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Beyond Gender: Wie bekommen wir Unternehmen diverser?
6. August 2020, mit Marina Löwe, Miriam Wohlfarth
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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Female Leadership, dem Podcast für Geschlechterfragen in Führung bei Digital Kompakt. Es braucht Diversität und Inklusion für eine zukunftsfähige Wirtschaft. Warum und wie? Das diskutiere ich heute mit Viktoria Wagner und Thorsten Sperlich von Beyond Gender Agenda. Vicky wurde als erste Frau CEO der führenden deutschen PR-Agentur Ketchum Pleon. Omnicom hat sie darüber hinaus auch noch zum Global Partner von Ketchum damals benannt und sie war als erste deutsche Mitglied des Global Leadership Councils der Agentur. 2019 hat sie die Strategieberatung Alternativlos gegründet, mit der sie Unternehmen bei der digitalen Transformation sowie C-Level-Führungskräfte beim Personal Branding beraten hat. Diese Beratungsmandate sowie persönliche Erfahrungen veranlassten sie dann zur Gründung von Beyond Gender Agenda. Als CEO hat sie sich jetzt dort viel hochkarätige Unterstützung gesucht. Thorsten Sperlich zum Beispiel ist als Beiratsmitglied einer der Unterstützer. Damit haben sich zwei professionelle Kommunikatoren gefunden, denn Thorsten leitet seit Oktober 2017 die Kommunikationsabteilung bei Grohe als Chief Communications Officer und Head of Communications Lixil Imena. Er ist für die gesamte interne und externe Kommunikation dort zuständig. Zuvor war er als Managing Director bei Ketchum Pleon und als Head of Brand PR bei Coca-Cola Deutschland. Thorsten, der bei seinem Zivildienst im Inklusionskindergarten erlebt hat, wie sich Berührungsängste abbauen und der Horizont erweitert, sagt übertragen auf das Wirtschaftssystem, man muss die Leute auch manchmal mit der Nase draufstoßen, um zu lernen. Und Vicky setzt sogar noch eins drauf, denn sie meint, wir befinden uns im Mittelalter, was die Chancengleichheit betrifft und fragt sich, warum nutzen wir nicht diesen Vielfaltsaspekt, der definitiv wirtschaftliche Vorteile wie Profitabilität und Umsatzwachstum mit sich bringt, um uns besser aufzustellen. Jede Branche ächzt gerade unter der ganzen Situation, ergänzt Thorsten. Aber er sieht darin auch eine super Chance. Jetzt ist der Moment, das anzupacken. Da sind sich beide einig. Jetzt einfordern, lautstark. Was genau und wie und wofür sich Beyond Gender Agenda genau einsetzt, das hört ihr in diesem Interview. Viel Spaß dabei. Wir steigen einfach mal direkt ins Gespräch ein. Vicky, du hast ja Beyond Gender gegründet. Kannst du ganz kurz für unsere Hörer zusammenfassen, was ist euer Hauptanliegen? Wofür seid ihr eigentlich da?
Victoria Wagner: Ja, das ist eine gute Frage. Wofür sind wir eigentlich da? Wir sind dafür da, dass Deutschland möglichst kurzfristig, sodass es nicht noch Generationen andauert, diverser und inklusiver wird. Insbesondere die Wirtschaft, unser Arbeitsumfeld. Wir priorisieren oder fokussieren uns dabei auf die Top-Führungsgremien, dass Aufsichtsräte und Vorstände vielfältiger aufgestellt sind. Das heißt, dass wir Chancengleichheit für Führungskräfte auch anderen Alters, Geschlechts, kultureller Herkunft, sexuelle Identität und Orientierung haben. Das ist uns also explizit wichtig, weil wir der Meinung sind, dass die Veränderung durchaus vom Kopf her eingeleitet werden muss.
Joel Kaczmarek: Und möglichst viele Gruppen umfassen. Und dann hast du ja den Thorsten unter anderem als Beiratsmitglied gewonnen. Thorsten, was hat dich motiviert, diese Initiative mit zu unterstützen?
Thorsten Sperlich: Mich hat gefreut, dass Vicky das Thema Diversität breit aufgestellt hat und eben nicht nur auf das reine Frauenthema, was total wichtig ist, das möchte ich auch betonen, aber eben nicht nur rein fokussiert auf die Diversität. Gender-Debatte fokussiert und das hat mich sehr gereizt, an dem Thema mitzuarbeiten, weil ich glaube, wir müssen die Diskussion breiter führen, als eben nur so fokussiert an der Stelle. Auch das würde helfen, Wirtschaft und Unternehmen voranzutreiben, aus meiner Sicht.
Joel Kaczmarek: Und neben diesem Wirtschaftsaspekt, also man merkt ja, mit wie viel Engagement ihr auch einfach dabei seid, was macht das eigentlich zur Herzensangelegenheit? Also Thorsten, was war für dich so ein Schlüsselmoment, dass du gemerkt hast, da muss auch wirklich was passieren?
Thorsten Sperlich: Also ich glaube, es gibt so mehrere Schlüsselmomente, man sagt sowohl privat als auch beruflich. Privat habe ich in einem Inklusionskindergarten angefangen, Zivildienst zu machen. Also da ist das erste Mal Thema Inklusion, Berührungsängste abbauen. Ich glaube, man kriegt eine ganz andere Sensibilität, wenn man das mal gemacht hat. Beruflich sehe ich das so ein bisschen auch, weil wir mal auch ab und zu so einen kleinen Shitstorm kriegen über Fotos, die wir posten, weil unser Vorstand doch sehr männlich dominiert ist und auch die Teams. Und ich dann gedacht habe, die Debatte kann ruhig eine Gender-Debatte sein, aber ihr seht nicht, was dahinter noch ist. Denn wir haben Frauen in Führungspositionen zum Beispiel im Mittleren Osten als Geschäftsführerinnen, also an Positionen, wo man auch sagt, auch das ist für mich Teil der Geschichte. und nicht nur verkürzt auf ein Foto zu sehen. Dann habe ich gedacht, irgendwie muss man doch breiter dieses Thema angehen und aufklären und auch erklären, wie Unternehmen vielleicht auch ticken aus dem Unternehmen heraus, dass Diversität sich eben auch woanders abzeichnet als nur anhand eines Fotos auf Social Media.
