Digitalstrategien in der Krise: Gesund schrumpfen vs. krank wachsen

20. Oktober 2022, mit Joel KaczmarekBoris Lokschin

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Intro: Digital Kompakt. Heute aus dem Bereich IT-Projektmanagement mit deinen Moderatoren Joel Kaczmarek und Boris Lokschin. Los geht's!

Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von Digital Kompakt und habe heute wieder den lieben Boris Lokschinn von Spryker an meiner Seite. Wenn Boris da ist, dann heißt es immer Innovate or Die. Und Die ist diesmal die Achse, die wir betonen. Also viele haben ja da draußen gerade zu kämpfen. Es ist irgendwie Krise. Und Boris hat einen schönen Titel heute mitgebracht für unsere Folge. Gesund schrumpfen versus krank wachsen. Das heißt, wir wollen mal darüber reden, wenn wir jetzt gerade eine Krise haben und uns unseren Personal abarbeiten, unsere Kosten angucken und wo wir alle so hinwollen mit unseren Unternehmen. da dann mal genau unter die Haube zu schauen, was macht eigentlich Sinn und was nicht. In der heutigen Folge erwartet sich also, dass wir eine kleine Situationsanalyse machen, dann mal darüber sprechen, welche Lagen hat man eigentlich in unterschiedlichen Unternehmen und welche Strategien passen dann zu der jeweiligen Lage? und wie kann ich das Ganze ein bisschen smart machen. That being said, moin Boris, moin, schön, dass du da bist.

Boris Lokschin: Guten Morgen Joel.

Joel Kaczmarek: Ich hoffe, du musstest gesund wachsen oder zumindest gesund bleiben und nicht krank wachsen oder gesund schrumpfen. Wie ist bei euch die Lage?

Boris Lokschin: Im B2B-Segment natürlich irgendwie alle versuchen Gas zu geben. Für viele ist das nach wie vor, ist dort sozusagen digital, Digital Commerce aufzubauen, Capabilities aufzubauen, schon irgendwie den Hauptwachstumstreiber, Ertragsabsicherer. Von daher, glaube ich, geht es uns da ganz gut und die Nachfrage ist da sehr, sehr hoch. Auch wenn natürlich die Unternehmen, also unsere Kunden zunehmend auch auf den Markt gucken werden, das versuchen für sich zu bewerten, was dann so die nächsten Monate bringen werden.

Joel Kaczmarek: Ja, lass uns doch mal über die Situation insgesamt reden. So kleine Bestandsaufnahme. Also eigentlich hat ja gefühlt jeder schon viel mitgekriegt. Also es ist ja eigentlich ein krasser Melting Pot. Also Ukraine, Kriegsfolgen noch, dann Corona, Nachbrenneffekt und bald geht es wahrscheinlich wieder los. Dann irgendwie Crash an der Börse, dann irgendwie allgemeine Unsicherheit, Lieferschwierigkeiten. Also das ist so das Big Picture, was ich immer wahrnehme. Aber mach mal aus der Innensicht bei jemandem, der ein großes Unternehmen lenkt, wie du das wahrnimmst.

Boris Lokschin: Ja, ich glaube, das ist genau wie du sagst. Ich meine, das Jahr oder generell die letzten zwei, drei Jahre waren ja schon mega turbulent. Mit Corona angefangen, was ja immer noch nicht weg ist, sondern gefühlt ja immer alle drei, vier Monate wiederkommt und wahrscheinlich jetzt auch wieder mit einer neuen Welle, neuen Varianten da immer noch durch die Lande zieht. Kaum gab es irgendwie mal so ein bisschen Aufbruch und Aufschwungsstimmung ging es ja los mit dem schrecklichen Ukraine-Krieg, der vom Zaun gebrochen wurde am Anfang des Jahres. Das hat auch, glaube ich, viele betroffen, also auch in der Digitalbranche, weil natürlich Ukraine ein beliebtes Near-Shore-Land ist, ja, viele Startups, viele Scalers, aber auch viele Großunternehmen dort auch Entwicklungskompetenzen, Entwicklungszentren haben. Und das natürlich neben dem menschlichen Leid dort eben auch zu Produktivitätsthemen geführt hat. und dann als konsequent natürlich dann alles andere. Also irgendwie Märkte in Aufruhr, Supply Chain, irgendwie China und Taiwan, Zinsen gehen irgendwie hoch, Finanzierungsrunden werden irgendwie oder Bewertungen schmelzen, dahinten Multiples gehen irgendwie weg. Also es gab, glaube ich, relativ viel, was in den letzten Monaten passiert ist. Und ich glaube, es verfestigt sich ja der Eindruck so ein bisschen, dass wahrscheinlich auch Rezessionen oder eine Rezession auf der Welt jetzt nicht ganz abzuwenden sein wird. Weil einfach ein Markt nach dem anderen, heute Morgen hieß es Immobilienmarkt, der Immobilienmarkt sei auch schon wieder irgendwie in Fahrt. Das ist relativ klar, dass nach einer Phase von fast 12, 13 Jahren von kostenlosem Geld dass es jetzt wohl so aussieht, als ob die Welt eine andere sein wird. Und das macht es natürlich für viele Unternehmen, egal welche, also ob das jetzt große Corporates sind, die digital vorhaben, planen, steuern, budgetieren oder eben auch Startups, Scaleups. Das macht es natürlich nicht einfacher, weil erstmal ist sozusagen Unsicherheit da. Und Unsicherheit ist erstmal immer schlecht. Wenn es Probleme gibt und das ist zumindest sicher, man kann irgendwie Risiken abschätzen, Zeit abschätzen, ist das besser manageable. Man kann sich darauf einstellen, man kann entsprechend seine Handlungen irgendwie darauf ausrichten. Unsicherheit ist immer schlecht, weil in unsicheren Zeiten tun die Leute erstmal eins, nämlich gar nichts. Parken, pausieren, schieben, putten, versuchen sich irgendwie in eine Situation zu bringen, in der sie einfach diese Unsicherheit aussitzen können, bis zum Zeitpunkt, an dem klarer ist, was Sache ist.

Joel Kaczmarek: Und was merkst du so für ganz konkrete Tagesgeschäft-Effekte bei euch, bei euren Kunden? Was beobachtest du da so?

Boris Lokschin: Also bei uns gibt es jetzt, Gott sei Dank, noch keine negativen Effekte. Was wir natürlich merken, ist, insbesondere unsere großen Kunden, und wir sind ja von einem Kundenprofil her dann wirklich im Corporate, B2B-Bereich unterwegs, Pharma. Manufacturing, Automotive, Logistik, MedTech und so weiter. Was man da eben merkt, ist natürlich, dass die Unternehmen auch zunehmend Druck bekommen, was Finanzierung angeht, was deren Kredite angeht, was Lieferketten angeht. Deren Preise gehen hoch, die fangen jetzt natürlich auch an, ja, das in ihre Produkte, ihre Services mit einzubetten, ja, sie fangen an, auch sich darauf einzustellen, dass sie eben nicht mit Materialien versorgt werden können, dass ihre Kunden später zahlen, dass sie eben, wie gesagt, Vorhaben, die früher leicht finanzierbar waren über den Markt, nicht mehr so leicht finanzierbar sind, ja, und dann sind die eben vorsichtiger, ja, sind vorsichtiger, reviewen ihre Investitionsprogramme, schauen sich sehr, sehr genau an, ob das eben sozusagen Core-Capabilities sind, hatten im Marketing häufig, ja, sind vorsichtiger bei Personaleinstellungen. Manche gehen sogar so weit, dass Unternehmen doch Leute rausnehmen. Also das beobachten wir schon. Wie gesagt, Gott sei Dank hat es jetzt auf die Exekution der digitalen Transformations-Commerce-Vorhaben, mit denen wir jetzt betraut sind, jetzt noch keinen negativen Impact gegeben. Aber weil es einfach eine der Core Capabilities ist, neben Security, ja, digitale Transformation wird von vielen CIOs momentan als das Thema mitgesehen, was man nicht irgendwie stoppen oder einfrieren kann oder sollte. Aber man merkt eben schon, dass da die Unternehmen einfach zunehmend vorsichtiger agieren, tougher verhandeln, Dinge länger dauern, ja, Approval Thresholds hochgehen, ja, nicht jeder mehr irgendwie alles freizeichnen kann, ja, da mehr Augen drauf gucken. Also das ist schon, glaube ich, relativ wichtig.

Joel Kaczmarek: Merkst du eigentlich, ob es, sage ich mal, so Verwerfungslinien gibt, dass es auf der einen Seite Leute gibt, die voll wie hart angeschlagen sind und auf der anderen welche, die sogar profitieren derzeit? oder ist so Gesamtstimmung eher nach unten?

