Beispiel von Rate Payment sehen, ich bin irgendwo und entwickle irgendeine Idee für eine neue Produktlinie oder habe jemanden getroffen, mit dem könnte man Folgendes machen. Das kommt aber, ich komme zurück ins Unternehmen, sage, ich möchte jetzt das machen, das machen, das machen. Das heißt aber für alle anderen, die müssen wieder neue Dinge machen und das nervt ja erstmal, das gab es. eine Produktroadmap, die abgestimmt war, es gab das. und jetzt kommt da wieder Nerverin und sagt, sie will das jetzt unbedingt machen, weil sie irgendwie unbedingt an etwas glaubt. Also musst du eigentlich ständig in so eine Situation gehen, du musst dafür kämpfen und du musst dann voller Leidenschaft dich da reinholen und hoffen, dass du die anderen auf deine Seite ziehst. Ich glaube, so habe ich das immer gemacht und so ist das irgendwie bei mir entstanden.
Claudia Frese: Aber ich glaube, das, was du da gerade beschreibst, ist kein weibliches Verhalten, sondern das ist das ganz normale Rollenverhalten für jemanden, der die operative Verantwortung hat. Also ich wäre jedem Satz, was du gerade gesagt hast, würde ich sagen, ja, ja, genau. Ja, so ist es bei mir auch. Ja, total. Und dann habe ich so gedacht, ja, aber das hat nichts damit zu tun, dass wir Frauen sind. Wenn wir Männer wären, wäre das genau das Gleiche. Weil wir sind diejenigen, die für die Unternehmen nach vorne denken und Außenimpulse einbeziehen und den Markt kennen und mit den Investoren reden und all diese hässlichen Faktoren, die zu Veränderungen führen. Das hat nichts damit zu tun, ob wir jetzt Frauen oder Männer sind, sondern das ist halt der Job.
Miriam Wohlfahrt: Das stimmt.
Claudia Frese: Du bist dann halt diejenige, die nach vorne geht.
Miriam Wohlfahrt: Genau. Also ständiges Hinterfragen des Status Quo und immer wieder neu, immer wieder weiter, immer wieder weiter, weiter, weiter. Und alle kommen nicht zur Ruhe. Das nervt alle. Deshalb bist du eigentlich der Aufmüpfer, der Nerver.
Claudia Frese: Und vielleicht ist das mit ein Grund, warum euer Unternehmen so erfolgreich ist.
Marina Löwe: Ja, vielleicht ist es so. Dieses Antreiben. Ja, und die Emma Watson hat was Gutes gesagt in ihrer Rede 2014 zu der HeForShe-Kampagne. I have always been told, I've been bossy.
Claudia Frese: Oder pushy. Bockig habe ich auch schon gehört. Das fand ich besonders schön.
Marina Löwe: Ja, bockig oder du bist so stur vielleicht oder so. Und was ich mich gefragt habe, weil ich gebe euch völlig recht, für mich ist das auch eher Führungsverhalten. Ich frage mich allerdings, inwiefern das von den Geschlechtern gleich gewertet wird, wenn die Frau dieses Führungsverhalten an den Tag legt, als wenn der Mann das Führungsverhalten an den Tag legt. Weil Rollen war vielleicht das falsche Wort. Ich fühle mich auch in allem authentisch. Weil meine Eltern immer gesagt haben, die im Kindergarten haben damals schon gesagt, ihre Tochter hat sie aber gut im Griff. Die hat ja bei Ihnen anscheinend die Hosen an und es gibt ja diese Alpha-Kinder anscheinend auch schon. Das war ja nichts, was ich mir ausgesucht habe, sondern genau wie Emma Watson, so bin ich. Also wenn es irgendwo was anzuschieben gibt und ich glaube daran, dann schiebe ich das an, so wie du das auch beschrieben hast, Miriam. Ich frage mich allerdings, ob das ähnlich wahrgenommen wird und ich da ähnlich viel Applaus für kriege als Mädchen, als wenn ich ein Junge bin. Echt jetzt?
Claudia Frese: Ist die Antwort nicht klar? Nein. Jetzt mal ehrlich zu uns allen. Ich glaube, davon müssen wir uns verabschieden. Natürlich wird das weniger anerkannt und natürlich entspricht das nicht deinem Rollenklischee. Und wer das nicht glaubt, dem empfehle ich einen einfachen Test. Geh mal mit einem Kinderwagen in eine Bank und geh mal mit einem Anzug und einem Laptop-Bag in eine Bank und rede mit den Leuten. Oder zum Bahnschalter oder irgend sowas. Autokaufen ist auch ganz toll übrigens.
Marina Löwe: Das ist super.
Claudia Frese: Jesus.
