Amazon-Chef Kleber: Inklusion als Entwicklungsprozess

17. September 2020, mit Marina LöweMiriam Wohlfarth

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Marina Löwe: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Female Leadership, dem Podcast zu Geschlechterfragen in Führung bei Digital Kompakt mit Miriam Wohlfahrt und mir, Marina Löwe. Wenn es um das Thema Inklusion geht, dann hilft es nicht nur zu reden, sondern man muss auch ins Handeln kommen. Wie Ralf Kleber, der Deutschlandchef von Amazon, sich persönlich auf den Weg ins Handeln gemacht hat. und auch was die Reise bei Amazon betrifft, darüber hören wir heute mehr. Ralf hat netterweise sehr offen geteilt, was das für ein Entwicklungsprozess ist. Dass das Ganze ein Lernen ist, sich bewusst machen der eigenen unbewussten Vorurteile, die da wirken und ein Entwickeln von Techniken, um sich selber zum Beispiel inklusiveren Meetings zu bewegen. Das Ziel ist Parität. Ohne dieses paritätische Prinzip kann man eben auch nicht das paritätische Bild in der Kundschaft abdecken. Wie wichtig Sprache dabei ist, wie wichtig das Verständnis für unterschiedliche Persönlichkeiten, für unterschiedliche Sichtweisen ist und wie wichtig Training an der Stelle auch ist. ist, um sich immer wieder selber mit sich selbst auseinanderzusetzen und gemeinsam zu gucken, wie inklusiv sind wir wirklich. Darüber hört ihr heute mehr. Wenn man dann zu der Haltung kommt, jedes diverse Top-Talent, das sich da bewirbt, als Kompliment zu sehen ist, das hört euch gerne selber nochmal an. Viel Spaß dabei. Was hat dich dazu bewogen, dich bei uns mit dem Thema Geschlechterfragen in Führung auseinanderzusetzen?

Ralf Kleber: Ganz einfach, es ist ein wichtiges Thema. Und ich musste auch in meiner doch jetzt mittlerweile ein bisschen längeren Karriere mächtig dazulernen, dass es kein Thema, bei dem nur reden hilft. Das ist ein Thema, bei dem es um Handeln geht. Und insofern braucht man Anregungen und Ideen. Und ich hoffe, dass wir die eine oder andere heute in unserem Gespräch zutage bringen können und hoffe dann vielleicht auch, dass das eine oder andere ein Denkanstoß sein kann. Und ich hoffe natürlich auch wieder, was dazuzulernen.

Miriam Löwe: Ganz herzlich willkommen, lieber Ralf. Und wir kennen uns jetzt schon ein paar Jahre und haben uns immer wieder getroffen. Und ich habe auch gedacht, wir müssen ihn unbedingt gewinnen, damit er mal hier ein bisschen erzählt. Diversity, wie du das so erlebt hast, was eigentlich so Themen waren, die dir so begegnet sind. Chef von Amazon Deutschland. Wie wird man denn das eigentlich? Wie kommt man denn dahin?

Ralf Kleber: Ja, fragt mich meine Tochter auch ständig und mein Sohn, wie wird man den Chef von Amazon? Ich habe leider keine gute Antwort drauf. Ja, ich glaube, man muss ein bisschen Entdecker sein, sich ein bisschen auf Abenteuer einlassen, weil zu dem Zeitpunkt, als ich zu Amazon gewechselt bin, 1999, war es ein Online-Buchhändler für die meisten. Und nur wenige haben sozusagen das gesucht, was ich glaubte zu finden. Ja, ein US-Tech-Unternehmen mit einer großen Vision, mit einem tollen Unternehmer, der sich auf eine Reise machen wollte in unbekanntes Territory, die Welt zu verbessern. Also Services, mit denen man das Leben leichter machen kann. Jeff war damals so offen, dass er immer zugegeben hat, er hat keine Ahnung, was das sein wird, wie lange es dauern wird und es wird auch furchtbar viel Geld kosten. Aber all das hat mir Spaß gemacht und hat so den Entdeckergeist in mir geweckt. Und den habe ich, glaube ich, bis heute bewahrt. Und deswegen bin ich jetzt im 21. Jahr immer noch bei Amazon, wovon ich nie geglaubt hätte, dass das jemals der Fall sein würde.

Miriam Löwe: Ja, das ist wirklich sehr erstaunlich. Und das ist auch wirklich toll, diese Geschichte, dass man auch so lange so eine Kontinuität da hat. Es ist auch bestimmt mal super interessant, Jeff Bezos kennenzulernen. Das kann ich mir auch vorstellen. Das ist bestimmt ein sehr charismatischer Mensch, kann ich mir vorstellen, oder?

Ralf Kleber: Super charismatisch, ja. Und natürlich ist der Jeff von heute ein sehr viel mehr vielbeschäftigter Mann, als er das 1999 war, als wir zusammen im November die Kategorie Musik in einem Hamburger Apartment gelauncht haben mit einer Flasche Bier. In der Hand hatten wir Journalisten in ein Apartment eingeladen. Also man sieht, der Weg war lange, aber wir waren auch mal ein Start-up. Das vergisst man gerne. Und hatten auch mit den gleichen Ängsten, Chancen, Euphorie sozusagen zutage gelegt, wie das heute so viele Unternehmerinnen und Unternehmer, so viele Start-ups tun. Für die ich mich auch genau aus dem Grund fasziniere und immer noch gern engagiere.

Miriam Löwe: Was mich auch nochmal so interessieren würde als Role Model, was glaubst du, was hat er so Besonderes, dass er es so geschafft hat? Ist es so dieses Durchhalten? oder was ist denn, was zeichnet ihn denn so ganz besonders aus?