Joel Kaczmarek: Also ein Stück weit hat es ja dann bei dir schon früh angefangen, wenn du Inklusion jetzt schon aus deiner Zeit damals im Zivildienst kennst. Was ist dir denn damals eigentlich besonders nachdrücklich hängen geblieben beim Thema Inklusion? Was hat das für einen Unterschied für dich gemacht? Also
Thorsten Sperlich: ich muss sagen, ich hatte unheimliche Berührungsängste damals Behinderten gegenüber, woher das auch kam, ich glaube mangelnde Kontakte, weil es im Familienfreundeskreis nicht vorhanden war und es hat mich unheimlich den Horizont erweitert, wenn man sich gerade um so damals ein behindertes Kind kümmert, zu sehen, wie kommt das außen an, wie wird man auch im Supermarkt eigentlich angeschaut, ja, Wie schafft man es aber auch selber heraus, seine Perspektive und sein Verständnis für die Familie und so weiter zu ändern? Und auch, wie gehen natürlich auch Kindergärten mit solchen Themen um? Und das fand ich ganz spannend zu sehen und habe mich bewusst in so eine unbequeme Situation für mich damals begeben, um zu sagen, so baut man auch Berührungsängste ab. Und vielleicht, wenn man das ein bisschen überträgt auf das Wirtschaftsleben, ich glaube, man muss die Leute manchmal auch wirklich mit der Nase mal draufstoßen, so richtig, um wirklich zu lernen. Und das jetzt übersetzt in Handlungsempfehlungen durch unsere Initiative, fände ich ganz gut, wenn wir das hinkriegen könnten.
Joel Kaczmarek: Ja, die Claudia Frese, CEO von MyHammer, die hat zum Beispiel auch gesagt, ja, und Diversität ist auch echt anstrengend. Also dadurch, dass wir unterschiedlich sind in der Doppelspitze, die die da haben zum Beispiel, reiben wir uns natürlich auch, aber eben auf eine gute Art und Weise, dass ein besseres Ergebnis rauskommt. Ich finde es fair von dir zu sagen, dass es eben auch außerhalb der Komfortzone ist, sich mit den Gruppen in der Gesellschaft auseinanderzusetzen, die einfach noch nicht Teil meines Alltags vielleicht so ein Stück weit sind. Das höre ich daraus.
Thorsten Sperlich: Absolut. Also ich sehe mich auch so ein bisschen als Enabler, würde ich mal sagen, wenn ich mal so einen englischen Begriff hier reinwerfen darf. Enabler, der dieses Thema einfach mit vorantreibt, aber nicht alleine. Also ich versuche schon, Allianzen im Unternehmen jetzt zu schmieden, vorwiegend auch aus der Personalabteilung, die das Thema natürlich viel, viel stärker mittreiben können, wenn es um das Thema Recruiting-Prozesse geht, wenn es um das Thema Aufklärung geht, Vorstandskommunikation und so weiter. Ich glaube aber auch, man braucht auch manchmal einen längeren Atem. Es geht halt auch nicht alles von heute auf morgen.
Joel Kaczmarek: Vicky, was war denn dein persönlicher Schlüsselmoment? Also vielleicht ja nicht Zivildienst, weil das ist eben einem gewissen Teil der Bevölkerung früher vorenthalten gewesen zumindest. Aber was war für dich so der Anlass zu sagen, Mensch, beim Thema Diversität und Inklusion, da müssen wir echt was bewegen?
Victoria Wagner: Ja, also es war definitiv nicht der Zivildienst, da liest du richtig. Und es war tatsächlich aber auch kein Ereignis oder kein persönliches Erlebnis, irgendwie ein besonderer Moment in meinem Lebenslauf. So war es eigentlich nicht. Ich muss sagen, ich bin relativ tradiert groß geworden im konservativen Elternhaus. Da hieß es schlicht und ergreifend so, Leistung wird zu Erfolg führen. Also streng dich an, schreib bessere Noten, dann bitte schon. Hat man mehr oder weniger beherzigt, aber ich muss unter dem Strich sagen, Ich hatte einfach viel Glück und ich habe immer gerne gearbeitet und insofern gab es für mich auch wenig Grenzen, zumal ich natürlich auch als selbstständige Unternehmerin so meine eigenen Rahmenbedingungen setzen konnte. Das macht es dann viel einfacher, weil in deinem eigenen Setup hast du eigene Regeln und wirst du natürlich keine Glasceiling oder sowas einbauen. Insofern waren das keine Auslöser, aber tatsächlich, als ich Anfang 2019 alternativlos eine Strategieberatung gegründet habe, hatte ich dort viele Mandate, insbesondere von weiblichen Vorstandsmitgliedern, die einfach Themen hatten und die gesagt haben, Mensch, ich habe es bis hierhin geschafft, aber ich bin vielleicht CMO, aber ich sehe nicht, wie es für mich weitergehen kann. Ich bin aber vielleicht noch jung und habe Ambitionen, CEO zu werden oder in ein DAX-Unternehmen aufzurücken oder eine Aufsichtsratsposition zu besetzen. Was muss ich denn tun? Und wie kann das denn gelingen? Und in dieser Arbeit tatsächlich zu Beginn, insbesondere mit Frauen, wurde einfach mehr als deutlich, dass wir uns dem Gefühl nach, wenn ich das so salopp sagen darf, noch ein bisschen im Mittelalter befinden, was Diversität und Chancengleichheit angeht. Und das hat mit mir was gemacht. Und desto mehr Aufträge das wurden und desto tiefer ich mich mit dem Thema beschäftigt habe, desto mehr ist die Erkenntnis gereift, dass es aber eben nicht nur um Gender Equality, also um Chancengleichheit für die Geschlechterfrage geht, sondern eben um Vielfalt in der gesamten Bandbreite. Und das betrifft eben auch kulturelle Herkunft, Alter, sexuelle Orientierung etc. pp. und endet eben nicht bei der reinen Geschlechterfrage. So, das war der Auslöser, dass ich gesagt habe, gut, ich habe es im Leben gut getroffen, ich konnte meine Firma ordentlich verkaufen und ich investiere Geld und Zeit da rein, dass ja letztendlich der Generation nach mir spätestens die Peinlichkeit erspart bleibt, dass Deutschland sich ja eher auf den letzten Ranking-Plätzen in internationalen Studien befindet, wenn es darum geht, Diversität und Inklusion zu messen.