Marina Löwe: Also meine Freundin wollte ein Auto kaufen und dann sagt der Verkäufer, wissen Sie denn, was Sie haben wollen? Und sie so, nee, weiß ich noch nicht. Ja, so können Sie ja kein Auto kaufen. Wenn Sie nicht wissen, was Sie wollen, dann habe ich gedacht, ist das ein Idiot? Die Frau hat Kohle, es ist ihr scheißegal, verkauft wieder einfach das, was sie am schönsten findet und sagt, also selbst wenn Frauen dann nicht auf PS gucken, sondern auf. Der ist schön, aber es ist auch nachvollziehbar, dass ein Mann denkt, ein Mann geht doch nur Auto kaufen, wenn er weiß, was er will. So wie Klamotten. Der kauft das Hemd und die Hose, weil er weiß, das passt mir und ich brauche das und das nehme ich mit. Als Frau gehst du ja auch shoppen. Ich bin jetzt am übertreiben. Ich weiß, liebe Hörer und Hörerinnen, dass es da zu differenzieren gibt. Aber statistisch gesehen sind Frauen laut Studien beim Shoppen entspannter als vorher. Männer gehen der Puls hoch, wenn sie shoppen müssen. Das heißt, der Autoverkäufer kennt vielleicht nur so die männliche Wahrnehmung und denkt sich, wenn ich ein Auto kaufe, weiß ich, was ich will. Ich weiß, ob ich PS brauche oder eher dies oder schnickschnack. Und als Frau gehst du hin und sagst, ich brauche ein Auto. Beraten Sie mich mal. Und der Verkäufer sagt, so können Sie kein Auto kaufen.
Claudia Frese: Das ist lustig. Ich habe mir tatsächlich auch vor, ich weiß nicht, drei oder vier Jahren, habe ich mir ein Auto gekauft und das zweite Auto in meinem Leben, was ich neu gekauft habe. Und ich habe zu der Zeit auch gerade den Vertrieb aufgebaut bei MyHammer. Insofern hatte ich irgendwie mich mit dem Thema Vertrieb relativ intensiv auseinandergesetzt und auch so, wie man pitcht und Sales-Strategien und so. Und ich habe wirklich selten so viel schlechten Vertrieb erlebt. Und das ging durch sämtliche deutschen Premium-Marken. Die waren, einer war schlechter als der andere. Und die einzige wirklich gute Vertrieblerin, die ich getroffen habe, war eine junge Frau bei Mercedes. Die war super. Ich habe das Auto nachher nicht gekauft, weil es mir nicht gefiel. Aber wahrscheinlich ist es für die statistisch weniger relevant, Autos an Frauen als an Männer zu verkaufen, weil Männer eher Entscheidungen über Autos treffen als Frauen. Aber wenn man annimmt, dass sich das wandelt, dann würde ich denken, die brauchen mal ein Sales-Coaching. Und ich bin komplett bei dir. Ich bin da auch reingelaufen und habe gesagt, also pass mal auf, ich werde jetzt entweder das, das, das oder das Auto kaufen. Erzähl mir doch mal bitte, warum ich das brauche.
Marina Löwe: Genau. Vielleicht ist das eine andere Haltung, mit der wir einkaufen gehen, weil ich denke auch immer, ey, du willst mir was verkaufen, dann mach doch mal. Und dann denke ich, ah nee, die Autobranche hat es ja auch nicht so nötig gehabt bisher, weil die Autoverkäufer haben mir dann alle erzählt, was sie ja auch für ein großes Haus haben und wie viele andere Immobilien sie noch verwalten, wo ich gedacht habe, sag mal, wie hast du das geschafft mittlerweile? der Art von Verkauf, weil ich kaufe hier keins. Vor allen Dingen interessiert mich das ja nicht, wie viele Häuser du hast, sondern mich interessiert, warum ich das Auto kaufen soll. Aber du hast ja vorhin das schon ganz gut angesprochen, inwiefern spielt der Gender-Bias mit rein? und inwiefern haben wir auch diesen Bias, weil das Dumme ist. ja auch als Psychologin, selbst wenn du es studiert hast und selbst wenn du es theoretisch weißt, der Unterschied ist, du ertappst dich vielleicht eher dabei, aber du bist überhaupt nicht safe davor, dass du diesen Bias selber hast. Was sehen wir vielleicht auch auf der anderen Seite bei den Männern zu wenig?
Claudia Frese: Ich denke mal nicht so sehr in Gender-Stereotypen, weil ich das sehr einengend finde, sondern eher in sowas wie statistischen Häufungen. Also ich glaube, es gibt bestimmte Verhaltensweisen, die tatsächlich statistisch häufiger bei Männern oder bei Frauen auftreten. Aber das ist nicht genug, um daraus eine zwingende Schlussfolgerung abzuleiten, sondern das ist eher so eine Art Beobachtung nach hinten. Ich glaube, dass wir uns trainieren können oder wir können uns helfen mit Tools, also blinde Bewerbung zum Beispiel. Diese Biases auszuschalten und wir müssen uns bewusst sein, dass wir die haben, aber loswerden werden wir sie nicht. Und das hat, glaube ich, was damit zu tun, wie unsere Wahrnehmung funktioniert. Das Hirn ist zu doof, um so viele Signale auf einmal zu verarbeiten und fällt deswegen auf Muster zurück. Das ist notwendig. Und weil es statistische Hörfunk gibt, gibt es auch in dem entsprechende Muster. Die kannst du nicht mal eben wegdenken. Die sind da. Ich glaube, wir müssen um die rumbauen. Im Sinne von, wir müssen uns bewusst werden, dass das existiert und dann gezielt dagegen arbeiten. Eher als jetzt irgendwie zu meinen, wir könnten das irgendwie loswerden. Wenn es wirklich einen substanziellen kulturellen Wandel gibt, dann wird das irgendwann anders. Aber Stand heute gibt es den nicht oder gibt es den nur sehr langsam. Und dann geht es eher darum, die Wahrnehmungsfallen erkennbar zu machen.