Ralf Kleber: Drei der Dinge sind in unseren Leadership Principles gelandet, ja. Dieses Long Term Thinking, bewusst sein, dass wenn du wirklich Veränderungen betreiben kannst, dann kannst du sie nicht von Freitag auf Montag machen. Du musst einen langfristigen Plan haben und du musst alle mit an Bord nehmen, dass sie an diesen Plan glauben, ja. Ich vergleiche das immer so ein bisschen mit der Mondmission der Ersten. Da ging es ja nicht darum, dass Armstrong den Fuß auf den Mond setzt, sondern da haben hunderttausende Menschen über Jahre Milliarden ausgegeben, um letztendlich diesen einen Moment zu kreieren. Das ist ein schönes Bild, das man dafür verwenden kann. Das Zweite, was er einem mit auf den Weg gibt, ist, denke nicht in kleinen Kategorien. wirklich etwas bahnbrechendes für Kunden zum Beispiel machen willst, dann muss es was Großes sein. Also so eine kleine Veränderung, die in der Würzburger Straße im Ort X was bewirkt, kann zwar auch schön sein, aber das wird es nicht sein. Also versuch groß zu denken. Das Dritte, was er uns immer mit auf den Weg gegeben hat, auch kein Geheimnis, orientiere dich am Kunden. Das, was für uns zählt, egal was wir tun, ist nicht das, was wir denken. Ob wir das jetzt toll finden, letztendlich entscheidet der Kunde, indem er unser Technologien Telefon nicht kauft, aber unseren Fire-TV-Stick sehr gern mag, über Gedeih und Verderb, wie sich bestimmte Dinge entwickeln. Beides ist mit sehr viel Herzblut entwickelt, mit sehr viel Fantasie und Innovation ausgestattet gewesen, aber das eine hat nicht funktioniert, das andere hat funktioniert.

Miriam Löwe: Also für mich als Kunde von Amazon denke auch immer, Amazon hat diese Einfachheit und ich finde das einfach genial. Dann denke ich aber immer, wie schafft man das als Unternehmen so etwas auch hinzubekommen, dass man diese Einfachkeit schafft. Ich glaube, ihr seid auch ein sehr diverses Unternehmen. Wie ist das auch? Ist das in der Produktentwicklung dann auch so divers?

Ralf Kleber: Ja, definitiv. Die Prozentsätze sind leider noch nicht überall die gleichen. Es dürfte kein Geheimnis sein, dass sich in unserem Modebereich ein höherer Anteil an weiblicher Mitarbeitern zum Beispiel befindet, als vielleicht noch in der Softwareentwicklung. Aber beide Prozentwerte sind extrem hoch und wir streben das gleiche Ziel an. Parität. Wir wollen ausgeglichene Diversifizierung, nicht nur bei den Geschlechtern. Wir haben die Überzeugung, dass wenn man für die diverseste Kundenschaft der Welt etwas erreichen möchte, dann muss man diese Diversität auch verstehen. Und deswegen muss man am besten sie im Mitarbeiterstamm abbilden. Ob das Religion, Geschlecht, sexuelle Präferenzen, egal. Man sollte möglichst divers sein. In unseren Leadership Principles gibt es eins, das heißt Write a Lot, Recht haben, also einen guten Wertansatz finden. Und da steht dezidiert drin, dass ein Leader verpflichtet ist, nach diversen Perspektiven zu suchen. sich und diese Perspektiven ständig auf den Prüfstein zu stellen hat, weil sie sich eben ändern über Zeitablauf. Also es ist für uns implizit als Manager, dass wir nach Diversität streben.

Marina Löwe: Und du hast ja gesagt am Anfang, das ist ein ganz, ganz wichtiges Thema, gerade dadurch, dass ihr wirklich theoretisch jede Art von Kunden ansprecht über Amazon. Hast du ja schon aufgezählt, dass es so eine ganz intrinsische Motivation natürlich auch ist, eine ganz logische, zu sagen, wir wollen eben dann auch all diese Kunden, Und Kundinnen verstehen. Miriam und ich haben uns vorhin auch noch darüber unterhalten, dass es ja auch ein wahnsinniges Lernfeld ist. Das hast du vorhin auch schon beschrieben. Worauf legt man überhaupt den Fokus? Zum Beispiel wir haben es Female Leadership genannt mit einem großen M und gesagt, unser Fokus ist erstmal Geschlechterfragen in Führung. Uns ist klar, dass Diversität viel breiter gefasst ist, aber können wir dem gerecht werden? Also können wir jetzt auch noch das Thema Barrierefreiheit aufgreifen? Können wir das Thema kultureller Hintergrund aufgreifen? Oder werden wir all diesen Themen nicht gerecht, wenn wir jedes nur anreißen? Wir haben gesagt, wir möchten uns gerne erstmal auf das Thema Geschlechterfragen in Führung fokussieren. Gar nicht, um die anderen zu ignorieren, sondern um hier tiefer tauchen zu können. Und das Erste, worüber wir stolpern und uns auch klar sind in den ersten Folgen, ist, dass wir immer noch von Hörern sprechen. Die Hörer können sich melden oder wollen das hören. Und das ist so der erste Punkt für uns, dass wir gemerkt haben, okay, was ist denn unser Sprachansatz? Sagen wir jetzt HörerInnen, sagen wir Hörerinnen und Hörer. Was ist da euer Ansatz und was war deine Lernerfahrung in dem Feld, Sprache auch?

Ralf Kleber: Ein ständiges Trainieren, Vorleben verbessern. Man muss wirklich sich ständig wach halten und sich ständig auch einen Spiegel vorhalten. Also ich nehme mal ein Beispiel. Wir legen sehr viel Trainingsaufwand und sehr viel Wert auf inklusive Meetingkultur. die zum Beispiel Mitarbeiterbewusstsein schult, dass es unterbewusste Vorbehalte gibt, zum Beispiel in der Sprache. Man muss sich denen bewusst werden, um sie überhaupt verändern zu können. Da macht ihr ein richtiges Beispiel. Das Beispiel der Hörer, das kommt dir ganz leicht über die Lippen. Aber das ist, was wir ein unconscious bias nennen. Man geht davon aus, unterbewusst, dass die Hörerschaft mehr männlich ist. Nee, ist sie ja gar nicht. Also wenn du es ändern willst, dann brauchst du einen, der wirklich diszipliniert sagt, um einfach diesen Unconscious Bias immer wieder zu Trage zu bringen und damit zu sorgen, dass er nicht wichtige Entscheidungen beeinflusst. Ich sage mal, Hörer zu sagen, ist ja nicht schlimm. Ja, da geht ja die Welt nicht unter. Wahrscheinlich werden viele Hörerinnen dann schmunzeln, wenn einem sowas passiert. Wichtig ist, dass da nicht noch mehr hinten dran steckt. Dass man, wenn mehr hinten dran steckt, dass man das nach vorne holt, darüber redet und feststellt, wie man es verbessern kann, damit es wichtige Entscheidungen nicht beeinflusst.