Joel Kaczmarek: Ja, uns raus aus dem Mittelalter holen. Und du warst ja auch ein Stück weit eine Vorreiterin, weil du als erste Frau CEO der führenden deutschen PR-Agentur Kitchen Pleon warst und da die 400 Mitarbeiter geführt hast. Wie hast du das denn für dich da in der Spitzenposition selber erfahren?
Victoria Wagner: Also da muss man ja sagen, dass die Agenturwelt schon entspannter mit dem Thema Diversität umgeht als manch andere Industrien. Also Thorsten hat eben die Sanitärbranche erwähnt. Das ist bestimmt ein großer Schritt von der Agentur in die Sanitärbranche. Die Agentur ist da schon entspannter aufgestellt und die können schon mit Frauen in Führungspositionen umgehen. Insofern war das jetzt kein so großer Schritt. Aber es ist in der Tat wahr, dass auch in der Agenturwelt, und damit beschäftigt sich ja auch der Branchenverband GWA, die Top-Positionen auch nicht weiblich besetzt finden. Also insofern war das schon in Deutschland eher eine Ausnahme. Ja, aber letztendlich haben das alle genommen, wie es ist. Und es wurde nicht rumdiskutiert, ob das jetzt eine Frau oder ein Mann ist, sondern man hatte Ergebnisse abzuliefern.
Joel Kaczmarek: Ja, das wäre eigentlich schön, wenn das so ein Endbild ist, wo es gar nicht mehr besonders bemerkenswert ist, dass jetzt ein Obama Präsident ist in Amerika oder eine Angela Merkel in Deutschland und dass das so was Besonderes ist, weil es eben noch das erste Mal ist, dass jemand mit einem gewissen Geschlecht oder einer Rasse oder auch einer sexuellen Orientierung in eine Position kommt, so wie die erste lesbische weibliche Coach beim Superbowl. Ja, das sind ja immer noch im Moment ganz große Schlagzeilen und so habe ich es euch ja verstanden. Der Wunsch ist ja, dass das irgendwann keine Schlagzeile mehr wert ist, weil es einfach normal ist.
Victoria Wagner: Ja, gelebte Realität soll es werden und das wirklich in der kompletten Vielfalt, Bandbreite und eben nicht nur auf Frauen bezogen. Ich kann es mir schlecht vorstellen, dass wir in einem DAX-Vorstand tatsächlich Vielfalt vorfinden würden, dass ein DAX-Vorstand geprägt ist durch Hälfte Frauen. Ich meine, 50 Prozent der Menschheit sind nun mal Frauen. Und dass wir vielleicht auch sichtbare kulturelle Identitäten hätten in Positionen. Also das kann ich mir heute irgendwie noch gar nicht ganz vorstellen. Das finde ich eigentlich schade, weil warum denn nicht? Und warum nutzen wir nicht diesen Vielfaltaspekt, der definitiv ja wirtschaftliche Vorteile wie Profitabilität und Umsatzwachstum mit sich bringt, dafür uns besser aufzustellen?
Joel Kaczmarek: liegen gelassenes Geld, aber du hast das schon ganz gut gesagt, ihr kommt ja aus sehr unterschiedlichen Welten, also du in einer Branche, wo das vielleicht noch nicht ganz so ungewöhnlich ist, Thorsten hat jetzt schön das Komplementärbeispiel, du hast ja gesagt, ein sehr auch tradiertes Unternehmen, also wie ist das eigentlich in der Sanitärbranche, also klar, das eine ist das Foto eurer rein obersten Führungsetage. Das spiegelt vielleicht nicht die Diversität im Gesamtunternehmen wider. Aber was erlebst du da gerade auch besonders in deiner Rolle? Vielleicht kannst du die nochmal kurz ein bisschen anskizzieren, damit die Hörer das ganz gut einsortieren können, in welcher Welt du dich bewegst.
Thorsten Sperlich: Ja, ich leite die Europakommunikation für den japanischen Konzern Lixil. Das wird keinem was sagen, aber die Marke Grohe Bad Sanitär kennt jeder. Die gehört nämlich zu dem Konzern und die ist auch im Fokus in Europa von uns. Die Branche ist an sich, und guckt euch das Handwerk an, die Handwerker, das ist schon sehr männlich dominiert alles auch. Und eben auch das Unternehmen. Und wir kommen auch an einer sehr männlich dominierten Historie heraus mit der Marke Grohe, muss man auch sagen. Aber das Spannende ist, glaube ich, jetzt Jetzt zu sehen, zu gucken, wie kriegt man denn so einen Transformationsprozess eigentlich hin? Und ich glaube gar nicht mal, dass Widerstand bewusst von unserem Vorstand gegen das Thema Frauen oder anderen Diversitäts-Inklusionsthemen ist. Ich glaube aber, dass einfach keine Berührungspunkte da sind und dass jemand auch dieses Thema einfach anstoßen muss und treiben muss im Unternehmen. Und das kann nicht immer nur der CEO selber sein, sondern ich glaube, das muss auch. aus dem Unternehmen her selber kommen. Das kann der Kommunikationschef sein, so wie in meinem Fall, das kann der HR-Chef sein. Und da muss man, glaube ich, gucken, wie kriegt man dieses Momentum eigentlich ganz gut jetzt gedreht. Vicky hat ja schon gesagt, wir haben schwierige Zeiten gerade aktuell. Die Sanitärbranche, jede Branche ächzt gerade unter der ganzen Situation. Aber ich sehe darin eben auch eine gute Chance zu sagen, jetzt ist genau der Moment, es anzupacken, denn jetzt wird nochmal eigentlich alles hinterfragt, auch Geschäftsmodelle, Zielgruppen, Verkaufsthemen, Digitalisierung in der Branche und vielleicht ist es auch ein Momentum, dass man aus so einer tradierten Branche heraus eben doch ein anderes Bewusstsein schaffen kann.