Marina Löwe: Genau, weil Bewusstsein ist ja erstmal das Erste, dass du überhaupt weißt, was ist ein Gender Bias? Wo bin ich da vielleicht schon mal reingetappt und was kann ich machen, auch methodisch zum Beispiel, um das auszugleichen? Also alleine, dass du in einem Funnel auch sagst, für dich zum Beispiel, Claudia, inwiefern wäre das ein Ziel, dass du demnächst auch mehr Frauen im Team hast? Wie kannst du aktiver auch nach weiblichen Bewerbern gucken, um zu sagen, vielleicht habe ich bisher einfach noch nicht im richtigen Pool gesucht? nach Frauen und deshalb eher gesehen, naja, aber die Männer waren qualifizierter. Die kleinen Schritte, wo man sagt, was kann man sich selber setzen, was den Gender Bias betrifft, ich glaube, dass wir uns an ganz vielen Stellen auch gar nicht darüber klar sind, wie das entstanden ist. Du hast gesagt, statistisch gesehen, ja, statistisch gesehen ist das ja auch in vielen Fällen so, dass Männer eher dies, Frauen eher das. Aber woran liegt das? Wie viel davon ist Biologie und wie viel davon ist unsere Sozialisierung, weil wir uns dadurch geprägt haben. Und ein Aha-Effekt für mich war, auf der HeForShe-Webseite gibt es auch so einen schönen Gender Intelligence Test, den man mal für sich selber machen kann, wo einer dann auch beschreibt, naja, nehmen wir doch mal die typischen Farben Blau und Pink. Heute würde man eher sagen, Mädchen Baby Rosa und Jungs eher Blau. Oder zumindest in einer gewissen Generation ist das noch so verankert. Das war aber vor einer ganzen Weile noch komplett umgedreht. Da war Pink die absolute Powerfarbe. Die war nur für Männer. Und das Blau war eher gediegener und zurückhaltender. Das war eher für die Frauen. Und genauso, wenn du dir Louis Vuitton im 14. anguckst. Der trägt High Heels, der trägt Strumpfhosen. Wie sehr sich das auch einfach immer wandelt so in der Zeit und das für sich auch einfach mal bewusst zu machen und da kannst du schon sehr aktiv natürlich auch durch Trainings einfach viel lernen. Die sind dann nicht sofort weg. Die Frage ist, kann man überhaupt was verändern, wenn man sich diesen Schritt gar nicht als erstes angeguckt hat, wenn man sich selber gar nicht im Klaren ist, wo habe ich denn meine Vorurteile eigentlich?
Miriam Wohlfahrt: Wir hatten am Anfang mal darüber gesprochen, so Vorbilder, Rollenmodelle in den Medien. In den Medien ist es nach wie vor so. Du siehst doch kein Bild von einer erfolgreichen Frau, die mit ihren Kindern zusammen ist, als Bild. Zum Beispiel im Manager Magazin. Diese Bilder, die du siehst, die stellen was anderes dar.
Marina Löwe: Du bist die Taffe dann eher im Hosenanzug irgendwo. Ja.
Miriam Wohlfahrt: Ja, Hosenanzug. Oder du siehst schon anders aus als die Mutter mit dem Kinderwagen. Und du bist da vielleicht genau die gleiche Person. Ich habe meine Tochter mit drei Monaten zu einer Tagesmutter gegeben und am Nachmittag habe ich den Kinderwagen geholt um 17 Uhr und habe sie abgeholt und war die Mama mit Kinderwagen. Trotzdem war ich ja nicht eine andere Person. Aber das meine ich nur damit, diese Bilder, die man so sieht, man assoziiert ja immer irgendetwas Bestimmtes damit. Und das erzeugt ja auch dann sowas im Kopf, dass die Mutter mit Kinderwagen nicht die taffe Frau sein kann.
Marina Löwe: Oder sogar noch einen draufgesetzt, du stärkst noch die Rolle des Zuhause-Seins, indem du sowas machst wie, ich führe ein erfolgreiches Familienunternehmen. Und ich finde das total legitim, weil es wichtig ist, diese Hausfrauenrolle mehr zu wertschätzen. Das hat mir in der Vergangenheit viel zu sehr gefehlt. Aber wenn ich auf die Realität wie Altersarmut im Alltag gucke und überlege, was meiner Oma an Rente zugestanden hätte und die hat nicht nur drei Kinder großgezogen, sondern auch noch alle Enkelkinder mit hochgeschleust, weil eben unsere Mütter wenigstens Teilzeit zumindest auch schon arbeiten waren. Auch meine Oma hat auch meinen Sohn aufgepasst, als ich noch im Studium war. Und das hat so unfassbar wenig Anerkennung bekommen, so wenig Wertschätzung, weil ohne diese Frauen im Hintergrund Wären ja auch die Karrieren der Männer an ganz vielen Stellen nicht möglich gewesen. Ich war zwar die Hauptverdienerin, habe aber trotzdem nur 50 Prozent zu Hause gemacht. Und da habe ich gedacht, das ist mir irgendwie schon eleganter, wenn du dann jemanden zu Hause hast, der dir den Rücken komplett frei hält.