Marina Löwe: Es gibt ja gerade sehr viele Diskussionen auch. Macht man das Sternchen, den Doppelpunkt, den Bindestrich? Spricht man immer von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder sagt man sprachlich MitarbeiterInnen und lässt bewusst diese Lücke? Inwiefern gibt es bei euch dazu auch eine Unternehmenspolicy? oder worauf habt ihr euch gerade geeinigt? oder wie geht ihr damit um?

Ralf Kleber: Also eine echte Policy gibt es nicht. Das ist mir schon viel zu nachgelagert. Im vorgelagerten Feld gibt es wichtige Dinge, die man beachten muss in einem Meeting. Nämlich, dass die introvertierten Mitarbeiter zu Wort kommen, dass Hierarchien nicht in den Weg von Entscheidungen treffen. Wenn wir mal an dem Punkt sind, dass wir uns um Bindestrich und Kommas kümmern können, dann sind wir schon einen großen Schritt weiter. Noch geht es wirklich darum, diese Inklusivität zur Normalität zu machen. Und dazu gehört wirklich sehr viel Training. Und ich merke das an mir selbst. Das, was ich von meinen Managern fordere, muss ich auch von mir fordern. Ich muss mich immer wieder im Meeting bewusst sein, welche Sprachwahl du gerade hast. Mit wem redest du? Wie wirkt das auf jemand? Hast du dafür gesorgt, gerade jetzt, wenn wir viel Videokonferenz machen, dass wirklich alle zu Wort kommen oder zumindest die, die zu Wort kommen wollten? es auch geschafft haben, zu Wort zu kommen. Also das muss man an sich selbst trainieren und dann vorleben. Und dann kann man es auch von seinem Manager einfordern.

Miriam Löwe: Hat mir Marina heute Morgen auch gesagt, weil ich habe dann auch wieder, wir haben uns unterhalten und dann habe ich es wieder falsch gesagt. Sie meinte, siehst du, da war es schon wieder. Und man muss wirklich sich immer wieder in den Spiegel vorhalten und es trainieren. Ich finde es auch extrem wichtig, weil sonst geht es nicht automatisch. Es muss Normalität werden.

Ralf Kleber: Tatsächlich ging nichts, ja. Also ich kann mich erinnern, das ist schon ein paar Jahre her, die damalige HR-Managerin mich auf das Thema Frauenquote im Unternehmen insgesamt angesprochen hat und ich so ein bisschen gesagt habe, ja, was sollen wir denn machen? Und sie mit einem großen Lächeln gesagt hat, ja, wenn wir nichts machen, passiert nichts. Und ich gesagt habe, das. Das hast du sehr weise gesagt. Ich habe gesagt, dann lass uns mal hinsetzen und überlegen, was wir denn alles machen könnten, um dieses paritätische Verhältnis, was wir zwischen den Geschlechtern schaffen wollen und auch schaffen werden oder schon ganz nah dran sind, das zu schaffen. Was können wir denn da alles angehen? Und da waren ganz kleine Dinge dabei, wie lass uns doch mal unsere Stellenanzeigen lesen. Welche Worte wissen wir? Wählt man in einer Stellenanzeige und wie wirken die auf unterschiedliche Typen? Jetzt nicht nur Geschlechter, sondern wie liest der Introvert und der Extrovert diese Stellenanzeige? Welche Perspektive, Karriereperspektive eröffnet sich aus der Stellenanzeige? Das war super spannend. Das hat unglaublich viel Spaß gemacht. Und dann haben wir einfach mal angefangen, rumzuexperimentieren. Ich will nicht sagen, dass unsere Stellenanzeige heute perfekt sind oder gut sind, aber zumindest entstehen sie in einem Bewusstsein, dass sie eine gewisse Wirkung haben. Immer etwas, was man verbessern kann.

Marina Löwe: Also was ich gelesen habe bei euch, das fand ich total spannend, ist, dass ihr die AmazeCon habt, also die größte interne Konferenz. Was ich besonders spannend fand, war, dass es nicht nur um die Chancengleichheit der Geschlechter geht, sondern auch um die Wechselwirkung mit anderen Persönlichkeitsmerkmalen. Und du hast es jetzt ja auch ein paar Mal aufgezählt, dass es eben nicht nur die Geschlechterfrage ist, sondern auch noch die Kombi Persönlichkeitsmerkmale. Also was ist denn da für dich so die größte persönliche Lernerfahrung auch gewesen, worauf man da sein Bewusstsein auch legen kann?

Ralf Kleber: Die größte Lernerfahrung ist, du brauchst einen funktionierenden Mechanismus, um dagegen zu arbeiten. Also ich zum Beispiel versuche mir anzugewöhnen, nicht der Erste zu sein, der im Raum spricht. Ganz ehrlich, wenn ihr jetzt meine Mitarbeiter befragen würdet, würden sie sagen, ja, das sagt er so. Ja, das klappt aber nicht intensiv. In 100 Prozent aller Fälle nein, leider nicht. Dieses Zurücknehmen, festzustellen, wer ist denn der Leisteste im Raum und denen dann tatsächlich Redezeit und Präsentationsfläche zu schaffen, ohne dass er sich unwohl fühlt. Nicht so nach dem Motto, komm, jetzt sag mal was. Mit einer offenen Sprache jemanden dazu zu bringen, seinen Beitrag zu leisten, um tatsächlich alle, die in einem Raum sitzen, zu hören. Ich gehe ja immer davon aus, dass alle, die in einem Raum sitzen und sich um ein Thema kümmern, auch gehört werden wollen. Und es ist ein Grundgrip, warum sie nicht sprechen oder nicht gehört werden. Die kommen ja nicht einfach nur, um die Zeit totzuschlagen. Bei uns gibt es ja noch nicht mal Kekse.

Miriam Löwe: Also ein sehr modernes Führungsverständnis. Ich meine, du hast ja früher oft so gehabt, dass der Chef eigentlich immer der sein musste, der als erstes geredet hat, der auch am besten etwas später in den Raum gekommen ist. Alle haben gewartet und waren dann schon so ein bisschen, oh, jetzt kommt Vielleicht kommt gleich der Chef und sagt was. Das ist ja wirklich die alte Welt. Also finde ich gut. Was ich schon interessant finde, ist das etwas, wenn man das beobachtet, in amerikanischen Unternehmen ist es viel stärker dieses Thema Diversität, dass es Beauftragte gibt für dieses Thema. In deutschen Unternehmen haben wir das natürlich, in ein paar großen Unternehmen auch, aber der Mittelstand oder sowas, da hat man sowas überhaupt noch nicht. Das ist noch nicht so angekommen in Deutschland. Wie siehst du das in den USA?