Victoria Wagner: Das würde ich ganz kurz noch verstärken, Thorsten. Also ich denke, es ist nicht nur ein Momentum für die Sanitärbranche, sondern es ist ein Momentum für die gesamte Wirtschaft. Weil, wie du es eben gesagt hast, im Moment wird alles infrage gestellt, weil wir diesen Down-Zeit erleben mussten durch die Corona-Pandemie. Wir sind noch mittendrin, das muss man auch sagen. Insofern ist aber jetzt der Moment nicht abzuwarten, darauf, dass dann vielleicht die Weichen falsch gestellt sind, sondern jetzt unsere Zukunft zu gestalten und jetzt einzufordern und das auch lautstark das Diversität, das Fundament des Wiederaufbaus bildet, unserer Wirtschaft. Ja, und ich glaube, das kann man tatsächlich für alle Industrien so festhalten, dass wir jetzt unsere Stimme erheben müssen und jetzt dafür Sorge tragen müssen, dass wir nicht zurück in eine männliche, weiße, mittelalte Welt kommen, die sehr einseitig ist. Denn das ist ja das Thema. Männer sind ja ein Teil von Vielfalt und das soll auch so bleiben. Das werde ich oft gefragt, ob ich denn jetzt irgendwie gegen Männer bin. Um Gottes Willen, nein, bin ich nicht, ja. Ich bin auch keine Feministin, sondern Männer sind ein Teil von Vielfalt, aber eben nicht der Einzige. Und das ist wichtig. Und ich glaube, dass vielfältige Perspektiven gerade in einer Krise helfen, diese Krise sinnvoll zu überwinden.
Joel Kaczmarek: Also das Ziel ist es ja, dass die Tische bunter werden in den Bordräumen. Also dass eben mehr unterschiedlichere Perspektive, Lebensrealitäten, Hintergründe sich zusammenfinden, weil man ja auch oft bemängelt, hey, wenn die Kunden so divers sind, wie kann es dann sein, dass das Führungsgremium so undivers ist? Wie kann man das abspiegeln? Wenn ich jetzt mitten in der Krise schon eine gewisse Offenheit hätte, aus welchem Grund auch immer, mich jetzt endlich mit dem Thema mehr zu befassen und da weitere konkrete Schritte zu gehen und die Situation aktiv nutzen wollte. Was sind denn von euch ganz konkrete Beispiele, vielleicht auch aus Unternehmen, die ihr beobachtet, wo ihr sagt, das sind gerade genau die richtigen Schritte, die man jetzt auch gehen sollte?
Thorsten Sperlich: Ich glaube aus meiner Sicht, und jetzt muss ich doch mal wieder die Innenperspektive bei uns gehen, wir haben Gott sei Dank gerade eine wahnsinnige Offenheit vom Vorstand, das ganze Thema Arbeitsweisen, People, also wirklich unsere Mitarbeiter in den Mittelpunkt zu stellen. Wie kriegen wir eigentlich unsere Mitarbeiter sicher durch diese Krise gemanagt, sowohl im Office als eben auch in den verschiedenen Werken, die wir global haben. Und wir haben, glaube ich, und das ist auch der Vorteil, auf japanischer Ebene habe ich eine Chefin, die sowohl Human Resources als auch Kommunikation verantwortet und eben eine ganz starke Kraft ist, global den Konzern mit einem ganz neuen Employee-Bild eigentlich zu versehen. Und da ist nur Diversität und Inklusion ein Aspekt. Da geht es auch um New Work, da geht es um verschiedene neue Modelle, da geht es um Teilzeitmodelle und was auch immer. Also eine sehr breite Debatte, aber da kann eben Diversität und Inklusion eine ganz gute Rolle mitspielen. Jetzt nochmal genau dieses Thema, wie gehen wir eigentlich mit unseren Mitarbeitern um, auch zukünftig zusammen, Und das sehe ich als Chance gerade für uns. Ich glaube aber, man braucht eine Kombination aus, ja, wer setzt es um und wer treibt es auch. Es braucht auch jemanden auf einer Führungsebene, der es natürlich mittreibt, um den Anschluss zu geben. Und sie findet Gott sei Dank Gehör. Und ich glaube, das braucht man natürlich auch, dass es vorangeht.
Joel Kaczmarek: Wie siehst du das, Vicky? Was sind für dich noch gute Beispiele aus der Praxis, die du gerade siehst, wo du sagst, hey, mehr davon?
Victoria Wagner: Ja gut, es gibt ja jede Menge Positivbeispiele, das muss man einfach sagen. Ich habe gerade gestern mit Claudia Oeggen gesprochen von Philipp Molls, die jetzt in der Corona-Pandemie 1600 soziale Projekte auf die Beine gestellt haben und irgendwie ihren Beitrag leisten. Die stehen als Konzern vor der größten Transformation ihrer Firmengeschichte und ich habe dann so etwas erlaubt gesagt, Und die Corona-Pandemie kommt sozusagen als Amarena-Kirsche auf die Sahne. Also die haben wirklich ordentlich zu tun. Ja, aber das war ganz interessant zu hören, dass im Prinzip dieser Transformationsprozess, in dem sie ja gerade stecken, dass genau das sie eigentlich schult und sehr agil aufstellt für die Herausforderungen, die jetzt eben anstehen. Und dass Diversität, dass sie das auch beschlossen haben, dass das tatsächlich ein wesentlicher Treiber für die Zukunft sein soll. diversen Meinungen, aus vielfältigen Meinungen und Ansichten und Perspektiven entstehen Innovationen, entsteht ein kreatives Umfeld und so können natürlich schneller Lösungen für Herausforderungen gefunden werden.
Joel Kaczmarek: Also dadurch, dass ihr diese Dinge so zusammen aufzählt, hat sich bei mir auch die Frage gestellt, ich habe ja auch noch den Podcast über Achtsamkeit und merke, wie sehr Diversität eben mit Achtsamkeit auch einen guten Nährboden hat, weil ich muss eben erstmal eine Offenheit haben für diese anderen Perspektiven, muss das auch aushalten können. dass man da unterschiedlicher Meinungen ist und damit einen guten Umgang findet. Aber ihr habt auch New Work gesagt und agiles Arbeiten. Und gerade diese neue Art zusammenzuarbeiten, neue Modelle zu finden, Thorsten, wie du das gerade beschrieben hast, auch über Teilzeit anders zu sprechen oder Väterzeiten, wie SAP das gerade eingeführt hat. Was denkt ihr, wie wichtig ist die Verzahnung von diesen Dingen eigentlich miteinander? Also was geht ohne das andere? vielleicht auch einfach nicht?