Boris Lokschin: Ja, wie gesagt, ich wäre vorsichtig mit Gesamtstimmung nach unten. Also wie gesagt, ich glaube, primär ist die Gesamtstimmung einfach große, große Unsicherheit. Es gibt eben so Effekte, die einfach alle betreffen, sowas wie Zinsen. Das ist relativ klar, dass das den Geldfluss im Markt einfach anders regelt, dass man eben teurer, schlechter an Geld kommt, dass die Zeiten von diesem kostenlosen Geld und auch so von diesem Überfluss her, in dem man ja dann auch operativ dazu geneigt war, in vielen Firmen Probleme mit Geld zu lösen. Also irgendwie noch mehr Headcount, noch eine Gehaltserhöhung, noch einen Bonus, noch mehr parallele Wetten, noch mehr Risiko. Das ist schon bei vielen jetzt anders. Gibt es jetzt irgendwie so richtige Gewinner davon? Ich glaube, diejenigen, die grundsätzlich, ich sage jetzt mal, Markt realistisch gewirtschaftet haben. Das muss jetzt nicht heißen, auf Profitabilität gefahren sind, aber die schon jetzt nicht Geschäftsmodelle gebaut haben, deren ROI jetzt unendlich weit in der Zukunft liegt oder komplett Experimental Bets sind oder waren. Die tun sich da jetzt ganz gut, auch sich daran zu erinnern, was sie in meinem BWL-Studium irgendwie mal gelernt haben. Wie man Geld zählt und was Ertrag bedeutet und was EBITDA bedeutet. Und nicht in der Situation zu sein, in der man eben wenig Handlungsoptionen hat. Stichpunkt, glaube ich, auch im Start-Scaler-Bereich genug Firmen, die mehr oder weniger von einer Finanzierungsrunde zur nächsten gelebt haben und sich mit Hunderten von Millionen eingedeckt haben, solange es ging. Und jetzt eben große, große Schwierigkeiten haben. Also da haben wir glücklicherweise gerade in dem B2B-Umfeld sind ja viele Mittelständler und auch viele Großunternehmen ja eher diejenigen, die solide wirtschaften, die auch auf Ertrag und Gewinne und Co. achten und ihre Investitionsprogramme dann im Zweifel eigentlich eher zu kurz gehalten haben, was ja in den letzten Jahren immer kritisiert wurde. Da erinnert es sich auch, wir haben in vielen Folgen darüber gesprochen, Leute, ihr verdient Geld, der Markt gibt euch quasi kostenlosen Zugang zu Kapital, ihr müsst eigentlich eure Innovations- und Digitalisierungsprogramme beschleunigen und mehr und mehr parallele Wetten eingehen. Und das natürlich in einer Krise wie jetzt, tut den Firmen das natürlich dann eher gut, zu sagen, okay, wir haben das irgendwie eher im Griff gehabt und haben uns nicht in eine Situation reinmanövriert, in der wir irgendwie keine anderen Optionen haben.

Joel Kaczmarek: Dann lass uns doch mal so eine Situationsbetrachtung machen oder eine Anleitung zur Situationsanalyse vielleicht eher. Du hast es ja schon überschrieben mit Luxus oder Notwendigkeit. Also ich kann ja jetzt, wenn ich in einer Krisensituation mich befinde, einerseits vielleicht mit dem Rücken zur Wand stehen, also dass ich wirklich handeln muss, oder es kann ja auch so sein, dass das vielleicht gar nicht so dringlich nötig ist und dann muss ich mir auch einen Plan zurechtlegen. Was hast du denn für ein Framework, was du dann immer so versuchst rauszuziehen?

Boris Lokschin: Ich würde mich mal so ein bisschen auf das digitale Thema mal konzentrieren. Es gibt natürlich viele Programme in Unternehmen, das würde hier den Rahmen sprengen, aber wenn wir uns so ein bisschen die Digitalisierung angucken und vielleicht das mal clustern in, was machen Corporates, was machen große Unternehmen und was machen so Startups, Scale-Ups? Ich glaube, da kann man so ein bisschen einsteigen, genau mit der Frage, die du gerade schon geteasert hast, ist eigentlich mein digitales Vorhaben, ist mein digitales Produkt, mein Service, mein Unity, ich da baue, ist das eigentlich ein Luxus oder ist das Notwendigkeit? Was meine ich damit, wenn ich zum Beispiel massiv bedroht bin durch Disruption oder wenn mein Geschäftsmodell, mein 3D-Geschäftsmodell prinzipiell erodiert oder prinzipiell angegriffen wird von anderen Wettbewerbern, wenn ich dabei bin, einen Marktanteil zu verlieren, wenn ich dabei bin, wenn meine Marge massiv unter Druck ist, wenn ich dabei bin, Wettbewerbsvorteile, die ich gehabt habe, vielleicht in einer analogen Welt nicht mehr zu haben, Dann fällt natürlich alles, was ich da digital tue, absolut in den Bereich Notwendigkeit. Das ist dann kein Luxus, das ist dann irgendwie nicht vielleicht eine Marketingkampagne, die ich mal stoppen kann für ein paar Monate, sondern das ist ja überlebenswichtig. Wenn ich davon ausgehe, dass ich auch nach der Krise, nach der Rezession oder nach dem Markdown-Turn, der vielleicht kommen mag, noch irgendwie da sein möchte, dann ist das irgendwie maximal essentiell und Core-Capability. Dann kann ich nicht dann kann ich da keine Kompromisse fahren, genauso wie ich dann vielleicht bei Security oder anderen Themen keine Kompromisse geben kann. Wenn mein Digitalvorhaben, mein Digitalprodukt, meine Initiative eher Luxus ist oder eher eine Option gewesen ist, wenn ich ein starkes Core-Produkt habe als Digital-Company, Und ich hatte jetzt vielleicht gerade eine neue Initiative oder vielleicht ein neues Feature angefangen oder eine neue App irgendwie gestartet. Und das ist jetzt nach vorne raus zwar richtig und wichtig, es ist aber keine Core-Capability im Sinne von, wenn das jetzt nicht in den nächsten drei, sechs Monaten da ist, Verliere ich meine Existenzberechtigung, dann habe ich natürlich andere Optionen. Und ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Punkt, weil wenn ich keine Optionen habe und die einzige Option, die mir eben bleibt, ist es am Ende sozusagen auf der Kostenseite zu cutten, dann ist es natürlich schlecht. Dann ist das genau das, was dann manche Unternehmen jetzt mit absoluter Vollbremse quasi machen müssen. Wenn ich aber feststelle, hey, das Team, was ich mir aufgebaut habe, das Produkt, was ich da angefangen habe, die Initiative, die ich losgetreten habe, der POC oder MVP, die ich da gebaut habe, ist eine Core Capability, dann muss ich smart sein. Dann kann ich eben nicht, das ist so ein bisschen das, wo viele Unternehmen jetzt quasi übersteuern und einfach irgendwie mit der Schere durchgehen. Dann muss ich mich smart in eine Position bringen, in der ich auch nach vorne raus noch erfolgreich sein kann.

Joel Kaczmarek: Ja, ich überlege gerade so, also wenn man sich mal die Berichterstattung ansieht, vielleicht kann man ja auch mal ein paar Case Studies versuchen, im Kopf so durchzudeklinieren. In den gängigen Wirtschaftsmagazinen werden ja teilweise schon Listen geführt, wer hat irgendwie alles schon entlassen und der und diejenige erzählen jetzt wieder und mir ist gerade so im Kopf geblieben, ich habe vor kurzem hatte ich hier den Christian Reber von Pitch im Podcast, ist ja eigentlich ein Core-digitales Produkt und auch jemand, wo ich sagen würde, der ist ja. Also eigentlich ist er gar nicht Zielgruppe deines Gesprächs heute, wenn man es mal ganz ehrlich nimmt, weil er kann das alles ja schon, was du beschreibst. Aber ich weiß, als ich deine Entlassung gelesen habe und guckte mir dann so die Liste an, die ist ja üblich mittlerweile, wenn du Leute freisetzt, dass du sagst, ich versuche die in neue Beschäftigung zu bringen, guckte ich mir so die Liste durch und habe gestaunt, dass es sehr viele waren, die irgendwie so Software-Architekt waren oder Programmierer oder, oder, oder. Das heißt, ich hatte eigentlich mal den Eindruck, wenn jemand gerade Probleme hat, dann gehst du als erstes immer hin und streichst irgendwie im HR oder im Legal oder in irgendwas, was jetzt nicht so Tech-Core ist, was sozusagen nicht ROI-nah ist. Was ist denn so deine Betrachtungswinkel?