Miriam Wohlfahrt: Das ist total angenehm, oder? Als ich ein Kind war, mein Vater ist dann abends immer so um sechs, halb sieben nach Hause gekommen. Da hat meine Mutter ihm das Essen hingestellt. Und es war dann auch so, mein Vater musste erst mal sich ins Arbeitszimmer legen und eine Stunde Augenpflege machen. Dann konnte er aufstehen. Augenpflege heißt schlafen, oder? Ja, der hat dann immer so, der brauchte seine Ruhe. Es war jetzt gar nicht so sehr vielleicht das Schlafen, aber der wollte in das Zimmer, Tür zumachen und seine Ruhe haben. Und dann war er quasi bereit, mit der Familie Zeit zu verbringen. Ich denke da heute so oft dran, weil ich manchmal, wenn ich dann nach Hause komme, ja, und dann weißt du, okay, du musst abends noch was einkaufen. Dann musst du gucken, dass man Essen macht.
Claudia Frese: Kurz noch irgendwie Schule besprechen. Genau, Schule besprechen. Vokabeln lernen, was da geil ist, was uns geht. Das hätte ich auch gerne. Das wäre super.
Miriam Wohlfahrt: Das wäre so ein Traum. Du hättest jemanden, der sich darum kümmert, dass wenn du abends nach Hause kommst, dass du eigentlich nichts mehr machen musst. Das wäre doch ein Träumchen, oder? Oh, absolut, bin dabei. Ja, aber das ist eben das Anders. Und das ist eben, ich glaube, das, was die Männer eben auch eine sehr, sehr lange Zeit hatten, weil es einfach das gängige Bild der Gesellschaft war. Und so sind die Karrieren vielleicht auch nochmal anders möglich. Es ist schon tough, dann auch Karriere zu machen mit Kind, wenn du das auch noch bewerkstelligen musst da abends zu Hause und eben nicht da die Frau ist oder eben der Mann ist, der dir das Essen hinstellt. Absolut.
Claudia Frese: Naja, ich meine, das ist genau dein Punkt von eben mit der Wertschätzung. Also wenn es so wäre, dass diese, man sagt ja auch oft so Care-Arbeit oder unbezahlte Arbeit, dass die in gleichem Maße gewertschätzt würde wie die Arbeit, die man macht, um Geld zu verdienen, wäre dieses Problem der ungleich verteilten Aufgabenverteilung, wäre ja schlimm, ne? Weil das ist ja eins der zentralen Probleme, dass Frauen halt in der Regel von beidem mehr machen müssen. Also bezahlte Arbeit und unbezahlte Arbeit. Und das ist für mich so eine Zwischenstufe, wenn man jetzt über Gleichberechtigung nachdenkt, als ein Langfristprozess. Denn es ist sozusagen, was wir jetzt gemacht haben in den letzten, weiß ich nicht, 30, 40 Jahren, ist uns in diese Arbeitswelt mehr oder weniger reinzubewegen. Was wir noch nicht geschafft haben, und das meine ich nicht nur wir Frauen, sondern als Gesamtgesellschaft, unbezahlte Arbeit so zu wertschätzen, dass wir die auch gleich verteilen. Und zwar über Männer und Frauen. auf einer Augenhöhe, auf einer wirklich gleichberechtigten Basis darüber diskutieren können, wer jetzt welche Aufgaben übernimmt. Denn das ist tatsächlich immer noch so ein Stereotyp. Das ist irgendwie ganz lustig. Ich hatte gestern Abend zwei ganz lustige Diskussionen meiner Tochter, die ist 13. Da musste ich gerade dran denken. Zum einen, sie kam nach Hause, sie hatten so ein Wochenende in der Kirche, wo sie in der Kirche übernachtet haben mit den Konfis und kam nach Hause und meinte, ja, sie hätte mit ihren Freunden darüber diskutiert, wer zu Hause wie viel mithelfen muss. Das finde ich eine ganz blöde Idee, weil was heißt denn das? Wir wohnen hier zu dritt, du bist jetzt groß genug. Wenn wir zu dritt sind, gehe ich davon aus, dass jeder ungefähr ein Drittel der Arbeit macht. Mithelfen heißt ja sowas wie, es gibt quasi eine natürliche Arbeitsverteilung, die bedeutet, Mama macht alles und Papa und Tochter helfen manchmal. Was für ein Blödsinn. Und das habe ich ihr so gesagt, dann hat sie so einen Moment überlegt, dann hat sie gesagt, ja, hast du recht. Und das fand ich ganz cool. Und dann später haben wir zusammen einen Film geguckt und zwar haben wir so einen alten Film geguckt mit Doris Day, der Mann, der zu viel wusste, weil wir mögen ja alte Filme. Und das ist total geil, weil da ist sie so eine berühmte Sängerin und sie hat diesen Mann, der ist irgendwie Arzt und sie sind irgendwie unterwegs in Europa und er nennt sie mal Kindchen. Und sie ist eigentlich die Erfolgreichere von beiden. Und er ist aber immer so ein bisschen so, ja nee, Kindchen, das musst du jetzt nicht wissen. Und wir haben da so zusammen eingekommen. Man merkt ja richtig, wie er das so physisch schwer fiel, diesen Film zu gucken. Ja, das waren die 50er. Und das war irgendwie ganz geil. Bei mir in dem Moment eben auch nochmal klar geworden, sie können lamentieren, lamentieren, aber wir sind schon ein ganzes Stück weitergekommen. Das Glas ist jetzt mindestens halb voll.
