Raul Krauthausen: Wie barrierefrei ist unsere Arbeitswelt wirklich?
23. April 2024, mit Joel Kaczmarek, Lunia Hara
⚡️ Warum das wichtig ist
Es geht um Inklusion und Barrierefreiheit am Arbeitsplatz für Menschen mit Behinderungen. Verschiedene Formen der Ausgrenzung und Benachteiligung behinderter Menschen zeigen, dass hier dringend Fortschritte nötig sind für eine gerechtere, vielfältigere Arbeitswelt. Das Thema verdient Aufmerksamkeit, Sensibilisierung und konkrete Maßnahmen, um echte Chancengleichheit zu schaffen - für eine inklusive Gesellschaft im 21. Jahrhundert.
🧠 Joëls Learnings
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Man sollte eine Behinderung betrachten wie eine Haarfarbe: sie ist nicht immer präsent, doch es gibt trotzdem auch Situationen, wo sie einen einschränkt bzw. Barrieren im Alltag bestehen – korrekte Formulierungen sind dann "behinderter Mensch" (lässt offen, ob die Person behindert ist oder wird) oder "Mensch mit Behinderung"
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Startups versuchen häufig, Vielfalt zu fördern und wenn sie Stellen für Menschen mit Behinderung schalten, kann es trotzdem sein, dass sich niemand bewirbt und dies hat vielfältige Gründe, d.h. das Thema insgesamt ist sehr komplex, evtl. ist die Bewerbungsseite ist nicht barrierefrei und man kann es auch nicht mitteilen, oder die Betroffenen haben in der Hochschule nicht gelernt, wie barrierefreie digitale Kommunikation funktioniert
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Vorteile am Arbeitsplatz von Inklusion und Diversität: kann falsch verstanden werden, dass man Vielfalt nur macht, wenn es etwas bringt, man will aber nicht nur dann gewollt sein, wenn man anderen ein gutes Gefühl gibt, sondern auch, wenn ich einen guten Job mache; kostet am Anfang auch Zeit und Aufwand, es gibt keinen Quick-Win
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Menschen mit Behinderung werden in unserer Gesellschaft systematisch aussortiert in Sonderschulen, Berufsbildungswerken, Behindertenwerkstätten usw. und je länger sie sich darin befinden, desto schwieriger wird es, sich in andere Arbeitswelten zu begeben, reichen diese Orte nicht mehr aus, ist die erste Adresse oft das Arbeitsamt und dort werden Menschen mit Behinderung dann häufig in bestimmte Tätigkeiten wie Bürokauffrau und -mann, evtl. wollen sie aber Tierärztin werden
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Behindertenwerkstätten: verdienen dort sehr wenig, oft weniger als den Mindestlohn und würde man dort in den regulären Arbeitsmarkt vermitteln, verlieren diese ja ihre aufgebauten Arbeitskräfte, die wirtschaftlich dadurch werden, dass sie so günstig beschäftigt werden; haben oft auch gutes Marketing, die Ansprechpartner:innen dort sind immer Nicht-Behinderte – PLOD = "People living of Disabled"
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Auch beim Thema Diversität gibt es eine gewisse Aufmerksamkeitsökonomie, wer am lautesten schreit, ist dann immer ganz oben, es wird über Frauenquote gesprochen, sollte aber eigentlich Diversity-Quote heißen, BiPoC hat einen Aufschwung durch Black Lives Matter bekommen, dann kommt LGBTQIA+ – vielleicht sollte es auch kein Endziel geben, sondern ein sich immer damit auseinanderzusetzen
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"ruinöse Empathie": man ist empathisch, aber eben ruinös, weil jemand mit Macht und Verantwortung nicht sagt, was er tut, um die Situation zu verändern, das muss auch mit einer Aktion unterlegt werden vs. Mitgefühl = ich kann mich in die Lage des anderen versetzen und fühle mit; Mitgefühl ist Empathie plus Aktion, ich verspüre den Wunsch das Leid zu beheben oder zu mindern
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die erste Bewerberin ist immer die größte Hürde für ein Unternehmen, aber wenn es einmal gemacht hat, verändert es die Einstellung der Leute
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viele sorgt es, man könne Menschen mit Behinderung nicht wieder entlassen, doch diese Ängste sollten abgebaut werden, auch dort gibt es Möglichkeiten und es hat aber einen Sinn, dass es dort gesonderte Regelungen gibt
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ab 2025 gibt es die Verpflichtung, dass Webseiten, Intranet usw. barrrierefrei sein müssen, also für Menschen mit Sinnesbhehinderung, bei Aufzügen ist dies nicht so streng reguliert, auch weil es viel teurer und komplexer ist; oft werden die Jobbeschreibungen auch einfach nicht aktualisiert (Bsp. Monitore tragen) – hinterfragen, ob das wirklich noch gebraucht wird und ist es kritisch, dass die Person das braucht (Bsp. Ordner aus dem Regal heben), oft sind die Personaler:innen gar nicht diejenigen, die dort arbeiten und die lassen sich die Informationen dann geben
🔮 Ausblick in die Zukunft
Die Barrieren für Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt werden hoffentlich weiter abgebaut. Durch mehr Sensibilisierung, gesetzliche Vorgaben und innovative Technologien wird Inklusion gelebter Alltag. Arbeitgeber erkennen den Mehrwert von Diversität und diversity-konforme Einstellungsverfahren werden zur Norm. Digitale Barrierefreiheit ist Standard. Menschen mit Behinderungen finden chancengerecht Zugang zu allen Berufsbildern. Empathie wandelt sich zu konkreten Maßnahmen, damit volle Partizipation selbstverständlich wird.
Diese Episode dreht sich schwerpunktmäßig um Diversity: Lasst uns Organisationen neu, offen und tolerant denken! Nachdem wir anfangs die Organisationsentwicklerin Marina Löwe und Ratepay-Gründerin Miriam Wohlfarth wiederholt vor dem Mirko hatten, um dich für Diversity zu sensibilisieren, diskutiert Joel mittlerweile regelmäßig mit Lunia Hara (Diconium) zu Themen rund um Leadership und Diversity. Dabei geht es den beiden explizit nicht um Mann oder Frau, sondern um die Schaffung von Empathie füreinander sowie ein ganzheitliches Bild und Verständnis für verschiedene Rollen und Perspektiven.