Thorsten Sperlich: Aus meiner Sicht würde ich sagen, ich finde es super, dass Diversität und Inklusion ein Teil der ganzen Debatte gerade ist. Und so soll es auch sein. Es muss für mich kein singuläres Thema sein, was ich im Unternehmen treibe, sondern ich finde es eben noch besser, wenn es eingebettet ist in der Gesamtstrategie und einfach ein klarer Teil ist der ganzen Strategie und keine Sonderregelung oder ein Sonderprojekt sein soll. Sondern es ist für mich Teil und wichtig, diese ganze Debatte holistisch zu führen. Das wäre so mein Blick darauf.
Victoria Wagner: Ja, also das kann ich unterschreiben und wollte ich ähnlich sagen. Ich finde auch nicht, es sind unterschiedliche Strategien oder Strategieparts, sondern es greift alles ineinander und nur dann wird es auch gelingen. Und deshalb spreche ich jetzt bei Beyond Gender Agenda gerne von der Forderung, Diversität zum Fundament des Wiederaufbaus zu machen und in den Fokus der Bemühungen zu stellen. Aber letztendlich, genau wie Thorsten es sagt, das eine geht nicht ohne das andere. Und unsere neue Lebenswelt ist digital, ist divers, muss agil sein. Und jetzt, ob man die Buzzwords alle braucht mit New Work und Co., ist immer so die Frage. Aber letztendlich, wir müssen ja unsere Arbeitsweise, unserem Umfeld und den Geschehnissen der Krise etc. anpassen. Und insofern greift das alles ineinander.
Joel Kaczmarek: Ja, es gibt ja so ein schönes Zukunftsszenario von dem Hawks, der Zukunftsforscher, der da auch sehr optimistisch in die Zukunft blickt. Was seht ihr denn als Potenzial für die Wirtschaft nach Corona?
Thorsten Sperlich: Das einzige Downside sehe ich so ein bisschen nur, ist gerade, dass die aktuelle Krise natürlich manche Unternehmen mehr durchschüttelt als andere. Und die, die so richtig durchgeschüttelt werden, weil ihre gesamten Geschäftsmodelle eigentlich obsolet sind, die werden kaum Zeit haben, sich um das Thema Diversität und Inklusion noch Gedanken zu machen. Da verlagern sich natürlich die Schwerpunkte auch. Trotzdem, glaube ich, soll man das Momentum und müssen wir auch wachrütteln, auch gerade mit der Initiative, auch extern, da nochmal das Thema wirklich auf die Agenda zu heben. Denn ich meine, Die Medien sind voll von Corona und Corona und Corona. Am Ende muss man auch mal den Blick nach vorne machen, denn was ist eigentlich nach Corona? Und damit können wir nicht erst anfangen, wenn es wirklich vorbei ist, sondern wir müssen eigentlich jetzt damit anfangen, wenn wir mittendrin sind.
Victoria Wagner: Also ich persönlich finde das sehr schwierig. Wir sind noch mittendrin. Ja, es gibt ja unterschiedliche Zukunftsforscher mit ganz unterschiedlichen Aussagen über unsere Zukunft. Das hat immer so für mich ein bisschen was von der Glaskugel. Bin ich nicht so der Freund von. Ich bin doch eher interessiert an den Fakt. Die kennen wir noch nicht. Wir kennen ja noch nichtmals die Corona-Pandemie, jetzt schweige denn das Covid-19-Virus und wir wissen überhaupt nicht, wie wir uns anstecken und wie wir es verhindern. Deshalb finde ich es jetzt ein bisschen frühzeitig, darüber zu sprechen, wie sieht unsere Zukunft wohl aus. Gleichwohl habe ich aber natürlich Hoffnung, dass wir uns besinnen auf das, was wirklich werthaltig ist, was eine Gesellschaft voranbringt, was in der Wirtschaft, Wirtschaft zählt, ja, und wir sehen ja ganz deutlich, dass das Themen sind wie Digitalisierung, dass es Themen sind wie Bildung, dass es aber auch Themen, wenn wir auf die Wirtschaft kommen, sind wie Wendigkeit, also Agilität. Die Firmen, die jetzt schnell umstellen konnten und sich anpassen konnten, die werden zumindest einen nicht so schlimmen Tiefschlag hinnehmen müssen wie andere. Also ich glaube, das sind Hoffnungen, die einen prägen, dass das unsere Zukunft sozusagen mitbestimmen wird. Aber wie es genau aussehen wird, dazu möchte ich eigentlich keine Aussage machen, weil ich glaube, die ist nicht besonders valide.
Thorsten Sperlich: Ich würde mal meine Happiness-Direktor-Rolle spielen, denn ich war mal der Happiness-Direktor von Coca-Cola und habe da doch relativ viel Happiness und positive Energie. Das ist für mich das Glas auch immer halb voll. Ich sehe, was mich ermutigt, zumindest in der Krise, ist diese gesamten positiven Hilfsbereitschaft für viele Leute, die sich engagieren, sowohl im privaten Umfeld mit Einkäufen als eben auch Unternehmen, ihre Produktion umstellen und jetzt Beatmungsgeräte, Masken, was auch immer produzieren. Und das finde ich doch wahnsinnig. Wer hätte das denn gedacht, dass so eine riesige Unterstützungskraft eigentlich auch losgelöst ist weltweit zu dem Thema. Und das macht mich eigentlich ganz positiv. Ich habe so ein bisschen nur Angst, dass wir auch wirklich alle mitnehmen am Ende. Denn wenn ich mir den kulturellen Raum angucke und kulturelle Einrichtungen, und da geht es viel um Diversität und Inklusion, auch LGBT-Community, total schwierig, gerade in der Finanzierung. Ich glaube, da muss man noch viel mehr gucken, dass wirklich alle auch unter diesen Schutzschirm kommen und mitgenommen werden. Und da meine ich gar nicht nur mal in Deutschland geblickt, sondern global gesehen. Da können doch einige auf der Strecke bleiben, die vielleicht sonst auch nur so wenig Aufmerksamkeit hatten. Und da, finde ich, müssen wir auch als Initiative gucken, dass wir eben dieses Thema so gut spielen, dass eben da auch eine Sensibilität außen ist, alle. sozusagen mit abzudenken.