Boris Lokschin: Was so Start- oder Scale-Ups angeht, ist das immer ein besonderes Feld, ja, aus zwei Gründen. Also A, es gibt natürlich viele, wir kommen natürlich jetzt aus einer Zeit, in der in der Bewertungen einfach massiv hochgetrieben wurden und Geld einfach im absoluten Überfluss war, was ja irgendwie auch zusammenhängt miteinander. In der hochriskante Wetten eingegangen wurden, Termsheets geschrieben wurden, ohne gute Diligence. Teilweise nur für einen guten Namen oder für eine gute PowerPoint, ja, insane irgendwie Bewertungen bekommen hast. Weil einfach so viel Geld im Markt war und das den Investoren, den VCs, den LPs Geld sozusagen Löcher in die Tasche gebrannt hat, ja, und das einfach allokiert werden musste, ja. So, und das führt natürlich dazu, dass A, du so ein bisschen auch Adverseselektionen damit hast, ja, also du finanzierst natürlich im Zweifel auch viele Dinge, die man eigentlich betriebswirtschaftlich vielleicht nicht hätte finanzieren sollen, aber die klammern wir mal aus. Du hast aber natürlich auch viele Future Investments, die du machst. Weil wenn Geld erstmal frei ist, das ist ja genau das Beispiel, was ich gerade gesagt habe, ohne jetzt die Situation von Pitch zu kennen, aber was natürlich gut sein kann, ist, dass Pitch vielleicht ein Core-Produkt hat oder vielleicht Core-Features hat, die da sind, auf die sie sich konzentrieren und sie sich wahrscheinlich gedacht haben, okay, es gibt irgendwie drei, vier, fünf weitere Variationen, wie man das Produkt irgendwie Feature-seitig entwickeln kann. die sozusagen peripher oder Next-Generation-Funktionalitäten sind. Und für die stellst du natürlich dann auch Entwickler ein, du stellst vielleicht Designer ein, du stellst Produktmanager ein, die du dann in der Situation, in der das Geld eben nicht mehr da ist oder du nicht mehr darauf wetten kannst oder hoffen kannst, dass eben diese Finanzierungen weiter so fließen, du dir dann eben die Frage stellst, ob das sustainable ist oder ob du dann nicht sagst, okay, ich konzentriere mich mit dem Team, was ich habe, auch meine Core-Capability, verbessere sie inkrementell, Mache meinen Bestandskunden happier. Und ob ich jetzt die drei neuen Features oder die drei neuen Apps morgen oder übermorgen rausbringe, ist vielleicht nicht überlebensessentiell. Und das Gleiche passiert auch auf der Sales-Marketing-Seite. Also ich meine, viele Wachstumsunternehmen tätigen natürlich, also gerade im Enterprise-B2B-Segment ist das bei uns ja genauso, wenn du lange Sales-Zyklen hast und wenn du auch irgendwie Ramp-Times hast von Leuten. dann tätigst du teilweise Investitionen 9, 12, 18, 24 Monate im Voraus. Gerade wenn du zum Beispiel international expandierst, in einen neuen Markt reingehst, den du erstmal aufbauen musst, den du erstmal knacken musst, wo du Leute rekrutieren musst, Pipeline aufbauen musst. Das heißt, auch hier sind jetzt viele Unternehmen, die eben nicht gut aufgestellt sind, gucken sich das jetzt sehr genau an und fragen sich, hey, ist das ein Investment und auch ein Investmenthorizont, den ich mir leisten kann. Und das führt dann natürlich dazu, dass diese Future Highers, also du higherst ja quasi immer sozusagen nach vorne, also fährst ja nicht auf Sicht, sondern higherst quasi in Antizipation eines Wachstums oder eines bestimmten Zustandes, auf dem du dann hoffst und wettest. Wenn diese Wette eben nicht mehr umsonst ist, sondern Geld kostet, und das ist ja genau das, was jetzt passiert, die Wette kostet Geld, entweder im Sinne von Wenn du ein realwirtschaftliches Unternehmen bist und du musst eben Geld aufnehmen, leihen, Anleihen rausgeben, Zinsen darauf zahlen, dann überlegst du halt zweimal, ob Wetten, und das ist ja das, was ich gemeinte, diese gut alten Prinzipien, in denen du zweimal überlegst, hey, ist die Wette das wert? Das hat halt der Markt stark verlernt in den letzten zehn Jahren. Was by the way auch Ein ganz wichtiger Punkt ist auch für viele Zuhörer, der jetzt sozusagen bei der Transformation zu bedenken ist, weil ich sage immer so ein bisschen ketzerisch, die gesamte Generation, ich sage jetzt mal so dein und mein Alter, so mehr oder weniger, sind alles Leute, die ja nie in einem anderen Markt gelernt haben zu operieren. Die Leute, ich sage jetzt mal vielleicht so plus minus bis 40, Anfang 40, die letzten 10, 15 Jahre nach ihrem Studium oder nach ihrer ersten Gründung, im Markt unterwegs sind, kennen ja nur einen wachsenden, aufsteigenden Markt, in dem Kurse wachsen, Bewertungen hochgehen, Kapital verfügbar ist und so weiter und so weiter, Finanzierungsrunden hoch sind. Sie haben halt nie gelernt, und das ist auch gar nicht negativ gemeint, du kannst hochintelligente Leute haben, die sozusagen intellektuell verstehen, die Zeiten sind vorbei, aber sie haben trotzdem nie gelernt, anders zu operieren. Das ist so, glaube ich, ein ganz wichtiger Tipp auch für alle, ob das jetzt wie groß ein Unternehmen ist oder klein ist, ihr müsst halt der Organisation diese Zeit geben. Es ist nicht einfach nur hier ein Slide zeigen, guck mal, alles scheiße auf der Welt und die Welt brennt und jetzt müssen wir alles ändern, sondern es dauert halt eine Zeit, wie mit jedem Change Management. Menschen müssen lernen, was heißt das denn ganz konkret für mich? Was heißt das denn ganz konkret für mein Team? Welche Entscheidung treffe ich denn anders? Wie hat sich das Entscheidungsframework verändert? Warum kann ich das und das nicht mehr tun, was ja gestern noch komplett fein war? Warum muss ich jetzt mit weniger Headcount das Gleiche schaffen? Das ist halt nicht so leicht, die Gründe zu kriegen.

Joel Kaczmarek: Ja, ist echt ganz interessant. Ich habe auch gerade an so ein Bild gedacht, irgendwie ein Schiff, was auf dem Meer siegelt. Wenn ein Sturm kommt, machst du es halt seefest und dann nimmst du halt die Sachen, die rausragen, ziehst da irgendwie ein und machst irgendwie eine Plane drüber. So ist das ja so ein bisschen vom Bild. Von daher ganz plausibel.

Boris Lokschin: Ja, aber stell dir vor, du hast ein Schiff und du hast Matrosen, die noch nie schlechtes Wetter gehabt haben, die immer nur mit dem Rücken und bei Sonne gesegelt sind. Und die müssen jetzt irgendwie trotzdem überleben. Das ist schon, glaube ich, ein super wichtiger Punkt. Also von daher, ja, dass Entwickler da freigesetzt werden. Ich meine, das ist natürlich bei Startups nochmal ein anderer Effekt, weil du auch zum Beispiel vermeiden möchtest, dass du irgendwelche Downrounds machst. Das höre ich jetzt irgendwie ganz häufig in der Szene, dass Unternehmen gar nicht jetzt weil sie entlasten müssen, sondern weil sie einfach sagen, hey, ich habe eigentlich bisher den Zyklus gehabt, in dem ich eigentlich konfiguriert war darauf, alle 18 bis 24 Monate Geld zu raisen, mit immer höheren Bewertungen, was natürlich dazu führt, dass Leute, die bei deiner Company sind, die Anteile halten, ja, dass ihre ESOPs irgendwie einen Wert gewinnen und so weiter. Wenn das nicht mehr geht oder wenn ich nicht sicher bin, dass ich das machen kann in den nächsten 12 bis 18 Monaten oder es machen kann in einer guten Finanzierungsrunde mit einer wachsenden Wertung und ich vermeiden möchte, dass meine Bestandsleute irgendwie alle sauer sind, weil ihre Share-Teile nur die Hälfte wert sind, was mache ich dann? Ja, dann mache ich doch lieber Folgendes, ja, dann sehe ich zu, dass ich nicht Geld raisen muss oder dass ich entscheiden kann, wann ich das tue und zu welchen Terms ich das tue. So, das heißt also, so diese Startup-Scale-Up-Landschaft hat nochmal ein paar andere Regeln, ja, die vielleicht sich unterscheiden so von der Art und Weise, wie Corporates agieren, die dann wiederum sehr, sehr schnell eben dabei sind, irgendwie alles sofort zu schneiden und für die gilt eben das, was ich vorhin gesagt habe. Guck mal ganz genau drauf, erinnere dich mal, ja, kurz Headless-Chicken-Modus ausschalten, Mal kurz überlegen, warum habe ich denn überhaupt diese digitale Initiative gestartet? Habe ich sie aus Luxus gestartet oder aus Notwendigkeit? Und wenn der initiale Grund Notwendigkeit war, der wird ja nicht weggehen. Wenn du vorher eine Destruktionsangst hast, wenn dein Modell vorher erodiert ist, wenn deine Margen vorher eng waren, dann werden sie in den nächsten zwei, drei Jahren nicht besser werden. Dann ist es eher ein Zeichen, woanders zu sparen, woanders zu cutten und bei den Themen halt einen Double Down zu machen.

Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, insgesamt, was ich auch so wirklich mitgenommen habe, war, dass viele VCs sich das auch angucken und sagen, ganz so schlecht ist manchmal gar nicht, jetzt auf der Startup-Seite wieder gesprochen, weil man halt so die verrückten Wetten irgendwie einstellt. Also die Experimente werden irgendwie mehr auf Machbarkeit sozusagen hin optimiert und die Zeitachsen vielleicht auch so ein bisschen optimiert und angepasst. Aber lass uns auch nochmal zurückgehen auf das, was du gerade gesagt hast. Das ist eigentlich, ich mir die Frage stellen muss, das, was ich da so digital am rumhampeln bin, ist es für mich wirklich sozusagen essentiell als Überlebensfaktor, weil mein Geschäftsmodell irgendwie eine Halbwertszeit hat, die sich dem Ende nähert oder ist es ein Luxus? Was ist denn so die Strategie, nach der du dann irgendwie handeln würdest, je nachdem, ob es Fall A oder Fall B ist?

Boris Lokschin: Naja, wenn es Luxus ist, ist relativ klar. Wenn es Luxus ist und du keine andere Option hast, dann gehst du einfach durch alle Programme in deinem Unternehmen und schaust dir an, wo kannst du irgendwie mehr Produktivität und Effizienz rausbekommen und wo kannst du dich in eine Situation bringen, in der du eben wenig abhängig bist von externen Faktoren, wie zum Beispiel Finanzierung und Co. Wenn natürlich nochmal gerade im produzierenden industriellen Segment unterwegs bist, gibt es ja momentan auch sehr viele Risiken, die überhaupt nicht zwangsläufig finanzwirtschaftlich getrieben sind, sondern sowas wie Supply Chain. Da vermerkst du, Ich kriege meine Ware nicht aus China oder ich kriege meine Rohstoffe nicht. Oder ich kriege sie, aber die sind so exometern teuer, dass ich sie nicht verarbeitet bekomme und sozusagen für den Preis, den ich am Markt vereinbart habe. Viele B2B-Unternehmen, was ja auch Stärke normalerweise ist, leben ja von langfristigen Preisbeziehungen. Das heißt, es ist ja kein Optionsgeschäft oder kein volatiles Business, sondern du hast auf Jahre hinweg mit Kunden häufig Preise abgestimmt. Das heißt also, wenn sich da unten drunter deine Kosten massiv ändern, dann hast du erstmal große Schwierigkeiten. Du kannst dann nicht einfach wieder zurück zum Markt gehen und sagen, so liebe Kunden, das kostet euch jetzt das Dreifache, weil dann sagt der Kunde, ja, aber in guten Zeiten hast du mir auch nicht irgendwie den Preis gesenkt. Das heißt, da hast du erstmal ganz, ganz andere Themen. Von daher, die Seite mal kurz außen vor. Aber ich glaube, die Grunderkenntnis ist, wenn es eine Notwendigkeit ist, dann musst du gesund investieren. karten ja gesund schrumpfen ja und weil man kann es halt nicht mehr krank wachsen sondern ist halt die frage welche strategien es dazu gibt. was ich da empfehlen kann ist ganz ganz stark und bei den meisten werden ja gerade personalkosten der größte block sein und das ist ja auch noch mal so ein effekt der letzten jahre dass das digital talent ja einfach exorbitant teuer wurde und zwar über alle berufsberufe hinweg. ja entwickler sowieso sales marketing die eigentlich so ziemlich jeden digital kompetenz da können wir alle nicht von singen. das Pirale hat sich ja dann mega irgendwie in den Himmel gedreht. Was vielleicht auch ganz gut ist, dass da jetzt so ein bisschen Heat aus dem Markt rausgeht. Aber da muss man, glaube ich, sehr, sehr stark darauf gucken, ist das Team oder sind die Leute, die ich habe, Capability oder Capacity. Und was man da merkt ist, das habe ich irgendwie sehr, sehr schön gemerkt, ich war im Napa Valley bei einem unserer Investoren auf so einem Portfolio-Day. Da waren auch die Gründer von Netflix und von Paladin und der Gründer hier, der Reed Hastings von Netflix, der hat ein sehr schönes Buch geschrieben, wo auch die Netflix-Kultur quasi beschrieben wurde und der hat dieses Konzept von Talent Density sehr, sehr gut erklärt. Wo die in einem der vorherigen Downturns im Markt auch gezwungen waren, Kosten zu reduzieren und dann eben Leute rausgenommen haben, die nicht zur Talent-Intensity beigetragen haben. Und siehe da, trotz weniger Leute war die Produktivität höher. Das ist natürlich genau jetzt der Zeitpunkt, sich auf Produktivität und Effizienz zu besinnen. Also gar nicht jetzt auf stumpfes Cutten, also jetzt nicht einfach so diese blödsinnigen Corporate-Maßnahmen, hier 10% Leute raus, ja, so mit der Schere, zack, rasieren, sondern smart sich das anschauen, ja. Wer im Team ist eher ein Capability-Träger? Wer macht uns schlauer, besser, schneller? Und wer ist eigentlich ein Capacity-Higher? Und auch wenn das ein bisschen hart klingt, In den meisten Unternehmen haben sich in den letzten Jahren, weil Geld umsonst war, weil man geneigt war, jedes Problem mit Headcount und mit Boni und Co. zu lösen, haben viele Unternehmen sehr, sehr viel Capacity aufgebaut. Was so viel heißt wie, ja, kommt noch ein Developer mehr, noch ein Sales Rep mehr, ja, noch irgendwie einer mehr im Marketing, der noch eine Kampagne irgendwie schmeißt, ja. Anstatt eben sich sehr genau zu überlegen, sind Sie oder derjenige, also alle diese Personen eben wirklich neue Fähigkeiten, neue Dinge, die wir vorher nicht gekonnt haben. Und das ist jetzt ein guter Zeitpunkt, sich genau die Capacity-Hires anzugucken und zu überlegen, was macht man mit denen? Wie viel tragen sie wirklich nach vorne raus zur Wettbewerbsfähigkeit, zur Produktivität, zur Wertschöpfung, zur Effizienz bei? Und ich glaube, da muss man, das ist, glaube ich, ein erster Punkt, check for talent density, check for, was ist eigentlich ein AAA-Player für uns? Was ist Capability versus Capacity? Und fang nicht irgendwie an, sinnlos und wahllos irgendwie Leute rauszuwerfen.

Joel Kaczmarek: Ich war gerade im Begriff dich zu fragen, was ist denn so dein Seismograph, um das eine vom anderen zu unterscheiden? Also wie legst du denn für dich fest, ob jetzt jemand eher Ballast ist oder derjenige, der in besagtem Sturm die Seile halt festigen kann?