Marina Löwe: Und es passiert jetzt gerade auch total viel. Ich glaube aber manchmal, dass der Schmerz wieder größer werden muss oder der Schiefstand größer, damit man merkt, okay, so weit sind wir doch noch nicht. Weil ich muss gestehen, ich hatte das auch zwischendurch, dass ich dachte, naja, wieso? Also ich hatte auch nie eine MeToo-Situation. Ich habe mich immer safe gefühlt mit den Männern. Ich bin immer respektvoll behandelt worden. Wobei ich dann auch sagen muss, jetzt wenn ich mit Freundinnen diskutiere, die in Berlin leben, dann sagen die auch schon mal, inwiefern ist denn dir das klar? Weil für dich war das ja alles normal. Du wirst es ja auch gar nicht vielleicht so empfunden haben. Der Mann, der zu viel wusste und das mit dem Kindchen, das ist ja auch einfach für uns wichtig im Hinterkopf zu halten. und ich glaube, da braucht es für alle auch so dieses systemische Verständnis, sich darüber klar zu sein, in welchem Kontext bin ich unterwegs, in welchem Kontext bin ich aufgewachsen, was hat mich geprägt, weil das ist meine Normalität. Und alles, was da rausfällt, springt mir auf den Radar und alles, was sich da drin bewegt, ist für mich erst nochmal normal. Also zum Beispiel bei uns in der Familie war es normal, dass abgesehen von Oma und Opa, die Männer die besseren Köche sind. Das zieht sich dann durch so auch Schwiegerfamilie komplett durch und auch mein Sohn, der kann richtig geil kochen und der sagt auch immer, Mama, ich muss viel mehr machen als die anderen. Wie gesagt, ich habe den Anspruch, dass deine Freundin dich nicht mehr zurechtbiegen muss, wenn sie dich irgendwann in der Wohnung hat, sondern mich erschreckt es, wenn ich von den Startups teilweise höre, wie lebensunfähig diese jungen Bachelorleute teilweise sind, dass sie sagen, die wissen nicht mal, wie man eine Tasse in die Spülmaschine räumt.
Miriam Wohlfahrt: Wir hatten auch schon Situationen da. Also wir hatten einmal, da bin ich auch wirklich ausgefühlt, das war noch in der Anfangszeit von Rate Me, hatten wir so einen jungen Mitarbeiter, der meinte dann, die Küchenarbeit ist ja Frauenarbeit. What? Das hatten wir auch schon.
Marina Löwe: Ein junger Mitarbeiter.
Miriam Wohlfahrt: Ein junger Mitarbeiter, der war damals.
Claudia Frese: Da ist er ja bei euch genau richtig.
Miriam Wohlfahrt: Ja, da habe ich mir gedacht, also solche Äußerungen, das geht gar nicht.
Claudia Frese: Da war aber dein Kopf auf.
Miriam Wohlfahrt: Ja, aber es gibt es auch noch. Naja, aber es wird anders. Nein, im Großteil. Die Gesellschaft geht hin zu einer gleicheren, in der Beziehung glaube ich, an das Bessere, was da kommt. Ja. Ich finde wirklich, wenn ich mir die Kids angucke heute, die Teenager, die sind anders. Die sind anders als die Generation hier, in der ich aufgewachsen bin. Aber ich habe mal noch so eine andere Frage an dich, weil das fand ich ganz lustig, weil wir das letzte Mal auch besprochen haben, im letzten Podcast, ging es darum, als du so für dich gemerkt hast, du gehst in so eine Führungsposition rein, was hast du da so für Ratschläge von außen bekommen, so als weibliche Führungskraft? Von wegen hat man dir gesagt, du musst deine Haare anders machen oder du musst irgendwie auftreten. Hast du da irgendwelche Ratschläge bekommen? mal? Nee. Nicht? Okay.
Claudia Frese: Nein, die Diskussion hat keiner mit mir geführt.
Miriam Wohlfahrt: Hast du nicht gehabt? Bei mir hat man zum Beispiel mal gesagt, ich soll nicht immer so viel lachen. Also ich muss gucken, dass ich mich gewählter ausdrücke. Anna vom letzten Mal, der hat mal gesagt, sie soll sich die Haare kletten. Deshalb dachte ich, ich frage das jetzt mal, ob es da so mehr Beispiele gab.