Ralf Kleber: Da fehlen mir so ein bisschen die Vergleichswerte, muss ich ganz ehrlich sagen. Ich muss natürlich auch zugestehen, wenn wir dieses Gespräch vor zehn Jahren geführt hätten, wären wir an einer ganz anderen Stelle unserer Entwicklung gewesen. Vor zehn Jahren gab es nicht die vielen Affinity-Groups, die wir jetzt haben. WomanAd oder Clamazon oder Black Employee Network oder solche Geschichten, die gab es einfach noch nicht, weil wir in der Entwicklungsstufe noch nicht so weit waren, dass wir uns um die Themen in der Tiefe und in der Breite kümmern können. Das Gute ist, in unserer DNA, wenn man den Begriff benutzen kann, ist so drin, wenn es die ja ermöglicht wird, mehr zu tun, dann tu mehr. Also es gibt ja so unterschiedliche Strategien. Wir glauben nicht, dass Fokussieren auf das eine besser macht, sondern wir glauben, dass wenn man mehr tun kann, dann sollte man mehr tun. Und deswegen entstehen jetzt auch diese ganzen Gruppen. Man muss auch dazu sagen, damals waren wir nicht 700.000 Mitarbeiter. Da entsteht an sich schon ein ganz anderes Potenzial, dass auch eine Bewegung aus dieser Mitarbeiterzahl hervorgeht. Ich möchte keinem deutschen Unternehmen zu nahe treten, auch weil ich überhaupt nicht weiß oder verlässliche Daten, Fakten habe, wie sie sich darum kümmern. Ich glaube, dass in zunehmendem Maße ich in meinen Gesprächen auf viele treffe, die die Augen aufgemacht haben. Es gibt auch in Deutschland mittlerweile ganz tolle Role Models. Ihr hattet ja die SAP schon da und wir haben ganz viele Startups und ganz viele bemühen sich um das Thema. Ich glaube, was noch ein bisschen stärker gemacht werden muss, ist nicht nur das darüber reden, sondern tatsächlich machen. und Und deswegen ist es toll, dass es sowas wie euch gibt, die einfach machen. Ihr macht ein Programm, damit das Thema Aufmerksamkeit bekommt. Damit andere vielleicht wieder was daraus ableiten können, damit sie was machen können. Und das, glaube ich, ist eine gute Sache. Die kommt ins Rollen. Die wird uns auch in einen besseren Zustand führen. 100 Prozent.

Marina Löwe: Und ich bin sehr, sehr dankbar für deine Offenheit, auch so transparent zu sein über, das ist ein Weg. Und das haben wir beide auch von Anfang an gesagt, als wir gesagt haben, es geht für uns um eine Exploration in die Welt der Geschlechterfragen in Führung, weil wir natürlich auch mit jedem Podcast dazulernen, weil wir da immer sensibler werden selber. Und egal, ob es jetzt um das Sprechen über HörerInnen oder Hörerinnen und Hörer geht, also um die Sprache oder um, auf welche Facetten kann man eigentlich seinen Blick richten, da fällt uns auch auf, dass das natürlich ein absoluter Lernprozess bei jedem Einzelnen persönlich ist und auch rauszufinden, was ist denn eigentlich unser Dilemma, also was ist denn die Zielsetzung? Geht es darum, dieses paritätische Prinzip auf Biegen und Brechen zu haben und was sind dann, wenn das paritätische Prinzip erreicht werden soll, die Rahmenbedingungen, unter denen das funktionieren kann? Und eine Diskussion, die wir immer wieder merken, ist, dass ich auch in meinem Beraterkollegenkreis merke, Beraterinnenkollegen, aber von den Beratern höre, ihr müsst euch einfach mehr zeigen, ihr Frauen, ihr müsst einfach mehr machen. Und dann kommt von der Seite der Beraterinnen häufig der Punkt, naja, aber im Grunde genommen sagt ihr uns, dass das Spiel, was ihr Männer erfunden habt, da sollen wir jetzt die besseren Männer sein. Und unser Dilemma ist, wir möchten das Spiel gemeinsam verändern. Da bin ich sehr, sehr neugierig, wie du diese Entwicklung bei euch auch siehst. Also was hat sich durch diesen Fokus auf, sich mehr bewusst werden über die Themen, dass du ja auch selber sagst, erstelle mir Mechanismen für mich selber, allein in der Meetingkultur drauf zu achten, in der Sprache drauf zu achten. Was macht das mit der Kultur? Also wie verändert das das Spiel, wenn man sich damit bewusst auseinandersetzt?

Ralf Kleber: Sehr interessante Frage. Wir sind ja mitten im Spiel sozusagen. Ich weiß gar nicht, warum man über Quote redet. Ja, also ich glaube, wenn man davon überzeugt ist, dass das ein besserer Zustand ist, paritätisch vertreten zu sein, weil die Bevölkerung nun mal paritätisch ist. Wenn man davon überzeugt ist, dass man damit bessere Resultate erzielt, dann ist doch dein natürliches Bestreben, das Bild wieder zu spiegeln, das du auch in der Realität vorfindest. Was wirklich in den Weg kommt, ist, du musst Veränderungen betreiben. Und das sagst du richtig. Du musst die Spielregeln ändern. Und da gibt es natürlich immer die einen, die schon eine Zeit lang gespielt haben und keine Lust haben, die Regeln zu verändern. Und die anderen, die neu auf den Platz kommen, noch nicht das Standing haben, um die Regeln zu verändern. Aber am Ende des Tages geht es nur gemeinschaftlich. Und das Spiel braucht neue Regeln. Da bin ich vollkommen bei dir. Das muss neu definiert werden. Chancengleichheit ist eine der wichtigsten Aufgabenstellungen, die die Gesellschaft hat in vielerlei Aspekten, um einem modernen Bild einer Gesellschaft auch gerecht zu werden. Im Unternehmen, ich glaube einfach, wir erzielen dadurch bessere Ergebnisse. Wir erzielen dadurch eine höhere Kundenzufriedenheit. Kann ich das jetzt eins zu eins miteinander messen? Kann ich sagen, wenn ich jetzt die Frauenquote noch ein Prozent erhöhe, steigt mein Umsatz um drei Prozent? Nein, natürlich nicht. Ja, und so will ich es auch gar nicht bemessen. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass unsere Diversität dazu führt, dass wir ein klareres Verständnis der Notwendigkeiten haben und dieses klare Verständnis auch zu besserer Innovation führt und auch zu einem höheren Innovationstechnik. Ich freue mich über jedes Meeting, über jeden Prozess, wo das quasi schon gar nicht mehr zur Debatte steht. Also ganz viele Prozesse bei uns, wo wir überhaupt nicht mehr über die Diversität nachdenken müssen, sondern da ist die einfach gegeben.