Boris Lokschin: Also in unserem Fall ist es vielleicht in Anführungszeichen ein bisschen einfacher, weil wir grundsätzlich natürlich immer darauf gucken, dass wir Capability highern und das irgendwie immer gechallenged haben. Von daher kann ich das vielleicht schlechter in unserem Beispiel machen, aber ich sehe es bei vielen unserer Kunden, Ist das jemand, der nochmal eine neue Fähigkeit im Bereich, weiß ich nicht, eine neue Programmiersprache betreibt? Ist das irgendwie jemand, der tiefes Architekturverständnis hat, der irgendwie komplexe Sachverhalte lösen kann? Oder ist das einfach jemand, der yet another Developer ist? Ist das jemand, der irgendwie neue Marketingtechniken beherrscht? Und wenn diese Person weg ist, ist diese Capability weg. Es gibt einfach keinen anderen, der so gut LinkedIn versteht oder so gut Google AdWords versteht oder der so smart, ROI-optimiert diese Kampagnen steuern kann. Oder ist es einfach jemand, der 15. Kampagnenmanager, den wir haben, der sozusagen das 0 auf 15 der Tools beherrscht, ja, ist das jemand, der irgendwie schlau Dinge in Verbindung miteinander bringen kann, ja, der Content schreiben kann, ja, der irgendwie sinnvoll ist oder der einfach nur irgendwie aus dem Skript das irgendwie in Texte irgendwie umwandelt, ja. Also ich glaube, es kommt sehr stark auf den Beruf an, das wird natürlich dann für Ingenieursberufe und andere dann genauso gelten. Da können wir, glaube ich, eine eigene Folge nochmal zu machen, was so Capability versus Capacity heißt und wie man das irgendwie schon im Einstellungsbereich Stellungs- und dem Probation-Prozess abfängt, vielleicht die nächste Folge, aber ich glaube, das ist einfach super wichtig, dass man da jetzt in jetzigen Zeiten extrem drauf guckt, so als erster Punkt. Als zweiter Punkt, ROI, als Return on Invest, ich glaube, was super wichtig ist, ist, sich sehr genau zu überlegen, welche Initiativen habe ich als Unternehmen laufen, im Sales, im Marketing, in der Produktentwicklung, in der sozusagen Go-To-Market-Organisation? Und welche davon haben welchen ROI-Zeitpunkt oder welche ROI-Erwartung? Und sich zu fragen, was kann ich mir eigentlich leisten? Sind Initiativen, die 18, 24, 36, 48, manchmal 50 oder 60 Monate brauchen, um vielleicht erfolgreich zu sein? Ist das ein ROI-Horizont, der jetzt tragbar ist? Oder muss ich eigentlich Initiativen vielleicht aufgrund des Zeitpunkts des ROIs auch mal bewerten, kritisch und sagen, okay, in der jetzigen Lage muss ich mehr auf Sichtfahnen steuern und deswegen kann ich mir nur erlauben, Feature, Produkte, Marketing, Sales-Initiativen zu haben, die eigentlich den Pay-Off haben von nicht später als in 12 Monaten oder nicht später als in 18 Monaten. Und das ist natürlich gerade für große Unternehmen wichtig. Das sehen wir auch in den Gesprächen, die wir mit unseren Kunden haben, die unsere Partner mit den Kunden haben, die teilweise nach wie vor all das, was wir ja schon in ganz vielen Folgen behandelt haben, über Agilität, über Scope, Steuerung, über MVP-Approaches und Co., die das immer noch nicht verhindert haben, die immer noch auf viel zu großen, viel zu teuren, viel zu langen Initiativen sitzen und hocken. Projekten, die einfach unendlich lange brauchen, wo überhaupt irgendeine Validierung am Markt zu erfahren, das ist natürlich jetzt mal wieder ein Zeitpunkt, in dem das halt hart gechallenged wird. So, wo man sich ganz stark fragen muss, so ähnlich wie bei Corona damals auch, kann man das Ding nicht wirklich jetzt in den nächsten drei Monaten live bringen? Muss das wirklich neun dauern? Schiebe ich dieses Feature jetzt wirklich an, wenn ich eigentlich zwei Jahre Entwicklungszeit dafür veranschlage und dann muss ich ja noch zwei Monate, drei Monate am Markt validieren? Oder schiebe ich die Ressourcen nicht lieber auf die Dinge, die ich jetzt schon irgendwie vor der Flinte habe? Also ich glaube, ROI, Betrachtung, super wichtig bei allen Initiativen. Entwicklung, Sales, Marketing und Co.

Joel Kaczmarek: Ich habe auch gerade darüber nachgedacht, als wir eben über Capacity versus Capability geredet haben, ob das dazu führen könnte, dass sich die Unternehmen weniger stark auf Scale, auf Wachstum, auf Quantität konzentrieren, sondern mehr auf Qualität. Dass man sagt, die experimentellen Zöpfe werden abgeschnitten und dafür gehe ich mehr auf mein Core-Produkt und wie ich da Wertschöpfungen bauen kann. Aber nach dem, was du gerade gesagt hast, dachte ich eher so, naja, wahrscheinlich auch eher so ein Mix, weil wenn du eigentlich sagst, okay, ich mache Core-Business, muss sozusagen umsatznah orientiert denken jetzt, aber schnell eigentlich trotzdem im Tempo bleiben, dann ist das wahrscheinlich gar nicht so, dass man jetzt unbedingt Qualität optimiert, sondern eigentlich eher Core-Modell, aber das mit Geschwindigkeit voranbringt. Oder ist das eine sinnvolle Hypothese?

Boris Lokschin: Das ist eine sinnvolle Hypothese und wie gesagt, das hat ja auch viel damit zu tun, was ich vorhin gesagt habe, Luxus oder Notwendigkeit. Wenn ich Druck habe, wenn der Grund für meine Initiativen Disruptionsangst ist oder sozusagen Bedeutungsangst im Markt oder Margendruck, Und ich deswegen ja, wie in vielen anderen Folgen ja schon besprochen, in der Portfolio-Strategie anfange, verschiedene Wetten zu platzieren. Dann ändert sich ja erstmal daran nichts. Das Einzige, was sich daran ändert, ist, dass ich nochmal diese Wetten reviewen muss. Das kann gut sein, dass ich noch nicht diejenige Wette gefunden habe, die eine Save-Wette ist. dass ich trotzdem experimentelle Wetten eingehen muss. Ich muss sie aber noch schneller validieren. Ich habe noch mehr Druck, das Ding schneller zu identifizieren, welche davon fliegen und welche nicht. Ich habe noch mehr Druck, sicherzustellen, dass ich schnell Feedback vom Kunden bekomme und nicht irgendwie unendlich lange darauf warten muss. Also klar, wenn ich den Luxus habe, meine Safe Bets gefunden zu haben und mich so ein bisschen auf die zurückziehen kann, for the time being, super. Aber viele Unternehmen, die da draußen Digitalvorhaben steuern, haben ja, wie wir mit dir auch schon einige Male besprochen haben, das häufig verschlafen. Also sind ja schon hinterher. Und der Markt verzeiht das jetzt nicht. Der Markt gibt denen ja nicht mehr Zeit, sondern es wird trotzdem jemanden geben, der in ihrer Nische, dem das Wasser abgräbt, der aus der Marge, die sie haben, eine Business Opportunity sieht, der vielleicht schlanker aufgestellt ist, digital nativer aufgestellt ist, der besser durch die Zeit kommen kann. Und diese Gefahr ist ja nicht gebannt, die ist ja nach wie vor da.

Joel Kaczmarek: Und was wären so die KPIs, auf die du jetzt optimieren würdest, wobei wir eher von dem zweiten Fall reden, also Notwendigkeit, nicht Luxus? Würdest du eher auf schnellen Umsatz gehen? Würdest du eher auf so etwas wie Retention gehen? Würdest du eher auf so etwas gehen wie Produktzufriedenheit? Also was ist jetzt so die KPIs, die ich am ehesten aus Geschäftsmodell-Sicht optimieren sollte?

Boris Lokschin: Ja, ich meine, am Ende ist halt die Frage, du hast ja zwei Möglichkeiten. Du hast ja sozusagen einmal Revenue und einmal Kost, die du steuern musst. Die Frage ist, was ist sozusagen dein größeres Problem? Viele Karten kosten, obwohl das vielleicht gar nicht sinnvoll ist. Vielleicht ist die bessere, schnellere Opportunity, die dir auch beim Signaling hilft, die dich als Unternehmen jetzt nicht unattraktiver macht als Arbeitgeber. mehr Umsatz zu generieren oder sozusagen den Umsatz so zu generieren, dass du diese Kosten irgendwie im Griff hast. Ich würde damit anfangen, mich fragen, wenn ich natürlich auf Initiativen sitze, wo ich keine Chance habe, in diese Umsatzerwartung schneller zu kommen und vielleicht sogar eine sehr große Unsicherheit habe, ob ich überhaupt in diese Umsatzerwartung komme, weil auch meine Kunden vielleicht gerade irgendwie vorsichtiger agieren und vielleicht gerade weniger experimentierfreudig sind oder vielleicht eher über ihren traditionellen Weg bei mir meine Ware bestellen wollen. Dann muss ich an die Kostenseite ran, was natürlich immer die schlechtere Variante ist. Wenn ich die Chance habe, würde ich immer die Revenue-Seite bevorzugen. Ich würde immer sagen, weil das ist ja nachhaltig nach vorne raus agiert. Du hast ja dann Zugang aufgebaut, Marktanteil aufgebaut, du hast ja Validierung geschaffen für dein Modell. Die Frage ist natürlich immer, wie viel Risiko willst du halt fahren? Das ist ja das, was ja gerade im Markt so schwer zu bewerten ist. Reden wir hier von sechs Monate Durststrecke oder von drei Jahren richtig, richtig, richtig tiefes Teil der Tränen. Und nicht jedes Unternehmen hat sozusagen das Potenzial, beide Wege zu gehen. Aber am Ende ist das natürlich im Unternehmertum oder auch auf Management, ist ja genau das mit sozusagen durch Unsicherheit hinweg durchzumanagen. Das ist ja genau die Fähigkeit, die jetzt gefordert wird.