Joel Kaczmarek: Also jetzt in der Krise, und das erlebe ich auch in meinem Freundeskreis, also mein Sohn wird 17 diesen Sommer, ich bin in der luxuriösen Situation, dass da eher wenig Betreuungsaufwand da ist. Meine Freundinnen fangen jetzt aber alle gerade an oder haben eben zwei bis drei kleine Kinder. Und für die, die das mit dem Arbeiten kombinieren müssen, und das ist das Gleiche bei den Führungskräften, die ich coache, also bei den Männern, die ich im Coaching habe, das ist natürlich jetzt subjektiv, aber die, die ich coache, haben eher Eine Herausforderung und ein Stress mit ihrer Rolle, das findet man auch in der einen oder anderen Studie wieder. Die Frauen hingegen haben eher einen Stress damit, diese unterschiedlichen Anforderungen gerade zu erfüllen. Dass es eben über ihre Rolle als Führungskraft hinaus gerade auch sehr viel von ihnen fordert, Kinder und Arbeit unter einen Hut zu bringen. Und anscheinend nach wie vor mehr als die Männer. Weil sie sagen, ja, aber wenn das Kind hinfällt, dann will es zu mir. Und dann macht es ein Riesentheater, wenn es nicht zum Papa darf. Und das ist natürlich so vielschichtig. Also das eine ist natürlich, wie sozialisieren wir uns innerhalb der Familie? Was ist so die Erwartung der Mutter an sich selber auch? Aber auch ein Stück weit politisch. Ich habe gesehen, Vicky, dass ihr auch den Jens Spahn ja als Unterstützung da habt. Was ist denn euer Blick auf Richtung Politik? Was wünscht ihr euch da, wenn man jetzt guckt, dass Schweden eben in den 70er Jahren schon das Ehegattensplitting abgeschafft hat, dass es wirtschaftlich in anderen Ländern einfach attraktiver wird? dass beide gleich viel verdienen und nicht einer viel, einer wenig. Was denkt ihr, wenn ihr sagt, wir wollen auch gesellschaftliche Veränderungen und Aufmerksamkeit auch auf politischer Ebene, was ist da notwendig?
Victoria Wagner: Ja, also ich denke, die Politik muss zum einen Vorbild sein und zum anderen die Rahmenbedingungen schaffen und setzen. Denn ohne Rahmenbedingungen tut sich gewöhnlich ein Land, die Wirtschaft auch schwer, sich in eine Richtung zu entwickeln. Das kann man jetzt diskutieren, wie man will, wie viel Gesetz es braucht. Ich bin überhaupt kein Freund von Überregulierung, aber von sinnvollen Rahmenbedingungen bin ich sehr wohl ein Freund. Und es ist natürlich auch das Thema Vorbild und Beispiel sein. Man muss sagen, wir haben eine sehr starke Bundeskanzlerin und wir sehen momentan, dass die weiblichen Länderchefs besser durch die Krise kommen als die männlichen. Das finde ich aber relativ pauschal, weil es ist immer auch der Erfolg des Teams hinter dem Chef, der den Erfolg bringt. Da muss ich allerdings sagen, bin ich so ein bisschen besorgt, weil hinter dem Chef sind wir schon fast durchweg männlich, was unsere Politikaufstellung angeht. Und da wünsche ich mir zum einen mehr Vielfalt in der Vorbildrolle, damit einfach auch Vielfalt gelebte Realität wird und wir als Gesellschaft das schneller anerkennen können und eben intensiver erleben. Aber tatsächlich, wenn man ein bisschen weiter denken möchte, wir haben ein Ministerium für Familie, die sich um Frauenthemen mitkümmern. Wir haben natürlich Staatssekretäre, die sich um Migration kümmern etc. pp. Aber wir haben kein Ministerium, was sich um Vielfalt als Ganzes bemüht. Also ich glaube, da ist noch sehr viel Raum und Spiel nach oben. Und insofern war es mir von Anfang an wichtig, dass wir den Dreiklang bespielen, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft und Hand in Hand mit der Politik die Entwicklung vorantreiben.
Thorsten Sperlich: Also ich lasse unserer Vorsitzenden von der Initiative die politische Dimension. Ich glaube, es sind positive Zeichen, die wir, glaube ich, mittlerweile in der Politik senden. Und das ist nicht nur erst seit Wovoreits Ausspruch, den ja jeder kennt, nochmal, wo er dazu gestanden hat, homosexuell zu sein. Ich glaube, dass die Rollenmodelle Gott sei Dank zumindest sichtbar sind. Ja, und auch, dass es offen thematisiert ist bei uns in Deutschland. Das finde ich gut. Und da finde ich, kann Politik natürlich auch eine ganz gute Vorbildrolle haben. Ich pflichte natürlich Vicky bei. Wir sind immer noch sehr männerlastig, natürlich in den ganzen Aufstellungen von Ministerien und so weiter. Ich habe selber im Ministerium auch mal gearbeitet, ein Jahr lang. Das ist schon sehr männlich dominiert, natürlich auch an vielen Stellen immer noch.
Joel Kaczmarek: Und die Regulierung, ihr habt ja schon angedeutet, dass ihr euch nicht unbedingt in allem einig seid. Was sind denn vielleicht auch eure diversen Perspektiven auf zum Beispiel so eine Regulierung wie das Thema Quote?
Thorsten Sperlich: Thorsten, willst du oder soll ich? Dem Beispiel ist zu mir zu. Ich glaube, dass wir noch keine Quote brauchen, bin aber auch ehrlich gesagt noch ein bisschen Weiblich, homosexuell, was auch immer. Für mich geht es um das Thema Leistung. Und wenn jemand Leistung zeigt, hat er auch den Job verdient. Punkt. Das ist für mich eigentlich die Debatte, die ich wirklich führen möchte. Und weder ich brauche jetzt quotenmäßig unbedingt eine Frau in dem Vorstand aufgrund der Geschlechterzugehörigkeit. Und wir lassen mal dieses ganze Leistungsthema außen vor. Das ist jetzt sehr verkürzt gesagt. Bewusst. Ja, ich glaube immer noch daran, dass man das schaffen kann ohne Quote. Ich sehe aber auch, dass es andere Standpunkte gibt, die auch recht gut begründet sind. Also ich sage mal so, ich verweigere mich nicht komplett dem Thema, aber ich würde sagen, aktuell würde ich noch nicht dafür blöd, hier eine Quote einzuführen.