Claudia Frese: Und lustigerweise, nee, also ich glaube, ich wäre sehr unleidlich geworden, wenn das jetzt jemand, aber eine Kollegin hat mir mal so in der Kaffeeküche gesagt, so ja, Claudia, ich finde das ja sehr selbstbewusst von dir, dass du hier auch manchmal im Rock ins Büro kommst. Und da hatte ich irgendwie so einen knielangen Rock an und ein paar Stiefel oder so. Und ich dachte so, what? Ich war völlig, völlig baff. Da habe ich noch nie drüber nachgedacht. Ich hatte schon ein paar Leute, die mir irgendwie gute Ratschläge gegeben haben, was Führungsthemen, aber auch so allgemein, wie man sich so seine berufliche Entwicklung weiterentwickelt, Themen angeht. Und man kann das Mentoring nennen oder so, aber ich glaube, das waren zufällig alles Männer. Ich habe gerade überlegt, ob mir da eine Frau einfällt und so richtig fällt mir da eigentlich keine Frau ein. Aber dabei war die Tatsache, dass ich eine Frau bin, auch nie ein Thema. Da ging es dann eher um die Frage, wie sicher bist du dir mit Entscheidungen, wenn du im Zweifel bist, welchen Weg wählst du, solche Sachen.
Miriam Wohlfahrt: Wenn du jetzt heute jungen Menschen Tipps geben solltest, wie wird man eine Führungskraft, was muss man tun, wie wird man Vorstand, wie kommt man dahin? Was würdest du sagen, war dein persönliches Geheimrezept, Erfolgsrezept? Oder was würdest du sagen, was muss passieren im Kopf oder vor was darf man keine Angst haben?
Claudia Frese: Ich weiß nicht, ob ich jemandem raten würde, wie er oder sie zu sein hat. Ich glaube, als Mentor oder als jemand, der sozusagen einfach einen Rat geben darf, ist es eher wichtig, den Leuten zu helfen, zu verstehen, was sie selber wollen. Ich glaube, dass eine Führungsposition, auch gerade eine etwas höhere Führungsposition einzunehmen, primär was mit der eigenen Einstellung zu tun hat, mit dem eigenen Willen dazu. Und es gibt Leute, die haben da total Bock drauf und dann kannst du die eigentlich nur noch coachen, sozusagen die richtigen Entscheidungen und die richtigen Fähigkeiten anzusammeln und dann kommen die da auch hin. Und es gibt Leute, die wollen es halt nicht. Und das ist genauso in Ordnung. Was wir tun können als Mentoren sozusagen, ist, glaube ich, in erster Linie, also Fragen zu beantworten und dann den Leuten helfen bei ihrer eigenen inneren Willensbildung oder Entscheidungsfindung. Ich würde nie irgendwen dahin überreden jetzt, weil ich der Meinung bin, diese Person muss unbedingt eine Führungsperson sein. Und die sagt, ich weiß es aber nicht so genau. Ja, fein, dann nimm dir nochmal zwei Jahre Zeit und find's raus. Und wenn du zurückkommst, dann bist du wieder da. Ich glaube, es ist nicht an uns, an mir, irgendwem zu sagen, wie er oder sie zu sein hat.
Marina Löwe: Weil du hast ja ganz am Anfang schon einen Tipp gegeben, weil du gesagt hast, einen Job annehmen, den sonst keiner machen will.
Claudia Frese: Das war kein Tipp, das war eine Tatsache.
Miriam Wohlfahrt: Okay, das war eine Tatsache.
Marina Löwe: Was hast du damit gemeint? War das der Vorstandsposten?
Claudia Frese: Nein, das war eine Querreferenz auf dieses Aquariumsproblem, was wir Frauen irgendwie offensichtlich haben. dass überall um uns herum Glas ist. Und das referenzierte zurück auf eine Diskussion, die ich letzte Woche hatte, auch in einem Frauenkreis mit lauter wahnsinnig tollen Frauen. Und da sprachen wir eben über die Glasklippe. Die Theorie, dass Frauen in Führungspositionen und in höheren Führungspositionen häufig dahin kommen, weil sie bereit sind, Jobs anzunehmen, die kein Mann machen will. Da gibt es eine Menge Beispiele für. Und das hat aber einfach zur logischen Folge, dass in diese Rollen auch ein höheres Risiko in sich tragen. Also die nehmen riskantere Positionen an, scheitern deswegen auch überproportional häufig, einfach deswegen, weil die Position an sich schon riskanter war. Dann wird gesagt, ach guck mal, die Frauen, die gehen alle nach zwei Jahren wieder aus dem Vorstand raus. Das hat aber nichts damit zu tun, dass es jetzt eine Frau war, sonst hatte was mit der Rolle an sich zu tun. Das ist dieses Modell. Und lustigerweise ist das so eine Diskussion, die habe ich schon ein paar Mal geführt mit anderen Frauen, auch so in unserer Branche. Und dann haben wir immer alle genickt und gesagt so, mhm. Ja, das können wir total gut nachvollziehen. Das ist ein bisschen zynisch, aber da, wo Frauen tatsächlich in Vorstandsrollen oder in CEO-Rollen oder so reingehen, sind es eben häufig auch Jobs, die alle Männer ablehnen würden. Wenn sie Glück haben, dann sind sie erfolgreich und dann sind sie nach einem Leuchtturm und wenn sie Pech haben, dann geht sie nach einem Jahr wieder raus und das ist auch nicht weiter schlimm.
Marina Löwe: Weil wir sind ja jetzt bei Richtung Fehlerkulturen. Man muss ja auch sagen können, ich bin schon mal gescheitert, ich würde es jetzt anders machen.