Miriam Löwe: Das finde ich sehr schön mit dem natürlichen Bestreben. Also es ist nur die Frage, wie kriegt man das rausgekitzelt bei den anderen, dass die anderen das auch sehen. Es ist schade, oder? Dass es noch nicht so angekommen ist, dass man das auch sieht, dass es einem so viel bringt.

Marina Löwe: Im Grunde genommen waren ja die Fakten da. Rauchen ist nicht gut für die Gesundheit, vor allen Dingen nicht für Kinder und für bestimmte Risikogruppen. Und die können dem im geschlossenen Raum nicht ausweichen. Man hat sie aber trotzdem zugeraucht. Was wäre notwendig gewesen, um aus einer inneren Überzeugung heraus dahin zu kommen, dass man das abstellt? Ohne Gesetz. Bei uns beiden war es auch so. Vor dem Podcast haben wir gedacht, Quote, das hat so ein Geschmäckle von jetzt sitzt man da wegen der Quote und nicht wegen der Leistung. Und je mehr wir in das Thema eintauchen, desto mehr fragen wir uns, dieser goldene Weg, den du gerade beschreibst, aus der inneren Überzeugung heraus was zu verändern. Wie kommt man denn da hin, wenn man sich mit seiner Überzeugung gar nicht auseinandersetzen muss? Weil es funktioniert ja bisher so, gerade wenn ich erfolgreich bin. Wozu muss ich mich jetzt auf den Weg machen in unbequemen Schuhen und mich mit Leuten auseinandersetzen, die so ganz anders ticken als ich?

Miriam Löwe: Also wir brauchen mehr Manager, die so ticken wie Ralf, die das eben so ansehen und es entstehen ja auch immer mehr Männer, die so sind. Aber da gibt es natürlich auch für viele Männer, die eben nicht so sind, was zu verlieren, wenn sich da die Spielregeln ändern.

Marina Löwe: Oder die Frage, woher kommt diese Überzeugung, Ralf? Also wie entsteht in einem Unternehmen, in einer Kultur diese innere Überzeugung wie bei euch, dass es eine absolute Notwendigkeit ist, diese Parität zu haben? Wie hat sich das entwickelt und was hat dazu beigetragen?

Ralf Kleber: Also mit Sicherheit hat es sich erstmal entwickelt. Ja, also das Verständnis war definitiv am Tag 1, 2 und 3 nicht da. Wir haben uns da nicht von Anfang an mit dem Thema auseinandergesetzt. Aber wir haben dann relativ schnell festgestellt, dass nochmal, um unseren Kunden richtig zu verstehen in den unterschiedlichen Geschäftsfeldern, tun wir uns leichter, wenn wir tatsächlich den Hintergrund unseres Kunden haben. Und unser Kunde ist zu einem hohen Prozentsatz weiblich. Und dann geht es halt ganz schnell los damit, wie sieht eine männliche Webseite aus? und wie sieht eine weibliche Webseite aus. Und unsere Webseite war ja sehr, sehr männlich. Das wird uns ja heute noch vorgeworfen, dass zum Beispiel für Mode viel zu männlich ist. Jetzt nehmen wir mal dieses Geschlechtermerkmal wieder weg von unserer Webseite. Es gibt nämlich auch ganz viele Frauen, die den rationalen Einkauf betreiben. Es gibt nur unterschiedliche Produkte. Da wollen auch Männer wiederum weniger rationale Momente. Also wir haben Geschlechtermerkmale mit allem Möglichen vermischt, was eigentlich nicht so richtig dazu geführt hat. Deswegen haben wir gesagt, Lass uns einfach die Basis im Mitarbeiterstamm herstellen, die ganz natürlich diese Entwicklung vorantreibt, weil sie es einfach selbst widerspiegelt. Und ich glaube, unser Selbstbewusstsein, dass wir auf einem guten Weg sind, steigt natürlich mit jedem weiblichen Talent, das zu Amazon kommt. Das nehmen wir als ein Kompliment unserer Arbeit. Wir haben investiert, wir versuchen Dinge nach außen zu tragen. Wir engagieren uns ja mittlerweile auch viel bei NUSCHU, bei DFLA, bei Tijen, bei Global Digital Women. Wir haben unseren eigenen Award geschaffen, um Sichtbarkeit zu machen. Und das Dankeschön, das wir erhalten, ist zum Beispiel, wir gewinnen ein Female Talent, das uns helfen wird, unser Unternehmen besser zu machen. Die Gesamtheit dessen, glaube ich, hat dazu geführt, dass wir bessere Resultate erzielen, als wir sie früher erzielt haben.