Victoria Wagner: Gut, das sehe ich vom Staat her genauso. Das Leistungsprinzip ist das, was zählt. Und darum geht es uns auch in der Initiative Chancengleichheit für gleiche Leistung. Also das ist eben wichtig. Und wenn die Frau die Bessere ist, bekommt die Frau den CEO-Posten. Und wenn der Mann der Bessere ist, bekommt der Mann den CEO-Posten. Also das ist schon das, was wir anstreben. Ich sehe es aber leicht differenziert. Ich glaube, auf dem Weg dahin, dass wir wirklich Chancengleichheit bei gleicher Leistung haben, braucht es eine Quote auf Zeit. Das war bei mir eine Entwicklung.
Thorsten Sperlich: Ich war am Anfang
Victoria Wagner: klarer Quotengegner, einfach auch aus dem Umfeld heraus, dass ich gesagt habe, okay, Leistung muss zählen und ich würde als Frau nicht befördert werden wollen, bloß weil es eine Regulierung vorschreibt, weil letztendlich hast du dann nachher auch nicht die Akzeptanz, die du brauchst, deine Entscheidungen durchzusetzen und Mehrheiten zu bilden etc. pp. Ich glaube allerdings, dass wir uns für eine kurze Zeit mal zwingen müssen, Vielfalt wirklich als wertschätzendes Thema zu akzeptieren und Vielfalt wirklich auch umzusetzen in unseren Führungsgremien. Und das schaffen wir nicht ohne Quote und ohne klare Ansagen, weil es gibt so viele Schlupflöcher und ich führe so viele interessante Diskussionen, meistens eben mit männlichen Vertretern, warum das passiert. Alles Blödsinn ist, sich für Gender Equality stark zu machen, warum die Männer wissen, wie es geht. Das ist halt so ein bisschen anstrengend auf Dauer. Insofern glaube ich, dass eine Quote auf Zeit tatsächlich uns da helfen kann.
Joel Kaczmarek: Ja, weil ich bin da auch total bei euch. Die Leistung sollte zählen. Das Paradoxe ist ja einfach nur, wenn du zehn Menschen mit ähnlichem sozialem Hintergrund und ähnlichem Bildungsweg fragst. wer ist der geeignete Kandidat für den Posten? Werden die zehn sich dann auf jemanden einigen, der einen ganz anderen Weg und eine ganz andere Art hat oder jemanden, der gut in ihre Reihen passt? Und das ist ja gar keine böse Absicht, sondern das ist ja das Dilemma beim Bias, von dem sich wirklich keiner freisprechen kann. Also wirklich niemand. Selbst wenn ich eine schwarze Frau bin, habe ich gestern noch auch einen tollen Podcast gehört, dass sie sagte, auch ich habe ja meinen Bias. Ich habe ja auch meine Meinung über weiße Frauen und auch über weiße Männer und auch über schwarze Männer. Das sind einfach Schubladen, die wir besetzt haben. Und bevor ich jemanden kennenlerne, ist der da schon drin und das Rausholen aus der Schublade ist was, was ich ganz aktiv machen muss und bei manchen Menschen auch müßig, weil jedes Verhalten, was ich am anderen wahrnehme, jede Äußerung höre ich ja mit einem gewissen Ohr und sehe ich durch eine gewisse Brille. Das ist so ein bisschen die Frage, glaube ich, bei der Quote. Wie kriegt man das denn hin, dass es im Unternehmen eine Kultur gibt, wo diese Diversität neben dem, dass es anstrengend, dann auch einen Aspekt der Wertschätzung bekommt? Und das ist ja die große Frage und der große Sprung. Jetzt gehe ich nochmal zurück zu dem Beispiel, Thorsten, was du gebracht hast, weil das scheint mir ein besonders großer Sprung zu sein, der da ansteht, Japan. ist der auf den Ranglisten noch mal weit hinter Deutschland, was so die Beteiligung der Frauen in der Arbeitswelt betrifft. Und jetzt hast du gesagt, du hast eine amerikanische Kollegin, die da, sag ich mal, den Kulturwandel vorantreibt. Wie gestaltet sich das und wie wird das da aufgenommen?
Thorsten Sperlich: Also ich glaube, sie hat den Vorteil, sie findet Gehör auf der obersten Führungsebene im Konzern und das ist ungewöhnlich für japanische Unternehmen, die doch sehr ältere Männer getrieben sind. Das muss man einfach so sagen. Da gibt es auch Begriffe für die OG-Sons, nennt man die. Das ist so die alte Herrentruppe, die eigentlich in jedem Unternehmen tradiert wird. Sie findet Gehör beim obersten CEO, das ist gut, und sie ist Teil des Führungsteams. Und sie hat halt kulturell, glaube ich, dann nochmal den globalen Blick, eben nicht aus der japanischen Gesellschaft und der Gesellschaftsstruktur zu kommen. Und der CEO ist so offen und lässt sie da wirklich schalten und walten, was, glaube ich, dem ganzen Unternehmen gut tut und was auch Gehör findet in der japanischen Presse, wo man Aufmerksamkeit hat. Wo man aber auch sagen muss, zum Teil ist unser Unternehmen in Japan noch gar nicht so weit. Denn wenn wir sagen, New Work, ihr könnt zu Hause bleiben, macht Home Office, die japanischen Mitarbeiter, Kollegen wollen das gar nicht. Die wollen eigentlich ins Büro. Für die ist das Pflicht, eigentlich man geht ins Büro. Und man geht auch nicht um fünf nach Hause. Es ist so relativ viel in der Tradition noch verhaftet, aber ich finde es gut, dass sie total die Initiativen startet. Sie hat in der Doppelrolle mit Kommunikation und HR-Chefern echt, glaube ich, eine gute Kombination, die ich ehrlich gesagt auch für den deutschen Markt ganz spannend finde. Es gibt es vereinzelt, aber gerade diese beiden Rollen können, glaube ich, verstärkt dieses Thema sehr gut vorantreiben auf der Führungsebene. Und das, hoffe ich mal, wird bei uns im Unternehmen einiges auslösen, es auch jetzt in den verschiedenen Marken, die zum Konzern gehören, eben auch dort auf Führungsebene andere Rollenbilder zu erstellen und eben Optionen aufzuzeigen, die eben auch funktionieren.