Joel Kaczmarek: Und hast du so klassische Zöpfe, die du abschneiden würdest? Also wir haben jetzt irgendwie viel darüber geredet, wenn man im Sinne von Kosten kürzen denkt, dass man an Mitarbeitende als erstes rangeht. Gibt ja aber durchaus auch noch andere Faktoren. Also ich habe gerade so an Beratung lustigerweise gedacht, deswegen kam ich so drauf. Wie siehst du das? Also Kosten sind ja nicht gleich Kosten. Es kann ja Kosten geben, die nach vorne gerichtet ausgerichtet sind, aber auch welche, die das nicht sind. Hast du da so eine?

Boris Lokschin: Das sind ja erstmal sozusagen sogar noch mehr Faktoren. Das eine sind ja Kosten, das andere ist ja Cash. Beides muss ja nicht immer Hand in Hand gehen. Also die Frage ist auch, was für ein Problem hat jemand? Hat jemand ein Kostenproblem, also wirklich sozusagen ein P&L wirksames Problem, dass du sozusagen zu dick auf der Kostenseite aufgestellt bist, dass deine KTIs, Metriken schlecht sind, dass vielleicht du da auch irgendwie Insolvenzthemen hast und Co. Oder hast du eigentlich nur ein Cash-Problem, was ja man lösen kann. Man kann es lösen durch Pre-Payments von Kunden, man kann es lösen durch später Zahlen, durch Nachverhandeln mit seinen eigenen Lieferanten. Das sind ja so Dinge, die man relativ schnell in den Griff bekommt. Das merke ich auch bei großen Unternehmen, die wir zusammenarbeiten. Das Erste, was so börsennotierte Unternehmen machen, ist, sie fangen an, Zahlungsziele zu verschieben und sagen, okay, nichts mehr mit net 30 Tage, so jetzt net 90 Tage, net 120 Tage, ne? Das ist natürlich erstmal easy für die. Also einfach die gleiche Leistung bekommen, später bezahlen. Wunderbar. Sich einfach Zeit gekauft auf Kosten von anderen. Und das gleiche Thema bei dem, wie du Geld irgendwie ausgibst oder einsammelst. Also ich glaube, da muss man unterscheiden. Habe ich ein Cash-Thema, dann gibt es andere Mechanismen. Ich kann auch verhandeln. Ich muss vielleicht nicht entscheiden, ob ich eine Messe mache oder nicht. Ich kann aber entscheiden, mit dem Messeveranstalter verhandeln und sagen, oder mit, keine Ahnung, ob ich jetzt eine Werbung bei dir schalte. Ich kann sagen, Joel, ich mache die Werbung jetzt, aber ich bezahle dich im Februar. Findest du vielleicht gar nicht komisch, aber sagst halt trotzdem, mache ich und hoffst und vertraust darauf, dass du das Geld bekommst. Man muss da auch smart agieren, weil genau dieser Blickwinkel wird halt häufig vergessen. Was machen die Leute dann? Sie cutten dann ihr ganzes Marketing, sie cutten ihren ganzen Sales und das sind ja Dinge, die zeitversetzt funktionieren, die mit vier, fünf, sechs, neun Monaten Zeitversatz Effekte haben. Wenn ich sie jetzt drei Monate katte, katte ich sie nicht um drei Monate, sondern ich verschiebe sie auch entsprechend um diesen Zeitversatz. Das Gleiche mit Einstellungen. Wenn ich sicher bin, ich brauche diese Leute. Wenn ich einen Auftrag unterschrieben habe für eine Lieferung oder für eine Fertigung oder für ein Digitalprojekt als Dienstleister und ich weiß, das startet am 1.1. und ich brauche die Leute dann, kann ich natürlich jetzt sagen, stelle ich nicht ein. Aber dann habe ich genau das Problem, am 1.1. kann ich halt nicht liefern. Das heißt, ich kann keine Rechnung stellen und so weiter. Dann schiebt sich das halt alles. Also ich glaube, ich muss unterscheiden zwischen Kost und Cash-Impact. In beiden Fällen habe ich natürlich meistens auch einen großen Block an Non-Personal Spend, also irgendwie Ausgaben, die in Marketing fließen. in Messen fließen, in Kundenakquise fließen. Ich kann natürlich in irgendwelche Tools fließen, die man selber nutzt. Ich glaube, das tut jedem Unternehmen gut, da auch mal einen Frühjahrsputz zu machen. In jedem Unternehmen sammeln sich immer irgendwelche Zombie-Lizenzen an, die man gekauft hat, die nicht nutzt, Mitarbeiter, die schon längst raus sind, die teilweise redundant sind, wo drei Teams, jeder sich ein Projektmanagement-Tool anschaffen oder einen Taskmanager. Das ist natürlich jetzt gute Gelegenheiten da mal durchzugehen, zu straffen, anzuschauen, was gibt man denn sonst irgendwie aus, was jetzt nicht kritisch ist oder wo man eben mit seinen Partnern auch ins Gespräch gehen kann und sagen kann, okay Leute, zu, ich möchte gerne dein Tool weiter nutzen, aber ich muss später bezahlen oder ich brauche hier nochmal einen Discount oder ich brauche hier nochmal andere Terms, vielleicht auch temporär, weil am Ende des Tages hängt ja immer alles miteinander zusammen. Die Wirtschaft ist ja so eng verflochten, die Risiken jetzt nur auf einen Akteur auszulagern, wird halt nicht funktionieren. Wenn Wenn alle unflexibel sind, dann werden auch alle ein Problem haben. Das heißt, es ist schon so ein bisschen Flexibilität gefragt und da muss halt jeder für sich challengen und gucken, was kann ich halt machen. Es gibt Unternehmen, denen tut es vielleicht gar nicht so weh, auf der Zahlungszielseite dir eine Vorauskasse zu geben und dir tut es vielleicht nicht so weh, auf dem Gesamtprojektbudget einen Discount zu geben. Das heißt, derjenige hat einen Kostvorteil, also einen P&L-Impact sozusagen. weniger Kosten für das Projekt, hat dir dafür aber eine Vorauskasse gezahlt. So, dir ist geholfen, weil du vielleicht ein kleines Unternehmen bist und der Unternehmung ist geholfen, weil es für 10% günstiger einkauft hat, als bisher geplant. Also da muss man einfach ein bisschen kreativ sein. Und ich glaube, eine Sache, und das ist so die gleiche Erinnerung, die ich auch habe aus der Corona-Zeit ist, Einfach reden mit den Leuten. Einfach reden. Und das meine ich in beide Richtungen. Die ersten, die sich zur Corona-Zeit bei uns damals gemeldet haben, also bei Client Spiker, waren alle unsere börsennotierten Kunden. Ironischerweise, die Kapitalstärksten waren die ersten Procurement-Abteilungen, Vendor-Manager, die bei uns angerufen haben. Wo du gedacht hast, du rufst jetzt bei mir an und fragst nach einem Aufschub für eine Zahlung. Ich müsste bei dir anrufen und fragen nach einem Vorschuss. Also einfach reden mit den Leuten. Und es hat damals zu Corona-Zeiten, glaube ich, gut funktioniert. Ich glaube, gerade so Start-up-Scalers kann ich das nur raten. Sucht den Dialog, fragt, verhandelt. Fragt euch, was euch mehr hilft, was euch mehr wehtut. Da geht mehr, als man glaubt.

Joel Kaczmarek: Und sag mal, was du gerade angesprochen hast, ich erinnere mich auch an das eine oder andere Telefonat mit irgendwie unglücklichen Marketingmanagern, die dann zu mir meinten, ja, was wir gerade cutten, wird mir in sechs bis neun Monaten auf die Füße fallen und dann werden meine Vorgesetzten am Kotzen sein und ich werde es ihnen erklären müssen. Was ist denn deine Haltung zum Thema Wachstum jetzt gerade? Weil ich meine, der Titel war ja gesund schrumpfen versus krank wachsen. Du kannst ja hingehen und kannst sagen, also wir haben jetzt viel über Cost und Revenue geredet und lass uns doch mal die Revenue-Achse nochmal betrachten. Bist du jemand, der sagt, ich würde trotzdem auf irgendwie Umsatzwachstum optimieren oder bist du eher auf Sicherheit? Also du hast die Antwort schon gegeben, als du vorhin meintest, immer Umsatz, aber lass uns das mal nochmal vertiefen.