Miriam Löwe: Wir haben heute Morgen nach langer Zeit mal wieder ein bisschen in Ruhe geplaudert, weil wir uns ewig nicht gesehen hatten. Und da habe ich ihr erzählt, ich bin dabei auch noch ein anderes Start-up so mit zu gründen. Mich juckt das wieder so ein bisschen in den Fingern und das mache ich mit zwei Männern. Und der eine hat jetzt die Webseite gebaut. Dann habe ich mir die angeguckt und gesagt, da sind ja nur Bilder von Männern drauf. Dann habe ich ihr gesagt, Das muss er aber so ein bisschen ändern. Und dann meinte er, du hast recht, das ist mir gar nicht aufgefallen. Das finde ich schon interessant. Und er hat es ja gar nicht böse gemacht. Das war einfach im Unterbewusstsein, hat er das als nicht für notwendig gehalten. Und das meine ich immer wieder, dieses Ansprechen, darauf reingehen und eben den Spiegel vorhalten. So bekommt man eben die Dinge vielleicht geändert. Und er ist jetzt dabei, das umzustellen. Und wir machen das jetzt nochmal zusammen. Weil unsere Kunden sind ja nicht nur Männer. Wir haben ja auch Frauen als Kunden und wir haben andere Menschen als Kunden. Das ist ja sehr einseitig. sonst, wenn wir die Dinge so einseitig betrachten. Und ich glaube auch generell für unser Arbeitsleben, das habe ich auch gelernt. Ich habe auch angefangen, viel in die Öffentlichkeit zu gehen, auch über LinkedIn etc. als Gründerin von Ratepay. Und ich muss gestehen, wir haben bei uns auch deutlich mehr, glaube ich, weibliche Bewerberinnen als andere Unternehmen in ähnlichen Branchen. Ich finde das wirklich bezeichnend. Es hat schon was damit zu tun, wie du als Unternehmen auch damit umgehst. Und ich glaube auch, wie man dann Talente finden kann. Das finde ich schon sehr interessant.

Marina Löwe: Und Was für ein wunderschöner Satz. Jedes weibliche Talent, das sich bei euch bewirbt, als Kompliment zu sehen. Weil das ist für mich auch wieder so ein Beispiel für eine Haltung, zu sagen, ah, okay, das ist ja ein Feedback und insofern auch ein Zeichen, dass das auch so wahrgenommen wird, dass man bei euch dabei sein möchte. Ich hatte vor kurzem ein Titelblatt geteilt auf LinkedIn, weil ich drüber gestolpert bin und gedacht habe, wow, das ist so auffällig. Es kommt aus der Elektronikbranche und auf dem Titelblatt waren 20 Männer. Mutmacher, es hieß die Mutmacher.

Miriam Löwe: Und es hieß die Mutmacher.

Ralf Kleber: Die Mutmacher, ja.

Marina Löwe: Und abgesehen jetzt vom Layout und der Farbe lila und dem Design, habe ich erst gedacht, das kommt aus den 90er Jahren. Aber es war wirklich August 2020, Elektronikbranche. Und dann habe ich gedacht, auch wenn die Branche männlicher dominiert ist, weil es dort auch weibliche Nachwuchsprobleme gibt, weil die gar nicht so ins Studium gehen. Wenn ich mir das Titelblatt angucke und sage, das ist die Einladung zur Party. Sorry, aber dann kann ich total verstehen, warum Schülerinnen sagen, auf die Party habe ich aber keine Lust. Das ist total unattraktiv. Wieder schön, dass du sagst, hey, wir haben die Party ja anscheinend so gestaltet, dass die Frauen dabei sein wollen und dass auch alle anderen Gruppen dabei sein wollen. Und das ist ein total schönes Bild, das dann jedes Mal als Bestätigung zu sehen.

Ralf Kleber: Hast du schön beobachtet. Ja, vielleicht war es die Angstmache. Tatsächlich, ich denke, das ist nicht zeitgemäß. Den Amerikanern, auch wenn wir uns natürlich gar nicht so fühlen, wird ja oft vorgeworfen, wenn du so einen amerikanischen Werbespot siehst, versuchen die ja möglichst viele Vielfalt sozusagen, Diversität in den Spot reinzupacken. Das wirkt ja auf den Deutschen immer ein bisschen unnatürlich. Aber es ist extrem wichtig, das überzubetonen. Wir haben eine Affinitätsgruppe, die sich zum Beispiel um körperliche Gebrechen kümmert. Und es ist wichtig, dass wir auch die nach außen tragen. Zum Beispiel haben wir im Moment einen Spot, Dort, wo wir gehörlosen Mitarbeiter in unserem Versandzentrum die Hauptrolle geben, leuchtet nicht jedem direkt ein, was man damit beabsichtigt. Man beabsichtigt damit, Vielfalt nach außen zu tragen und darzustellen und Chancengleichheit in ihren unterschiedlichen Facetten in Bilder zu fassen. Das ist, glaube ich, extrem wichtig. Und wie du sagst, im Moment sind wir in einem Stadium, wo Überbetonen vielleicht besser ist wie Wenigerbetonen, weil wir doch noch ein Stück des längeren Weges vor uns haben, als wir hinter uns haben.

Marina Löwe: Und es gilt ja echt für alle. Also du sagst jetzt Gehörlose, wenn ich jemanden im Lager habe, den ich nicht rufen kann zum Beispiel, da muss ich bestimmte Dinge berücksichtigen oder da sind vielleicht Ansagen. Du kannst dann über Sprache nicht gehen. Was mir aufgefallen ist über diesen Fokus auf Diversität, das macht mit mir ja auch was. Diversität ist ja größer. Ich komme aus Unternehmen und Arbeitskontexten, wo ich eine der Jüngsten war immer. Und jetzt, so alt bin ich noch nicht, bin jetzt 38, bin ich in einem Start-up die Älteste. Es gibt vielleicht noch eine, die älter ist, ansonsten bin ich die Älteste. Und habe gesagt, wow, abgefahren. Das ist natürlich auch wenig Diversität, weil wir schon gerade gar nicht im Blick haben, was ist denn die Sichtweise der sehr erfahrenen User und Userinnen. Also wir haben eine digitale Lernplattform und dieses Auseinandersetzen mit, jetzt bin ich Mitte 50 und möchte trotzdem das Thema Digitalisierung verstehen, kann bei uns intern keiner abbilden, weil er diese Erfahrungswelt nicht hat und selbst körperliche Einschränkungen. Da bin ich bei dem letzten Unternehmen durch den Betriebsrat sensibilisiert worden. Eine Kleinigkeit, über die ich nie nachgedacht habe, dass sie sagten, auf den männlichen Herrentoiletten fehlen die Mülleimer. Und da hat der Geschäftsführer gesagt, wieso brauchen die Mülleimer? Ich habe gesagt, naja, es gibt durchaus auch Themen wie Inkontinenz und wir haben einen großen Anteil männliche Belegschaft. Wir haben ein Durchschnittsalter von 52. Das ist bei uns ein Thema. Und ich habe gesagt, das ist natürlich in meiner Realität überhaupt nicht vorhanden. Und das zeigt, wie sehr Alter, Nebengeschlecht und auch wieder kultureller Hintergrund in Bezug auf Ernährung. Also es kann so unterschiedlich sein und so viele blinde Flecke erzeugt. Und jetzt hast du ja gesagt, dass ihr ganz viel trainiert. Was sind auch Trainingsansätze, die euch wirklich nach vorne gebracht haben? Und was sind vielleicht auch Sachen, wo du sagst, das haben wir gemacht, da haben wir aber gemerkt, das bringt uns gar nicht so viel weiter?