Joel Kaczmarek: Dieser Kulturwandel, da bist du ja dann wieder nah am gesellschaftlichen. Also was ist eigentlich das, was gesellschaftlich so tief verankert ist, dass du merkst, jetzt gehen wir aber unter die Oberfläche und dann ist das wirklich auch eine tiefere persönliche Prozessarbeit. Dann ist ja immer die Frage, wo kann man hin zurückgucken, wo haben wir schon was bewegt? Wenn wir uns in Deutschland umgucken und vielleicht ist das im Sanitärbereich noch stärker als in der Werbebranche. Wie war das mit der Kleiderordnung? Früher gab es dann irgendwann mal als erstes den Casual Friday und dann ist aus dem Casual Friday tatsächlich auch mal so, man kann auch mal mit Jeans und Sneakers zur Arbeit gehen. Jetzt kann man ein schickes Kostüm oder einen Anzug mit Turnschuhen kombinieren oder zieht gar keinen Anzug mehr an. Wann ist man vom Sie zum Du gekommen? Also da gibt es ja etliche Sachen, die sich auch bei uns gesellschaftlich, kulturell schon verändert haben. Und auch wenn ihr die Zukunft nicht vorhersagen könnt, würde ich gerne von euch zum Abschluss noch hören, wenn ihr euch was wünschen könntet. Was wäre es denn an Neuem für die Zukunft, was ihr euch für die Wirtschaft wünscht und auch was ganz konkret gerade passieren kann in den kommenden Monaten? Was wäre was, wo ihr nächstes Jahr sagen würdet, wow, toll, dass wir die Schritte jetzt sehen, dass die passiert sind?
Victoria Wagner: Ja, also für mich wäre es ganz klar Digitalisierung, weil ich finde, das zeigt, da kann die Corona-Pandemie und die aktuellen Erfahrungen können ein Sprungbrett sein. Ja, weil wir jetzt gerade gezwungen sind zu erleben, wie hilfreich digitale Tools und überhaupt die Digitalisierung ist. Und ich wünsche mir tatsächlich, dass wir das nicht wieder vergessen und unsere Bemühungen dorthin gehend einstellen, wenn wir uns wieder dem Wiederaufbau Aufbau der Wirtschaft widmen, sondern dass Digitalisierung absolute Prio 1 bleibt. Weil da haben wir in Deutschland was nachzuholen.
Thorsten Sperlich: Total. Und ich hatte heute ein interessantes Gespräch mit einem Führungsmitglied unserer Führungsmannschaft auch auf internationalen Ebene, wo wir gesagt haben, wir nutzen die Chance doch der Digitalisierung jetzt. viel mehr Transparenz zu zeigen im Unternehmen, aufzuklären, warum bestimmte Prozesse so sind, wie sie sind, warum Entscheidungen so getroffen werden und eben dann auch Debatten anzustoßen, die wir vielleicht vorher in diesen Meetings, die mal immer hinter verschossenen Türen waren, eben nicht haben. Ich finde auch, dass die Digitalisierung uns hilft, viel näher dran zu sein in den Leuten. Ich merke, wenn wir mit dem Vorstand so Live-Q&A-Sessions machen über Zoom, ist plötzlich eine Nähe da, weil plötzlich der Vorstand, der auch viel näher sitzt, allein optisch und allein aber auch viel persönlicher wird, in der, wie er redet in seinem privaten Umfeld, denn er sitzt in seinem Wohnzimmer oder in seinem Arbeitszimmer. Und vielleicht ist das auch eine Chance, dass sich so ein bisschen diese private Atmosphäre vielleicht auch ein bisschen hilft, sich Themen zu öffnen, von denen man vorher vielleicht in so starren Meetings, wo man gegenüber am Schreibtisch saß, eben vielleicht gar nicht gesprochen hat. Aber das ist eine Wunschvorstellung. Ich weiß nicht, ob es wirklich so wirkt. Aber ich beobachte das so ein bisschen und hoffe, dass das vielleicht sich weiterträgt.
Joel Kaczmarek: Das sind schöne Beispiele und da docke ich gerne dran an, dass er immer, wie Tony Robbins so schön sagt, where focus goes, energy flows. Also wo finden wir gute Beispiele, erste Bewegungen in die richtige Richtung, an die wir andocken können, die wir kommunizieren und teilen können. Thorsten hat es ja auch gesagt, es geht auch viel um die Sichtbarkeit von solchen Maßnahmen und um das Bewusstmachen und Teilen. auch von diesen Schritten. Und ja, vielleicht ist diese Verletzlichkeit, die wir jetzt von CEOs auch offen auf Social Media sehen, egal ob jemand bei LinkedIn postet, was ihm gerade an der Homeoffice-Situation schwerfällt, dass er die Kollegen vermisst oder ja, dass sich im Wohnzimmer auf Augenhöhe begegnen, dass ein Stück weit die Hierarchie da eine andere Rolle gerade spielt und die Digitalisierung, was mit uns macht, ob wir wollen oder nicht. Und dann hoffen wir mal, dass wir das Rad nach der Krise nicht vollständig zurückdrehen, sondern die guten Dinge beibehalten. Ich wünsche euch auf jeden Fall von Herzen ganz, ganz viel Erfolg mit eurer Initiative. Ich finde das großartig, dass ihr da für mehr Sichtbarkeit für das Thema sorgt. Und danke euch ganz herzlich heute für eure Zeit und eure Perspektiven.
Thorsten Sperlich: Danke dir.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Diversity: Lasst uns Organisationen neu, offen und tolerant denken! Nachdem wir anfangs die Organisationsentwicklerin Marina Löwe und Ratepay-Gründerin Miriam Wohlfarth wiederholt vor dem Mirko hatten, um dich für Diversity zu sensibilisieren, diskutiert Joel mittlerweile regelmäßig mit Lunia Hara (Diconium) zu Themen rund um Leadership und Diversity. Dabei geht es den beiden explizit nicht um Mann oder Frau, sondern um die Schaffung von Empathie füreinander sowie ein ganzheitliches Bild und Verständnis für verschiedene Rollen und Perspektiven.