Boris Lokschin: Auch hier, man muss ein bisschen differenziert sehen, je nach Konfiguration. Also ich glaube, erstmal wichtig ist ja, das Wachstumswillen ist ja jetzt ja nicht Die Zauberformel. Warum steckt denn in den Köpfen von den meisten Leuten Wachstum? Auch das ist ja quasi jetzt ein Relikt der letzten 10, 15 Jahre, weil eben die meisten Bewertungen, die meisten Multiples ja alles Wachstumsmultiples waren. Sozusagen Future Discounted Cashflows. Gerade im Softwarebereich hast du sozusagen Recurring Revenues und dann wird ja sozusagen auf diesen Das hat ja mal angefangen mit, was hast du heute für ein EAA? Dann ging es später, was hast du in den nächsten zwölf Monaten für ein EAA? Was hast du in den nächsten 24 Monaten für ein EAA? Was hast du in fünf Jahren für ein EAA? Und das wurde ja immer verrückter. Die Leute haben ja quasi verrückte Bewertungen für Wachstum, für Umsatzwachstum gezahlt. Teilweise eben so sehr, dass alles andere egal war. Wir kennen ja auch in der deutschen Startup-Szene, glaube ich, alle diese Beispiele, wo Unternehmen sich auch Wachstum gekauft haben. Also egal wie über M&A, über Rabatte, Gutscheine und sonst irgendwas, wo du gesagt hast, hey, für einen Euro Wachstum hast du jetzt hier zwei Euro Marketing-Spends. Ist nicht sustainable. Ja, ja, ja, kümmern wir uns später drum und drehen wir und eigenmarken und was weiß ich alles und Effizienzprogramme. Und das ist halt nicht mehr. Also der Markt gibt dir den Credit für reines Wachstum halt nicht mehr. Weder im Start- und Scale-Up-Bereich, noch im normalen Corporate-Bereich. Der Markt ist momentan so und vorausschaulich die nächsten paar Jahre so, dass der Markt eben gesundes Wachstum möchte. Und gesundes Wachstum heißt, dass Leute auch auf andere Unit Economics gucken, auf Gross Margin schauen, auf ihre Kundenakquisitionskosten schauen, auf Payback und Lifetime Values schauen, auf Bookings schauen, also wie viel Geld braucht man. Bekommen sie wirklich auf irgendwie Risiken schauen, Churn schauen und so weiter und so weiter. Und ich glaube, die Balance zu finden, das ist, glaube ich, jetzt sozusagen die entscheidende Kunst. Ich glaube, jeder Investor wird trotzdem, wenn du ein gesund wachsendes Unternehmen bist, wirst du immer Premium Asset sein. Wenn du aber nur ein Wachstumsunternehmen bist, wirst du halt kein Premium Asset sein. Das geht im Corporate-Bereich genauso. Also einfach so zu wachsen und dann zu sagen, ich habe jetzt statt 10% Marktanteil 15%, aber habe sozusagen Cash-Reserven verbrannt bis zum Gehtnichtmehr. Das wird wahrscheinlich momentan dir dein Manager nicht mehr freizeichnen, sondern sagen, okay, Joel, review mal bitte deine Investitionsprojekte. Guck mal, was hat ein ROI von 12 bis 24 Monaten? Lass uns mal statt 8 experimentelle Wetten vielleicht 3 machen. Lass uns mal schauen, wie im Team haben wir wirklich Capability ist. Lass uns mal gucken, wie viele Parallele wetten wir eingehen in Marketing, Sales versus Sequenzielle. Lass uns mal ein bisschen zurück zu Basics, Data-Driven. Auch mal auswerten die Kampagnen und nicht einfach nur irgendwelche neuen Kampagnen entscheiden. Das wird wahrscheinlich jetzt eher der Punkt sein. Also dieses Gesund wachsen und nicht mehr krank wachsen, so das, was ich eigentlich damit gemeint habe, in der Hoffnung auf die Zeche zahlt jemand anders später, das ist glaube ich nicht mehr.

Joel Kaczmarek: Lass uns nochmal über Risikobereitschaft sprechen, weil ich habe, als du vorhin mit deinen Maßnahmen anfingst und dann gesagt hast, ja man könnte ja mal irgendwie mit seinen Lieferanten verhandeln, dies und das und jenes machen, habe ich als gedacht so, oh es kommen bestimmt auch gleich Kredite oder so als Thema. Die sind jetzt natürlich gerade sehr, sehr teuer, muss man fairerweise sagen und wahrscheinlich werden sie vielfach nicht vergeben, aber ich denke gerade darüber nach. Was für eine Risikohaltung man jetzt eigentlich empfehlen sollte, weil man kann ja durchaus auch sagen, es gibt ja Verfechter, die sagen, in der Krise antizyklisch handeln, hast du das höchste Gewinnpotenzial, hast du da irgendwie so eine Karte für dich, wenn ich da bin, dann könnte sich ein Risikoprofil, was hoch ist, empfehlen und wenn da, dann eher nicht?

Boris Lokschin: Also ich glaube grundsätzlich, was ja jetzt sozusagen, und auch das gilt wieder für alle, Großunternehmen, Startups, Scalers, was jetzt ja grundsätzlich passiert und passieren wird, ist, dass sich die Spreu vom Weizen trennt. Und das ist ja erstmal gut. Das heißt, die Modelle, die einfach hoch riskant waren, die betriebswirtschaftlich nicht validen Modelle, die Blender-Modelle, die einfach, wo Leute wie Lemminge investiert haben, die kommen unter die Räder. So, und das hat natürlich erstmal viele positive Effekte auch, ja, der Markt wird bereinigt, Kapital wird allokiert, sozusagen besser, smarter, ja, weil das Geld ist ja da, wird allokiert in die guten Gründer, in die guten Manager, in die guten Digitalinitiativen, in Corporates, ja, Leute stehen dem Markt wieder zur Verfügung, ja, jeder, der irgendwie geblendet war und irgendwelchen windigen Startups gejoint ist, ja, für crazy Shares und bei crazy Bewertungen, sieht halt, hey, das ist irgendwie alles Luft. Das heißt, es gibt mehr Digitaltalent, was man als Corporate hiren kann für seine Digitalunit oder was man als gutes, solides Startup mit einer guten Equity-Story hiren kann. So, das ist erstmal alles gut. Und ich glaube, zum Thema antizyklisch, wer smart ist, leveragt das. Wer smart ist, wir gehen jetzt auch raus und sagen, hey, der Markt ist jetzt etwas kühler, also sozusagen gehaltstechnisch. Der Markt hat mehr Talent jetzt im Markt, also wir haben eigentlich mehr Auswahl zu besseren Terms. Und wir sozusagen als stark wachsendes oder gesund stark wachsendes Unternehmen mit einer sehr guten Story, mit einer sehr guten Reputation, mit einem sehr guten Single-Link haben jetzt eigentlich eine bessere Lage, eine bessere Möglichkeit, Talent anzuziehen. Das wird für viele andere Unternehmen halt genauso gelten. Das heißt, das Credo ist nicht, wir investieren nicht, wir stoppen alles und ziehen den Kopf so ein bisschen straußmäßig ein und warten, sondern natürlich versucht man davon Gebrauch zu machen. Man versucht davon zum Beispiel auch im Bereich M&A Gebrauch zu machen. Viele gute Teams, die sehr frühphasig waren, die sehr experimentell waren, die keinen Market-Fit erreicht haben oder die den erreicht haben, aber große Schwierigkeiten haben, zu einer nicht verwässernden Bewertung vollgefinanziert zu werden, stehen jetzt zur Verfügung. Auch hier wieder für Startups, für Scale-Ups, für Corporates. Ja, das heißt, die Firmen, die man vorher sich angeguckt hat und gedacht hat, hey, das wäre eigentlich eine smarte Produktergänzung und ein smarter Equihire, die dir dann aber dann 50 Millionen aufgerufen haben bei irgendwie ein bisschen mehr als PowerPoint, wo du gesagt hast, Jungs, Mädels, ihr habt sie nicht mehr alle. Das Ding ist irgendwie vielleicht 5 Millionen wert, wenn es hochkommt. Und auch das ist schon mit Stretch. Und die dir dann gesagt haben, ja, aber wir haben hier Termsheets von 50 bis 70 Millionen auf dem Tisch. Das ist halt nicht mehr. Das heißt, auch da hat man eben einen besseren Zugang zu Assets, man kann leichter akquirieren, man kann leichter acqui-hiren, man kann leichter gute Leute, gute IP reinbekommen. All die Dinge, die so der Markt der letzten, ich sage jetzt mal so drei, vier Jahre insbesondere, super hart verzerrt hat, wo man sich gefragt hat teilweise, das ist nicht normal. Und da muss man antizyklisch handeln, da muss man sozusagen die Opportunity erkennen und sagen, okay, das Team kann ich jetzt gut bekommen, die IP kann ich jetzt, irgendwie kostengünstig schießen. Ja, den Experten kann ich jetzt heiern, weil der eben nicht mehr entscheidet zwischen überbewertetem Fake-Startup und irgendwie deinem soliden Unternehmen. Und die Opportunity sollte man nutzen. Also man sollte da in der Krise sozusagen einkaufen und sich eben mit Capability, mit IP auch eindecken. Weil man will ja nach vorne raus ja auch seine Zukunftsfähigkeit ja nicht nur erhalten, sondern man will sie ja auch idealerweise optimieren. Und es werden einfach Wettbewerbe aus dem Markt gehen, es wird Luft aus dem Markt genommen. Das ist erstmal gut. Und es ist auch erstmal gut, dass die Leute wieder rechnen lernen und auch sozusagen mal solide Wirtschaft lernen, weil du musst das ja so sehen. Es ist ja auch am Ende auch eine. Es ist ja nicht nur eine Frage von Investitionen. Du merkst ja auch, wenn du irgendwie als Unternehmen unterwegs bist und du fragst dich teilweise, wie kann denn dieses Startup oder wie kann dieser Wettbewerber so einen Preis anbieten? Das rechnet sich doch niemals, egal was das ist, für die Software, für das Produkt, für die Dienstleistung. Und genau diese Art von Luft wird natürlich jetzt auch ein Stück weit aus dem Markt genommen. Das heißt also, wir sind wieder zurück zu, das Playing Field ist so ein bisschen fairer, werden ein bisschen weniger dumme Wetten eingegangen, die ja dann runterkaskadieren von Investoren hin zu Investoren. Gründern hin zu sinnlosen Produkten, Services oder Preispunkten, die keinen Sinn machen. Und ich bin da schon ein sehr großer Believer, dass das am Ende sozusagen eigentlich wahrscheinlich einen positiven, reinigenden Effekt hat. Auch wenn es natürlich jetzt erstmal painful ist, weil was die Leute natürlich erstmal sehen ist, Kosten werden gecuttet, Werbung wird gekürzt, Leute werden entlassen. Ja, aber es ist halt sehr, sehr häufig eben auch Masse, die aufgebaut wurde in einem Environment, was einfach nicht mehr da sein wird. Und die, glaube ich, diejenigen, die das am schnellsten verstehen und auch verinnerlichen, die werden einfach diejenigen sein, die davon auch profitieren werden können.