Ralf Kleber: Mir fallen natürlich die erfolgreichen ein. Vielleicht auch, weil wir uns mit den Dingen, die nicht funktioniert haben, nicht lange aufhalten und auch nicht lange rumlamentieren. Ich glaube, das, was geholfen hat, war Sensitivität für unterbewusste Vorbehalte. War eines der wirkungsvollsten Trainings, das für mich sehr, sehr augenöffnend war. Wie viel Ballast man mit sich rumträgt und den gar nicht so richtig erkennt. Und den auch dann zum Ausdruck bringt, ohne eine böse Absicht zu haben. Also das, was Sie vorhin gesagt haben, der Hörer, da wären wir wieder. Was auch sehr wichtig ist, dass wir unsere Mitarbeiter eigene Programme haben entwickeln lassen. Wir haben gerade ein Programm hier, das heißt Amplify. Also jedes Programm muss nicht irgendwo vom HR kommen oder von irgendeinem Training, sondern Amplify ist ein Programm, mit dem wir inklusive Meetingkultur für Manager und für Mitarbeiter trainieren, sensibilisieren. sodass ein Manager sich bewusst ist, wie gestaltet man ein Meeting inklusiver, aber auch ein Mitarbeiter trainieren kann, wie kann ich mich denn in so einem Meeting sichtbarer machen. Also aus zwei unterschiedlichen Perspektiven ein Training, durch das im Moment ganz viele Coaches und Trainer durchgehen. Das sind zwei Beispiele, aber es gibt so viele andere. Ich denke, das Wichtige ist auch nicht, das eine Rezept zu finden, sondern ich glaube, das Wichtige ist, das richtige Rezept für sich, sein Unternehmen, sein Team, seine Mitarbeiter zu finden und dann einfach mal auszuprobieren, sich ein Ziel zu setzen. Was wollen wir denn damit erreichen? Wenn es gut ist, funktioniert es. Ja, und wenn nicht, muss man was anderes ausprobieren.

Miriam Löwe: Was mich mal interessieren würde, Ralf, so ganz persönlich in deiner Laufbahn, wie war das so mit diesen unbewussten Vorurteilen? Mit welchen unbewussten Vorurteilen hast du in deiner Vito aufgeräumt, vielleicht so in den letzten 20 Jahren?

Ralf Kleber: Das sind vor allen Dingen so klassisch hergebrachte Denkmuster. Wenn wir gerade eben gesagt haben, die Elektronikbranche ist männlich, dann ist das ja schon wieder so ein unconscious Bias, den man mit sich rumträgt, wovor ich immer Angst hatte. Das sind so kleine, aber es sind ganz viele kleine Denkmuster, die du so mit dir rumträgst, die dich daran hindern, freier über Themen nachzudenken. Und wie gesagt, nicht alle sind wirklich schädlich oder müssen bekämpft oder behandelt werden, wenn man so will. Wichtig ist, dass man sie erkennt, dass man weiß, dass sie existieren und immer prüft, ob sie einer Entscheidung in den Weg kommen.

Miriam Löwe: Du hast ja auch Kinder. Wie alt sind deine Kinder?

Ralf Kleber: Ich habe eine Tochter, die ist 19 und mein Sohn ist 15.

Miriam Löwe: Sie ist ein sehr spannendes Alter. Ist ja bei mir auch. Tochter 16, Marina hat ja auch einen Teenager-Sohn.

Marina Löwe: Mein Sohn ist 17, ja. Spannende Zeit.

Miriam Löwe: Wie siehst du da die Unterschiede zwischen dem Mädchen und dem Jungen? Hast du da so für dich persönlich große Unterschiede, die du da feststellst? Oder Rollenklischees? Gibt es die in der Generation weniger?

Ralf Kleber: Ach ja, das ist jetzt eine ganz schwierige Frage. Also erstens sind sie beide auf ihre Art wundervoll. Beide Altersgruppen sehr, sehr spannend. Never a dull moment. Man denkt so, das Programm mit Jungs ist anders wie das Programm mit Mädels, aber so anders ist es gar nicht. Ja, meine Tochter spielt Handball, mein Sohn spielt Fußball. Meine Tochter hat dort mindestens genauso viel körperlichen Einsatz wie mein Sohn. Ich halte die nicht so direkt nebeneinander, sondern genieße, dass sie beide da sind und in ihrer Individualität ihren Entwicklungsweg gehen und hoffe, dass sie den auch weiter beschreiten und nicht vielleicht ein bisschen als Coach und ab und zu auch als Mahner und Ermahner, das braucht man ja auch, in dem Alter zur Seite stehen kann. Aber noch wichtiger ist natürlich meine Frau, die noch mehr Zeit mit den Kindern verbringt und sehr viel von ihrem beruflichen Wertegang dafür auch in Anführungsstrichen und Ausrufezeichen geopfert hat. Die ist dann natürlich der wesentlich wichtigere Teil.