Claudia Frese: Ja, das ist sozusagen dann nicht eine Funktion davon, dass das eine Frau war, sondern es ist einfach eine Funktion davon, dass es eine schwierige Aufgabe war. Aber das zu differenzieren, ist schwierig. Und ich glaube, dass die mediale Wahrnehmung auf dieses Problem verschoben ist.
Miriam Wohlfahrt: Wolltest du eigentlich, als du Abi gemacht hast, hast du dir zu der Zeit, so mit Anfang 20, hast du dir damals gesagt, ich möchte in den Vorstand mal irgendwann? Hast du jemals so diesen Gedanken? Oder war das so gekommen?
Claudia Frese: Nee, eigentlich, das wollte ich tatsächlich erst später. Also als ich Abi gemacht habe, hatte ich, glaube ich, keinen blassen Schimmer, was ich in meinem Leben machen will. Ich war so eine von diesen Generalistinnen. Ich war irgendwie gut in allem Möglichen. Und dann habe ich gedacht, ja, ich gehe in die Politik oder mache Journalismus oder sowas in der Art. Habe deswegen irgendwie in Politik und VWL und sowas studiert und habe dann eigentlich erst im Laufe meines Studiums, weil ich immer nebenbei gearbeitet habe, gemerkt, dass mir Arbeiten Spaß macht, aber nicht bei Bord.
Miriam Wohlfahrt: Das ist übrigens Das ist eine tolle Firma, ne? Das ist noch brandig.
Marina Löwe: Das war nur nicht dein Kontext.
Claudia Frese: Das war nur nicht der richtige Kontext für mich. Da irgendwie Verantwortung zu übernehmen oder letzten Endes auch mal so ein eigenes Unternehmen aufzubauen, das ist ja leider nicht mein Unternehmen, aber ein Unternehmen mit aufzubauen, ist dann ein Wunsch, der sich bei mir dann schon ziemlich bald, aber so am Anfang meines Berufslebens erst entwickelt hat. Also ich mit 18 ganz sicher nicht, Gott bewahre, war ich ziemlich blauäugig, vielleicht so mit Mitte 20 oder so.
Marina Löwe: Das passt ja dann zu dem anderen Beispiel, wo du auch gesagt hast, manche Dinge kommen eben mit der Zeit, sowohl die Affinität für Digital als auch vielleicht der Weg in Richtung Führung. Also wenn wir mal zusammenfassen, dann hilft es vom Einstieg bis zum Ende, wenn man auch bereit ist, Jobs anzunehmen, die sonst keiner machen will. Also einfach Gelegenheiten auch ergreifen.
Claudia Frese: Moment, das kannst du so nicht stellen lassen. Schöner fände ich es, wenn die total spannenden, anspruchsvollen Jobs endlich mal alle mit Frauen besetzt werden würden. Aber Stand heute ist das noch die Minderheit. Und dieses ganze Aquariumsding irgendwann einfach nicht mehr da ist und wir alle sozusagen gleichberechtigt im Wettbewerb um die coolsten Jobs sind. Ich würde das überhaupt nicht forcieren wollen oder so. Ich glaube, man kann einfach nur feststellen, das ist ein Phänomen, was existiert. Nicht wahnsinnig wünschenswert, aber es ist so.
Marina Löwe: Also was wäre stattdessen dein Tipp? Du hast gesagt, dieses Wissen, was man selber will, aber dann geht es ja auch noch, okay, ich weiß, ich will in Richtung Führung, ich will diesen Weg begehen. Was ist sonst ein alternativer Ratschlag, den du Frauen geben würdest, die sich auf den Weg machen gerade?
Claudia Frese: Ich glaube, das Wichtigste ist drei Sachen. Das eine ist nie aufhören zu lernen, das ist eine Plattitüde, aber das meine ich tatsächlich ganz ernst und zwar über sich selbst. Ich glaube tatsächlich, eine sehr klare, feste Persönlichkeit zu entwickeln, sich immer wieder selbst zu hinterfragen, sich immer wieder zu challengen, dahin gehen, wo es ein bisschen weh tut und zu gucken, was da los ist, ist notwendig, weil Führungsarbeit immer auch was mit eigener Persönlichkeitsstärke zu tun hat. Und im zweiten Aspekt eben dann auch mit fachlicher Kompetenz. Also ich nenne mich konservativ, aber ich glaube tatsächlich immer noch, dass es was damit zu tun hat, dass man auch was kann. Und einen Rat, den ich immer allen gebe, auf jeder Station deines Weges, denk mal drei Jahre nach vorne und überlege, welche Fähigkeit du sozusagen in deinem Rucksack hast, wenn du den Weg drei Jahre gegangen bist. Und wähle deine Jobs oder deine Station immer danach aus, was du da lernen kannst. Also nicht nach Status oder Gehalt oder irgend sowas, sondern nach Entwicklungspotenzial. Status und Gehalt kommt dann irgendwann automatisch sowieso, nicht, dass es was Schlechtes ist. Aber ich glaube, es ist nicht der ausschlaggebende Faktor. Der ausschlaggebende Faktor ist, glaube ich, tatsächlich Entwicklungspotenzial. Also persönliche Entwicklung und fachliche Entwicklung und dann gehört halt auch noch ein Quäntchen Glück dazu. Das kann man, glaube ich, insofern forcieren, als dass man mehr Leute kennt. Da bin ich total bei Miriam. Netzwerken, Netzwerken, Netzwerken. Je mehr Leute du kennst und je mehr Leute dich kennen, umso wahrscheinlicher wird es, dass dich irgendwann irgendwer anspricht und sagt, hey, hast du nicht Lust? Also ich habe meine Jobs auch eigentlich fast ausschließlich immer über irgendwelche Bekannten gekriegt. Plus man hat dann auch irgendwann so ein Sounding-Board. Das ist auch ganz geil. Also du kennst immer irgendwen, den du fragen kannst, wenn du irgendwas nicht weißt. Das ist so ein schöner Nebeneffekt und macht auch Spaß. Das sind die drei Sachen, die ich eigentlich Leuten konkret an die Hand geben würde. Lern Leute kennen und bilde dich weiter. Und zwar fachlich und persönlich.