Joel Kaczmarek: Letzte Frage vielleicht an dich. Wie stehst du zu dem Thema Signaling? Also ich habe darüber nachgedacht, wenn man halt anfängt, seine ganzen Lieferanten anzurufen und irgendwie Zahlungsziele zu verlängern, dann hast du ja auch mal ganz schnell im Markt so den Ruf weg, denen geht es schlecht, da ist Krise. Oder wenn wir das Thema Entlassung haben, ja, zack, peng, bist du in der Wirtschaftspresse. Wie würdest du dich da verhalten?

Boris Lokschin: Ja, ich glaube, das ist ein schweres Thema. Ich glaube erstmal grundsätzlich hast du als Unternehmer oder als Manager seine Nummer 1 Task und auch Nummer 1 Verpflichtung, das Unternehmen gesund zu halten. Sein Signaling wäre für mich immer sekundär. Ich würde mir jetzt ein wenig um irgendeinen Ruf Gedanken machen. Nie das Richtige nicht tun. Aus singeligen Gründen. Das ist einfach sehr, sehr dumm. Aber auch hier, ich muss natürlich überlegen, ich spiele halt in den meisten Fällen ja ein Long Game. Es ist ja nicht irgendwie auf zwei, drei Monate. Jetzt muss ich mir schon wie beim Schach so drei, vier Züge nach vorne überlegen, ob ich jetzt den Eindruck eines Distressed Assets irgendwie erzeugen möchte, um dann wieder irgendwie drei Monate später wie ein Verrückter wieder allein zu stellen und mich dann frage, warum habe ich das eigentlich so hart gemacht. Das hängt halt sehr stark davon ab, in welchen Situationen man ist. Es gibt Firmen, die, also ich habe auch im Umfeld irgendwie ein, zwei Unternehmer, die in einer wirklich schlechten Situation sind, die zum Beispiel gerade irgendwie im Sommer geplant hatten zu raisen und auch ihr Cash so geplant und gemanagt haben und die stehen dann wirklich mal sprichwörtlich sozusagen mit dem Gesicht vor der Wand. Da hast du dann nicht mehr so viele Handlungsoptionen, da musst du halt handeln. Da kannst du dir nicht hier so etwas hinter den Gedanken machen. Wenn du das Glück hast, dass du in einer Situation bist, in der du deine Zukunft selber steuern kannst, dann würde ich genau das machen, was ich vorhin gesagt habe. Capability versus Capacity, ROI, umbalancieren im Unternehmen und dann auch mit einer Story eher proaktiv kommunizieren. Wenn die Story eben heißt, okay, wir bleiben nicht irgendwie bei gleichem Headcount, aber wir gucken schon bestimmte Bereiche an, die vielleicht überdimensioniert waren versus andere, die unterdimensioniert waren. dann sollte man lieber das Narrativ selber ownen, bevor andere anfangen, irgendwas rein zu interpretieren. Wenn man die Entscheidung gefällt hat, und es gibt ja jetzt auch einige, die irgendwie, ne, Planer, Shopify und Co., die dann alle irgendwie sagen, hey, Pitch, ja, wir müssen einfach 10, 15 Prozent rausnehmen. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass das unternehmerisch da gut durchdacht war und dass das wahrscheinlich irgendwie die beste Option war, ja, von denen, die auf dem Tisch waren. Auch da, dann ist es besser, proaktiv zu kommunizieren und dann lieber einmal zu handeln als in so einer Salami-Taktik. Ich glaube, was halt super zernürbend ist, das merke ich auch bei einigen im Netzwerk, wenn halt so Management so im Chicken-Modus unterwegs ist und dann mal ein bisschen gecuttet und nochmal ein bisschen gecuttet und nochmal ein bisschen gecuttet und nochmal ein bisschen gekürzt. Das ist für die Menschen super zermürbend. Das ist super frustrierend. Das ist so, jeder hat die ganze Zeit Angst um seinen Job, um seine Position, um seine Shares. Wenn ihr was macht, dann macht das aus Überzeugung. Bringt euch in eine Situation, in der ihr eure Zukunft selbst in der Hand haltet. Dann ist erstmal gut. und nicht in so einer Salami-Taktik irgendwie. Und ja, ich glaube, Single-Link, man sollte schon so zwei, drei Schritte nach vorne denken. Also lieber hat man übersteuert als untersteuert, weil das ist sehr, sehr schwer. Es ist dann sehr, sehr schwer, im letzten Moment wieder noch mehr zu tun. So lieber hat man eine Situation, bei der man sagt, okay, ich habe jetzt irgendwie bestimmte Maßnahmen ergriffen, ich habe mit meinem Partner gesprochen, ich habe nachverhandelt, ich habe ein bisschen Geld geracet, ich habe vielleicht einen Lohn aufgenommen, ich habe vielleicht bestimmte Initiativen erst mal unter Review gestellt. Und dann stelle ich in drei Monaten fest, hey, ich kann doch wieder Gas geben, anstatt dass man in drei Monaten feststellt, verdammt, das hat nicht gereicht. und jetzt muss ich irgendwie noch härter ran. Dann hast du nämlich zweimal ein negatives Signalding und dreimal ein negatives Signalding und viermal ein negatives Signalding. Und ich weiß auch gar nicht, ob sozusagen, ich meine, das ist natürlich jetzt gerade so im Scale-Up-Bereich, ich verstehe schon, warum da Leute so negativ darauf reagieren, gerade wenn da über Personalverkürzung geredet wird. Aber ich glaube, ich weiß gar nicht, wer das geschrieben hat vor kurzem. Ich weiß gar nicht, ob es der Klöckner war. Viele der Wachstumsunternehmen sind natürlich auch im Wachstum getrimmt. Das muss schon allen klar sein. Natürlich werden dort Future-Hires gemacht. Natürlich hirten man dort Leute mit sechs, neun, zwölf, 24 Monaten im Voraus für neue Produkte, für neue Märkte, für neue Kundenkohorten. So, das dauert, das halt aufzubauen. Wenn die Wetten nicht aufgehen oder wenn man Zweifel daran hat, dass sie aufgehen, dann nimmt man halt da auch wieder ein bisschen Speed raus. Das darf man jetzt nicht unbedingt überbewerten. Ich glaube, wichtiger ist, ist das Unternehmen grundsätzlich sozusagen zum Erfolg fähig nach vorne raus? Es gibt jetzt auch irgendwie Signale oder Unternehmen im Markt, wo man sagt, okay, die werden es schwer haben, überhaupt wieder rauszukommen. Kennen wir auch alle. Der Geschäftsmodell war eigentlich nie glaubwürdig nach vorne raus. Und in einem Markt wie dem jetzigen wahrscheinlich erst recht nicht.

Joel Kaczmarek: Na gut, Boris, also wenn du sagst, du bist ein Believer und eigentlich ist das alles gut, wir drücken mal drauf, dass es gesundes Wachstum bald wieder mehr gibt und auch beim Schrumpfen sozusagen, dass es gesund ist und bleibt. Danke dir, war echt wieder krass geil, hohe Informationsdichte. Ich habe das sehr genossen und freue mich schon aufs nächste Mal mit dir.

Outro: Cool, danke dir. Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. Und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.

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