Marina Löwe: Was für mich ganz spannend war, ich durfte gerade mit einem Männertherapeuten eine Podcast-Folge auch aufnehmen, die auch dann bei uns erscheint. Der hat mich auch nochmal dafür sensibilisiert, weil da habe ich definitiv auch unconscious bias. Wenn sie nicht so unbewusst wären, dann hätte ich sie ja aufräumen können. vor 17 Jahren schon bei meinem Sohn. Er hat gesagt, so viele Studien nach wie vor zeigen, dass wir bei Jungen, bei Kleinen weniger geduldig sind, sowohl Mütter wie Väter, wenn sie traurig sind oder wütend, als bei Mädchen. Das heißt, bei den Mädchen haben wir eine Tendenz, länger zu trösten. Bei den Jungen sind wir schneller lösungsorientiert und wollen die wieder ins Handeln bringen. Ach, man hat dir dein Spielzeug weggenommen im Sandkasten, dann spiel doch mit was anderem. Und da habe ich gedacht, da kann ich mich mit Sicherheit nicht rausnehmen. Wie verhalte ich mich denn bei meinem Sohn, wenn er mal wütend oder traurig war und dieser Umgang mit Emotionen, was man den Kindern da mitgibt. Und da fängt es für mich schon an, auch für mich jetzt bewusster zu werden. Wo halte ich ihn denn auch jetzt mit 17 in diesen Klischees? Oder bestärke das eine oder das andere. Und da hast du ja gerade gesagt, das ist so das Wichtigste für sich, Ziele zu setzen und auszuprobieren. Aber dafür musst du ja erstmal Bewusstsein darüber haben. Und da haben wir ja ganz lange gar nicht drüber gesprochen, wie unterschiedlich wir auch erziehen, weil wir uns da gar nicht bewusst mit befasst haben. Inwiefern hast du dich mit deinen Kindern mal überhaupt über das Thema auch ausgetauscht, was dich da bei Amazon auch so umtreibt, diese unbewussten Schubladen?

Ralf Kleber: Ich muss ehrlich sagen, nicht in dem Umfang, wie man das im Unternehmen macht. Und dann natürlich auch agierst du als Familie auf noch intimere Weise, wie du das am Arbeitsplatz machst und auch machen solltest, glaube ich. Da sehe ich schon noch eine feine Trennlinie, wo ich also Fragen, die ich meiner Tochter stellen kann, die ich einer Mitarbeiterin niemals stellen würde. und damit auch natürlich eine andere inhaltliche Basis, mit der man redet. Deswegen versuche ich gar nicht so viel von meinen Geschäftspraktiken ins Privatleben zu bringen, weil ich habe auch fast fünf Jahre lang ein Jugendfußballteam trainiert. Wie du mit einem Jugendfußballteam Ziele erreichst, ist 100 Prozent anders wie mit einem Business-Team. Deswegen kam ich gar nicht erst in die Versuchung, viel von den Business-Praktiken rüberzubringen. Natürlich versuche ich viel vom Wertesystem, stärkt natürlich das eine und das andere. Ja, ich glaube, wenn du ein toller Familienmensch bist, ist es sehr wahrscheinlich, dass du auch ein sehr guter Teamplayer bist. Ich will jetzt nicht das Umgekehrte sagen, dass das nicht möglich sein kann. Aber ich glaube einfach, dass eine gute Voraussetzung ist. Ja, weil viele der inneren Werte, die du brauchst in der Familie, die brauchst du natürlich auch im Beruf. Geduld, das Erkennen von Fehlern, das Selbsterkennen von Fehlern. Ja, ganz viele Parallelen, also diese inneren Werte, die passen schon. Aber die Praktiken und die Techniken und den Mechanismen, die man davon ableitet, die sind, glaube ich, sehr, sehr unterschiedlich.

Miriam Löwe: Ich könnte jetzt noch sehr, sehr lange zuhören. Ich habe gerade einen Blick auf die Uhr gewagt. Unsere HörerInnen, die können ja mal nicht so ganz lange zuhören. Deshalb müssen wir dann immer irgendwann auch mal Schluss machen. Es gibt ja auch so Podcasts. von der Zeit ist das, glaube ich. Da muss dann irgendwer irgendwas fallen lassen irgendwann. Und manchmal gehen die drei, vier Stunden oder sowas. Aber ich glaube, so etwas, das wird dann einfach zu lang.

Marina Löwe: Genau, das würde ich bis in den Abend ziehen. Aber auch wenn du schon sehr, sehr viele Hinweise gegeben hast, was ich für sehr, sehr wertvoll halte, was ihr auf den Weg gebracht habt, was euch auch unterstützt hat, wenn du für unsere Hörerinnen und Hörer am Ende nochmal zusammenfassen könntest, wenn du drei Tipps hättest, wo du sagst, das ist wirklich was, was ich für sehr sinnvoll halte, um da anzufangen. Was sind für dich so die drei Highlights auf dem Weg in Richtung mehr Inklusion im Unternehmen?

Ralf Kleber: Ich glaube, eins ist ganz wichtig, dass man seine Fehlerkultur nochmal checkt. Kann man hier über seine Fehler reden, über Probleme reden? Wird der Truthseeker, so nennen wir ihn ja, der Wahrheitssucher, beschützt in seinem Umfeld? Das ist eine Grundvoraussetzung, die auch bei den Managern vorhanden sein muss. Du musst dir bewusst sein, du machst Fehler und du musst sie offen darstellen können, damit andere davon lernen und die Fehler vermeiden können. Und da wäre ich auch schon bei dem Zweiten. Ich glaube, man muss sich selbstständig in Frage stellen. Also ich glaube, den Perfect Manager gibt es einfach nicht. Den gibt es nur, wenn er sich ständig verändert, wenn er sich ständig anpasst, wenn er sich ständig auch einen Spiegel vorhalten lässt. Da gibt es ganz viele Möglichkeiten, wie man das machen kann, von intern bis extern. Hierarchien und Angst sind keine gute Berater in einem Unternehmen. Deswegen braucht man eine offene Kultur, die nach Vielfalt sucht. Also diese Diversität im Gedankengut immer wieder sichtbar sucht. Ich glaube, wenn man so die drei Dinge beachtet und auch vorlebt und in Prinzipien und Mechanismen umwandelt, dann kann man schon einen Schritt nach vorne machen.

Miriam Löwe: Also nicht reden, sondern handeln.

Ralf Kleber: Bias for action.

Marina Löwe: Ja.

Ralf Kleber: So nennen wir das, ja.

Marina Löwe: und uns dann hilft, in Meetings uns selber zu überprüfen, in Gesprächen, beim Aufsetzen neuer Webseiten, in neuen Startups, also in ganz unterschiedlichen Bereichen. Von daher ganz, ganz herzlichen Dank heute für deine Zeit und fürs Teilen.

Ralf Kleber: Super, hat mich sehr gefreut, bei euch und euren Zuhörerinnen und Zuhörern Gast zu sein und nobody is perfect, also weiter daran arbeiten. Das gilt für uns an erster Stelle.

Miriam Löwe: Danke dir, Ralf.

Marina Löwe: Danke. Tschüss. Ja.

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