Marina Löwe: Das passt doch total gut. Dazu haben wir noch gesagt, wie relevant Kontext auch ist. Also dass du ja auch eher für dich geguckt hast, bin ich ein Konzernmensch oder bin ich eher ein Startup-Mensch? Du hast gesagt, das ist eher klein. Die Wahrnehmung schärfen, wo haben wir vielleicht auch selber einen Bias? oder wo nehme ich den wahr? Dazu ist mir übrigens auf eurer Webseite aufgefallen, dass da steht, sie finden den richtigen Fachmann bei uns. Da habe ich gedacht, hey, was ist mit den Fachfrauen?
Claudia Frese: Die sind tatsächlich selten. Also wenn man sich das Handwerk in Deutschland anguckt, nur kurze Nebenbemerkung, sind es zu 90 Prozent Männer.
Marina Löwe: Es laufen gerade mega Kampagnen, weil wir so auslaufen in den Handwerkern. Wir haben so einen Handwerkermangel. Gerade die produzierenden Bereiche sind echt am Kämpfen. Von daher, das sind ja so die kleinen Sachen, die man machen kann. Inwiefern kriegt auch MyHammer das hin, attraktiv zu sein für Frauen, die sagen, ich starte jetzt erst in dem Bereich?
Claudia Frese: Unter anderem deswegen haben wir zum Beispiel auf unserem YouTube-Channel so eine lange Kampagne von diversen Videos, wo es immer um Auszubildende geht. Und da sind immer, wenn ihr euch das anguckt, immer weibliche und männliche Auszubildende im Wechsel. Und wir haben auch letztes Jahr, Kürn jetzt immer so einen Auszubildenden des Jahres im Handwerk. Und das war letztes Jahr eine Frau, dieses Jahr war es ein Mann, aber wir hatten auch eine Frau, die ist dann Zweite geworden. Das ist mir total bewusst. Wenn man jetzt keinen Bock aufs Studium hat, dann ist eine handwerkliche Ausbildung tatsächlich auch eine gute Idee. Auch als Frau.
Marina Löwe: Ja, hoffentlich in Zukunft auch mehr, weil ich finde es schon cool, wenn man seine Sachen nicht nur, wenn sie von Ikea sind, auch selber bauen kann, ohne dass man immer mit irgendjemandem sich gutstellen muss, der einem hilft. Eine letzte Frage haben wir noch zum Abschluss. Welche Frage hättest du an die Männer? Worüber hättest du gerne, dass die sich mal Gedanken machen, wenn wir sie in unseren Podcast einladen?
Claudia Frese: Ganz ehrlich, wie viel Prozent der Arbeit zu Hause machst du eigentlich?
Miriam Wohlfahrt: Ganz ehrlich.
Claudia Frese: Das war ganz ehrlich.
Marina Löwe: Ganz ehrlich muss davor. Cool. Dann ganz herzlichen Dank.
Claudia Frese: Danke euch. Vielen Dank.
Marina Löwe: Es hat auch mega viel Spaß gemacht, einfach mit dir zu sprechen. Auch aus der Brille nochmal, was hat für dich funktioniert und auch dieses sich das Umfeld suchen, wo man sich wohl fühlt und dann wahrscheinlich auch das natürlicher zu finden, da Gas zu geben, weil man sich eben auch wohl fühlt. Danke dir Miriam auch.
Miriam Wohlfahrt: Danke dir Marina. War schön mit euch beiden. Tschüss.
Claudia Frese: Ciao. Hey! Hey!
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Diversity: Lasst uns Organisationen neu, offen und tolerant denken! Nachdem wir anfangs die Organisationsentwicklerin Marina Löwe und Ratepay-Gründerin Miriam Wohlfarth wiederholt vor dem Mirko hatten, um dich für Diversity zu sensibilisieren, diskutiert Joel mittlerweile regelmäßig mit Lunia Hara (Diconium) zu Themen rund um Leadership und Diversity. Dabei geht es den beiden explizit nicht um Mann oder Frau, sondern um die Schaffung von Empathie füreinander sowie ein ganzheitliches Bild und Verständnis für verschiedene Rollen und Perspektiven.